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LichtundSchatten

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Insgesamt 241 Bewertungen
Bewertung vom 15.04.2024
Gesinnungspolizei im Rechtsstaat?
Brodkorb, Mathias

Gesinnungspolizei im Rechtsstaat?


ausgezeichnet

Ist der deutsche Verfassungsschutz noch zeitgemäß oder ein wenig hilfreiches, einseitiges Instrument der regierenden, deutschen Parteien? Kein anderer Staat hat ihn, aber Deutschland muss wohl die Gesinnungen deutscher Bürger stärker prüfen als andere - liegt doch die NS-Zeit nur kurz zurück.

Stimmt es, dass der VS mehr Probleme verursacht als löst und warum ist kein anderer Staat dem deutschen Vorbild gefolgt? Das Buch überzeugt durch eine klare, verständliche Sprache und erläutert zunächst die gesetzliche Kernaufgabe sowie die dafür benutzten Begriffe bzw. die Sprache.

„Es geht in diesem Buch allein darum, den Verfassungsschutz auch jenseits aller Skandale als eine für die Demokratie unwürdige Institution zu analysieren.“ Mehr als theoretisch etwas darüber zu lesen oder Interpretationen zu konsumieren, sprechen Fallstudien eine ganz eigene, unverfälschte Sprache.

Ramelow, Gössner, Schnellroda, Martin Wagener, AfD, Delegitimierung des Staates - das sind die konkreten Fälle, an denen das Vorgehen einer Institution gezeigt wird, die heute einen Herrn Haldenwang zum Vorsitzenden hat. Mathias Brotkorb ist davon überzeugt, dass eine Reform nicht mehr genügt, sondern ein Ende dieser Institution notwendig wäre. Nach diesen Fallstudien fällt es schwer, dem zu widersprechen.

Wenn Parteien eine Auseinandersetzung mit Konkurrenten dem Verfassungsschutz übertragen, scheint sein Ende nahe und unausweichlich. Wenn er noch dramatische Fehler macht und auch personell eher am unteren Ende der intellektuellen Fähigkeiten argumentiert, ist für mich eine Demokratie-Gefährdung vorhanden, die den offenen, demokratischen Diskurs untergräbt. Parteien wie die SPD oder die Grünen tun sich keinen Gefallen mit diesem Vorgehen, Wähler werden hier entsprechende Antworten geben.

Bewertung vom 14.04.2024
Der Judenhass
Voigt, Sebastian

Der Judenhass


gut

Ein gut lesbarer, verständlicher Überblick zum Antisemitismus über die letzten 2000 Jahre - primär aus westeuropäischer und christlicher Sicht formuliert!

Ein wesentlicher Bestandteil antijüdischer Einstellungen fehlt mir allerdings. Der islamische Antisemitismus kommt erst mit den Anschlägen am 11. 9. 2001 ins Spiel, eine Analyse der Grundlagenwerke des Islam (Koran, Hadith, Biografie Mohammeds) fehlt weitgehend. Stattdessen wird vom islamistischen Antisemitismus geredet, und der Autor wird durch die Anschläge vom 7.10.23 geradezu überrascht, er schreibt ganz am Ende (als Nachtrag): „Angesichts dessen bin ich geschockt und sprachlos, wenn auch nicht verwundert.“

Dass der Antisemitismus eine lange Tradition hat, macht heute vor allem auch eine Analyse im Hinblick auf die Differenzen der drei monotheistischen Religionen erforderlich. Herr Voigt vernachlässigt hier die islamische Komponente fast völlig, die Zusammenarbeit im Dritten Reich mit den Muslimbrüdern wird zudem nicht erwähnt.

Dass Israel heute einem massiven Angriffskrieg gegenüber steht und sich gegen Dronenarmeen aus der islamischen Republik Iran wehren muss: Wer die Grundlagenwerke des Islam studiert, die Hadith und das Leben Mohammeds, kann darüber wenig überrascht sein. Israel als einziges demokratisches Land in dieser Region darf auf die deutsche Staatsräson hoffen und muss von uns mit verteidigt werden. So jedenfalls offizielle Verlautbarungen.

Dass aber auf unseren Straßen wieder antisemitische Ausrufe zu hören sind, wirklich unerhörte!, die von Herrn Voigt erwähnt werden, steht im Raum, und viele sind sprachlos. Wer diese Komponente nicht tiefgreifend in seine Analysen einbezieht, muss notwendigerweise ein verkürztes, unvollständiges Lagebild abgeben. Israel ist auf diesem Gebiet leidvoll geprüft viel weiter und gibt Antworten, die bei mir bewundernswertes Staunen auslösen.

Bewertung vom 05.04.2024
Amerika hat die Wahl
Winkler, Peter

Amerika hat die Wahl


ausgezeichnet

Dieses Buch verschafft einen sehr guten Überblick zur anstehenden Wahl in Amerika bzw. den zugrunde liegenden Problemen. Oft habe ich den Eindruck, in Deutschland sei alles um Trump, Biden und Co. präsenter als deutsche Politiker. Keine Vorwahl, kein Gerichtsurteil, keine Anklage wird ausgelassen.
Dabei steht eher die Biden Sichtweise im Vordergrund, Trump wird eher kritisch gesehen.

Hier finde ich auch kritische Stimmen zu Biden und insbesondere dem Sohn Hunter Biden, dessen Verfehlungen in Deutschland eher ausgeblendet werden. „Trump gebührt der Verdienst, dass er die Europäer in seiner ersten und bisher einzigen Amtszeit an die alte Wahrheit erinnerte, dass nichts umsonst zu haben ist.“

„Grob gesagt konzentrieren sich Linksprogressive in den Ballungsräumen, während sich die ländlichen Räume tendenziell langsam entleeren und eindeutiger konservativ werden.“ Die Polarisierung in den USA wächst, auch mit einem problematischen Wahlsystem, das Menschen zunehmend wütender macht, eine Einstellung, die von den Medien intensiv bewirtschaftet wird. Rechte schieben alles auf den Woke-Wahnsinn und Migranten, Linke auf die Gier des Kapitalismus und den Rassismus.

Prognosen sind schwer, aber werden immer weiter probiert. Unglaubliche Analysen werden kolportiert, nur um schnell wieder kassiert zu werden. Ein wirkmächtige Annahme, Junge und Migranten wählten links, wird soeben in Deutschland konterkariert, auch in den USA leben die schon oft totgesagten Konservativen länger, es gibt keinen Automatismus zu den Demokraten hin.

Nach diesem Buch bleiben die Prognosen offen, alles scheint möglich, zwei alte Männer am Schalthebel der Macht, Amerika hat es nicht leicht. Zu hoffen bleibt, dass danach versöhnliche Hände einander weiter helfen, um die USA stabil zu lassen, einen verlässlichen Partner für Europa.

Bewertung vom 03.04.2024
Bücherliebe – Was Bücherregale über uns verraten (eBook, ePUB)
Austen, Annie

Bücherliebe – Was Bücherregale über uns verraten (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Alles rundum Bücher und Bibliotheken interessiert mich. So auch die Gedanken von Annie Austen.

„Die Idee, Bücher mit der offenen Seite nach vorn ins Regal zu stellen, scheint einem grausigen Albtraum entsprungen, einem von der Sorte, die jeden echten Bücherfan mitten in der Nacht laut schreien und völlig verstört aus dem Bett fahren lässt.“

Die Autorin beginnt mit einem Bericht von Ideal Home, einem britischen Lifestylemagazin. Das ideale Heim war dort mit einem bücherrückenfreien Blick illustriert! Nun, ich kenne Leute in Deutschland, die sich abwenden würden, wenn dort Bücher von Sarrazin oder Maaßen stehen. Grund genug wieder auf solche Maßnehmen zu setzen? Für einige bestimmt, andere würden darauf pochen, alle Meinungen lesen und studieren zu wollen, bevor man beginnt, Positionen auszugrenzen.

Dieses Buch nimmt uns auf die Reise zu Büchern und ihren Bibliotheken, gleich zu Beginn nach Lettland zur Lettischen Nationalbibliothek in Riga. Ich kannte das Gebäude noch nicht, es hat mich beeindruckt. Politiker auf Staatsbesuch bringen ihre Bücher als Gastgeschenke mit und werden dort ausgestellt, wie ich finde, ein wirklich guter Brauch.

„Um einen lästigen Gedanken loszuwerden, brauch ich bloß zu den Büchern zu greifen - sie befreien mich davon, indem sie nicht sogleich voll in Anspruch nehmen.“ (Montaigne)

Entdeckt habe ich den Song von Nick Cave: Red right Hand, wohl inspiriert von John Milton’s „Das verlorene Paradies.“ Darin der erste Kommentar bei YouTube: „I made my cat listen to this song and now it's smoking cigarettes and started calling family meetings…“ Sehr ungewöhnlich, in der Tat.

Was sich so alles in Büchern findet, Seite 103: gepresste Blumen, Quittungen, Fotos, Briefe, Anmerkungen, … Unglaubliches!

„Mich armen Mann - mein Büchersaal war Herzogtums genug.“ (Shakespeare, Der Sturm, 1. Aufzug, 2. Szene)

Bücher, die in Filmen gelesen werden? z.B. die hohlen Männer von T.S. Eliot in Apokalypse New. Oder: Jenseits von Gut und Böse, von Nietzsche, gelesen von Otto West in Ein Fisch namens Wanda.
„Ein Buch ist übrigens ein Garten, ein Obstgarten, ein Lagerhaus, eine Party, eine Gesellschaft, ein Ratgeber, eine Vielzahl von Ratgebern.“ (Baudelaire)

In der Bibliothek von Marylin Monroe, u.a.: The Portable Walt Whitman, Das Kapital von Marx, Die Brüder Karamazov von Dostojewski

„Ich finde ein großes Vergnügen darin, mehr Bücher zu kaufen, als ich lesen kann. Wie sagte doch neulich jemand so schön: Ich halte den Erwerb von mehr Büchern, als jemand womöglich lesen kann, für nichts Geringeres als den Griff einer Seele nach der Unendlichkeit; und dies ist nicht das Einzige, das uns über Tiere erhebt, die da zugrunde gehen. Wer auch immer das war, ich stimme ihm zu.“ (A. Edward Newton, A Magnificient Farce, And other diversions of a Book Collector, 1921)

Es stimmt: „Manche Bücher sind so vertraut, dass es wie eine Heimkehr ist, sie zu lesen.“ (Louisa May Alcott)

Bewertung vom 03.04.2024
Der Nahe Osten in einer globalisierten Welt
Scianna, Bastian Matteo; Lukas, Stefan

Der Nahe Osten in einer globalisierten Welt


ausgezeichnet

Diese Anthologie verschafft einen fundierten Überblick zum Nahen Osten, mit unterschiedlichen Autoren und Sichtweisen. Es ermöglicht Einblicke über tages-sensationelle Sichtweisen hinaus in tiefere Zusammenhänge.

Im Artikel von Andreas Jäger über Ägypten erfährt man z.B., dass die westlichen Informationen wonach die Jugend Ägyptens säkular eingestellt sei, nie den Tatsachen entsprachen. „Tatsächlich ist Säkularismus in Ägypten ein Schimpfwort. Zwar nimmt religiöses Desinteresse zu, aber kaum ein Ägypter würde sich als nicht gläubig bezeichnen…Wael Ghoneim etwa, der mit seiner Facebook Seite Wir sind alle Khaled Said die ägyptische Religion mit auslöste, begann seine Karriere als Begründer einer islamischen Webseite.“

Insgesamt gab es über emotionale Forderungen hinaus keine Konzepte, so dass irgendwann „Der Islam ist die Lösung“ vor allen stand. Die Straßenschlachten in Kairo wurden von den Fangruppen der großen Fußballvereine durchgeführt, im Westen wurde das lange übersehen. China hatte damals verstärkt Weizen importiert, in Ägypten kam dadurch auch der Ruf nach Brot auf, der Tourismus ging zurück, das Volk hungerte.

Festzuhalten bleibt, dass das neue Ägypten immer noch auf religiösen Vorstellungen basiert, die islamisch und frauenunterdrückend angelegt sind, es gibt hier wenig Freiräume für individuelle, gleichberechtigte Entwürfe. „Auch nach dem jüngste Mordfall meldete sich ein prominenter Scheich der islamischen Al-Azhar-Universität und macht das Opfer selbst für die Ermordung verantwortlich. Sie hätte sich islamischer kleiden sollen.“

Die neuen Machthaber in Ägypten fahren trotzdem einen harten Kurs, der auch Einengungen islamischer Forderungen beinhaltet - und insbesondere den christlichen Kopten neue Freiräume verschafft. Wie immer möchte man sagen, wenn eine solche Konstellation erfolgreich sein kann, ist diese nur mit harter Hand möglich. Ein fataler Irrtum des Westens bestand ingesamt darin, die religiöse Komponente des Islam entweder nicht zu kennen oder völlig zu unterschätzen.

China spielt eine verstärkte Rolle im Nahen Osten. Es konzentriert sich auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit, wobei sicherheitspolitische und überwachende Komponenten im Internet eine besondere Rolle spielen. Repressive Systeme wie in Saudi Arabien oder VAE haben an Sicherheits- und Überwachungstechnologie ein besonderes Interesse, ebenso an KI.

Deutsche Entwicklungspolitik spielt im Nahen Osten ein abnehmende, eher unwichtige Rolle. Andere Player und Interessen sind vorrangiger und dominanter, Israel ist im Zentrum einer fragilen, krisengeschüttelten Region, die neben religiösen Facetten wenig aufzubieten hat, um Menschen in Unabhängigkeit, Frieden und Toleranz zu bringen. Dabei denke ich immer an eine Aussage von Enzensberger: „Als schwere narzisstische Kränkung wird nicht nur die militärische Unterlegenheit gegenüber dem Westen empfunden. Viel schlimmer wirkt sich die intellektuelle und materielle Abhängigkeit aus. In den letzten vierhundert Jahren haben die Araber keine nennenswerte Erfindung hervorgebracht. Rudolph Chimelli zitiert einen irakischen Autor mit dem Satz: ,Hätte ein Araber im 18. Jahrhundert die Dampfmaschine erfunden, sie wäre nie gebaut worden.‘ Kein Historiker wird ihm widersprechen. Alles, worauf das tägliche Leben im Maghreb und im Nahen Osten angewiesen ist, jeder Kühlschrank, jedes Telefon, jede Steckdose, jeder Schraubenzieher, von Erzeugnissen der Hochtechnologie ganz zu schweigen, stellt daher für jeden Araber, der einen Gedanken fassen kann, eine stumme Demütigung dar. Selbst die parasitären Ölstaaten, die von ihrer Grundrente zehren, müssen ihre Technik aus dem Ausland beziehen; ohne westliche Geologen, Bohr- und Verfahrenstechniker, Tankerflotten und Raffinerien wären sie nicht einmal in der Lage, ihre eigenen Ressourcen auszubeuten. Insofern ist selbst ihr Reichtum ein Fluch, der sie ständig an ihre Abhängigkeit erinnert. Ohne die Einnahmen aus dem Rohöl fällt die ökonomische Leistung der gesamten arabischen Welt heute weniger ins Gewicht als die eines einzigen finnischen Telefonkonzerns.“ (Radikale Verlierer" v. Magnus Enzensberger, Spiegel 45/2005, S. 182 ff.)

Bewertung vom 03.04.2024
Deals mit Diktaturen
Bösch, Frank

Deals mit Diktaturen


ausgezeichnet

Wer glaubte nach dem Zusammenbruch des Kommunismus gäbe es einen internationalen Run auf Demokratien, sah sich rasch tief enttäuscht. Schon immer war es notwendig, mit Staatsformen Handel zu treiben, die der Demokratie wenig ähnelten. In diesem Buch erfahren wir, wie Deutschland in diesem Zusammenhang agierte und auch heute noch handelt.

„Bei seinen Auslandsaufenthalten traf der Altkanzler Gerhard Schröder Assad in Syrien, die Machthaber Irans, und bei seinem Chinabesucht kritisierte er Merkel, weil sie die Unterdrückung Tibets moniert hatte.“ Bei mir stellte sich schon immer die Frage, warum bei einer Beteiligung der Grünen an der Regierung Kriege geführt werden und weshalb SPD-Obere deutsche Wirtschaftsinteressen besonders männerbündisch vertreten, dabei aber Menschenrechte ignorieren.

Die Annäherung an Russland bzw. der Handel mit diesem riesigen, rohstoffreichen Land nahm schon unter Kohl Fahrt auf und sollte bis Merkel so weiter gehen. Die danach einsetzenden Sanktionen waren/sind stumpfe Waffen, die „….leicht in einer globalisierten Welt zu umgehen sind.“

Stattdessen musste Deutschland teurer in anderen Autokratien einkaufen (z.B. Aserbaidschan), um noch weniger auf Menschenrechte achten zu können (Bergkarabach/Arzach-Konflikt).

Frank Bösch beschreibt in diesem lesenswerten Buch die Geschichte der BRD von Adenauer bis heute und skizziert die unterschiedlichen Ausgangs- bzw. Weltlagen ganz hervorragend und verständlich.

„Autokratische Herrschaft und Menschenrechtsverletzungen in antikommunistischen Staaten wurden in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten selten thematisiert. Politiker, Diplomaten, Experten und Journalisten äußerten sogar oft Verständnis für das Regieren mit „starker Hand“, da die südlichen Staaten noch nicht reif für die Demokratie seien und dort andere kulturelle Grundlagen beständen.“ Hier ergab sich sogar eine Art selbst-entlastende Zusammenarbeit und oft waren dabei noch ehemalige Mitarbeiter der NS-Zeit beteiligt.

In den 60ern gab es zum ersten Mal migrantische Proteste in Deutschland, die vor allem aus dem Studentenbereich unterstützt wurden. „Die Migranten sprachen von KZs, Vernichtungslagern oder dem Faschismus in ihren Heimatstaaten. Dies verband den Folter in der Ferne mit der deutschen Geschichte.“

In den 70er Jahren intensivierte sich der Kontakt bzw. Austausch mit Diktaturen, trotz des Mehr Demokratie wagen von Brandt. Heute kommen jene Diktaturen zum Zug (für einen Handelsaustausch oder Gaslieferungen), die weniger im Rampenlicht stehen. „Die wirtschaftliche Stärke der Bundesrepublik ist weiterhin ein potentielles Faustpfand, um für Menschenrechte einzutreten.“ (S. 501)

Bewertung vom 02.04.2024
Pfingsten!

Pfingsten!


ausgezeichnet

Die Trinität des Christentums bezeichnet die Heilige Dreieinigkeit: Gott Vater, Gott Sohn und Heiliger Geist. Die Ausgießung des Heiligen Geistes an Pfingsten ist der Start des Christentums und knüpft das Band zwischen Gott, seinem Sohn und den Gläubigen.

„Die Zeit eilt Gott und seiner Ewigkeit entgegen, nicht der Vergangenheit und dem Untergang.“ (Karl Rahner) Mit diesem vorangestellten Zitat (und zwei weiteren) öffnet dieses Buch die spannenden Facetten von Pfingsten, mit einer breiten Palette an erinnernden, auch kritischen, aber vor allem aufbauenden Gedanken.

Wer Halt sucht, findet heute vielfältigste Angebote, jedes 10. verkaufte Sachbuch handelt vom Thema Spiritualität. Die christlichen Ratschläge geraten dabei immer mehr ins Hintertreffen, vor allem Missbrauch und sonstige Skandale forcieren einen fatalen Weg der Kirchenaustritte. Auch diese Themen werden in diesem Buch nicht ausgegrenzt. Philipp Rößler, der ehemalige FDP Mann, spricht z.B. über seine Probleme, aber auch die positiven Aspekte seines Lebens, fundierend auf katholischem Glauben (Heimat Kirche).

„Der Geist von Pfingsten ist der Mut zu Neuem, zum Staunen, zum Leben nach vorn.“ (Thomas de Maiziere) Ob Pfingsten Vielfalt und Buntheit beinhaltet wie Frau OB Rieker ausführt, also automatisch alle Religionen abdecken kann, daran habe ich meine Zweifel.

Im Islam ist es bspw. die größte, nicht vergebbare Sünde, an die Trinität zu glauben. Im Koran, Sure 4, V. 172 heißt es: »Wahrlich, der Messias Jesus, der Sohn Marias, ist ein Gesandter Allahs, und das Wort, das er Maria niedersandte, eine Erfüllung Allahs und sein Geist. Glaubt daher an Allah und seinen Gesandten, sagt aber nichts von einer Dreiheit.“

Jesus sagte: „Ich bin nicht gekommen , den Frieden zu bringen, sondern das Schwert“. (Matthäus 10,34) Übersetzt man diesen Satz tatsächlich aus dem Aramäischen in richtiger Weise (Franz Alt: Was Jesus wirklich gesagt hat) , dann heißt er: Seid nicht gutgläubig, seid wachsam! Wenn Ihr Euch mit anderen zusammensetzt, zieht das "Schwert der Worte" und streitet für Eure Sache. Meine Aufopferung, mein Selbstopfer bedeutet nicht Frieden, Erlösung als Automatismus, sie ist eher der Beginn des Kampfes um Wissen und Wahrheit.

Größtes Problem heute ist, dass von vielen Kritik als Hass umgedeutet wird und wir die Grundlagen des Christentums nicht mehr offensiv vertreten wie das Jesus gesagt hat. Dazu gehört vor allem ein Vergleich unterschiedlicher Religionen und die Bewertung möglicher kultureller Konflikte.

Besonders beeindruckt hat mich der Artikel von Nikodemus C. Schnabel, Mönch der Benediktinerabtei Dormitio Beatae Mariae Virgins mitten im Herzen Jerusalems, das genau zwischen der Altstadt und der Neustadt liegt, also zwischen Israel und Palästina. Er sieht Pfingsten in seiner Abtei vor allem als Ort der Sehnsucht. „Menschen voller Sehnsucht begegnen einem Grenzen niederreißenden Gott…Ein Ort des sehnenden Suchens nach Gott“, der allen offen steht. Schnabel sieht Pfingsten zudem als Momentum der Freiheit und der Inspiration. Seine Worte zum 7.10.2023 zeigen, wie einsam seine Worte werden…man kann nur noch schlicht da sein und nicht weglaufen, muss alles ertragen, trotzdem Gottesdienste feiern, auch an den denkbar skurrilsten Orten.

Bewertung vom 02.04.2024
Die Datenbank der Ewigkeit
Huber, Johannes

Die Datenbank der Ewigkeit


ausgezeichnet

Spannende Rückblicke und Kurzfassungen von alten Schriften über den Sinn des Lebens:

Zarathustra (Reinige Dein Denken)
Heraklit (Erkenne was Du bist)
Laotse (Suche das Wunder)
Ägypten (Heile deinen Körper, um Deine Seele zu heilen)
Platon (Erinner Dich)
Cicero (Lass los)
Seneca (Lerne Sterben)
Platin (Sieh dich an)
Augustinus (Hoffe auf Gnade)
Rumi (Durchschreite eine Tür, damit sich die nächste öffnet)

Es geht darum, mit der alles waltenden Weltenseele, der Energie hinter allem, eins zu werden: Lassen wir los, um Fröhlichkeit, Harmonie, Milde und innere Größe zu erlangen. Der Ort dafür? Hinter gut und böse, über allem Streit, dort, wo Ideologien, Hass und Hetze ausgeblendet sind. Die meisten Denker und Philosophen kannte ich, aber in dieser Zusammenführung fand ich sehr gute, lesenswerte Gedanken und Hilfestellungen, die neu justieren und mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen neu Hoffnung geben - in einer überladenen, überfrachteten Zeit voller Zerwürfnisse.

Bewertung vom 02.04.2024
Vom Westen nichts Neues
Feroz, Emran

Vom Westen nichts Neues


weniger gut

Wie lebt ein afghanisch aussehender Mann und Muslim im Westen und wie verhält er sich in seinem Heimatland, wie kommt er in diesen beiden Welten gut durch und findet sich selbst? Darum geht es in diesem Buch.

Emran Feroz hört irgendwann in Innsbruck ein Paar darüber reden, dass in Afghanistan die Blutrache gelte. Hintergrund: in Innsbruck hatte ein 22 Jähriger Afghane seine Frau mit einem Messer umgebracht. Wir lesen: „Nachdem ich die abschätzigen Worte des Mannes gehört hatte, hätte ich ihm am liebsten einen verbalen Einlauf verpasst. Ich hätte ihm gerne gesagt, das das heutige Afghanistan schon vor zweitausend Jahren eine Kultur hervorgebracht hat, die in Wissenschaft, Kunst oder Architektur den Europäern weit voraus war.“

Er redet in der Folge von begnadeten afghanischen Kriegern, großen Poeten, schwertschwingenden Frauen. Als im finsteren Deutschland noch Hexen verbrannt waren, gab es in Afghanistan kriegerische Frauen, die mit dem Schwert wem nochmal nachfolgten? Wow, darauf muss man erst mal kommen.

Ich soll mich jetzt auch dafür interessieren, dass Afghanen im Iran von ihren Glaubensbrüdern auf Baustellen benutzt werden. „Für einen Hungerlohn werden sie zu Tausenden ausgebeutet, damit die Hochhäuser und Wolkenkratzer iranischer Großstädte durch ihren Schweiß wachsen.“ Für Feroz werden ausländische Mörder eher entmenschlicht als inländische, in diesem Fall österreichische. Man solle das Ganze doch mal mit dem „Massaker von Kandahar“ vergleichen, lese ich.

Nichts lese ich in diesem Buch über die kulturellen Unpässlichkeiten des Islam und jene Länder, in denen er die Mehrheit hat. Wie sieht es dort mit den anderen Religionen aus? Gibt es diese überhaupt noch? Und warum ist das so? Wie steht es mit dem Knabentanz in Afghanistan und warum werden Buben dort im Harem mitgenommen?

Stattdessen lese ich, der Tirol Dialekt sei primitiv und klinge hässlich, so sein Vater. Ich lese über unzählige afghanisch-pakistanische und weitere Grenzdialekte, von denen der Autor auch einige studierte und diese ausführlich erklärt. In Österreich käme man am besten mit einem tirolerisch klingenden "Servus" ans Ziel einer temporären Verständigung bzw. Integration. Auch sein Vater hätte das irgendwann begriffen.

Muslime in Westeuropa werden zu verlorenen Seelen, denen die Heimat fehlt. Sie nehmen in Innsbruck lieber Türsteher Jobs an als Kellner sein zu müssen, der Alkohol auftragen muss, mithin war er ein kosmopolitischer Türsteher, der vor allem seinen eigenen Freunden Einlass gewährte, aber einen betrunkenen Engländer hinauswirft, der auf der Toilette einer jungen Frau etwas antun möchte. Eurozentrische Sichtweisen würden in einer multipolaren Welt immer weniger Bedeutung haben, schreibt Herr Feroz.

Enkel jener deutschen und österreichischen Männer, die vor kurzem noch einen Genozid an Juden vollführten, würden heute Stimmung machen gegen Minderheiten und sich „zu der Behauptung versteigen, menschenverachtende Ideologien wie der Antisemitismus seien hauptsächlich unter muslimischen Einwandererfamilien zu finden.“ Wer tatsächlich antisemitisch sei, nun das mag jeder auf Seite 173 unten nachlesen. Emran Feroz benennt deutsche und österreichische Vorfahren in dieser Hinsicht knallhart.

„Viele Afghanen sind der Überzeugung, dass sich ihr Glaube und ihre Traditionen in vielerlei Hinsicht nur in Afghanistan verwirklichen lassen.“ Gerne hätte ich mehr über diesen Glauben und die Traditionen gelesen statt Anklagen gegen den Westen zu lesen. Und ob diese im Westen integrationsfähig sind.

Bewertung vom 01.04.2024
'Mich wundert, dass ich so fröhlich bin' Johannes Mario Simmel - die Biografie
Graf-Grossmann, Claudia

'Mich wundert, dass ich so fröhlich bin' Johannes Mario Simmel - die Biografie


ausgezeichnet

Als Junge begegnete mir Johannes Mario Simmel zum ersten Mal, als ich alle Bände von Karl May in der örtlichen Bibliothek ausgelesen hatte. Obwohl ich ihn noch nicht mitnehmen sollte, tat ich es und wurde nicht enttäuscht. „Es muss nicht immer Kaviar sein“ oder „Lieb Vaterland magst ruhig sein“, so viele Titel habe ich verschlungen und ihre Botschaften aufgenommen. Die typischen Titelbilder, hier auf Seite 113 zu sehen, sind auch heute noch präsent in meiner eigenen Bibliothek. Ich lese immer wieder darin.

Diese Biografie von Simmel ist höchst lesenswert, spannend und vermittelt die Hintergründe zu einer Buch- und Ideenproduktion ohnegleichen. Simmel entwickelte seine Bücher vor Hintergründen (Halbjude, 2. Weltkrieg), die höchst nachvollziehbar sind, keineswegs Trivialliteratur, sondern menschlich und zielorientiert auf gegenseitiges Verständnis und Toleranz weisend. „Sein Werk lebt von couragierten Menschen, von Idealismus, Hingabe und Ausdauer. Und auch von der Hoffnung, selbst wenn diese sich immer wieder als illusorisch entpuppt.“

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