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Benutzername: 
takabayashi
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Berlin
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Vielleser

Bewertungen

Insgesamt 150 Bewertungen
Bewertung vom 06.09.2022
Falsche Zeugen / Strafverteidiger Pirlo Bd.2
Bott, Ingo

Falsche Zeugen / Strafverteidiger Pirlo Bd.2


sehr gut

Unterhaltsamer Justizkrimi aus dem Clan-Milieu

Der zweite Band der Reihe um die Anwälte Anton Pirlo und Sophie Mahler ist wieder sehr unterhaltsam und gegen Ende auch spannend. Der Anteil von Krimihandlung zu Privatleben der Protagonisten beträgt etwa fifty-fifty. Natürlich ist der Hintergrund der beiden Anwälte durchaus interessant und auch relevant, aber nimmt für meinen Geschmack vielleicht etwas zu viel Raum ein. Relevant für den Fall insofern, als ja auch Pirlo eigentlich Ramzes Khatib heißt und aus einer kleineren Clanfamilie stammt, von der er sich aber weitgehend losgesagt hat. Und der neue Mandant Faruk Maliki ist der Sohn einer albanischen Clan-Größe, ein Prinzling, verwöhnt und großspurig, der angeblich den Kopf einer Neonazi-Gang getötet haben soll. Die beiden Anwälte glauben an seine Unschuld ...

Man kann diesen Band sicher auch lesen, ohne den ersten zu kennen, aber besser wäre es schon, die Bände chronologisch zu lesen, denn es gibt doch immer mal wieder Verweise auf den ersten Band.

Pirlo hat Sophie bis jetzt immer noch nichts von seinem familiären Hintergrund erzählt, sie schöpft jedoch allmählich Verdacht. Sie wiederum ist ein Sprössling einer renommierten, alteingesessenen Anwaltsfamilie, aber etwas überkreuz mit ihrer Familie, weil sie sich nicht der väterlichen Kanzlei für Wirtschaftsrecht anschließen will und lieber Strafrecht praktiziert. Allerdings kommt sie nun manchmal ins Schwanken, da Pirlo - der auch noch ernsthaft frisch verliebt ist - sich im Laufe dieses Falls oft wenig kooperativ und unzuverlässig verhält, so dass sie tatsächlich mit dem verlockenden Job-Angebot ihres Vaters liebäugelt.

Gegen Ende kommt wieder alles zusammen und es wird auch klar, warum das Privatleben so eine relativ große Rolle gespielt hat. Die kurzen Kapitel sind zumeist wieder in einem ungangssprachlichen, eher schnoddrigen Stil geschrieben, der sich gut liest und erfrischend anders klingt als die meisten sonstigen Krimis. Gute Unterhaltung plus viel Informationen über das Procedere vor Gericht in gut verständlicher Form. Und ein originelles Ermittler-Duo. Einen Punkt Abzug gibt's von mir, weil ich den Autor als ziemlich eitel und selbstverliebt empfinde - man muss sich nur das Foto des Autors ansehen und es mit dem Titelbild vergleichen um zu sehen, dass er die Figur des Pirlo nach seinem eigenen Bild gestaltet hat und man immer zwischen den Zeilen spürt: Der Pirlo ist ein toller Hecht! Das war zwar schon im ersten Band so, hat mich aber erst jetzt beim zweiten Fall etwas gestört. Generell tut das aber dem Unterhaltungswert des Romans keinen Abbruch und ich freue mich schon auf Band 3!

Bewertung vom 23.08.2022
Eine Feder auf dem Atem Gottes
Nunez, Sigrid

Eine Feder auf dem Atem Gottes


ausgezeichnet

Tolle Wiederentdeckung!

Endlich mal wieder ein Buch, das ich quasi in einem Rutsch durchgelesen habe! Der autobiographische Roman von Sigrid Nunez hat mich von der ersten Seite an fasziniert. In vier unterschiedlichen Abschnitten berichtet sie über ihren Vater, ihre Mutter, ihre Ballettambitionen als Teenager und schließlich eine Affäre mit einem russischen Einwanderer. Speziell die beiden ersten Abschnitte haben mir besonders gut gefallen. im ersten Abschnitt trägt sie alles zusammen, was sie über ihren chinesisch-panamischen Vater weiß. Das ist nicht viel - ein zurückhaltender, verschlossener, rätselhafter Mann, der kaum Englisch sprach. Genau wie die Autorin selbst möchte man als Leser gern mehr über ihn erfahren! Dann seziert sie die deutsche Mutter - eine sehr widersprüchliche, mit ihrem Schicksal unzufriedene, sehr dominante und im Gegensatz zum Vater ununterbrochen redende Frau, die die Autorin sehr geprägt hat: in fast jeder Situation hat sie noch den Spruch im Ohr, den die Mutter an dieser Stelle gemacht hätte.
Dann geht es um die masochistische Quälerei einer angehenden Ballerina, bis sie merkt, dass sie zu spät mit dem Tanzen angefangen und nicht das Zeug für eine meistehafte Tänzerin in sich hat. Und im letzten Abschnitt ist die Protagonistin bereits berufstätig als Englischlehrerin und beginnt eine Affäre mit einem ihrer Schüler, einem verheirateten russischen Einwanderer, den sie nach und nach als den Macho, Drogensüchtigen, ehemaligen Zuhälter erkennt, der er ist.
Besonders die beiden ersten Abschnitte über ihre Eltern, die keine gemeinsame Sprache hatten und sich beide in den USA nie wirklich heimisch fühlten, fand ich sehr spannend und sehr beeindruckend und bewundere die Fähigkeit der Autorin, das alles so genau zu analysieren und die Anteilnahme des Lesers zu erwecken. Obwohl es um tendenziell traurige Sachverhalte geht, ist der Ton der Erzählung doch leicht und bringt einen hin und wieder zum Schmunzeln. Sigrid Nunez Art zu schreiben hat mich berührt und ich will noch mehr von ihr lesen.

P.S. Aber was hat sich der Verlag nur bei dem Titelbild gedacht? Das ist das häßlichste Cover, das ich seit langem gesehen habe - zum Glück habe ich mich dadurch nicht von der Lektüre abhalten lassen ...

Bewertung vom 21.08.2022
Die Arena
Djavadi, Négar

Die Arena


weniger gut

Eine brisante Thematik in einem Roman, mit dem ich nicht warm werden konnte

Der Klappentext zu diesem Buch hatte mich sehr angesprochen und neugierig gemacht. Die Geschichte um einige Menschen aus der Banlieue klang sehr vielversprechend und interessant: Der Europachef eines Streamingunternehmens à la Netflix, hat es geschafft, sein altes Viertel hinter sich zu lassen. Bei einem Besuch in der alten Gegend wird ihm sein Handy geklaut, er verfolgt den vermeintlichen Dieb, gerät in eine Rangelei mit dem Jungen und läuft schhließlich ohne sein Handy weg, auf dem sich Unmengen wichtige Daten befinden. Am nächsten Tag wird der Junge tot aufgefunden. Viele Personen sind mehr oder minder in diese Vorfälle verwickelt, z.B. die türkischstämmige junge Polizistin, die den Jungen findet und ihm einen Tritt versetzt, um ihn aufzuwecken. Dabei wird sie gefilmt von einer Jugendlichen, die daraus einen Film über Polizeigewalt zusammenbastelt. Und dabei immer das Gefühl, dass der Firnis, der die Gesellschaft noch zusammenhält, jederzeit aufplatzen kann.

Die Beschreibungen, wie es in Paris an allen Ecken und Enden brodelt, sind sehr eindrücklich und atmosphärisch, trotzdem konnte mich dieses Buch nicht wirklich fesseln, ich musste mich in kleinen Schritten durchkämpfen und habe ewig gebraucht, das Buch zu beenden. Zu viele Personen und vor allem zu viel hin und her, ständige Perspektivwechsel, Rückblenden etc. und zu wenig Zeit, um für die einzelnen Personen Empathie zu entwickeln, sich emotional auf jemanden einlassen zu können. Vielleicht liegt es daran, dass die Autorin wohl hauptsächlich Drehbücher schreibt …

Wenn es verfilmt werden sollte, werde ich mir den Film definitiv anschauen und vielleicht ergibt sich daraus dann ein Gesamtbild, das mir bei der Lektüre gefehlt hat.

Bewertung vom 07.08.2022
Mörderische Masche / Der Häkelclub ermittelt Bd.1
Letterman, Karla

Mörderische Masche / Der Häkelclub ermittelt Bd.1


gut

Mehr Cosy als Crime

Ganz nett zum Zwischendurchlesen, aber nicht wirklich ein Krimi: Der Witwer Henri, dessen Frau Maike auf seltsame Weise ums Leben gekommen ist - nämlich durch den Zusammenstoß mit einem wild gewordenen Bullen - zweifelt daran, dass ihr Tod ein Unfall war und vermutet, dass jemand das Tier absichtlich aufgestachelt hat. Aber warum?
Im norddeutschen Bökersbrück hatte Maike einen Handarbeitsladen, den Henri erst einmal weiterführt, aber langfristig abwickeln will. Er selbst ist als Feinmechaniker in einem Uhrmacherladen gerade rezessionsbedingt auf Kurzarbeit. Maikes Mitarbeiterin "Frollein Langner" ist hingegen sehr daran gelegen, dass Henri den Laden übernimmt. Henri lernt häkeln und stricken und nimmt auch an den Strick- und Häkelclubs teil, die sich im Laden treffen. Er gewinnt die Häkeldamen als Mitstreiterinnen bei seinen Nachforschungen. Die finden auch etwas heraus, aber das geht eher in eine andere Richtung, als die ursprünglich vermutete. Das Ende ist doch etwas unbefriedigend, antiklimaktisch könnte man sagen.
Die Beschreibungen der Protagonisten und skurrilen Nebenfiguren sind ganz unterhaltsam, wenn auch recht klischeehaft. Die Beschreibungen des Dorflebens und der Dorfbewohner lesen sich ganz nett, man schmunzelt hin und wieder, aber ein richtiger Krimi ist das nicht, dafür ist der Verlauf der Geschichte doch etwas zu betulich. Henris Alter wird mit 35 angegeben, aber er wird wie ein deutlich älterer Mann beschrieben. Der Humor wirkt teilweise etwas zu bemüht und teilweise sogar ausgesprochen unlustig. Die örtlichen Stammtischbrüder sprechen sich mit "Bro" an - da lachen ja die Hühner! Es ist nicht langweilig, aber auch nicht wirklich spannend, für den nächsten Band gibt es noch reichlich Luft nach oben ...

Bewertung vom 09.07.2022
Mord in Montagnola / Moira Rusconi ermittelt Bd.1
Vassena, Mascha

Mord in Montagnola / Moira Rusconi ermittelt Bd.1


sehr gut

Netter Cosy-Regionalkrimi aus dem idyllischen Tessin

Moira Rusconi kehrt in ihre Kindheitsheimat nach Montagnola im Tessin zurück, nachdem ihr Vater einen leichten Schlaganfall hatte. Sie lebt und arbeitet als Übersetzerin von technischen Gebrauchsanweisungen in Frankfurt und ist ganz froh über diese Möglichkeit eines Tapetenwechsels, denn ihr Mann hatte sich nach langjähriger Ehe von ihr getrennt und von diesem Schock hat sie sich noch nicht ganz erholt. Sie trifft ihre Jugendliebe Luca wieder, der inzwischen Gerichtsmediziner ist und sie gleich mit zum Kommissariat schleppt, als es den nächsten Mord gibt. Sie wird gebeten, sich als Dolmetscherin zu betätigen, da in diesem italienischsprachigen Teil der Schweiz auch viele Deutschschweizer unterwegs sind und es immer wieder Verständigungsschwierigkeiten gibt.
So gerät Moira direkt in die Mordermittlungen hinein und mutiert selbst zur Detektivin. Hier muss der Leser einiges an "Suspension of Disbelief" aufbringen, denn sehr realistisch dürfte diese Situation einer in die Mordermittlungen eingebundenen Außenstehenden wohl nicht gerade sein. Aber was soll's, mich hat es nicht weiter gestört, wenn's denn dem Fortgang der Geschichte dient ...
Der Schreibstil ist flüssig und gut lesbar, mit Ausnahme einiger weniger Stilblüten von unfreiwilliger Komik ("Moira hatte das Gefühl, ihre Augen würden gleich vor ihr ins Gras kullern.“ ).
Viele Dorfbewohner spielen eine Rolle, es gibt also ausreichend Verdächtige, die Ermittlungen gehen langsam voran und der örtliche Polizeichef ist immer wieder geneigt, jede erstbeste Lösung des Falles zu akzeptieren. Es ist immer wieder Moira, die Zweifel bezüglich des jeweils aktuellen Verdächtigen aufwirft. Die Ermittlungen verlaufen recht beschaulich in dieser beschaulichen Gegend, erst im letzten Drittel steigert sich das Tempo und es wird richtig spannend. Es gibt Ortsbeschreibungen und viel Lokalkolorit, gutes Essen, guten Wein, urige Typen, einen Hauch einer Liebesgeschichte und etwas Humor. Ich fühlte mich gut unterhalten von dieser Mischung. Wenn es weitere Fälle für Moira geben sollte, bin ich wieder dabei. Für Freundes des gepflegten Cosy-Krimis mit Lokalkolorit definitiv eine Empfehlung!

Bewertung vom 29.06.2022
Der Tote aus Zimmer 12
Horowitz, Anthony

Der Tote aus Zimmer 12


gut

Gutes Konzept, aber etwas zäh

Die ehemalige Lektorin Susan Ryeland, bekannt aus dem Band "Die Morde von Pye Hall", führt mittlerweile mit ihrem Freund ein hübsches kleines Hotel in Kreta. Es ist zwar wunderschön dort, aber noch wirft das Hotel keinen Gewinn ab, macht viel Arbeit und Stress und Susan trauert hin und wieder ihrem alten Leben in London nach. Das Angebot der britischen Hoteliers Treherne, das Susan als ehemalige Lektorin von "Atticus unterwegs" anheuern will, um ihre verschwundene Tochter Cecily aufzuspüren, fällt daher auf fruchtbaren Boden: Susan kann sch eine Auszeit von Kreta nehmen und dabei noch den Kontostand erheblich aufbessern. Denn im Hotel der Trehernes hat vor acht Jahren ein Mord stattgefunden und nach der Lektüre von "Atticus unterwegs" war Cecily überzeugt, dass der falsche Mann für diese Tat im Gefängnis saß; im Buch musste also ein Hinweis auf den tatsächlichen Mörder zu finden sein, der wiederum Cecily verschwinden ließ.
Es gibt wieder den Krimi im Krimi. Wir folgen Susan bei ihren langwierigen Ermittlungen - sie kommt nicht voran, tappt im Dunkeln. Dann liest sie den alten Atticus Pünd-Krimi und wir tun es ebenso. Dann im letzten Drittel des (zu) dicken Schmökers wird es endlich richtig spannend.
Ich lese Horowitz' Krimis immer gern: er schreibt hervorragend, die Geschichten werden durch Humor gewürzt und sind spannend konstruiert, aber hier war die Lektüre für mich zeitweilig etwas zähflüssig und zog sich in die Länge. Ich mussste mich hindurchkämpfen und denke, dass einige Kürzungen dem Roman gut getan hätten. Mir hat das Konzept des Krimis im Krimi im ersten Band besser gefallen, in dem es auch ein Überraschungsmoment für den Leser war.
Fazit: eine interessante Idee, die der Autor vielleicht lieber nicht weiter ausquetschen sollte, ein insgesamt gelungener und unterhaltsamer Krimi, für den man aber etwas Durchhaltevermögen benötigt.

Bewertung vom 07.06.2022
Gezeitenmord / Teit und Lehmann ermitteln Bd.1
Jürgensen, Dennis

Gezeitenmord / Teit und Lehmann ermitteln Bd.1


sehr gut

Sympathisches dänisch-deutsches Detektiv-Duo

Ein Toter im Watt - genau auf der dänisch-deutschen Grenzlinie, dies kann nicht der örtlichen Polizei überlassen werden: und so reisen Rudi Lehmann aus Flensburg und Lykke Teit aus Kopenhagen an, um den Fall in grenzüberschreitender Zusammenarbeit zu lösen. Die Dörfler sind zuerst nicht begeistert und versuchen, den Auswärtigen das Leben schwer zu machen, später klappt die Zusammenarbeit dann aber doch ganz gut.
Der Fall erweist sich als ziemlich verworren und es gibt Verbindungen zu früheren Morden, das dänisch-deutsche Duo muss immer wieder mögliche Szenarien verwerfen. Trotz des großen Altersunterschiedes verstehen und ergänzen sich die beiden wunderbar. Beide sind interessante Charaktere, die wir im Verlauf des Krimis immer besser kennenlernen.
Ich freue mich immer, wenn ich auf vergleichsweise unblutige skandinavische Krimis treffe. Diese neue Krimireihe unterhält bestens, die Dialoge sind witzig und schlagfertig, die Krimihandlung ist spannend und wird überzeugend gelöst. Falls Lehmann und Teit in Zukunft noch weitere gemeinsame Fälle übernehmen, freue ich mich darauf, ihnen wieder beim Ermitteln über die Schulter zu schauen.
Ein unterhaltsamer und spannender Krimi ohne Gewaltexzesse!

Bewertung vom 06.06.2022
Bekenntnisse eines Betrügers
Raina, Rahul

Bekenntnisse eines Betrügers


ausgezeichnet

Ein schwarzhumoriger, kritischer und dabei außerordentlich unterhaltsamer Blick auf die indische Gesellschaft

Der Icherzähler Ramesh Kumar berichtet von seinem Leben als Sohn eines armseligen und leider auch gewalttätigen Teeverkäufers in Neu Delhi und seinem Aufstieg zum "Bildungsberater".
Mit Hilfe einer französischen Nonne, die ihm den Zugang zu einer Schulbildung ermöglichte, hat er es geschafft aus seinem vorgzeichneten Leben als bitterarmer Straßenjunge auszubrechen - leider nicht auf ganz legale Weise, denn er verdient nun sein Geld damit, Prüfungen für mindertalentierte Kinder reicher Eltern abzulegen, bis er schließlich sogar bei den All India Entrance Exams für seinen Kunden Rudi Saxena einen Spitzenplatz belegt. Nun schwimmt er zwar in Geld, aber ansonsten geht der Ärger erst richtig los ...
In teils schnodderiger Sprache wird in diesem rotzfrechen Roman darüber berichtet, was Korruption und Vetternwirtschaft in der indischen Gesellschaft anrichten. Diese irrwitzige Geschichte über einen sozialen Aufsteiger hat mich irgendwie an "Der weiße Tiger" von Aravind Adiga erinnert, der für mich ebenfalls ein großes Lesevergnügen war. Der Autor schreckt nicht davor zurück, Sarkasmus und Spott zu versprühen, sich im Grunde sogar als Nestbeschmutzer zu betätigen, er liefert eine sehr lesbare Gesellschaftskritik, eine treffsichere Analyse all dessen, was in Indien im Argen liegt, und einen sehr witzigen, sehr unterhaltsamen Roman. Vermutlich nicht jedermanns Sache, aber von mir eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 28.05.2022
In einer stillen Bucht / Capri-Krimi Bd.3
Ventura, Luca

In einer stillen Bucht / Capri-Krimi Bd.3


sehr gut

Netter Regionalkrimi
Die ersten zwei Bände dieser Krimireihe kenne ich noch nicht, kam aber dennoch problemlos in die Geschichte hinein. Capri und Neapel, also mal eine Region, aus der ich bisher noch keinen Krimi gelesen habe. Der Autor sorgt für reichlich süditalienisches Lokalkolorit. Zwei sympathische Ermittler - der einheimische Enrico Rizzi und die zugezogene, anscheinend strafversetzte Antonia Cirillo - werden zu einer an einem abgelegenen Strand gefundenen Leiche gerufen. Da es sich bei der Toten um die Leiterin des Konservatoriums in Neapel handelt, ist dann aber die neapolitanische Polizei für den Fall zuständig. Das schmeckt den beiden Inselpolizisten nicht, die auch ihre Berechtigung zu weiteren Ermittlungen einfordern. Und, wie sollte es auch anders sein bei einem Caprikrimi, sind sie es schließlich, die den Fall lösen.
Den Schreibstil fand ich angenehm und gut lesbar, man erfährt einiges aus dem Privatleben der Polizisten, anderes wurde wohl noch für weitere Bände aufgespart. Rizzi ist offensichtlich ein moderner Mann, der sich auch an der Hausarbeit beteiligt und z.B. Tomaten einweckt, bei Cirillo tappt man noch etwas im Dunklen. Man lernt auch diverse einheimische Originale kennen, die das Capri-Flair verstärken. Die Geschichte ist gut konstruiert und glaubwürdig, aber die Ermittlungen laufen lange Zeit ins Leere, worunter der Spannungsbogen etwas leidet. Die finale Auflösung ist jedoch überzeugend und insgesamt habe ich mich gut unterhalten gefühlt und werde die Lektüre der ersten Bände schleunigst nachholen. Speziell auf einer Italienreise sicher ein passendes Buch, aber auch für "Arm Chair Traveller" ein Lesevergnügen.

Bewertung vom 17.05.2022
Der große Fehler
Lee, Jonathan

Der große Fehler


weniger gut

Erinnerung an einen in Vergessenheit geratenen Mann

Andrew Haswell Green gilt als „Vater des Großraums New York“ und ist verantwortlich für den Central Park, die New York Public Library, den Bronx Zoo, das American Museum of Natural History und das Metropolitan Museum of Art. Heute erinnert nur noch eine abgelegen Steinbank im Central Park an ihn. Er war ein sozialer Aufsteiger der sich seinen Weg nach oben hart erkämpft hat. Seine Lebensgeschichte liegt dem Roman von Jonathan Lee zugrunde. Und was für ein Leben das war!

Leider hat der Autor meinem Empfinden nach diese Chance zu einem lebendigen, prallen Roman völlig vertan. Der 1820 geborene Green musste seine Homosexualität unter allen Umständen verheimlichen, was naturgemäß sein gesamtes Leben sehr belastet hat. Im stolzen Alter von 83 Jahren wurde er vor seiner Haustür ermordet. Die Aufklärung dieses Mordes spielt eine kleine Nebenrolle in diesem Roman, der aber definitiv kein Krimi ist.

Den von anderen hochgelobten Schreibstil Lees fand ich ausgesprochen anstrengend. Und ich hätte mir eine eher lineare Erzählstruktur gewünscht, die ständigen Zeitsprünge hin und her haben mich irritiert und den Erzählfluss (soweit überhaupt vorhanden) gestört. Vieles wurde weggelassen, anderes zu ausführlich geschildert. Interessante Personen wie die Bordellbesitzerin Bessie Davies und Greens Haushälterin Mrs. Bray tauchen auf, verschwinden dann aber gleich wieder. Die Personen sind für mich nicht zum Leben erwacht, das Schicksal von Green hat mich nicht emotional involviert.

Ich will nicht sagen, dass dieser Roman total schlecht ist, das ist Geschmacksache, da scheiden sich die Geister. Aber für mich war die Lektüre zäh, eine Qual, hin und wieder unterbrochen von Momenten, die mir gefallen haben. Aber was hätte man daraus machen können!