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Buchstabengeflüster

Bewertungen

Insgesamt 185 Bewertungen
Bewertung vom 15.08.2023
Das Licht im Rücken
Lüpkes, Sandra

Das Licht im Rücken


sehr gut

Lebendiger, etwas distanzierter Roman über Leitz

Das Buch beginnt 1914 direkt mit Oskar Barnack, der in Wetzlars Straßen zum ersten Mal ein Foto mit der Kleinbildkamera macht, die er erfunden hat. Ein Schwenk in den Konferenzraum der Firma Leitz, in der Oskar angestellt ist, mit Leitz dem Ersten und dem Zweiten. Weiterhin wird von Leitz‘ Tochter Elsie erzählt und dem gleichaltrigen Milan Gabriel und seiner kleinen Schwester Dana, deren Familie das „Haus der Präsente“ führt und später auch Fotos entwickelt. Schließlich stirbt Ernst Leitz der Erste und bald darauf werden nicht nur Mikroskope hergestellt, sondern auch Oskars Erfindung, die Kleinbildkamera. Das Geschehen in diesem Buch erstreckt sich insgesamt in den Jahren von 1914 bis 1945.

Der Schreibstil erzählt lebendig von den vielen Charakteren, die die Unternehmensgeschichte von Leitz begleiten. Doch dadurch wird auch viel im Geschehen umhergesprungen. Erhalten wir gerade Einblick in das Leben von beispielsweise Elsie Leitz, springt der nächste Abschnitt zu einem anderen Protagonisten und wir erleben Elsies Perspektive manchmal erst wieder Jahre später. Das hat es mir etwas erschwert, den Charakteren näher zu kommen und mitzufiebern. Geärgert hat es mich manchmal in spannenden Situationen, die erst viel später oder auch nur indirekt wieder aufgegriffen werden. Mit den Jahren erhält man jedoch einen guten Einblick in die unterschiedlichen Charaktere. So erscheinen die Erzählung und die interessanten Einblicke in das Leben der Protagonisten wie kurze Momentaufnahmen, wie die Fotos aus Oskars Kamera, und ergeben ein großes Ganzes, das ich gefesselt verfolgt habe. Schade finde ich, dass von dem Protagonisten Ernst Leitz immer als „der Zweite“ gesprochen wird, dass mich im Laufe des Buches schon etwas genervt hat. Anfangs ist noch sein Vater in der Geschichte vorhanden, aber beim personalen Erzählstil hätte man später auch zu seinem Vornamen übergehen können.

Die Gestaltung des Buches ist sehr schön gemacht. Unter dem Cover vermag man es gar nicht erwarten, aber es gibt auf dem Vor- und Nachsatzpapier viele Fotos aus dem Unternehmen und der Familie Leitz. Auch bei den Unterteilungen im Buch folgen zunächst eine Seite mit der Abbildung einer Leica und deren Eckdaten. Daraufhin wird ein Foto abgebildet, das mit einer Leica gemacht wurde. Im Anhang gibt es zu den Fotos auch Erläuterungen. Nach dem Nachwort schließt das Buch neben dem Bildnachweis, ebenfalls mit Quellenangaben und einem Personenregister ab.


Fazit:
„Das Licht im Rücken“ ist ein interessantes Abbild über die Entstehung der Leica-Kameras und der Firmen- und Familiengeschichte Leitz. Die Autorin schafft durch ihre intensive Recherche einen lebendigen Roman, auch wenn die Handlung manchmal zu viele Sprünge macht. Ich habe das Buch gerne gelesen, das die Firmengeschichte mit den historischen Charakteristika zu Beginn des 20. Jahrhunderts wunderbar verknüpft.

Bewertung vom 15.08.2023
Eine Nacht mit dir
Williams, Laura Jane

Eine Nacht mit dir


weniger gut

Was ist das Gegenteil von romantischer Liebe?

Ruby verlässt London nach einer unangenehmen Beziehung um ihr „Jahr für mich“ zu starten: Ganz ohne Männer und mit der Erfüllung ihres großen Traums, dem Filmstudium. Als sie ihr Sofa verkauft, trifft sie auf Nic, der ebenfalls aus einer Beziehung kommt und in London neu starten möchte. Beide suchen einen Neuanfang, während sich ihr Leben in dieser einen Nacht überlappt. Doch Jackson, Rubys ehemaliger Mitbewohner, freundet sich mit Nic an, wodurch die beiden trotzdem immer mal wieder aufeinander treffen… denn eigentlich haben sie entschieden, dass die eine gemeinsam verbrachte Nacht ein One-Night-Stand bleiben soll…

Schon zu Beginn war ich überrascht, eher überrumpelt, dass die gemeinsame Nacht nicht einmal ein Viertel des Buches umfasst. Anhand Titel, Cover und Klappentext habe ich eher mit 3/4 dieser einen Nacht und 1/4 ob und wie die Beziehung eine Chance hat, gerechnet, stattdessen konzentriert sich das Buch vielmehr auf jeweils das neue Leben von Ruby und Nic, meistens getrennt, manchmal mit Berührungspunkte.

Auch die Romantik hat mir gefehlt, dafür war die Geschichte sexbezogener. Alles fängt mit dem One-Night-Stand von Ruby an, zu dem ihre beste Freundin sie gedrängt hat, da Ruby ein Jahr ohne plant. Außerdem haben ausnahmslos alle Charaktere einen sehr offenen und flexiblen Standpunkt dazu, wodurch zB Nics Bruder ihm mehr oder minder weiße Ratschläge gibt, dessen Gespräche aber eher ins vulgäre abdriften. Auch dass Ruby mit einem fast 100-jährigen über ihr Sexualleben und verkorkste Beziehung reden kann, ist mir zu übertrieben. Trotzdem kommen auch ernste Themen überraschenderweise nicht zu kurz. Ruby möchte sich aus einem bestimmten Grund das nächste Jahr nur auf sich selbst konzentrieren, was sich auf die gesamte (Liebes)Geschichte auswirkt. Leider sind ihre Gedanken und Gefühle dazu viel zu wenig und selten beschrieben. Es ist der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, aber überhaupt nicht im Fokus. Insgesamt sind auch viel zu viele Themen im Buch, die nur kurz angerissen oder auch mal unnötig aufgebauscht werden. Manches ist auch einfach konstruiert, zum Beispiel vom Zeitpunkt oder Klischee her. Weniger und dafür in die Tiefe gehend ist mehr.

"Das Herz ist ein Muskel – und wir müssen unsere Muskeln trainieren, damit sie stärker werden, sonst verkrampfen sie. Das Herz muss benutzt werden, oder wir riskieren, seine Leistungsfähigkeit zu verlieren." von JP

Auch wenn ich den 96-jährigen JP zu flapsig finde, weil ich mir neben all den ungezwungenen Charakteren mindestens einen bodenständigen gewünscht hätte, hat mich sein Teil der Geschichte am meisten überzeugt, weil sie romantisch und tragisch ist. Die Suche nach seiner alten Liebe wird Rubys Filmprojekt, weshalb er und sein Enkelsohn bald einen großen Teil des Buches einnehmen. In Interviews und informalen Treffen berichtet JP über sein Leben und seine große Liebe, die er nur kurz im Krieg getroffen hat. Die Suche und Auflösung nach dieser Frau hat mich so sehr berührt, dass ich sogar Tränen in den Augen hatte. Dass die Nebenhandlung mehr berührt als die eigentliche Liebesgeschichte, ist wirklich schade!

Der Schreibstil von Laura Williams ist flüssig zu lesen, trotzdem habe ich für die ca. 400 Seiten länger gebraucht als bei anderen Büchern, vielleicht lag es an den vielen Geschehnissen und Themen. Leider wurden nicht alle Gefühle beschrieben, aber wenn, konnte man die Charaktere gut nachvollziehen und mich manchmal auch berühren. Zum Beispiel konnte mich Ruby während der Anfangszeit ihres Studiums in ihrer Begeisterung total mitreißen. Entweder hat der Schreibstil nachgelassen oder die Übersetzung von Nadine Lipp gepatzt, da die gereimten Textnachrichten von Ruby und Nic mit der Zeit eben dies nicht mehr waren und sehr aufgesetzt geklungen haben. Auch einige Wortwiederholungen sind dabei, vulgäre Beschreibungen von Geschlechtsverkehr oder seltsame Umschreibungen des Geschehens, die ich nicht verstehen konnte, glücklicherweise aber für den Fortlauf der Geschichte unwichtig sind.


Fazit:
„Eine Nacht mit dir“ ist leider eine Enttäuschung. Du denkst, meine Rezension ist zu lang? Ohje, ich hab mich so bemüht all meine Kritikpunkte bezüglich Handlung, Charaktere, Schreibstil und Liebesgeschichte kurz und verständlich zu schildern. Die Geschichte handelt schon, anders als erwartet, nur zu einem geringen Teil um diese eine Nacht, ansonsten eher um die Bedeutung, die man der Liebe entgegenbringt: Ist mir die Liebe wichtig genug, um mit Ruby/Nic eine Beziehung einzugehen oder hat mein Ich derzeit mehr Bedeutung? Für den älteren Herrn im Buch ist seine kurze und große Liebe so bedeutsam, dass er sie nach jahrzehntelanger Trennung zu suchen beginnt, was das romantischste und am meisten berührende an diesem Buch ist.

Bewertung vom 07.08.2023
Die Erinnerungsfotografen
Hiiragi, Sanaka

Die Erinnerungsfotografen


sehr gut

Wohlfühlbuch über den Tod

Angelehnt an japanische Mythologie spielt dieses Buch in einem Fotostudio, das sich zwischen unserer Welt und dem Jenseits befindet. Hirasaka empfängt dort Menschen, die kürzlich gestorben sind, und gibt ihnen Fotos aus deren Leben – für jeden Tag eines. Daraus sollen sich die Toten einen Stapel Bilder aussuchen, der dann in eine Drehlaterne eingesetzt wird, um auf ihr Leben zurückblicken zu können. Wenn ein Foto verblasst ist, weil an diesen Moment immer wieder gedacht wurde, reist Hirasaka mit dem oder der Toten zurück um den Augenblick nochmals zu erleben und, mit der Kamera der Wahl, ein neues Foto machen zu können.

Insgesamt treffen wir in diesem Buch auf drei Tote. Zuerst lernen wir Hirasakas Reich kennen, während eine alte Frau, Hatsue, eintrifft, die ihr Leben lang leidenschaftlich als Kindergärtnerin gearbeitet hat. Zunächst erfährt man viel über ihr Leben, bis Hatsue gemeinsam mit Hirasaka als Zuschauer zu einem wichtigen Moment in ihrem Leben zurückreist. Währenddessen wird in die Ich-Perspektive von Hatsue gewechselt, was das Geschehen viel lebendiger und anschaulicher macht. Die, nennen wir es mal Zeitreisen, der drei Personen haben mir am meisten Spaß gemacht und berührt. Ansonsten ist das Geschehen aus der Sicht von Hirasaka erzählt, der die drei toten Personen und deren Leben zusammenhält. In der zweiten Geschichte geht es um ein Yakuza-Mitglied (japanische kriminelle Gruppe) und dessen Begegnungen, in der dritten um das tragische Leben des kleinen Mädchens Mitsuru. Vermeintlich drei unzusammenhängende Erzählungen, doch zum Schluss offenbart sich der Zusammenhang und damit fast eine vierte schicksalhafte Geschichte.


Fazit:
„Die Erinnerungsfotografen“ ist ein kurzweiliger Roman über drei Verstorbene, deren bewegendes Leben und dessen Bedeutung geschildert wird.

Bewertung vom 20.07.2023
Sommertage im Quartier Latin / Paris und die Liebe Bd.1
Martin, Lily

Sommertage im Quartier Latin / Paris und die Liebe Bd.1


sehr gut

Selbstfindung im atmosphärischen Paris

Lolas Großmutter verschwindet plötzlich mit den Worten „Macht euch keine Sorgen. Ich bin auf Reisen.“ (S. 36), was sehr ungewöhnlich für die alte Frau ist. Die Familie ist trotzdem verunsichert, weshalb Lola von Bordeaux nach Paris zurückkehrt. Sie sucht in der kleinen Wohnung ihrer Großmutter nach Hinweisen, fühlt sich dort bald wohl und trifft im Qaurtier Latin auf alte Bekannte und ihre Vergangenheit.

Überrascht hat mich, dass die Suche nach dem Verbleib der Großmutter eher eine untergeordnete Rolle spielt. Lola lässt sich erst einige Tage Zeit bis sie sich in der Wohnung genauer umsieht, geschweige denn die anderen Bewohner/innen des Quartiers nach Hinweisen befragt. Stattdessen stromert sie anfangs ziellos in Paris umher, was der Geschichte ebenfalls keinen kräftig roten Faden gibt. Der Kontakt zu den unterschiedlichen und sehr liebenswürdigen Charakteren des Quartier Latins gibt der Geschichte Schwung und Lola auch eine Aufgabe oder weckt Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend in Paris. Und da gibt es diese eine Erinnerung an einen Schulausflug mit dem Mitschüler Fabien. Er besitzt nun ein Café im Quartier Latin und erzählt auch in einigen eingestreuten Kapiteln von seinem Leben.

Die Starrolle im Buch nimmt Paris bzw. das Quartier Latin ein. Die Straßen mit ihren liebenswerten Bewohner/innen, gemütlichen Cafés und Läden vermitteln ein heimeliges und gemütliches Gefühl. Ich liebe Bücher, die in Paris spielen und wie hier diesen gewissen französischen Charme haben. Besonders der Straßenverkäufer mit seinen Lebkuchen, die für jede/n die richtige Weisheit bereithalten, ist eine sehr schöne Besonderheit.


Fazit:
Da ich schon einige großartige Romane von Anne Stern gelesen habe, war „Sommertage im Quartier Latin“ unter ihrem neuen Pseudonym ein Muss für mich. In dieser Geschichte geht es weniger um die alte, verschwundene Frau oder Familiengeheimnisse, sondern vielmehr um Lolas Selbstfindung und dem eigenen Platz im Leben. Das gemütliche und romantische Flair Paris‘ gibt dem Buch seine Würze und hat mir sehr gut gefallen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.07.2023
Eine Lady hat die Wahl
Irwin, Sophie

Eine Lady hat die Wahl


sehr gut

Nicht ganz so bezaubernd wie Teil 1

Nach 10 Jahren glückloser Eher mit einem älteren Lord ist Eliza nun mit 27 Jahren Witwe geworden. Überraschend erbt sie viel mehr als alle dachten, sodass ein sorgloses Leben möglich ist. Da sie nun nicht gezwungen ist, wieder zu ihren Eltern zu ziehen oder in dem Anwesen bei dem neuen Lord wohnen zu bleiben, zieht sie mit ihrer Cousine nach Bath und nimmt dort am gesellschaftlichen Leben Teil, geht wieder ins Theater, probiert neue Dinge und widmet sich ihrer Malerei (hier empfand ich Elizas Verhalten manchmal zu übertrieben und sorglos). Durch das noch bestehende Trauerjahr ist sie jedoch in einigen Aktivitäten beschränkt. Außerdem gibt es da noch die Klausel im Testament, wodurch sie das Erbe und somit das unabhängige Leben verlieren könnte. Der neue Lord Sommerset ist ihre erste große Liebe, den sie nie vergessen hat. Und dann taucht noch Lord Melville auf, der bald darauf mit ihr flirtet. Für welchen Lord schlägt Elizas Herz höher?

Oliver Sommerset war jahrelang außer Landes, doch beim ersten Zusammentreffen spürt Eliza direkt wieder Schmetterlinge im Bauch. Doch zugunsten ihrer Familie ging ihre Liebesbeziehung damals nicht freundlich auseinander. Ob er auch noch Gefühle für Eliza empfindet? In Bath trifft sie auf Lord Melville, den sein (teils schlechter) Ruf vorauseilt. Er beginnt mit Eliza zu flirten und fordert sie heraus. Doch ist es für ihn nur ein Spiel oder hat er echte Gefühle für sie? Dabei treffen auch die beiden Lords aufeinander und führen so manche lustigen Streitgespräche und versuchen sich gegenseitig auszustechen. Sommerset ist charmant und aufmerksam, Melville manchmal fast schon frech, aber auch sehr charmant. Auch wenn ich einen der beiden mehr mochte, war ich jedoch immer mit beiden Männern als Elizas neue Liebe zufrieden und habe für beide doch recht unterschiedliche Beziehungen eine Zukunft gesehen. Dass beide Lords sehr gut zu Eliza passen, finde ich von der Autorin gut dargestellt. Und für wen von beiden schlägt denn nun Elizas Herz höher?

Sophie Irwin besticht in dieser Geschichte wieder mit dem typischen Regency-Flair, das an Jane Austen erinnert. Dazu kommen noch der Humor der Autorin und ihre leichte und manchmal aktuelle Wortwahl, wodurch die Geschichte einen modernen Touch erhält. Der zweite (unabhängige) Teil des Lady’s Guide ist wieder sehr kurzweilig und amüsant zu lesen.

"Er sah sie an, ein Blitzen in den Augen und ein Lächeln auf den Lippen. Wenn Eliza die Szene malen müsste, so würde sie nur ihre wärmsten, hellsten Farben auswählen – aber sie würde es nicht tun.
Manche Momente konnten man nur leben.", S. 391

Nachdem ich den Roman sehr genossen und oft gelacht habe, bin ich mit dem Ende nicht hundertprozentig zufrieden. Für mich passen wie gesagt beide Männer gleichermaßen gut, weshalb ich an Elizas Zukünftigen nichts auszusetzen habe. Aber ich finde es schade, dass die Autorin den einen Lord zum Schluss irgendwie zum Buh-Mann machte, statt Eliza und ihr Herz wählen zu lassen. Ebenfalls einen faden Beigeschmack hat ein anderer Aspekt der Geschichte für mich gebracht, weil es einfach zu perfekt ist. Elizas Liebe und glückliche Zukunft hätten mir gereicht und besser gefallen.


Fazit:
In „Eine Lady hat die Wahl“ hat die verwitwete Lady Eliza zwei Verehrer, die unterschiedlich, aber beide charmant sind und zu ihr passen würden. Mit Witz und Humor hat die Autorin einen modernen Jane-Austen-Roman geschaffen, der mir leider nicht so gut wie der erste Teil gefällt, weil das Ende für mich zu bemüht perfekt dargestellt ist.

Bewertung vom 02.07.2023
Die Sache mit dem Wald
Herzog, Sven

Die Sache mit dem Wald


sehr gut

Informativ und umfassend, aber sehr wissenschaftlich geschrieben

Die Sache mit dem Wald ist derzeit die, dass er durch gewisse Veränderungen im Klima am meisten gefährdet ist, aber durch die Bäume einen großen Teil an CO2 bindet. Wie also sieht nun die Zukunft unserer heimischen Wälder aus? Durch Waldbesitz in der Familie und dem großen Borkenkäferbefall der Fichten, interessiert mich diese Frage besonders, weshalb ich zu diesem Buch gegriffen habe.

Darin wird der Wald in vielerlei Hinsicht betrachtet: Von der ersten Nutzung als die Menschen sesshaft wurden, viele geschichtliche Veränderungen durchlebt hat, bis zur heutigen Zeit und deren unterschiedliche Gewinnung von Holz. Im zweiten Kapitel wird auch über den Mythos bzw. unserer Verbindung zum Wald angesprochen, das mir zu unkonkret ist. Anschließend wird in einem ausführlichen Teil des Buches das Ökosystem beleuchtet: Von den Pflanzen, insbesondere die Bäume, über das Mikroklima und Wettereinflüsse bis zu den unterschiedlichen Tieren, die im Wald leben. Besonders das Wild und die damit einhergehende Jagd werden danach in einem eigenständigen Kapitel noch sehr intensiv behandelt, das für mich teilweise langweilig wurde. Im fünften Abschnitt des Buches berichtet der Autor über die Nutzung des Waldes (sogar bis hin zu Friedwäldern), den Rohstoff Holz, damit einhergehend auch die Forstwirtschaft, sowie seine Bedeutung als Ort der Erholung. Die Nachhaltigkeit und Art der Wälder (inwieweit wir Menschen in das Ökosystem eingreifen) leitet dann langsam über zum abschließenden Teil, der sich mit der derzeitigen und zukünftigen Lage des Waldes beschäftigt und hier einen zusammenfassenden und konkreten Einblick in die Zukunft gibt, was ich sehr informativ finde.

Der Autor ist studierter Förster und Professor. Deswegen hat er nicht nur viel Ahnung von der Materie, was man auch merkt, sondern ist viel tiefer drinnen als der Laie, der sein Buch liest. An vielen Stellen war mir (trotz Studium und daher Umgang mit solchen Texten) der Schreibstil zu hochtrabend und kompliziert. Ich will keine wissenschaftliche Arbeit lesen, sondern ein informatives, verständliches Sachbuch über den Wald. Ein einfacherer Satzbau und gewöhnlicher Sprachgebrauch hätten das Wissen verständlicher und flüssiger vermittelt. Zum Beispiel werden viele forstwirtschaftliche Fachbegriffe genutzt, plötzlich werden in der Mitte des Buches einige erklärt, die vorher aber schon mehrmals vorkamen. Ich hätte mir ein Glossar mit gängigen und oft genutzten Wörtern gewünscht (denn trotz Erfahrung im Privatwald, kenne ich natürlich nicht alle forstwirtschaftlichen Begriffe). Auch wenn ich nicht mehr zählen kann, wie oft die Jagd erwähnt wurde, sind einige Themen mehrmals aufgegriffen worden. Der Autor nimmt Bezug auf frühere Kapitel und die Vergangenheit der Waldnutzung, sodass alles rund wird und anschaulich dargestellt ist. Durch das ganze Buch ziehen sich viele Bilder und einige Diagramme, wobei die Fotos jedoch nicht immer nötig waren, aber den Lesefluss definitiv aufgelockert haben.


Fazit:
„Die Sache mit dem Wald“ ist ein spannendes Thema, das Sven Herzog, ein langjähriger Förster, hier umfassend beleuchtet hat. Es geht viel um die Entwicklung und Nutzung des Waldes. Am Ende gibt es auch Kapitel zu den aktuellen Themen Nachhaltigkeit und Klimaerwärmung, die mit der vorherigen geschichtlichen Entwicklung eine runde Darstellung über Wälder ergeben. Für meinen Geschmack wurde das Sachbuch zu wissenschaftlich und kompliziert geschrieben, wodurch man sich damit länger beschäftigt und mit dem Text arbeiten muss. „Die Sache mit dem Wald“ ist ein informatives Nachschlagewerk über den Wald, das ich definitiv noch öfter durchblättern werde.

Bewertung vom 01.07.2023
A Place to Belong / Cherry Hill Bd.3
Lucas, Lilly

A Place to Belong / Cherry Hill Bd.3


ausgezeichnet

Absolute Feelgood-Lovestory

Anfangs befindet sich Maggy direkt auf der Autofahrt von Denver nach Palisade, doch in den ersten Kapiteln gibt es noch einen kurzen Rückblick auf die vergangenen Tage, als Maggy zufällig mehr über ihren leiblichen Vater herausgefunden hat. Auch ihr Studentenjob bei einer renommierten Zeitung wird aufgegriffen, sowie ihre beste Freundin, womit man die bisher unbekannte Protagonistin schon sehr gut kennenlernen kann. Dann trifft sie in Cherry Hill ein, wir begegnen all den bekannten tollen McCarthy-Familenmitgliedern wieder und Maggy soll erstmal einen Artikel über die Baumhäuser schreiben. Doch schon vom ersten Treffen an passt die Stimmung zwischen ihr und Flynn perfekt. Eine Beziehung zu ihm wäre doch gar nicht problematisch, oder doch?

So wie bisher auch, ist die dritte Geschichte auf der Cherry-Hill-Farm einfach wunderschön. Das Setting, die Charaktere und der gefühlvolle Schreibstil der Autorin schaffen einen wunderbare Feelgood-Lovestory (S. 309), wie es auch mal kurz im Buch heißt. Auch wenn ein Detail der Geschichte eher repetitiv ist, hatte ich mehrmals Tränen in den Augen, weil ich so berührt war. Das Ende schafft einen wunderbaren Bogen zu Poppys Liebesgeschichte im nächsten Band und ich kann es kaum erwarten, nach Cherry Hill zurückzukehren!


Fazit:
Kurz gesagt ist „A Place to grow“ wieder eine wunderschöne Feelgood-Lovestory, die mich berührt hat. Ich kann es kaum erwarten, auf die Cherry Hill Farm zurückzukehren!

Bewertung vom 30.06.2023
Happy Place
Henry, Emily

Happy Place


sehr gut

Nur sehr wenig Happy Moments

Harriet reist nach Maine, wo ihr Freundeskreis seit Jahren jeden Sommer in einem Haus verbringt. Seit einem halben Jahr ist sie mit Wyn nicht mehr zusammen und müsste es nun ihren Freundinnen sagen. Doch zu ihrer Überraschung ist Wyn, ihr ehemaliger Verlobter, schon da. Nun wollen sie ihren Freund/innen noch eine schöne Woche gönnen, weil zu deren krönenden Abschluss überraschend das andere Pärchen der Clique heiraten möchte.

Zunächst empfand ich den Schreibstil sehr holprig, was ich von Emily Henry bzw. deren Übersetzerin Katharina Naumann aus einem vorherigen Buch („Kein Sommer ohne dich“) gar nicht so negativ gewohnt bin. Manche Wörter und Beschreibungen waren seltsam gewählt und haben mich deshalb im Lesefluss gestört. Später hat sich dies dann gelegt. Die Geschichte ist weniger eine RomCom und Emily Henry konnte bei mir auch mehr bei den ernsteren Szenen als während der lustigen punkten. Die Gedanken und Emotionen konnte die Autorin hier sehr gut vermitteln und hat mich teilweise auch berührt.

"Denn selbst wenn etwas Schönes zerbricht, behält seine Entstehung immer noch seine Bedeutung.", 91 %

Die Geschichte wird ausschließlich mittels der Ich-Perspektive aus Harriets Sicht erzählt. Sie und Wyn waren seit acht Jahren ein Paar, sogar verlobt… doch nun reist sie mit gebrochenen Herzen an und weiß nicht, warum Wyn damals mit ihr Schluss gemacht hat. Verletzt versucht sie, neben den qualvollen Momenten in Gesellschaft mit ihren Freundinnen und Freunden, Abstand zu Wyn zu halten. Doch bald siegt die Wut und sie versucht ihn zu ärgern, meist mit Annäherungen und körperlichen Reizen, was anfangs auch zu klappen scheint. Erst später im Buch beginnen die beiden auch miteinander und vor allem über sich zu reden. Währenddessen schweift Harriet mit ihren Gedanken oft in die Vergangenheit ab, womit man ein umfassendes Bild über die Beziehung der beiden Protagonisten erhält. Ich finde die Geschichte sehr spannend, weil man zuerst wirklich überhaupt nicht erfährt, warum die beiden nicht mehr zusammen sind. Auch dass die Trennung hauptsächlich von Wyn ausging, gibt lange keinen Anhaltspunkt, bis sie anfangen über ihre Beziehung zu reden. Dann macht alles viel mehr Sinn und, auch wenn ich Wyns hauptsächlichen Grund hier nicht gut gewählt und zu wenig ausgearbeitet finde, mich auch traurig, dass ihre doch besondere Liebesbeziehung so verlief und dadurch geendet hat (kein Spoiler, die Trennung vor einem halben Jahr).


Fazit:
„Happy Place“ ist eine spannende Geschichte über eine gescheiterte Beziehung und eine Freundes-Clique. Nach und nach bildet sich die Vergangenheit der Protagonisten, während Emily Henry bei den ernsten Gesprächen punkten kann und es wider erwarten wenig amüsante Momente gibt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.06.2023
Die verlorene Tochter / Die verlorenen Töchter Bd.1
Lane, Soraya

Die verlorene Tochter / Die verlorenen Töchter Bd.1


gut

Kurzweilige, etwas unrunde Geschichte über ein Familiengeheimnis

Lily ist Kellermeisterin und besucht zwischen ihrem alten Job in Neuseeland und dem neuen in Italien kurz ihre Mutter in London, wo sie als Erbin ihrer Großmutter zu einer Nachlasssache eingeladen wird. Dort befinden sich noch mehr junge Frauen, die alle eine kleine Holzschachtel bekommen, die Hinweise über die Herkunft ihrer Großmütter beinhaltet. Die Geschichten der anderen Frauen werden in den nächsten Bänden der Buchreihe erzählt. Lily findet in der Schachtel ein altes Rezept auf Italienisch geschrieben und einen Ausschnitt aus dem Programm der Mailänder Oper. Passenderweise bald in Italien begibt sie sich dort auf Spurensuche.

Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Mittels der personalen Erzählperspektive werden immer einige Kapitel am Stück in der Gegenwart oder Vergangenheit geschildert. Dabei folgen wir auch Estée als sie 1937 noch ein 12-jähriges Mädchen ist bis ins Jahr 1955, ohne jedoch Tiefgang auf die Kriegsjahre. Die Erzählungen in der Vergangenheit fand ich sehr spannend zu verfolgen, weil Estée zunächst noch von ihrer Mutter getriezt wird, später aber als Ballerina ihren eigenen Weg findet, während über ihre Liebe berichtet wird.

Und „berichtet“ trifft es ganz gut. Denn leider konnte ich weder in der Gegenwart noch in der Vergangenheit die beiden Liebesgeschichten nachvollziehen. Die Gefühle der Protagonisten kamen nie bei mir an. Die Empfindungen der Charaktere sollten, vor allem in der Anfangsphase der Beziehung, viel mehr beschrieben und gefühlvoll sein. So hat mich das Buch emotional kaum erreicht, nur Estées Zeit in London konnte mich berühren. Ansonsten ist der Schreibstil der Autorin leicht zu lesen und vor allem das Geschehen und die Wendungen des Buchs machen es zu einer kurzweiligen Lektüre. Soraya Lane hat die Suche nach Lilys Vorfahren und Estées Leben detailreich beschrieben und ausgeschmückt.

Besonders das Setting in Italien mit der herzlichen Winzer-Familie Rossi hat mir gefallen. Die italienischen Charaktere sind stets liebenswürdig und haben Lily direkt in ihrer Mitte aufgenommen, was mich auch als Leserin eingenommen hat. Und das Leben auf dem Weingut ist ebenfalls sehr gemütlich. Obwohl man den Protagonisten durch die Reihen der Weinreben folgt, ging die tatsächliche Arbeit dort immer mehr unter. Lily hat Winzerin gelernt und ist in Italien als Kellermeisterin eingestellt, von dem Beruf ich noch nie gehört habe. Leider begleitet man sie nur anfangs auf dem Weingut und erfährt so nicht viel über ihren Beruf, weshalb ich mir die charakteristischen Tätigkeiten und den Unterschied zur Winzerin erst im Internet durchlesen musste. Die Suche nach ihren Vorfahren nimmt dann viel mehr Raum ein, wobei mich auch hier ein paar Dinge gestört haben: Zunächst wird die selbstbewusste Lily bei ihrer Spurensuche sehr unsicher, wodurch sie nicht nur für die italienische Übersetzung froh ist, dass Antonio stets an ihrer Seite ist. Die Frau, die nie eine festere Beziehung wollte, verliebt sich Hals über Kopf und kommt nur mit ihren Gefühlen zurecht, weil er nun in ihrem Leben ist. Auch schade ist es, dass die Großmutter von Lily kaum erwähnt wird. An ihren verstorbenen Vater und deren gemeinsamen Traum eines Weinguts, denkt Lily durch ihre Arbeit oft. Doch die eigentliche Person, die die beiden Zeitebenen des Buches verbindet, wird nicht einmal mit einer Kindheitserinnerung erwähnt, obwohl Lily ihre Großmutter noch kennengelernt und angeblich ein gutes Verhältnis zu ihr hatte.


Fazit:
„Die verlorene Tochter“ ist ein kurzweiliges und unterhaltsames Buch über ein Familiengeheimnis, das in der Gegenwart von Lilys Suche und in der Vergangenheit von Estées Leben erzählt. Leider haben mich ein paar Kleinigkeiten gestört, wodurch die Geschichte nicht ganz rund ist. Trotzdem hatte ich Spaß beim Lesen und bin gespannt auf die weiteren verlorenen Töchter und ihren Geheimnissen.

Bewertung vom 15.06.2023
Weite Sicht
Pilz, Thorsten

Weite Sicht


gut

Sehr ruhige Geschichte über ältere Protagonist/innen, die noch lange nicht ihr Leben hinter sich haben

Das Buch beginnt direkt am Sterbebett von Charlottes Mann. 50 Jahre lang waren sie verheiratet und Charlotte wohnt nun alleine im großen Haus in Hamburg. Nach so vielen Jahren steht Charlotte nun wieder alleine in ihrem Leben und fragt sich, für was oder wen sie die verbleibende Zeit nutzen will. Neben der Beziehung zu ihren zwei unterschiedlichen Kindern und ihrem Bruder, spielen auch noch weitere Frauen eine Rolle in ihrem Leben und im Buch. Ihre Freundin Sabine trauert immer noch ihrer großen Liebe hinterher und ist doch sehr bedacht auf körperliche Nähe. Charlottes Schwester Gesine ist Alkoholikerin und in einer unglücklichen Beziehung gefangen. Und dann taucht noch die Dänin Bente auf, eine Freundin Charlottes aus längst vergangenen Zeiten.

Vielmehr als um Charlottes Trauer um ihren verstorbenen Mann geht es darum, wie sie nun die letzten Jahre ihres Lebens verbringen will. Wie andere, z. B. ihre beiden Kinder, sie sehen und erleben, trifft auf Wünsche und Träume, die sie als junge Frau hatte. Natürlich spielt dabei für alle Protagonisten auch ihre Vergangenheit eine große Rolle. Wir Leser/innen erfahren, wie Charlotte, ihre Schwester Gesine, der Bruder und ihre beste Freundin Sabine aufgewachsen sind und was sie geprägt haben. Darin zeigt sich, wie sich die älteren Personen entwickelt haben und wie ihre Beziehungen zueinander wirken. Vor allem darf man hier trotz des fortgeschrittenen Alters der Protagonistinnen keine altbackenen Charaktere erwarten. Charlotte ist mit ihren 71 Jahren zum Beispiel noch sehr sportlich und fährt mehrmals in der Woche mit ihrem Kajak, von altersbedingten Schmerzen keine Spur. Und Gesine ist trotz der Auswirkungen ihres Alkoholkonsums noch sehr aktiv in einer Kulturstiftung, wo sie nicht nur mit Vorurteilen wegen ihres Alters konfrontiert wird, sondern sich auch als Frau beweisen muss.

Der Autor hat die Geschichte sehr flüssig geschrieben. Auch durch die oft wechselnden Perspektiven der Protagonistinnen wird die Geschichte nicht langweilig. Somit rauscht man durch die Geschichte, leider jedoch ohne eine der Protagonistinnen emotional näher zu kommen. Das Geschriebene geht oft wenig in die Tiefe und liest sich eher dumpf. Manchmal hab ich mich gefragt, wie sich eine Protagonistin fühlt, was sie über etwas denkt oder warum sie überhaupt tut, was sie tut. Ich hätte mir einen tieferen Einblick in deren Gefühlswelt gewünscht.


Fazit:
„Weite Sicht“ erzählt die Geschichte vier jung gebliebenen Frauen um die 70 und über deren Wünsche, Vergangenheit und natürlich auch Liebe. Der Autor hat einen kurzweiligen Roman mit einem umfassenden Bild der Protagonistinnen geschaffen, wobei deren Gefühle für mich manchmal auf der Strecke blieben.