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Blondschopf
Wohnort: 
Tübingen

Bewertungen

Insgesamt 86 Bewertungen
Bewertung vom 03.05.2021
Laudatio auf eine kaukasische Kuh
Jodl, Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh


weniger gut

Olga lebt zwischen ganz verschiedenen Welten: als erfolgreiche angehende Ärztin lebt sie in ihrer Studentenstadt ein entsprechendes Leben: viel Arbeit, einen unterstützenden Mitbewohner, einen standesgemäßen Freund und wenig Freizeit. Nur selten fällt in dieser Welt auf, dass sie ein Geheimnis um ihre Familie und deren Herkunft aus Georgien macht. Denn diese Welt ist so anders, dass sie sich dafür nicht zu rechtfertigen wagt. Hier herrscht nicht nur ein Sprachenwirrwar, sondern eine Gemengelage aus Traditionen und Erwartungen.
Und dann ist da noch Jack, der scheinbar aus dem Nichts auftaucht und alle Grenzen überschreitet. Ihm gelingt es, die wohlsortierte Welt Olgas durcheinander zu bringen.
Angelika Jodel schreibt in einem sehr apokryphen Schreibstil authentisch aus all diesen unterschiedlichen Welten. Die Figuren und vor allem ihre Beziehungen zueinander bleiben dabei aber schwer nachvollziehbar. Die einzelnen Abschnitte nehmen zum Teil größere Zeitsprünge vor, in denen für die Geschichte durchaus relevantes geschieht, aber nicht erzählt wird (Umzüge, Liebesnächte usw.) Das mindert das Lesevergnügen gewaltig. Es bleibt bei einzelnen (sicherlich gut gezeichneten) Detailszenen, gerade aus dem Leben in Georgien, eine wirkliche Geschichte, gar ein Roman war für mich aber nicht erkennbar.

Bewertung vom 26.04.2021
Und dann war es Liebe
Brown, Lorraine

Und dann war es Liebe


sehr gut

Ein romantischer Tag in Paris
Hannah strandet auf der Rückreise von einem romantischen Urlaub mit ihrem Freund unversehens morgens allein in Paris. Dort trifft sie ebenso unversehens auf Leo, der wie sie auf den am Nachmittag abfahrenden Zug nach Amsterdam wartet. Die beiden sind sich nicht sofort sympathisch, bzw. können sich das zunächst nicht zugestehen, scheinen aber doch fasziniert voneinander und so beginnt ein herrlicher Tag in Paris, an dem Leo Hannah auf einem Motorrad zu den schönsten Orten und einigen seiner Freunde bringt. Dabei nähern sie sich nicht nur körperlich auf dem Motorrad, sondern vor allem innerlich an, können sich Dinge erzählen, die sie sonst gerne in ihrem Inneren vergraben und fühlen sich zutiefst verstanden. Die befristete Zeit von wenigen Stunden und die herrliche Altstadt Paris´, die uns vor allem durch das Objektiv von Hannahs Kamera nahe gebracht wird (ein wunderbarer Schreibtrick der Autorin), verbinden die beiden auf sehr intensiver Weise. Beide lernen nicht nur einander, sondern vor allem sich selbst in dieser kurzen Zeit ganz neu kennen und entdecken, was sie mit ihrem Leben eigentlich wollen und was ihnen bisher verwehrt wurde. Und so verändert der unfreiwillige Aufenthalt am Ende vor allem Hannahs Leben, reißt sie aus altem Alltagstrott und eröffnet ihr mutig eine neue Zukunft.
Negativ bleibt jedoch, dass der Titel mehr verspricht, als er hält: wirkliche Verliebtheit kommt an diesem einen Tag natürlich nicht zustande. Das hätte man besser lösen können.

Bewertung vom 29.03.2021
Eine Sehnsucht nach morgen / Ruhrpott Saga Bd.3
Völler, Eva

Eine Sehnsucht nach morgen / Ruhrpott Saga Bd.3


ausgezeichnet

Beeindruckende Zeitreise
Die Trilogie ist im Jahr 1968 angekommen. Bärbel eine erfolgreiche Assistenzärztin kehrt aus Hamburg in ihre Heimat Essen und in ihre Herkunftsfamilie zurück. Dort trifft sie auf ihre große Liebe und ihre Anziehung flammt sehr schnell wieder auf. Doch der Mann ist inzwischen – zwar unglücklich – verheiratet und Vater einer Tochter. So groß ihre Liebe auch ist, es stehen ihr große Prüfungen bevor. Auch beruflich ist es für die junge Frau nicht leicht, sich durchzusetzen.
Auch Karl, der jüngste Sohn der Familie erlebt während des erzählten Jahres aufregende Dinge: erste Liebe, Aktionen in der APO, Arbeit im Bergwerk, Abitur und vieles weiteres. Damit kommt uns Leserinnen die Perspektive der Jugendlichen nahe.
Auch die weiteren Protagonisten erhalten gelungen komponierte Erzählstränge und verlieren sich trotzdem nicht.
Insgesamt ist es eine liebevoll und sehr detailreich erzählte Zeitreise. Der Flair der Zeit, die sich zwischen Hoffnung auf Liberalisierung und Verpflichtung bewegt und in der doch so viele Weichenstellungen eingeschlagen werden, kommt wunderbar an.
Kleine Kritikpunkte: Zu Beginn der einzelnen Kapitel wird jeweils nicht klar, wie viel Zeit (Stunden, Tage, Wochen, Monate) seit dem vorherigen vergangen sind. Das entdeckt man erst zwischen den Zeilen im Lesen. Auch die Sprache der Zeit finde sich nicht im Buch wieder, stattdessen sprechen die Protagonisten eher wie in der Gegenwart von uns Leserinnen, aber das trägt vielleicht gerade zum Lesegenuss bei.
Denn insgesamt liest es sich wunderbar und vermittelt uns ganz nebenbei, welche Kämpfe und Zerissenheiten unsere Vorfahrinnen einst ausstehen mussten.

Bewertung vom 22.12.2020
Auch die große Liebe fängt mal klein an
Deloy, Sylvia

Auch die große Liebe fängt mal klein an


gut

Liebenswürdige Protagonistin
Marie hat ihren Eltern auf dem Sterbebett versprochen, das Familienrestaurant in Köln erfolgreich am Laufen zu halten – und muss nun erleben, dass Brandschutz, schlechte Publicity und weitere Herausforderungen sie daran hindern, dieses Versprechen zu halten. Notgedrungen schließt sie ihren Laden und heuert in eine Brauhaus an, wo sie glatt ihrem Exfreund über den Weg läuft. Es beginnen spannungsreiche Wochen, in denen die beiden miteinander zanken und gleichzeitig wieder spüren, wie sehr sie einander schätzen. Durch manch andere glückliche Zufälle ist ihre Zeit gespickt mit vielen Aufregungen. Maries Leben wird dabei begleitet von ihrer Freundin/Mitbewohnerin und deren Tochter, ihrem pflegebedürftigem Großvater und einem guten Freund. So ist sie trotz aller Herausforderungen immer in ein wunderbares Freundschaftsnetz eingebunden, das sie auch durch die schweren Zeiten trägt.
Das Buch erzählt so letztlich mehr von Freundschaft, Durchhaltevermögen und gegenseitiger Unterstützung als von einer großen Liebe. Die Beziehung zwischen Anton und Marie wird nur sehr rudimentär dargestellt, dafür erhalten wir ein wunderbar facettenreiches Portrait einer liebenswerten jungen Frau, die sich in der Gastronomie Kölns etabliert.

Bewertung vom 24.11.2020
Marigolds Töchter
Woolf, Julia

Marigolds Töchter


weniger gut

Marigolds Töchter erzählt zunächst von einer ganz normale Familie in einem englischen Dorf: Die Eltern Denniz und Mariegold führen eine glückliche Ehe, haben Berufe, die sie erfüllen und sind im Ort gut vernetzt. Die Großmutter wohnt inzwischen bei ihnen, zumal eine der Töchter schon seit 6 Jahren im Ausland lebt und nur noch die andere das gemachte Nest bei Mutter bevorzugt. Doch Veränderungen bahnen sich an: Die zweite Tochter kehrt in den Schoß der Familie zurück und bei der Mutter verdichten sich die Anzeichen auf Demenz.
Gut die Hälfte des Buches wird damit zugebracht, das Familien- und Dorfleben zu beschreiben: Lauter liebenswerte Persönlichkeiten, die sich zugewandt sind. Als dann endlich die Demenzdiagnose bei Marigold gestellt ist und die Krankheit in schnellen Schritten sich verschärft, nimmt nicht nur die ganze Familie, sondern das ganze Dorf Anteil an Marigolds ergehen. Auf diesen letzten Seiten zeichnet die Autorin einen wunderbar einfühlsamen Umgang mit Demenzerkrankten und ihren Angehörigen. Hierin liegt wirklich die Stärke des Buches. Für einen so umfangreichen Roman nimmt die wirkliche Auseinandersetzung allerdings viel zu wenig Raum ein.

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Bewertung vom 05.10.2020
Nalas Welt
Nicholson, Dean

Nalas Welt


gut

Dean, inzwischen mit seiner Katze ein erfolgreicher Sozial-Media-Star erzählt hier von den ersten ca. 2 Jahren, die er mit Nala auf seiner Weltreise mit dem Fahrrad erlebt hat.
Wir radeln mit ihm durch Süd- und Osteuropa, lernen, dass es nicht darauf ankommt, möglichst schnell voran zu kommen, sondern sich auf die immer wieder neuen Situationen einzulassen, Umwege zu gehen und sich um Herzensanliegen zu kümmern. Der einst auf Abenteuer getrimmte Dean erfährt mit der zufälligen Begegnung einer Katze, die ihn nicht mehr loslässt, wie sinnstiftend es ist, Verantwortung zu übernehmen und sich um ein anderes Wesen zu kümmern. So ist es letztlich der Bericht eines Erwachsen-Werdens, der schließlich mit der Corona-Krise und den damit verbundenen Reisebeschränkungen vorerst unterbrochen wird.
Dean erzählt selbst und teilt mit uns auch einige seiner Bilder. Für alle Fans seiner Social-Media-Profile ist dieses Buch sicher wertvoll.
Für Lektürefreunde muss einschränkend gesagt werden, dass naturgemäß die Erlebnisberichte im Vordergrund stehen und sich deshalb ziemlich schnell die Grundmuster der einzelnen Passagen wiederholen: Dean hat irgendein Vorhaben, das dann entweder durch seine Katze oder äußere Umstände nicht gelingt oder in Gefahr gerät, so dass er sich der Situation anpassen muss und dabei so manch schöne Überraschung erlebt.

Bewertung vom 21.09.2020
Alt genug, um glücklich zu sein
Langenscheidt, Florian;Schulz, André

Alt genug, um glücklich zu sein


ausgezeichnet

Florian Langenscheidt schreibt in bekannt unterhaltsamen, gut lesbaren aber sehr informativem Stil und betrachtet eine Fülle an Aspekten des Alters unter einem ermunterndem Blickwinkel. Es gelingt ihm, Mut zu machen, die Chancen des Alters zu ergreifen, ohne dabei pauschal und bewertend zu werten. Ganz bewusst schreibt er im Ich-Stil und unterlässt es zu psychologisieren und zu deuten. Mit einer Fülle an gut recherchierten Fakten, Meinungen und Zitaten erstellt er ein Kaleidoskop an Perspektiven auf die letzten Lebensjahrzehnte. Angereichert wird das Buch durch sog. Fachbeiträge von Experten zu Themen wie Demenz, Armut, Internet…
Zielgruppe sind gewiss eher die sog. Jungen-Alten, die sich gerade am Übergang vom Berufsleben in die Rentenzeit befinden. Fragen wie die typischen Erkrankungen Hochaltriger werden nur am Rand thematisiert.
Insgesamt ein sehr fundiertes und ermutigendes Buch

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.09.2020
Das Schicksal der Henkerin
Martin, Sabine

Das Schicksal der Henkerin


gut

Das Schicksal der Henkerin ist die gelungene Fortsetzung eines ersten Bandes, der sich aber auch prima solo lesen lässt. Im Mittelpunkt steht Melisande, gegenwärtig Gattin eines erfolgreichen Händlers aus Rottweil, die in einer furchterregenden Vergangenheit ihre Herkunftsfamilie verloren hat und deren Rachefeldzug nicht nur sie selbst, sondern auch ihren Mann und ihre Kinder in höchste Gefahr bringt.
Den beiden Autoren gelingt es fabelhaft, die Brutalität, Grausamkeit und Härte des Lebens im Neckartal des 14. Jahrhunderts zu schildern. Wer sich nicht vor Schwertschlägen, Morden ohne Ende, Vergiftung und vielen Toten graust, der hat hier ein extrem spannendes Werk vor sich. Literarisch ist das Werk sehr gut komponiert und lässt an Spannung und Lesedrand nichts zu wünschen übrig. Für zart besaitete Leserinnen ist es dann aber doch zu sehr von Gewalt und Blut triefend, zumal sich die Handlung dann doch vor allem immer und immer wieder darum dreht, dass eine vermeintlich naheliegende Lösung durch ein erneutes Unglück, bzw. Glückssträhne der Gegner wieder in weite Ferne rückt.

Bewertung vom 06.09.2020
Der Fremde aus Paris
Hammad, Isabella

Der Fremde aus Paris


sehr gut

Der Fremde aus Paris erzählt angelehnt an eine tatsächliche Figur (den Großvater der Autorin) ein Leben eines Palästinensers (wie wir ihn heute nennen würden) zu Beginn des Letzten Jahrhunderts, zwischen allen Stühlen: Als Halbwaiser, von der Stiefmutter ungeliebt und bei der Großmutter aufgewachsen darf er zum Studium nach Frankreich, zunächst nach Mömpelgard, später zieht er auf eigene Faust weiter nach Paris. Die erste Liebe, der er dort begegnet wird ihn sein weiteres Leben nicht mehr loslassen. Wirklich ankommen kann er in der Fremde allerdings nicht, zieht wieder zurück nach Nablus und muss erleben, wie ihn die Stricke der Tradition zunehmend einengen. Es gelingt ihm trotz allem Widerwillen nicht, sich in die Moderne zu flüchten, so dass er letztlich auch in diesem Leben ein Fremder bleibt.
Isabella Hammad erzählt grandiose und episch, historisch weitgehend sehr gut informiert und detailreich. Für deutsche LeserInnen eine wichtige Zumutung: Die Auseinandersetzungen um Israel und Palästina in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Medizinhistorische Einblicke, aber eben auch Einblicke in Tradition und Kultur der Araber. So gilt es unzählige Familienangehörige und ihre Eigenname auseinander zu halten, politische Parteien und Gruppierungen einzuordnen, Wegstrecken zwischen Damaskus, Kairo, Nablus und Jerusalem samt Umland zurückzulegen und so weiter. Keine einfache Lektüre, aber ein grandioses Werk.

Bewertung vom 02.09.2020
Normale Menschen
Rooney, Sally

Normale Menschen


weniger gut

Normale Menschen ist – obwohl mehrfach ausgezeichnet und angepriesen – ein gewöhnungsbedürftiges und kein normales Buch. Schon die Schreibweise: Viel wörtliche Rede, aber ohne Kennzeichnung, d.h. man muss immer ein wenig raten, ob gerade tatsächlich jemand (wer?) zu jemandem (wem?) etwas sagt, oder das geschriebene nur erzählt oder gedacht wird. Auch die Zeitsprünge im Erzählverlauf sind gewöhnungsbedürftig und anstrengend: Jedes Kapitel beginnt zwar mit einer klaren Datumsangabe, z.B. Mai 2011, zwei Monate später (manchmal auch: fünf Minuten später), trotzdem ist es kein kontinuierliches Erzählen und es finden sich innerhalb der einzelnen Kapitel mehrfache Rückblicke und Überblenden. Kunstvoll gestrickt ist das sicherlich, aber zum Lesen anstrengend.
Dann die Erzählung: Es werden die ersten Jahre zwischen dem Schulabschluss und dem ersten Studienabschluss aus Sicht von zwei Personen erzählt und ja, es zielt darauf, sie in diesen Jahren zu vermeintlich „normalen“ Menschen wachsen zu lassen. Aber ist es wirklich normal, dass sie als Halbwaise in einem reichen aber gewalttätigen Haushalt lebt, in der Schule absolute Außenseiterin ist und im Studium zur Partymaus wird - er offensichtlich sehr arm mit seiner alleinerziehenden Mutter gerade so über die Runden kommt, in der Schulzeit in seinem Freundeskreis integriert ist und sich dann im Studium in Depressionen und Einsamkeit verliert? Ist es normal, dass beide Personen sich als hochbegabt herausstellen, während der ersten Semester kaum zu lernen scheinen und trotzdem sehr begehrte Stipendien ergattern? Ist es normal, dass das einzige was erzählt wird ein Nacheinander von Party, Drogen, Sex und (sexualisierte) Gewalt ist und sich das Ganze dann wieder und wieder wiederholt? Mehr passiert wirklich nicht und auch das Ende, die weitere Entwicklung bleibt völlig offen.
Insgesamt also eher ein deprimierendes Buch, man hofft und wünscht allen jungen Erwachsenen, dass ihr Erwachsenwerden nicht so verläuft, sondern viel mehr Bestätigung, Anerkennung und Wertschätzung enthält.