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easymarkt3
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Insgesamt 766 Bewertungen
Bewertung vom 05.09.2024
Das Geheimnis der Glasmacherin
Chevalier, Tracy

Das Geheimnis der Glasmacherin


sehr gut

Lebendige Geschichte – das Glaskunsthandwerk
Das Cover besticht durch seine farbenfrohe Aufmachung: Der Himmel gestaltet wie in Regenbogenfarben gezogenes Glas, während den unteren Teil ein detailliertes Gemälde von Venedig aus historischer Zeit schmückt. Ebenso farblich aufwendig ist der Buchschnitt gearbeitet.
Venedig und ihre benachbarte Insel Murano, berühmt für ihr Glaskunsthandwerk ab 1468 bis in unsere Gegenwart – das ist das Hauptthema dieses lehrreichen, historischen Romans. In drei Teilen mit klar angezeigten Zeitsprüngen geht es nicht nur um die Geschichte Venedigs, eingeflochten in das jeweilige Weltgeschehen. Besonders das Alltagsleben und auch Überleben der Glasbläserfamilie Rosso aus Murano mit der weiblichen Hauptfigur Orsola steht im Mittelpunkt. Der besondere Zauber dieser Handwerkskunst, mit guter Beschreibung der einzelnen Herstellungsprozesse, wird lebendig beschrieben. Orsola mit ihrer eigenen Glasperlen-Produktion umspannt mit Antonio und seinen Glas-Delphinen wie ein roter Faden Muranoglas und ihre gehüteten Geheimnisse über mehr als fünf Jahrhunderte sowie deren weltweiten Handel. Das italienische und venezianische Glossar ist hilfreich, besonders um die kräftigen Flüche der Gondoliere richtig einstufen zu können. Sie runden vor allem die lebendige Atmosphäre des mittelalterlichen Venedigs im 15. Jahrhundert ab. Der Schreibstil gefällt, besonders weibliche, starke Charakteren werden positiv herausgestellt. So wird Geschichte lebendig.

Bewertung vom 01.09.2024
Lupus
Rode, Tibor

Lupus


ausgezeichnet

Sehr spannend und informativ!
Das Cover enthält viel Spannung durch den Wolf in Angriffsstellung. Schon hier ist der Leser mitten im Diskussionsthema um Mensch und Natur, um hitzige Auseinandersetzungen rund ums Jagen des Wolfes bzw. um den richtigen Umgang mit ihm. Die Szenerien spielen sich in Mecklenburg-Vorpommern ab, rund um den Greifswalder Bodden, Stralsund, Anklam, Hanshagen, die Insel Riems und ihre Nachbarinsel Vilms. Über diese gefährlichsten Inseln Deutschlands gibt es einen historischen Abriss. Die Reichsforschungsanstalt Riems, das Alcatraz der Viren, beherbergt immer noch das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit und war vermutlich weltweit eine der wichtigsten Forschungsanstalten für Tierseuchen - sehr interessante Informationen und kreative, sehr spannende Einflechtung in diesen Krimi. Thematisiert werden auch die Herstellung von Biowaffen, der Einsatz von KI-basierten Überwachungssystemen, die Rückzüchtung ausgestorbener Tierarten oder auch Nazi-Zellen zu DDR-Zeiten. Alle Figuren rund um Jennifer Rausch, Tierärztin, Amtsveterinärin und seit voriger Woche die neue Wolfsbeauftragte des Landkreises Vorpommern und Frederik Bach von der Staatsanwaltschaft in Stralsund sind realistisch, sympathisch und mutig dargestellt. Der kreative Schreibstil verarbeitet geschickt geschichtliche Wahrheiten in sehr spannender Aufbereitung.

Bewertung vom 29.08.2024
Winterwölfe
Jones, Dan

Winterwölfe


sehr gut

Das Mittelalter rund um Edward III. wird lebendig erzählt.
Das Cover zeigt einen Löwen aus dem königlich-englischen Wappen Edwards III. aus dem Hause Anjou-Plantagenêt, der französischstämmigen Herrschaftsdynastie – ein passendes Symbol zum Buchinhalt. In diesem zweiten Band der Essex Dogs Trilogie geht es nach dem englischen Sieg bei Crècy gegen die Franzosen im hundertjährigen Krieg um die elfmonatige Belagerung von Calais 1346/47. Bisher ohne Bezahlung und trotz des Verlustes zweier Söldnermitglieder ihrer Truppe harren sie aus in Villeneuve. Lebendig beschrieben wird der abenteuerliche Belagerungszustand sowohl für die englische Seite als auch für die Zivilbevölkerung der reichen Hafenstadt Calais und der dörflichen Umgebung. Verwoben mit historischen Fakten geht es um Abenteuer verschiedenster Charakterfiguren wie z.B. den jungen Bogenschützen Romford, der flämischen Söldnerin Hircent oder den Piraten Marant. Der rätselhafte Captain verbindet als Krüppel das Geschäftliche mit diesem Krieg, allein auf sein Überleben konzentriert, während die tiefe Freundschaft der verbliebenen Essex Dogs den rauen, brutalen Kriegszustand besser ertragen hilft. Die extremen Marotten und unmenschlichen Eigenheiten der im Kriegsgeschehen involvierten Adeligen sind ebenso lebhaft herausgestellt in vielen Details. Insgesamt ein lehrreiches und dennoch spannendes Buch.

Bewertung vom 28.08.2024
Vaterländer
Tambrea, Sabin

Vaterländer


gut

Rumänien - nicht nur für politisch Interessierte lesenswert
In drei Teilen geht es um mehr als nur um die rumänisch-ungarische Familiengeschichte dreier Generationen von Vätern. Auch das Alltagsleben in Rumänien während des Ceauceșcu-Regimes mit all ihren Entbehrungen wird besonders im zweiten Teil beschrieben, wo der Großvater Horea Sava als junger Mann ab 1949 in die politischen Intrigen dieses gnadenlosen Systems unverschuldet gerät. Die Lebensgeschichte von Sabins Vater Bela Tambrea erfährt mit seiner Entscheidung im Jahre 1985 eine wichtige Wende: Während einer Konzertreise in Frankreich flieht er mit einem Freund nach Deutschland, holt nach zwei Jahren voller Einsamkeit und Entbehrungen im Rahmen der Familienzusammenführung Ehefrau und Kinder nach. Ab vier Jahren bis zu seinem Stimmbruch erzählt der Autor Sabin Tambrea, 1984 in Rumänien geboren, über sein Familienleben in Marl. Sowohl der politische Wandel in Rumänien während dieser Zeit wird detailliert beschrieben, als auch die Sehnsucht nach Freiheit, nach Selbstbestimmung wird herausgestellt. Der Familienzusammenhalt insgesamt über einen langen Zeitraum und über einige Ländergrenzen hinweg ist beeindruckend. Die Schilderung der romantischen Liebesgeschichte von Sabins Eltern bringt positive, menschliche Momente in diese Beschreibung des doch politisch harschen Systems Rumäniens ohne Hoffnung auf Liberalisierung. Die frühe Vergangenheit Rumäniens wird auch angerissen. Das angehängte Familienverzeichnis ist besonders im ersten Teil hilfreich. Mit großer Willensstärke, mit Disziplin und langem Durchhaltevermögen – so werden die Hauptpersonen porträtiert. Der Schreibstil gefällt.

Bewertung vom 22.08.2024
Wir sehen uns am Meer
Rabinyan, Dorit

Wir sehen uns am Meer


sehr gut

Liebe mit einem Verfallsdatum
Die problematische Liebesgeschichte zwischen einer Israelin und einem Palästinenser beginnt 2003 in New York, zwei Jahre nach 9/11. In drei Teilen entsprechend den Jahreszeiten Herbst bis Frühling beschreibt die Israelin Liat ihr Leben in N.Y. mit Rückblenden zu ihrer Familie und ihrem bisherigen Leben in Tel Aviv. Ihr Visum läuft zum 20. Mai 2003 aus. Durch Zufall lernt sie den Maler Chimra aus Ramallah, Westjordanien kennen, der seit 1999 in N.Y. lebt. Die politische Brisanz zwischen diesen beiden Ländern wird mit simplen Methapern mit Symbolgehalt angerissen.
Im zweiten Teil zur sehr kalten, anhaltenden Winterzeit trösten sich beide ineinander geschmiegt und liebessatt gegen Kälte und Einsamkeit, ohne dass Eltern und Freunde im Heimatland in ihre politisch untersagte Beziehung eingeweiht werden. Beide genießen nicht nur Gefühle der Freiheit und Unabhängigkeit weit ab von der reglementierten Heimat, sondern auch z.B. in U-Bahnen unterwegs in N.Y. fehlt besonders Liat der Mut vor Israelis, zu ihrer Beziehung mit ihrem heimlichen, arabischen Geliebten zu stehen. Chilmi und seine Familie werden mit Rückblenden und mittels einer DVD vorgestellt. Sein älterer Bruder Wassim entfacht mit Liat einen politischen Streit um einen zukünftigen binationalen Staat.
Im dritten Teil fliegt Liat zurück nach Tel Aviv nach Ablauf ihres Visums. Auch Chimli kehrt für zwei Monate heim nach Ramallah. Per Telefon halten beide weiterhin Kontakt und richten sich getrennt neu ein. Doch schließlich passiert ein Unglück!
Der Sprachstil gefällt, auch wenn der Satzbau etwas ungewöhnlich ist durch Aneinanderreihung unvollständiger Sätze. Die bildliche Wortwahl und die detaillierte Erzählweise lassen die Atmosphäre an den jeweiligen Standorten lebendig werden. Die politische Brisanz in dieser persönlichen Liebesbeziehung ist klar heraus gearbeitet.

Bewertung vom 19.08.2024
Taumeln
Scherzant, Sina

Taumeln


sehr gut

Möglichkeiten des Findens und der Selbstfindung
Die zwei Jahre ältere Schwester von Luisa - Hannah Auerbach – wird immer noch vermisst. Ein harter Kern von sieben Personen sucht immer noch samstags mit Luisa im Wald, obwohl die Möglichkeit des Findens von Hannah sehr unrealistisch ist. Diese Kerngruppe mit vorhandenen Familienmitgliedern steht im Mittelpunkt mit ihren jeweils verschiedenen Problematiken von Einsamkeit, häuslicher Gewalt, im Leben verloren, Hoffnungslosigkeit, Broken-Heart-Syndrom etc. Die Rückblicke von Luisa, Frank und Inge schaffen eine besondere, emotionale Atmosphäre, während die weiteren Gruppenmitglieder unschärfer dargestellt werden, insgesamt in einem langen Satzbau, oft erweitert durch Halbsätze. Die vortreffliche Wortwahl ist oft bildlich, kreativ eingesetzt, der württembergische Dialekt wirkt auflockernd und authentisch dörfllch. Wie die Suchenden (aus verschiedener Motivation) doch langsam Mitverantwortung füreinander aufbauen, ist gut beschrieben – wie bunte Holzperlen an einer geschlossenen Kette. Doch schließlich bleibt eine einzelne Holzperle – Luisa – abseits von diesem Verbund. Mit einem abrupten offenen Finale endet dieser gesellschaftskritische Roman um Luisa und ihrem Hass auf ihre Schwester Hannah.

Bewertung vom 16.08.2024
Mord in der Charing Cross Road
Hamilton, Henrietta

Mord in der Charing Cross Road


gut

Ein Geist und ein Mord im Antiquariat
Das Cover zeigt nicht nur einen übermächtigen weißen Geist in leicht gebückter Angriffshaltung, sondern auch eine junge Frau in Gelbtönen – wohl Sally – vor einer stilisierten Bücherwand stehend. Passend zum Buchinhalt, versprüht es einen vorgestrigen Charme. Die Autorin Henrietta Hamilton verarbeitet hier auch ihre Erfahrungen in einer Londoner antiquarischen Buchhandlung nach dem zweiten Weltkrieg. Wie Agatha Christie schreibt sie im gleichen Genre über ihr Duo Johnny und Sally Heldar, das Kriminalfälle löst. Die anfängliche Vorstellung sämtlicher Mitarbeiter und Eigentümer in der über mehrere Stockwerke reichenden Buchhandlung überwältigt zunächst. Der Schreibstil wirkt in seinen beschriebenen, meist höflichen Umgangsformen altmodisch. Rätselhafte Begebenheiten wie die Sichtung eines angeblichen Geistes oder einer Geheimtür führen nicht zu überragender Spannung. Der heutige Umgang mit seltenen Antiquitäten in Buchform als Erstausgaben, über mehrere Jahrhunderte alt, würde kaum den Diebstahl kostbarer Exemplare wie im Buch beschrieben ermöglichen. Dass der Mörder und die Mordwaffe ausländischen Ursprungs sind, verwundert nicht nach den bitteren Kriegserfahrungen der Briten. Eine Wiederbelebung dieser aus der Zeit gefallenen Krimireihe könnte aufgrund der Wortwahl und der jeweils verarbeiteten Gesamtsituation ohne raffinierte, scharfsinninnige Twists und Turns schwierig sein.

Bewertung vom 14.08.2024
Genau so, wie es immer war
Lombardo, Claire

Genau so, wie es immer war


sehr gut

Eine emotionale Reise durch Julia Ames Leben
Das Cover in frischen Farben strahlt sommerliche Leichtigkeit aus im Kontrast zu den komplexen, tiefgehenden Problemen einer Frau im sehr umfangreichen Buch. In drei Teilen erzählt die Hauptfigur Julia Ames auf zwei Erzählsträngen, zeitlich nicht chronologisch sortiert, über ihr langjähriges Ehe-und Familienleben, aber auch über ihre belastete Kindheit in toxischer Mutter-Tochter-Beziehung. Emotional geht es um ihre Einsamkeit des Mutterseins, um zwischenmenschliche Probleme hinsichtlich Kontaktpflege, um ihre tödliche Melancholie und Depression. In Helen findet sie eine sehr verständnisvolle Freundin. Themen wie Affäre und Vertrauen in der Ehe, Loslassen der erwachsenen Kinder, Freundschaft und Neuanfang werden in abwechslungsreicher Sichtweise geschickt beschrieben. Dialoge, ob nun humorvoll oder zynisch, lockern den kreativen Schreibstil gekonnt auf. Die Skizzierung der Familie und ihren Freunden ist auf der zwischenmenschlichen Ebene gelungen, sodass sich ein umfangreiches Bild mit genauem Blick hinter der Fassade der Menschen ergibt. Die erzählerische Stärke liegt hier auch an der gefühlvollen, bildreichen Wortwahl, die die Unsicherheiten, Zweifel und Stimmungsschwankungen der Hauptfigur festhält. Ein unterhaltsamer Roman zum Nachdenken über Glück und Liebe.

Bewertung vom 12.08.2024
Die Unvollkommenheit des Glücks
Bagus, Clara Maria

Die Unvollkommenheit des Glücks


sehr gut

Die zerbrechliche Schönheit des Lebens
Die zunächst unabhängigen Lebensgeschichten zweier mit sich unzufriedenen Menschen treffen schließlich zusammen, enden in einer zarten Liebesgeschichte. Beide sehr verschiedenen, gut beschriebenen Charakteren auf der Suche nach dem befriedigenden Sinn ihres Lebens und nach Glück scheinen sich magisch anzuziehen. Was wirklich im Leben zählt, wird in einem Kriegsszenarium herausgestellt, beschrieben in bildlicher Wortwahl, teils poetischem, philosophischem Schreibstil. Einige Lebensweisheiten besonders in der ersten Romanhälfte im Zusammenhang mit Anas verzweifelter Lebenssituation regen vielleicht auch zum Nachdenken über das eigene Leben an. Beide Hauptfiguren haben während ihres Selbstfindungsprozesses schließlich, über Raum und Zeit hinweg, eine Tür gefunden mit der Erkenntnis, dass Glück nie vollkommen ist. Aber gerade in seiner Unvollkommenheit liegt wohl die eigentliche Schönheit. Glück allein scheint nicht der Sinn des Lebens zu sein.

Bewertung vom 10.08.2024
Ich komme nicht zurück
Khayat, Rasha

Ich komme nicht zurück


ausgezeichnet

Ich sehe was, was du nicht siehst. – Mehr als ein Kinderspiel!
Die Szenerie spielt im Ruhrgebiet in Zeiten der Corona-Pandemie und in den 80-/90-ger Jahren. Der Verlauf einer tiefen Freundschaft zwischen drei Kindern aus verschiedenen Kulturkreisen in bescheidenen Lebensverhältnissen wird erzählt in zeitlichen Rückblicken. Durch historische Ereignisse wie der Angriff in New York auf das World Trade Center am 11.September 2001 wird diese Freundschaft sehr belastet durch Anfeindungen, Vorurteile und Klischees Dritter. Auch das Versterben von Hannas warmherzigen, immer hilfsbereiten Großeltern sorgt für mehr Risse und innerer Distanz mit zunehmendem Alter. Die verschiedenen Charaktere der drei Freunde sind realistisch beschrieben: Cem – der Fels im Trio mit Zeyna, der ruhelosen, starken Abenteurerin und der klammernden, eifersüchtigen Hanna, als Erwachsenen immer noch gefangen in depressiven, einsamen Kindheits-Erinnerungen. Überhaupt wird das häusliche Milieu mit den offenen, liebenswürdigen Großeltern bildlich detailliert und gut vorstellbar lebendig beschrieben. Der Schreibstil verändert sich bei Hannas tiefgreifenden emotionalen Notständen durch staccato-artige Wiederholungen, beim Ableben der Großeltern, bei ihren verzweifelten Kontaktversuchen mit Zeyna immer noch auf der Suche nach dem verlorenen WIR und UNS. Sich selber endlich zu finden im Jetzt gelingt erst bei einem vertrauten Gespräch mit Cem, bei einer Erklärung des endgültigen Bruches zwischen den engen Freundinnen, in weihnachtlichem Ambiente – sprachlich und dramaturgisch ideal an das Romanende platziert. Themen wie der Strukturwandel im Ruhrgebiet, Corona-19, Armut und Einsamkeit bilden den Hintergrund zu einer vordergründigen Geschichte über eine besondere, teils lebenslange Freundschaft.