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Frechdachs

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Insgesamt 142 Bewertungen
Bewertung vom 30.08.2023
Und wir tanzen, und wir fallen
Newman, Catherine

Und wir tanzen, und wir fallen


gut

Wenn der letzte Vorhang fällt? Freunde für immer - In guten wie in schlechten Tagen

Catherine Newman neuer Roman "Und wir tanzen, und wir fallen" nimmt ein Thema in den Fokus, das in unserer westlichen Welt gerne ausgeklammert bzw. totgeschwiegen wird.

Die Story beschäftigt sich mit unser aller Endlichkeit und zeigt exemplarisch das Schicksal von Edith, einer Frau die eine unheilbare Krebsdiagnose erhalten hat und mittlerweilen im Hospiz ihr Dasein fristet.

Die Thematik, die Newman aufgreift, ist aus meiner Sicht extrem wichtig. Viel zu häufig wird die eigene Endlichkeit sowie das Thema Hospiz erst dann in Augenschein genommen, wenn man selbst damit konfrontiert ist. Häufig werden beide Themen einfach nur mit dem Tod assoziiert, was grundsätzlich vielleicht richtig erscheint allerdings im Detail dann viel zu eindimensional betrachtet wird.

Der Roman nähert sich dem Thema dann über die starke Freundschaftsbande zwischen Edith und Ashley. Ashley steht ihrer besten Freundin Edi auch in den schweren Stunden im Hospiz zur Seite.
Das Buch zeigt eben nicht nur die schweren Stunden vom Abschied nehmen, der Hilflosigkeit sowie des Hoffens und Bangens. Vielmehr enthält die Erzählung viele unterschiedliche Einblicke in die vorherig besseren Zeiten der Freundschaft. Es werden mitunter sehr skurrile, lustige und auch hoffnungsfrohe Szenerien aus den vergangenen Zeiten erzählt.

Mir persönlich ist die Erzählperspektive zu stark auf Ashley ausgerichtet. Ich hätte mir einen sehr viel gewichtigeren Teil von Edith gewünscht. Mitunter sind auch Themen und Szenen dabei, die ich so nicht vermutet oder gebraucht hätte und mir in dieser Art und Weise auch zu abgefahren waren.
Mir fehlte teils auch viel mehr Tiefe beim eigentlichen Thema selbst. Die hätte ich mir allzu sehr gewünscht in diesem speziellen Setting.

Der Roman gibt einen sehr vielschichtigen Einblick, wenn ein unheilbar kranker Mensch seinen letzten Weg nimmt und illustriert dies dann in der vollen Bandbreite aller erdenklichen Emotionen.

Summa summarum rückt der Roman das Thema "Letzte Station Hospiz" ins rechte Licht und platziert es direkt in der Mitte unserer Gesellschaft.

Bewertung vom 30.08.2023
Aenne und ihre Brüder
Beckmann, Reinhold

Aenne und ihre Brüder


ausgezeichnet

Reinhold Beckmann wandelt auf den Spuren seiner Mutter Aenne

Reinhold Beckmanns Buch "Aenne und ihre Brüder - Die Geschichte meiner Mutter" kommt nach meiner Meinung genau zur richtigen Zeit und ist absolut lesenswert für all diejenigen, welche sich mit unserer dunkelsten Stunde in der deutschen Geschichte auseinandersetzen möchten.

Der ein oder andere mag sich jetzt vielleicht denken, nicht noch ein Buch zum Zweiten Weltkrieg. Doch genau solch ein Buch liegt hier vor.

Beckmann gibt den Grauen des Zweiten Weltkriegs ein Gesicht, in dem er die Geschichte seiner Mutter Aenne und deren vier Brüdern nacherzählt. Er gibt damit der unvorstellbaren damaligen Kriegszeit ein persönliches Gesicht und vor allem eine starke Stimme.

Obwohl man meinen könnte, das Schicksal von Familie Beckmann könnte einem ja herzlich egal sein, war ich ziemlich schnell in die Familie integriert und durchlitt, einer Achterbahnfahrt gleich, die Höhen und Tiefen, die in diesem Buch dann erzählt werden.

Beckmanns Spurensuche befördert uns praktisch ca. 100 Jahre in der Zeitrechnung zurück. Sehr akribisch hat er in der eigenen Familie nachgeforscht und auch die Schuhschachtel mit den alten Feldpostbriefen, das Schatzkästchen von Beckmanns Mutter Aenne, ist hier wirklich Gold wert gewesen. Wenn jemand einen sehr intensiven beispielhaften Einblick in die Deutsche Volksseele von damals wagen möchte hat hier die passende Gelegenheit.

Von der Geburt an verfolgt man Aennes Lebensstationen und die ihrer Familie und Brüder. Die Szenerien wirken auf uns aus der jetzigen Sicht vielleicht manchmal befremdlich, wie mit dem Nachwuchs beispielsweise umgegangen wurde oder welche Rolle Bildung damals spielte. Insgesamt wirkt die Erzählung auf mich aber unheimlich authentisch und brachte bei mir wirklich sämtliche vorstellbare Emotionen hervor. Ich fühlte mich schnell in die damaligen Szenerien eingebunden.

Trotz, dass man zu Beginn des Buches bereits weiß wie es enden wird, fesselt die Erzählung sehr stark. Es tut der Spannung keinen Abbruch. Beckmann verwebt gekonnt die große damalige weltpolitische Lage, das Erstarken der Nationalsozialiten mit der eigenen Familiengeschichte sowie dem unglaublichen Schicksal und präsentiert ein Buch, das aus meiner Sicht auch als Schullektüre im Fach Geschichte sehr dienlich wäre.

Solche Bücher sind es, welche die harte und grausame Kriegsrealtiät in der normalen zivilen Bevölkerung nacherzählen. Die zivile Bevölkerung, die mit dem furchtbaren Krieg nicht zu tun haben möchte wird immer mehr davon eingenommen, kommt schlussendlich nicht mehr davon los und zollt der ausweglosen Situation Tribut.

Die Familiengeschichte rund um Aenne Beckmann sollte uns allen zur Mahnung dienen und uns hoffentlich eines besseren Belehren. Auch das Erinnern an die schrecklichen Erfahrungen unserer Ahnen ist unheimlich wichtig in einer Zeit, da rechtsnationale Parteien wieder unheimlich Aufwind bekommen und ein menschenverachtender Krieg in der Ukraine herrscht.

Reinhold Beckmann kann sich wirklich glücklich schätzen, dass seine Mutter Aenne ihm dieses kleine Schatzkästlein voller Briefe seiner Ahnen anvertraut hat. Was gäbe ich persönlich darum, solche Eindrücke von meinen Liebsten, welche leider auch in diesem furchtbaren Krieg verblieben sind, zu haben.

Aennes Geschichte hat mich so mitgenommen, dass dieses Werk eines meiner diesjährigen Jahreshighlights ist.

PS: Wer sich vielleicht von der emotionalen Tiefe des Themas einen Eindruck machen möchte, der sollte sich das YouTube-Video des Songs "Vier Brüder" von Reinhold Beckmann ansehen.

Bewertung vom 13.08.2023
KRYO - Die Verheißung
Ivanov, Petra

KRYO - Die Verheißung


gut

Heureka! - Wenn Transhumanisten Gott spielen und das ewig junge Leben versprechen

Vielleicht gleich eingangs eines vorneweg.

Der vorliegende Thriller hatte es echt in sich und den überwiegenden Teil des Romans war ich maximal verwirrt, ohne eine richtig konkrete Ahnung zu haben, wo der Plot überhaupt enden wird.

Die Idee hinter dem aktuell ersten Teil "Die Verheißung" der KRYO-Trilogie von Petra Ivanov klingt für mich gar nicht so abwegig, wenn ich die Thematik selbst als eher haarsträubend und nicht nur ethisch verwerflich ansehe.

Transhumanisten wollen nicht weniger als den Heiligen Gral gefunden haben und präsentieren endlich die Lösung für das ewige junge Leben. Klingt auf den ersten Blick fast zu schön, um wahr zu sein. Wären da nicht die dunklen Abgründe hinter diesem ambitionierten Vorhaben.

Ich brauchte tatsächlich fast ca. 80 Seiten bis ich im Plot drin war. Ein eingangs des Buches platziertes Personenverzeichnis erwies sich mir persönlich als sehr nützliches Feature, da hier einige Handelnde dann zueinander finden. Ich schlug immer wieder nach, um mich zu vergewissern wo dann gerade der jeweilige Handlungsstrang gerade spielte.

Die verschiedenen Handlungsstränge machen den Thriller verdammt kurzweilig, brachten mir allerdings auch einiges an Konfusion mit sich. Ich brauchte bei allen verschiedenen Blickwinkeln bis auf einen Handlungsstrang (den rund um die Obdachlosen) sehr lange, um mir ein konkretes Bild zu machen. Teils fühlte ich mich persönlich im dichten Nebel von Avalon verloren und wusste gar nicht mehr wie ich navigieren sollte.

Die Handelnden selbst stellten sich für mich auch den überwiegenden Teil des Werkes sehr mysteriös dar und waren nie so richtig gut greifbar. Dies lies dann die Nähe zu den Charakteren für mich leider ziemlich missen.

Die Stärke der Erzählung liegt vor allem darin, dass man nie so recht wissen kann, wer Freund und wer gerade der Feind ist. Viele Details lassen sich erst nach um nach entschlüsseln und deuten. Die ein oder Vorahnung hatte ich persönlich bereits zu Beginn des Buches, die sich dann auch so bestätigten. Für mein "Holmes"-Gen zwar ein Ritterschlag, aber für die Spannung im Plot leider zu vorhersehbar in diesen beiden Details.

Zum überwiegend großen Teil fühlte ich mich persönlich beim Lesen absolut brainwashed und wusste nie so richtig, wie ich die einzelnen Puzzlestücke zusammenfügen soll, die die Story liefert und ob dies in dieser Form überhaupt Sinn ergibt. Quasi wie ein 1.000 Teile-Puzzle, das man in kleinteiliger Sisyphusarbeit zusammensetzen muss und man allerdings keinen richtigen Anfang findet.

Das letzte Fünftel des Buches war dann eher nach meinem Geschmack und konnte mich dann doch noch begeistern. Dort liefen die unterschiedlichen Handlungsstränge dann flüssiger zusammen und man konnte einige Verflechtungen oder Beziehungen erkennen. Der erste Band, wer hätte es anders gedacht, endet prominent in einem sehr passenden Cliffhanger, der einen kleinen Vorgeschmack auf den folgenden Band gibt. Zum Folgeband ist auch eine kleine Leseprobe am Ende des Buches enthalten.

Mich lässt der Thriller eher zwiegespalten zurück und ich würde ihn am ehesten als soliden Auftakt bezeichnen, der eher einem Prequel ähnelt. Die Erzählweise hat für mich persönlich leider noch deutlich Luft nach oben. Der Cliffhanger hat mich dann doch noch gekriegt und ich gebe der KRYO-Trilogie eine zweite Chance und bin bereits jetzt auf den zweiten Band gespannt.

Bewertung vom 06.08.2023
Simone
Reich, Anja

Simone


ausgezeichnet

Wenn urplötzliche Auf- und Umbrüche Menschen einfach überfordern - Die Lebensspuren einer guten Freundin

"Ich bringe mein Leben in Ordnung, Anja" ist einer der letzten Sätze, den Simone mit ihrer Freundin Anja aus früheren Zeiten austauscht bevor sie sich einen Tag später nochmals kurz erneut telefonisch bei ihr meldet und sich dann tragischerweise das eigene Leben nimmt.

Der Roman "Simone" von Anja Reich geht gleich am Anfang in die Vollen und wirft den Lesenden in das Szenario rund um den Suizid ihrer früheren Freundin Simone.

Dieser urplötzliche Verlust eines geliebten Menschen erschlägt einen auch als Außenstehender ungemein und nimmt einen selbst in die Sprachlosigkeit des Undenkbaren mit.

Warum nimmt sich ein Mensch aus freien Stücken das eigene Leben und beendet dieses für immer?

Gab es für den Suizid dann irgendwelche Anzeichen oder vielleicht sogar Hilferufe, die man vielleicht selbst nicht erkannt oder auf die leichte Schulter genommen hat?

Genau mit diesen Fragen wird auch Anja, die Buchautorin, dann sehr schnell konfrontiert und geht diesen nicht ganz trivialen Fragen sehr eindrücklich nach.

Anja lässt in sehr akribischer Form das gesamte Leben ihrer Freundin Simone, einem "Ostberliner High-Society-Girl", Revue passieren und nimmt die Fährte von ihr auf.

Sie begibt sich dabei bis weit vor Simones eigentliches Wirken und setzt sich auch mit der Herkunft derer Eltern auseinander. Schlussendlich, machen wir uns nichts vor, sind wir alle auch das "Produkt" unserer Eltern, Ahnen und Urahnen, die in uns dann weiterleben und uns zu dem gemacht haben, der wir heute sind.

Für mich war es eine sehr interessante und lehrreiche Reise zurück in die Vergangenheit.

Der sehr ausführliche Blick in die damalige DDR eröffnete mir Sichtweisen und Blickwinkel, die ich bis dato in dieser Intensität noch nicht gekannt hatte.

Auch die Aufbruch- und Wendezeit, wird alles andere als nur positiv gezeichnet, denn mit dem Fall der Mauer wurde ja ziemlich schnell auch die kommunistische Weltanschauung und das sozialistische Staatsbild zu Grabe getragen. Mit dem beginnenden Aufbruch waren damit vor allem für die damaligen Ostbürger auch extreme Einschnitte in die individuellen Lebensläufe verbunden. Ein Aufbruch, der für viele Menschen eher einem extremen Umbruch glich und vielleicht im folgenden Buchzitat dann Ausdruck findet.

"Ich mag Simones Freunde. Sie sind ein bisschen wie meine Freundin, zu ihren guten Zeiten. Lebensfrohe, offene Menschen, voller Energie, angenehm unverbindlich. ... Wir sind alle im gleichen Alter, haben alle in Zeiten des Umbruchs gelebt, erinnern uns an bröckelnde Fassaden in Friedrichshain und wilde Partys in Mitte, an die Euphorie in den Monaten des Mauerfalls und an das Aufwachen danach. Da ist ein Gefühl der Vertrautheit, der Gemeinsamkeit. Wir hatten gute Zeiten, wir hatten Krisen - und eine gemeinsame Freundin, die uns fehlt."

Mittendrin in diesen ganzen Auf- und Umbrüchen befindet sich eben Simone, die selbst ihren Platz im Leben sucht und alles andere als festen Halt und eine richtige Orientierung hat, wie die Rückblicke im Buch zeigen.

Was verspricht sich Anja von der sehr diffizilen Recherchearbeit nach Simones Suizid?

Wohl vordergründig vielleicht eine Episode im Leben von Simone auszumachen, die dann vielleicht Aufschluss auf den (geplanten) Suizid gibt oder wie Anja es im Buch selbst nachfolgend formuliert.

"Ich wollte die Realität ändern, Simone noch einmal ins Leben zurückholen, die Zeit zurückdrehen, noch nicht Abschied nehmen."

Inmitten der ganzen Recherchen der Tagebücher und Treffen mit Simones Familie, Freunden und Bekannten ergeben sich immer wieder bruchstückhafte Schnipsel, die einem Puzzle gleich dann zusammengefügt sehr eindrückliche Retroperspektiven auf die Verstorbene ergeben.

Für mich ist der Roman ein sehr atmosphärisches Werk, der uns auf sehr tragische Weise intime Einblicke in die damalige DDR und die sich anschließende Wendezeit gewährt und ein komplett anderes Bild zeichnet, als es vielleicht im Mainstream zugegen ist. Dass durch diese extremen Auf- und Umbrüche auch viele Menschen einfach über Nacht überfordert worden sind wird durch den Roman nochmals sehr eindrücklich geschildert.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.08.2023
Nicht, dass noch einer sitzenbleibt! / Online-Omi Bd.19
Bergmann, Renate

Nicht, dass noch einer sitzenbleibt! / Online-Omi Bd.19


ausgezeichnet

Oma Renate bringt unser Schulsystem auf Vordermann und hilft wo sie nur kann

Online-Omi Renate Bergmann haut mal wieder einen raus und kämet sich in ihrem aktuellen 19. Band "Nicht, dass noch einer sitzenbleibt!" um das deutsche Schulwesen.

Oma Renate ist schon eine richtige Marke bzw. eigentlich besser gesagt die Allzweckwaffe schlechthin, wenn es darum geht die heißen Kartoffeln aus dem Feuer zu holen.

Und so nimmt sich Oma Renate dieses Mal das deutsche Schulwesen vor.

In gewohnt humoriger Art und Weise plaudert Renate wieder aus dem Nähkästchen, kommt dabei von Höcksken auf Stöcksken und ist sich dabei auch nicht zu schade nochmal aktiv ins Geschehen einzugreifen und in der Schule dann auszuhelfen.

Wer die durchweg kurzweilige Geschichte dann nicht nur von der unterhaltenden Seite aus betrachtet findet wohl auch genügend Gesellschaftskritik, über die es sich lohnt nachzudenken.

Ähnlich dem Schweizer Taschenmesser oder dem A-Team ist auch für Online-Omi Renate kein Einsatz zu schwer und immer eine Geschichte wert.

Bewertung vom 31.07.2023
Zwischen den Sommern / Heimkehr-Trilogie Bd.2
Hennig von Lange, Alexa

Zwischen den Sommern / Heimkehr-Trilogie Bd.2


ausgezeichnet

Das außergewöhnliche Erbe von über 100 Tonbandkassetten - Ein ganz besonderer Nachlass der eigenen Großmutter erzählt deren Erinnerungen an ein bewegtes Leben

Was Alexa Hennig von Lange mit ihrem Roman "Zwischen den Sommern" hier abliefert ist für mich ganz großes Kino gewesen.

Es ist bereits der zweite Band ihrer Heimkehr-Trilogie und spielt zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs (1939 bis 1945). Den ersten Band hatte ich leider verpasst, allerdings lässt sich "Zwischen den Sommern" auch ganz gut standalone lesen, ohne Vorkenntnisse zu haben. Jetzt nach dem Lesen habe ich aber so Blut geleckt, dass ich den ersten Band auf alle Fälle noch nachholen werde.

Anfänglich hatte ich nich etwas Probleme, die unterschiedlichen Zeiten richtig zuzuordnen. Allerdings erledige sich dieser Umstand sehr schnell. Es wird in abwechselnden Perspektiven erzählt und dies bringt die gewisse Kurzweil in den Roman und lies ihn für mich noch lebendiger wirken. Abwechselnd erleben wir die Jetztzeit mit der Enkelin Isabell, die von Klara, ihrer Großmutter ein Konvolut von über 100 bespielten Tonbandkassetten "erbt". Im anderen Erzählstrang schickt von Lange Leseinteressierte zurück in die Zeit des Zweiten Weltkriegs und dort erlebt man dann hautnah mit, was Isabells Großmutter Klara um- und antrieb.

Nach kurzem Lesen wechselte ich ganz ans Ende des Buches und las bereits recht frühzeitig das Nachwort. Mit dem Nachwort hatte mich dann Alexa Hennig von Lange komplett hat und erzeugte bei mir überall Gänsehaut. Was täte ich dafür, so viele Audioaufzeichnungen meiner Großmutter zu haben, die ein sehr klares Bild ihrer wahren Identität und ihres Wirkens zeigen. Je älter ich werde, desto mehr wollte ich über meine nächsten Ahnen wissen und habe leider nicht mehr die Möglichkeit nachzufragen.

Die Zeitreise in der Zeit zurück ins Jahr 1939 gelingt von Lange ausgezeichnet. Bei mir sprang das Kopfkino just gleich zu Beginn des Buches an und hörte bis zum Schluss nicht mehr auf zu rattern. Die ganzen Eindrücke wirken sehr real ohne zu voyeuristisch zu wirken. Man spürt förmlich wie der Antisemitismus in Deutschland immer weiter fortschreitet und das Gedankengut das Deutsche Volk immer weiter infiltriert. Auch der beginnende Krieg wabert bereits zu Beginn im Raum umher, ohne sofort zu präsent zu sein. Der Krieg erreicht das normale Volk dann sehr schnell auf dem falschen Fuß, indem die Liebsten zum Kriegsdienst abkommandiert werden und niemand weiß, ob oder wann man sich wieder sehen wird. Das Leben zu Zeiten des Nationalsozialismus wird recht treffend beschrieben, man kann den Druck, die Zweifel aber auch die unheimliche Passion fast förmlich spüren allen Anforderungen möglichst gerecht zu werden. Bei Klara und ihren Mitstreitern tun sich natürlich auch mit der Zeit Zwiespälte auf.

Ein insgesamt sehr atmosphärischer Roman der ein gutes Zeitzeugnis der damaligen dunkelsten deutschen Stunde abgibt. Vielleicht lässt uns Nachkommen gerade dieser Roman dann erkennen, wieso unsere Großeltern dann nie sehr ausgiebig über die Kriegszeit erzählt haben. Jeder hatte sein eigenes Päckchen zu tragen und selbst wenn man einigermaßen unbeschadet davonkam hatte man wohl Zeit seines Lebens an den ganzen Eindrücken und dem Erlebten zu knapsen.

Ein ganz großes Chapeau an Alexa Hennig von Lange, die uns Lesenden dieses Schatzkästlein voller Tonbandkassetten geöffnet hat und uns in die Zeit und das Wirken unserer Großeltern zurückversetzt.

Für mich ist dieser ganz besondere Roman eines meiner ganz persönlichen Jahreshighlights 2023.

Bewertung vom 27.07.2023
Klick dein Wanderglück
Niederwanger, Judith;Pichler, Alexander

Klick dein Wanderglück


ausgezeichnet

Die Südtiroler Bergwelt ruft - Tolle Bergtouren für einen unvergesslichen Aktivurlaub in Südtirol

Eigentlich ist es ganz schön unfair was Judith Niederwanger und Alexander Pichler mit ihrem aktuellen Buch "Klick dein Wanderglück - Unvergessliche Touren und Fotomotive in Südtirol" vollführen.

Sie wecken mit diesem sehr genialen Werk bei mir dann akutes Fernweh und ich möchte lieber gleich jetzt als morgen meinen Rucksack packen und die Wanderstiefel schnüren, um die im Buch vorgestellten Touren in Südtirol live zu erleben.

Egal ob man die Bergwelt Südtirols bereits kennt und damit dann eben Erinnerungen verbindet oder dieses schöne Fleckchen Erde noch nicht erkundet hat, für alle Interessierten werden hier auf eine ganz besonders schöne Art und Weise ausgesuchte Bergtouren vorgestellt.

Das Duo "Roter Rucksack" kannte ich bis dato leider noch nicht und jetzt nach diesem Buch bin ich großer Fan von Judith und Alexander und werde auch mal in ihren Social Media-Kanälen stöbern.

Das Buch besticht durch die sehr üppige und vor allem traumhafte Bebilderung. Hier wird die Natur richtig in Szene gesetzt und man kann sich an den einzelnen Motiven gar nicht satt sehen. Die Qual der Wahl, welche Tour dann zunächst gestartet wird, ist anhand der Fotos schon ziemlich schwierig vorzunehmen. Viel zu viele tolle Eindrücke, die man vielleicht selbst live erleben möchte.

Jede einzelne Tour wir din Wort und Bild beschrieben. Eine Kurzübersicht bringt die wichtigsten Details auf den Punkt, um schnell prüfen zu können, ob die Tour dann mit den bisherigen Kenntnissen, der Fitness und auch den persönlichen Erwartungen übereinstimmt.

Als Zuckerl werden ganz bestimmte Fotospots herausgehoben, die es sich zu fotografieren lohnt. Hier und dort gibt das Duo Judith und Alexander einige Einblicke in die Fotografie, indem beide aus dem Nähkästchen plaudern und ganz Fototipps teilen.

45 Wanderungen warten darauf entdeckt zu werden. Ausgehend vom Vinschgau über das Meraner Land bis hinunter zum Gardasee ist eine große Region abgedeckt.

Wer vor seinem Südtirolurlaub bereits schmökern möchte, welche Touren dann besonders interessant sein könnten, der hat mit diesem Werk die allerbesten Voraussetzungen einen unvergesslichen Aktivurlaub zu erleben.

Bewertung vom 25.07.2023
Fourth Wing / Flammengeküsst Bd.1
Yarros, Rebecca

Fourth Wing / Flammengeküsst Bd.1


ausgezeichnet

Die berühmt berüchtigten Drachenreiter von Navarre - Ein furioser Auftakt in ein neues Drachenreiterepos

Rebecca Yarros gelingt mit ihrem Roman "Fourth Wing - Flammengeküsst" nach meiner Meinung ein furioser Start in die Flammengeküsst-Buchreihe.

Das Buch wird ja unter Lesenden geradezu in den allerhöchsten Tönen gelobt, dass sich die Balken biegen. Da musste ich doch glatt mal nachlesen, ob dieser Buch-Hype dann wirklich berechtigt ist.

Die letzte große Drachenreitersaga, die mir in guter Erinnerung blieb ist die Eragon-Reihe von Paolini.

Kann die Protagonistin Violet in Fourth Wing dann überzeugen, wie Eragon im gleichnamigem Epos?

Ich empfand den "dicken Schinken" (768 Seiten) als äußerst unterhaltsam und die Story selbst als durchweg spannend erzählt.

Ich brauchte wirklich nicht lange, um in der mir noch unbekannten Welt rund um das Basgiath War College dann anzukommen und in die Story einzutauchen. Mit den Protagonisten wurde ich schnell warm und konnte mich insbesondere in Violet gut hineinversetzen, die entgegen ihrem eigenen Willen, von ihrer Mutter dann zum Auswahlverfahren der Drachenreiter geschickt wird.

Mehr möchte ich zur eigentlichen Story gar nicht mehr spoilern.

Violets Abenteuer am Basgiath War College fesselte mich persönlich schnell an das Buch.

Das Auswahlverfahren selbst ist nicht sehr zimperlich und jeder Aspirant muss sich jeden Tag aufs Neue beweisen, um nicht unter die Räder zu kommen oder vielleicht sogar zu sterben.

Seite an Seite besteht man mit Violet dann immer wieder neue Aufgaben oder stellt sich den täglich neuen Herausforderungen.

"Up or out" könnte das Credo des Basgiath War College. Denn während des Auswahlverfahrens geht es immer wieder hoch her und es wird unter den Aspiranten gnadenlos ausgesiebt. Insgesamt 100 Drachen suchen neue Reiter. 300 ausgewählte Bewerber kämpfen um einen dieser ausgesuchten Plätze.

Neben den ganzen spannenden Szenen in der Drachenreiterausbildung entwickelt sich ab der Mitte des Buches sodann auch das zarte Pflänzchen Liebe zwischen den Widersachern Violet und Xaden.

Von aller Anfang an riss mich "Fourth Wing - Flammengeküsst" in den Bann und lies mich bis zum Schluss mit dem fiesen Cliffhanger (was auch sonst) nicht mehr wirklich los.

Nach meiner Meinung entsteht hier ein neues großes Drachenreiterepos, das am ehesten wohl als Romantasy bezeichnet werden kann. Ich bin bereits jetzt auf die vier noch folgenden Bände gespannt und fiebere bereits jetzt mit Violets zukünftiger Entwicklung mit.

Bewertung vom 22.07.2023
Die Erinnerungsfotografen
Hiiragi, Sanaka

Die Erinnerungsfotografen


ausgezeichnet

Was bleibt nach dem Tod? - Das Kaleidoskop des eigenen Lebens

Wer sich vielleicht bereits jemals die Frage gestellt hat, was nach dem Tod passiert, bekommt im Roman "Die Erinnerungsfotografen" von Sanaka Hiiragi eine mögliche Antwort.

Während in unserer westlichen Welt der Tod sprichwörtlich totgeschwiegen wird, offenbart Hiiragis Roman eine ganz andere Sicht der Dinge darauf, wenn ein Mensch aus dem irdischen Leben tritt.

Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist der Fotograf Hirasaka und dessen auf den ersten Blick außergewöhnliches Fotostudio. Noch niemand von uns hat wohl von einem solchen Studio für gerade Verstorbene gehört oder gelesen.

Dieses Fotostudio bildet quasi das Bindeglied zwischen der vormaligen irdischen Welt und dem sich anschießenden Reich der Toten.

Bilder und Erinnerungen an das vormalige Leben spielen eine sehr gewichtige Rolle in der ganzen Handlung, wie auch das folgende Buchzitat zeigt.

"Fotos besitzen eine ziemliche Macht, nicht wahr?"

Der Inhalt des Buches wirkte unmittelbar auf mich ein und ich war sehr schnell im sehr angenehmen und dennoch besonderen Flow der Geschichte gefangen. Sprach- und bildgewaltig trifft Hiiragi in jedem einzelnen Abschnitt den richtigen Ton und zauberte mir persönlich die entsprechenden Bilder auf meine imaginäre Leinwand.

Das Buch handelt zwar vordergründig vom Tod, aber ist meiner Meinung nach ein unheimlich schöne Ode an das Leben selbst.

Mit welcher Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit hier das Ableben thematisiert wird verblüffte mich persönlich immer wieder aufs Neue.

Wer sich auf das Buch und das Thema einlässt bekommt ein sehr tiefgründiges Buch, das lange nachwirken wird.

Für mich persönlich war es eines meiner ganz besonderen Jahreshighlights 2023.

Bewertung vom 22.07.2023
Sylter Welle
Leßmann, Max Richard

Sylter Welle


sehr gut

Das Geheimnis hinter Oma Lores süßsauren Apfelringen

Der mir bis dato noch unbekannte Autor Max Richard Leßmann nimmt interessierte Leser in seinem allerersten Roman "Sylter Welle" mit in den hohen Norden an die See.

Dreh- und Angelpunkt der Handlung sind dabei die Urlauber Oppa Ludwig, Oma Lore und deren "Lerge" (Enkel) Max. Der Roman verfängt unheimlich schnell beim Lesen.

Leßmann hat eine unheimlich gute Auffassungsgabe und präsentiert dabei Stück für Stück sowohl in der Gegenwart wie auch in den Rückschauen die mal mehr und mal minder ausgeprägte Familienbande zwischen den unterschiedlichen Generationen unserer Eltern und Großeltern sowie zu dessen Nachkommen.

Beim Lesen ertappte ich mich immer wieder in bestimmten Situationen und heiteren aber auch ernsten Episoden, die ich persönlich auch so in unserer Familie identifizieren kann und die dem Roman dann einen hohen Wiedererkennungswert verleihen.

Durchweg kurzweilig liest sich diese Aneinanderreihung von verschiedensten Dioramen der exemplarischen Familie, die allerdings wohl vielen aus dem Herzen spricht und wenn man ehrlich zu sich selbst ist, gar nicht so abwegig erscheint.

Dazwischen findet man allerdings auch epische Sätze, die dann bei mir noch sehr lange nachwirken werden wie exemplarische der folgende Satz, der bezüglich Zugverspätungen den Blick weiten lässt.

"Jede Minute Verspätung ist für mich aber keine Strafe, sondern nicht weniger als die großzügige Verlängerung meines kurzzeitig ewigen Lebens."

Mitunter hält Leßmann dem Leser dann gekonnt den Spiegel vor. Wenn es dabei beispielsweise um die verschiedensten Essensspuren in der Margarineschachtel geht oder das Abnagen von Geflügelknochen bis zum letzten Fitzelchen Fleisch thematisiert wird, nimmt Leßmann hier unsere alltäglichen Lebens- und Verhaltensweisen ins Visier.

Ein herrlich ehrliches Buch, das mal humorvoll mal ernst den kunterbunten alltäglichen Eindrücken des familiären Kaleidoskops nachspürt. Dieses fast schon Familien-Psychogramm mit dem mal eher engem oder mal eher losem Band zwischen den unterschiedlichen Generationen verknüpft sehr viele unterschiedliche Eindrücke zu schnell rasenden Bildern, die man so schnell wohl nicht wieder vergessen wird.