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Julia Goldfeuer

Bewertungen

Insgesamt 62 Bewertungen
Bewertung vom 26.10.2020
Die Wiederkommer
Lieckfeld, Claus-Peter

Die Wiederkommer


sehr gut

Dieses bezaubernde Büchlein, dass Lena Winkel so wunderschön illustriert hat, wurde mir vom KJM-Verlag zur Verfügung gestellt, vielen Dank dafür!

Der Autor Claus-Peter Lieckfeld befasst sich auf diesen 140 Seiten mit den wiederkehrenden Tieren von Europas Wäldern, wie Bär, Wolf, Rabe, Luchs oder Biber. Diesen fünf widmet er zu Beginn jeweils eine kurze Novelle, die aus der Sicht des Tieres verfasst ist und einen Blick auf die Lebensweise und die daraus resultierenden Reibungspunkte mit dem Menschen wirft.

Einige bejubeln die neue Wildheit, für so manchen Schäfer, Jäger oder Waldspaziergänger ist es eher ein Alptraum.

Teil Zwei des Buches nutzt der Autor, um seine Position des Jublers darzulegen. Er ist aber sehr bemüht, sachlich die Problematiken und auch Lösungsansätze aufzuzeigen und die Gegner der Wildtierzuwanderung nicht zu verurteilen. Neben den "Big Five" werden weitere Neuerscheinungen in unseren Breitengraden kurz angeschnitten. Man erfährt zum Beispiel mehr über Marderhunde oder Goldschakale, die ursprünglich keine Europäer sind und sich trotzdem immer weiter hier ausbreiten.

Der Schreibstil fiel mir von Seite eins an sofort positiv auf. Claus-Peter Lieckfeld findet atemberaubende Worte, um einen einfachen Handlungsstrang, der beschreibt, wie ein Wildtier durch seine Umgebung streift, magisch wirken zu lassen. Man wird in das Tier hineinversetzt, sieht durch seine Augen, spürt Empathie, wenn das es mit der Zivilisation kollidiert.

Er streut ein paar Fachbegriffe und viel Wissen heimlich in seine bildhafte Erzählweise ein, ein gekonnter Schachzug des Autors, um zu lehren und zu unterhalten, ohne zu überfordern.

"Die Wiederkommer" ist ein Hybrid aus Belletristik und Sachbuch, was mir einerseits gut gefällt, andererseits taugt es für eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Thema meiner Meinung nach nur bedingt. Es ist ein literarischer Einstieg, der bereits gute Argumentationshilfen an die Hand gibt, für tiefergehende Informationen empfehle ich weitere Fachliteratur.

Bewertung vom 19.09.2020
Und auf einmal diese Stille
Graff, Garrett M.

Und auf einmal diese Stille


sehr gut

"Die Trümmer, die Betonteile, das Feuer. Ich sah Schuhe und Aktentaschen. Wir haben gedacht, wir wären in einem Kriegsgebiet. Es hat uns allen den Atem verschlagen. Wir konnten nicht fassen, was wir sahen." - Constance Labetti, Buchhalterin, Aon Corporation, Südturm, 99. Stock

Der Historiker und Journalist Garrett M. Graff trug in seinem zweiten New York Times – Beststeller 'Und auf einmal diese Stille: die Oral History des 11. September' Zeitzeugenberichte des Terroranschlages vom 11. September 2001 auf das World Trade Center und das Pentagon zusammen. Eine tiefer gehende Analyse der Ereignisse findet man hier nicht und das ist auch nicht der Zweck des Buches. Die Geschehnisse werden anhand der Äußerungen beteiligter Personen nacherzählt. Es kommen Feuerwehrleute, Polizisten, freiwillige Helfer, Politiker und ihre Angestellten, Mitarbeiter von Fluggesellschaften und Militärs zu Wort und natürlich die Menschen, die sich in den Türmen, darum herum und im Pentagon befanden, sowie ihre Angehörigen.
Die Aussagen wurden chronologisch und nach Schauplätzen geordnet, wodurch längere Schilderungen einiger Personen auseinandergerissen wurden. Für mich erschwerte das den Lesefluss eher, da ich mir die vielen Namen nicht alle merken konnte und ich dadurch nicht jeder einzelnen Geschichte durchgehend folgen konnte. Manche blieben mir mehr im Gedächtnis und ich erkannte den Handlungsstrang wieder, andere leider nicht. Ich gab meine Bemühungen, alle Personen zuzuordnen, irgendwann auf. Andererseits erhält man durch diese Sortierung einen guten Überblick über die zeitliche Abfolge und der komplette Tag lässt sich gut nachvollziehen.
Auffällig war für mich noch, dass keine negativen Aussagen dabei sind. Keine Menschen, die egoistisch handeln und beim Versuch zu fliehen, andere beiseite stoßen - nur Helden. Ob das an der Erinnerungsselektion liegt oder an der Auswahl des Autors, lässt sich nicht sagen.
Am meisten mitgerissen haben mich die Telefonate, die die Flugzeugpassagiere während der Entführung mit ihren Familien führten. Diese intimen, grausamen Niederschriften trieben mir die Tränen in die Augen.
'Und auf einmal diese Stille' ist keine leichte Kost aber eine Lektüre, die es wert ist.

Bewertung vom 09.08.2020
Cloris
Curtis, Rye

Cloris


gut

Die 72-jährige Texanerin Cloris Waldrip überlebt als Einzige einen Flugzeugabsturz und muss sich durch die Wildnis der Bitterroot Mountains im Norden der USA schlagen. Dabei beschleicht sie mehr und mehr das Gefühl, doch nicht alleine dort draußen zu sein.

Währenddessen sucht die ruppige, dem Alkohol zugewandte Rangerin Debra Lewis nach der Verschollenen. Begleitet wird sie dabei von einer skurrilen Truppe von Freiwilligen. Sie alle sind dort draußen auch auf der Suche nach sich selbst.

Das Buch beginnt mit der Schilderung des Flugzeugabsturzes aus der Ich-Perspektive von Cloris.

Sie beschreibt grausame Szenen in einem eher nüchternen, distanzierten Erzählstil, was den dargestellten Vorkommnissen aber nicht die Tragik nimmt. Gleich zu Beginn findet sie die Leichen des Piloten und ihres Mannes, was mich wirklich mitgenommen hat. Aktuelles Geschehen wechselt sich ab mit Einblicken in ihre Vergangenheit, wodurch wir die alte Dame und ihre Sicht auf das Leben näher kennenlernen. Es gilt außerdem herauszufinden, wer oder was noch mit ihr dort draußen unterwegs ist. Cloris Teil der Geschichte gefiel mir durchweg gut, auch wenn sie manchmal an die Grenzen dessen stößt, was eine Frau Ihres Alters wohl in der Realität wegstecken könnte.

Weniger warm wurde ich mit Debra Lewis' Part, der aus der Sicht eines personalen Erzählers dargestellt wird. Lewis ist frisch geschieden und versucht ihren Kummer in Merlot zu ertränken. Sie wird auf ihrer Suche begleitet von ihrem Ranger-Kollegen und dessen Kumpel, der von seiner Frau sitzen gelassen wurde, außerdem von einem Kollegen der Lufrettung und seiner Tochter. Jeder von ihnen hat völlig kuriose Macken und Probleme, die sie zwar zu spannenden Charakteren machen aber auch etwas übers Ziel hinausschießen. Ich konnte mit dem kompletten Handlungsstrang rund um Lewis' Trupp nicht so richtig etwas anfangen und auch am Ende die Moral der Geschichte nicht erkennen.

Insgesamt kam es mir oft so vor, dass der Autor versucht, mangelnden Tiefgang durch möglichst schockierende Szenen auszugleichen, die er bei jeder Gelegenheit einbaut.

Der Schreibstil ist einerseits emotionslos gehalten, setzt aber auf ungewöhnliche, bildhafte Vergleiche, die fast schon überbordend daherkommen, mir aber gut gefielen.

So wurde ich zwar durchweg gut unterhalten und das Buch lies sich schnell lesen, aber wirklich etwas daraus mitnehmen konnte ich nicht. Es war aber definitiv mal etwas Neues für mich!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.08.2020
Das Dorf / Finsterzeit Bd.1
Toth, Sandra

Das Dorf / Finsterzeit Bd.1


weniger gut

»Das Dorf – Finsterzeit« erzählt von einem zukünftigen Deutschland, in dem die Energiewende weiter vorangetrieben wurde und viele Menschen in Armut verfielen, bis schließlich eine terroristische Gruppierung das Stromnetz dauerhaft zum Zusammenbruch brachte. Vertrieben aus ihren Häusern müssen sich Lara und Thomas auf ihrem Weg zu einer sicheren Zuflucht, die Thomas' Großvater erbaute, gegen Plünderer und andere Gefahren durchsetzen. Sie finden Unterschlupf in einer provisorischen Dorfgemeinschaft, von wo aus sie ihr weiteres Vorgehen planen, denn der Winter kommt und ihr Überleben kann nur durch das Erreichen der gut versorgten und abgeriegelten Festung garantiert werden.
Deutschland als Schauplatz finde ich immer spannend und ich wollte erfahren, was genau so schrecklich schief ging in dem Debüt von Sandra Toth.
Zu Beginn war ich begeistert vom Schreibstil der Autorin und die erste Szene packte mich direkt. Lara und Thomas sind auf der Flucht vor einer bewaffneten Horde. Zusätzlich erfährt man in zwei weiteren Perspektiven, wie ein Mann namens Viktor ein leer gefegtes Dorf findet und dort eine Gemeinschaft errichtet und außerdem lernt man noch Thomas' Vater Walter kennen, der mit dem Rest der Familie hinter den Mauern einer gut ausgestatteten Anlage lebt. Thomas Großvater war schon lange Zeit von einem Zusammenbruch der Zivilisation überzeugt und investierte viel Geld in eine Einrichtung, die sich selbst versorgen und völlig autark existieren kann.
Leider musste ich schnell feststellen, dass sämtliche Figuren nicht sonderlich überzeugend aufgebaut sind. Alle sind entweder unheimlich gute, mutige, talentierte Menschen oder richtige Fieslinge, mir konnte aber nichts davon glaubhaft verkauft werden. In Viktors Gruppe beispielsweise läuft alles wie am Schnürchen, total unrealistisch. Speziell bei Lara hatte ich oft den Eindruck, dass die handelnde Lara nicht dieselbe ist, die mir die Erzählstimme verkaufen will. Auch Thomas macht merkwürdige, undurchsichtige Entwicklungen im Laufe des Buches durch. Bei mir entstand der Eindruck, als hätte er keinen Charakter.
Die Autorin nutzte ihre Wortgewandheit dazu, mir vorzugeben, wie ich eine Person oder Situation einzuordnen habe, statt die Charaktere handeln zu lassen und mich mein Urteil selbst fällen zu lassen.
Enttäuscht hat mich außerdem, dass die Hintergründe, die zum Zusammenbruch führten, nicht ausreichend erklärt wurden. Bei mir entstand der Eindruck, dass sich die Autorin keine tiefer gehenden Gedanken darüber gemacht hat und deshalb erscheint es mir unplausibel.
Dadurch, das viel nur beschrieben aber nicht direkt von mir als Leser miterlebt wird, verlor das Buch schnell an Spannung. Ich finde, Sandra Toth kann grundsätzlich mit Worten umgehen und sie sollte weiter machen, aber sie braucht noch mehr Übung. Ihr Erstlingswerk konnte sein Potential leider nicht ausschöpfen, weshalb ich die Reihe auch nicht zu Ende lesen werde.

Bewertung vom 26.07.2020
No Words - Die Sprache der Opfer / Caleb Zelic Bd.2
Viskic, Emma

No Words - Die Sprache der Opfer / Caleb Zelic Bd.2


gut

Caleb trifft beim Joggen auf eine junge Frau, die seine Hilfe zu brauchen scheint, doch der Gehörlose kann sie nicht verstehen. Kurz darauf ist die Frau tot und Caleb möchte um jeden Preis aufklären, was der Grund dafür ist. Seine Ermittlungen führen ihn nach Ressurection Bay zur dort ansässigen Gemeinschaft australischer Ureinwohner.
Im zweiten Teil der Reihe um Caleb Zelic bleibt Emma Viskic sich treu und fackelt nicht lange. »No Words« beginnt erneut mit einem Mordfall, den der Privatermittler auf eigene Faust lösen will. Leider wurde mir Caleb in diesem Band zunehmend unsympathischer, da er viel aus dem ersten Teil aufzuarbeiten hat und auch neues Leid erfährt, wodurch er sich unberechenbar und fahrlässig verhält. Ab einem gewissen Punkt ging mir das auf die Nerven. An mancher Stelle musste ich wirklich an seiner Eignung für die Ermittlungsarbeit zweifeln. Zu meiner Freude bekommt sein Bruder Ant eine gewichtigere Rolle und auch Kat und Frankie tauchen wieder auf. Der Fokus liegt wieder stark auf den Charakteren und ihren Beziehungen zueinander, die nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen.
Ich hatte bereits im ersten Teil der Reihe ein paar Anlaufschwierigkeiten, fand mich dann aber schnell in der Geschichte zurecht. In »No Words« konnte ich leider während der gesamten Lektüre dem Fall nicht richtig folgen, zu viele Namen, zu viel hin und her. Da meine Begeisterung für den ungewöhnlichen Protagonisten und das interessante, australische Setting nun auch nicht mehr ganz frisch ist, kann ich darüber nicht hinwegsehen.
Der Schreibstil der Autorin ist wie gewohnt auf den Punkt, direkt und ausdrucksstark. Auch wenn mir einige Figuren eher negative Gefühlsregungen entlockten, so will ich trotzdem lobend erwähnen, dass Emma Viskic es wieder geschafft hat, mich emotional zu involvieren.
Da die Reihe als Ganzes großes Potential hat, bin ich trotz der Tatsache, dass Band zwei nur mittelmäßig für mich abschneidet, schon sehr gespannt auf den dritten Teil!

Bewertung vom 25.07.2020
Der Satyr
Keene, Brian

Der Satyr


ausgezeichnet

In 'Der Satyr' lässt Bryan Keene einen brünstigen Satyr auf eine amerikanische Kleinstadt los. Der Ziegenmann lockt Frauen durch Flötenspiel zu sich in den Wald und eine liebenswerte Freundesgruppe rund um den Krimi-Autoren Adam Senft macht sich auf, um sich dem Bösen entgegenzustellen.
Bryan Keene nahm sich viel Zeit für seine Charaktere und erschuf in der ersten Hälfte des Buches einen wunderbaren Überblick über die Nachbarschaft und ihre Bewohner. Adam Senft liebt seine Frau Tara und seinen Hund Big Steve und er ist die Hauptfigur dieser Geschichte. Nachdem er beim Gassi gehen im Wald eine schreckliche Beobachtung macht, zieht er seine unmittelbaren Nachbarn zu Rate. Die fünf unterschiedlichen Männer und ihre Beziehung zueinander und zu ihren Familien sind fabelhaft ausgestaltet. Man lernt alle gut kennen und sie wachsen einem ans Herz. Auch vom Charakter und der Verhaltensweise des Hundes bin ich verzaubert. Ich las zuvor noch in keinem anderen Buch von einer so herrlichen Beziehung zwischen Mensch und Tier.
Nach und nach häufen sich die Vermisstenfälle in der sonst so ruhigen Kleinstadt und die heimelige Stimmung kippt ins bedrohliche.
Im späteren Verlauf zieht der Autor die Spannung an und es wird gruselig und blutig. Von Sex und Eingeweiden bleibt man hier nicht verschont. Am Ende fieberte und litt ich sehr mit, da ich die Charaktere sehr gern habe und die Freunde einiges mitmachen müssen. Von der ersten Seite an packte mich die dichte Atmosphäre und lies mich auch nach der letzten Seite nicht wieder los.
So trashig der Plot rund um ein paarungswilliges Mythenwesen klingen mag, so qualitativ hochwertig ist die Umsetzung gelungen.
'Der Satyr' wandert auf meinen Highlight-Stapel! Ich werde von Brian Keene ganz sicher noch mehr lesen!

Bewertung vom 20.07.2020
Halloween in Unterwald
Winter, Maria

Halloween in Unterwald


gut

Das tolle Cover von »Halloween in Unterwald« versetzt mich direkt in Gruselstimmung, ich musste es einfach lesen!
In der Novelle von Maria Winter erlebt man einen Halloween-Abend aus drei unterschiedlichen Perspektiven. Die zurückhaltende Angie hat ein Date mit ihrem niedlichen Projektpartner aus der Schule, der kleine Robbie liebt Süßes und Saures über alles und darf zum ersten Mal ganz alleine losziehen und die beiden Einbrecher Andy und Peter nutzen die Dunkelheit für einen neuen Raubzug.
Die drei Kurzgeschichten werden abwechselnd erzählt. Das sorgt dafür, dass man immer wissen möchte, wie es weiter geht und sich die Spannung weiter steigert, je näher man dem Ende kommt.
Für meinen Geschmack sind die Charaktere etwas zu schwarz-weiß gezeichnet. Robbie ist ein sehr wohlerzogener kleiner Junge, Angie ist auch ziemlich anständig und die beiden Gauner haben nur Böses im Sinn. Das liegt natürlich durchaus auch an der Kürze des Buches, bei vielen Figuren und wenig Seiten kann man wohl keine sonderlich vielschichtigen Persönlichkeiten voraussetzen.
Zum Schreibstil kann ich sagen, dass die Autorin häufig tolle Formulierungen findet, an anderer Stelle war es mir allerdings zu umgangssprachlich. Die Sprache ist immer an den jeweils im Fokus stehenden Charakter angepasst, aber dadurch, dass nicht aus der Ich-Perspektive erzählt wird, hat es mich irritiert. Ich mag es nicht sonderlich, wenn die Erzählstimme Umgangssprache verwendet, das ist aber wohl persönlicher Geschmack. Gut gelungen ist das Setting des verschlafenen Dorfes, zu dem auch ein verlassenes Anwesen inklusive unheimlicher Hintergrundgeschichte zählt, über die niemand im Dorf sprechen möchte. Natürlich erfahren wir diese dennoch und damit konnte mich Maria Winter doch begeistern. Ich hätte gerne noch mehr erfahren. Als Dorfkind fühlte ich mich direkt heimisch in Unterwald.
Das Ganze geht eher in Richtung Jugendbuch aber im Laufe der Zeit wird es unerwartet blutig, somit kam ich als Freund von Horror- und Spannungsliteratur auf meine Kosten und kann »Halloween in Unterwald« als kleinen, schaurigen Happen für zwischendurch empfehlen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.06.2020
Schatten und Licht / Fräulein Gold Bd.1
Stern, Anne

Schatten und Licht / Fräulein Gold Bd.1


gut

Die Gestaltung von Anne Sterns »Fräulein Gold« ist absolut gelungen, es schreit förmlich 1920er-Jahre. Auch die Kapitelüberschriften weisen eine passende Schriftart auf. Wirklich ein Augenschmauß. Inhaltlich empfinde ich es als nicht ganz so perfekt wie äußerlich.

Hulda Gold erhält als Hebamme Einblick in das Leben vieler unterschiedlicher Leben und wird so eher zufällig in den Todesfall einer Prostituierten hineingezogen. Sie fängt auf eigene Faust an zu ermitteln und kreuzt dadurch den Weg des leitenden Ermittlers, Kommissar Karl North.

Hulda radelt als Protagonistin durch das Berlin 1922 und sieht sowohl die Elendsviertel als auch die wohlhabenderen Gegenden. Sie ist ein "spätes Mädchen", also mit Mitte 20 noch allein stehend und empanzipiert. Ihre Freiheit und die Möglichkeit, in ihrem Beruf voran zu kommen, ist ihr sehr wichtig. Während Sie sehr vielschichtig angelegt ist, erfährt man über die Persönlichkeit des Kommissars in diesem ersten Band einer Reihe eher wenig, abgesehen von seinen persönlichen Verbindungen zu dem Fall. Und das, obwohl auch aus seiner Perspektive erzählt wird. Die Zwei sind in meinen Augen leider sehr unsympatisch, ich wurde bis zum Schluss nicht wirklich warm mit ihnen. Da werden Hunde getreten, harte Drogen genommen und im Café wird einfach nicht bezahlt. Hinzu kommt, dass ihnen so etwas wie Zuneigung zu einander angedichtet wird, obwohl sie sich tatsächlich kaum kennen lernen und sich nicht wirklich leiden können. Lieb gewann ich eher die Nebenfiguren und die verstorbene Rita, über die wir durch Tagebucheinträge mehr erfahren. Die Handlung lässt auch ein wenig zu Wünschen übrig, denn die gute Hulda hat irgendetwas an sich, das jeden um sie herum dazu bringt, ohne große Umschweife alle Geheimnisse auszuplaudern, was keine große Spannung produziert.

Allerdings kommen wir an diesem Punkt zu den Dingen, die die Autorin wirklich beherrscht. Anne Stern studierte Geschichte und Germanistik, das merkt man. Ihr wunderbarer Schreibstil sorgte dafür, dass ich trotz des schwächelnden Plots gerne am Ball blieb. Sie lies die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen und das historische Berlin grandios vor meinem inneren Auge aufleben. Kleine Details sorgten für fantastische Atmospäre. Das Schwierigkeiten der Frauen in der damaligen Zeit, vor allem schwangerer Frauen, die schlimme Behandlung von psychisch Kranken und die grassierende Armut im Land nach Kriegsende sind zentrale Themen, die mich wirklich bewegt haben. Diese Zeitspanne ist literarisches Neuland für mich aber aus meiner Perspektive kann ich das Buch vor allem denen empfehlen, die historisches Interesse haben oder sich für die Themen Schwangerschaft und die Arbeit von Hebammen begeistern. Für einen spannenden Kriminalfall würde ich eher zu anderen Werken raten.

Bewertung vom 14.06.2020
HOLIDAY Reisebuch: Hiergeblieben! 55 fantastische Reiseziele in Deutschland (eBook, ePUB)
van Rooij, Jens

HOLIDAY Reisebuch: Hiergeblieben! 55 fantastische Reiseziele in Deutschland (eBook, ePUB)


sehr gut

Verreisen gestaltet sich in 2020 aufgrund gewisser grassierender Viren etwas schwierig, da bietet sich doch ein Heimaturlaub an! Das Benzin ist günstig, also wohin soll es gehen?

Zu dieser Frage hat Jens van Rooij in seinem Reiseführer »Hiergeblieben – 55 fantastische Reiseziele in Deutschland« einige großartige Vorschläge anzubieten.

Der Autor wählte Attraktionen in Deutschland aus, die bekannten Sehenswürdigkeiten im Ausland mehr oder weniger ähnlich sind. Zusätzlich werden weitere spannende Anlaufpunkte im Umkreis kurz vorgestellt und man bekommt je zwei Restaurant- und Hotel-Empfehlungen mit auf den Weg. Die liegen allerdings im mittleren bis höheren Preissegment, etwas Eigenrecherche empfehle ich also, wenn man Geld einsparen möchte.

Alle deutschen Reiseziele werden auf einer aufgeräumten Kartenansicht mit dem Vergleichsobjekt im Ausland gegenübergestellt, um die vielen Kilometer sichtbar zu machen, die man sich einpart.

Es sind typische Urlaubsziele dabei, die man sicher kennt, wie beispielsweise Sylt, Berlin oder München, aber auch unbekanntere Orte, wie die Wasserlandschaft im Peenetal, wo man Kanu fahren kann wie auf dem Vänersee in Schweden. Der Bekanntheitsgrad hängt natürlich auch von der eigenen Perspektive ab, ich beispielsweise wohne in der Nähe von Regensburg und der »Walhalla« (absolut einen Besuch wert!), für Nordlichter ist die Gegend vermutlich fremd. Manche Örtchen eignen sich eher für einen Tagesausflug oder sollten mit einem größeren Hotspot kombiniert werden.

Konkrete Veranstaltungen werden auch vorgestellt. Die Highland Games in Trebsen, in der Nähe von Leipzig, bringen uns Schottland näher, das Samba-Festival in Coburg, das jedes Jahr rund 200.000 Besucher anlockt, erspart einem den weiten Flug bis nach Brasilien.

Aber natürlich kann nicht jedes Ziel den Urlaub in einem anderen Land ersetzen. Zum Beispiels ist der Vergleich der Südpfalz mit Mallorca vielleicht etwas weit hergeholt, nichtsdestotrotz ist die Gegend einen Besuch wert.

Die klar gestaltete Inhaltsangabe in der Druckausgabe fehlt leider im e-book, daher sollte man beim lesen daran denken, direkt Lesezeichen zu setzen. Generell empfehle ich eher den Griff zum gedruckten Buch, da die beeindruckenden, qualitativ hochwertigen Farbfotografien auf dem schwarz-weißen Reader nicht so gut zur Geltung kommen.

Von regionaler Kultur über Schlittenhunderennen bis zu buddhistischen Tempeln findet wohl jeder etwas für sich. Als Buchbegeisterte stach mir besonders die Barockbibliothek im Kloster Metten ins Auge, die muss ich mir ansehen!

»Hiergeblieben« ist vor allem in Zeiten von Corona, aber auch sonst ein guter Ratgeber, um die eigene Heimat etwas besser kennen zu lernen.