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MB
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Rösrath

Bewertungen

Insgesamt 425 Bewertungen
Bewertung vom 04.12.2024
Die Frauen von Maine
Sullivan, J. Courtney

Die Frauen von Maine


gut

Etwas zäh. "Die Frauen von Maine" von J.Courtney Sullivan ist der Versuch eines Jahrhunderte überspannenden Generationenromans. Der Versuch, die Geschichte eines Lanstriches in Maine zu erzählen; gegenwärtige Schicksale werden verbunden und in Beziehung gesetzt zu vergangenen Schicksalen; von den Frauen dieser Region bis hin zur Geschichte der Indigenen; die Geschichte der in den üblichen Historienerzählungen zu kurz gekommenen. Fixpunkt und auch Sammelbecken für die multiperspektivischen Erzählstränge ist Jane, die in ihrer Jugend das 'Haus auf der Klippe' als ihren Zufluchtort entdeckt hat, den sie mit ihrer Freundin teilt; die Mutter ist alkoholkrank. Jahre später, die Mutter inzwischen verstorben, Jane selbst auch mit Alkoholproblemen, die Liebesbeziehung zu David gescheitert, übernimmt sie den Auftrag der neuen Besitzerin ebendieses Hauses, die Vergangenheit der Bewohner zu erforschen. Dabei geht es sogar ein wenig magisch zu. Die Autorin ist in ihrem Vorhaben etwas weitschweifig und der Roman 'plätschert so vor sich hin'; durchaus gut erzählt, aber - wie gesagt etwas zäh!

Bewertung vom 01.12.2024
Invictum
Trussoni, Danielle

Invictum


gut

Hintergründig. Durchaus. Weil in "Invictum" von Danielle Trussoni jeder Hinweis eine Täuschung, ein Ablenkungsmanöver sein kann - und eine falsche Handlung kann tödlich enden. Wie man es (eigentlich) von einem Thriller, der funktionieren will, erwarten kann. Im Rahmen eines Wettbewerbs will der japanische Kaiser das Geheimnis der Jahrhunderte alten, legendenumwobenen Drachen-Rätselbox lösen lassen; schon viele sind gescheitert und haben beim Versuch, das Rätsel zu lösen, ihr Leben verloren. Eine Box, erschaffen aus 21 verschiedenen Holzsorten; enthalten sein soll ein bedeutsames Geheimnis. Das Rätselgenie Mike Brink erhält eine persönliche Einladung, sich an diesem Wettbewerb zu beteiligen. Mike ist besonders geeignet, weil er nach einer Schädelverletzung über ungeöhnliche Inselbegabungen wie ein fotografisches Gedächtnis und ein Gespür für das Erkennen von Mustern verfügt. Zusammen mit seinem Hund und einer Partnerin macht er sich auf den Weg... und selbstverständlich läuft nicht alles rund, gibt es Widersacher mit ganz eigenen Plänen. Spannend? Nicht wirklich. Viele Details zur japanischen Geschichte unterbrechen immer wieder den Spannungsbogen und geben ihm keine wirkliche Chance. Pageturner? Nicht wirklich. Die Geschichte entwickelt sich ein wenig wie ein Game - Prüfungen sind zu bestehen, Rätsel sind zu bestehen, um zum eigentlichen Rätsel vorzudringen. Vielleicht muss man selbst ja auch Rätselfan sein, um die Story zu mögen - mich hat sie nur mäßig angesprochen.

Bewertung vom 29.11.2024
Mein Mann
Ventura, Maud

Mein Mann


ausgezeichnet

Verstörend gut. Maud Ventura ist mit ihrem Erstling "Mein Mann" etwas in der Literatur selten Vorzufindendes gelungen. Über knapp 300 Seiten hinweg lässt sie ihre Leserschaft teilhaben an einer 'ganz normalen Woche' einer verheirateten Frau um die Vierzig, verheiratet mit einem Mann, den sie liebt, gemeinsam haben die beiden zwei Kinder. Das Besondere: Die Neurosen der Frau. Ständig auf der Suche nach Liebesbeweisen ihres Mannes; ihre überdrehten Vorstellungen, er könne sie nicht mehr lieben, ihr sich für den Mann in Szene setzen - mit dem Ziel, dass dieser stets genau den für den Augenblick stimmigen Eindruck von ihr bekommt, sich entsprechend fühlt und handelt; bleiben Liebesanzeichen aus, wird dieses akribisch notiert und mit Strafmaßnahmen reagiert, z.B. nicht ans Handy zu gehen, wenn der Mann anruft, erst nach mehreren Versuchen des Mannes zurückzurufen; allem wird eine Bedeutung zugeschrieben, nichts ist Zufall und wird dem Zufall überlassen... insgesamt eine hochneurotische Beziehungsgestaltung, ein Leben, welches rund um den eigenen Mann aufgebaut ist... für mich als Leser bis an die absolute Schmerzgrenze heran. Aber dann kommt der unerwartete Turn am Schluss, der natürlicherweise hier nicht verraten wird. Ein absoluter Lesegenuss. Vielleicht ordnen Sie ja nach der Lektüre von "Mein Mann" den Wochentagen auch Farben zu... auch Farben haben ihre spezifische Bedeutung ;-))

Bewertung vom 28.11.2024
Die Lungenschwimmprobe
Renberg, Tore

Die Lungenschwimmprobe


sehr gut

Außergewöhnlich. Schon allein der Einband und die Buchcover-Gestaltung machenTore Renbergs Roman "Die Lungenschwimmprobe" zu etwas ganz Besonderem. Mit der Bezeichnung 'Roman' tue ich mich allerdings ein wenig schwer - in einer filmischen Umsetzung würde man wohl von einem 'Doku-Drama' sprechen. Sorgfältig und zeitaufwendig recherchiert und die Recherchelücken und andere Unklarheiten mittels fiktionaler Kompetenz des Romanautors aufgefüllt (so meldet sich zwischendurch auch der Autor 'himself' zu Wort). Die Geschichte erstreckt sich nahezu über ein halbes Jahrhundert und beschreibt anhand der Geschichte der vermeintlichen Kindsmörderin Anna Voigt sehr eindrücklich, wie die Vormachtstellung der Kirche mehr und mehr durch die Wissenschaft in Frage gestellt wird. Die Wissenschaft kann nämlich beweisen (mittels Lungenschwimm-probe), ob ein Kind bereits im Mutterleib tot war oder erst nach der Geburt gestorben ist. Alte Machtstrukturen aber bremsen die Wissenschaft aus. Tore Renberg erweckt tatsächliche Personen zum Leben und gibt ihnen sehr treffende Charaktere, was zuweilen durchaus vergnüglich anmutet, weil er dem einen oder der anderen auch kleine 'Macken' und Eigenheiten andichtet; die Erzählweise ist multiperspektivisch; auch vermittelt der Autor der Leserschaft einen hervorragenden Eindruck dieser Zeit, in der alles noch sehr düster ist. Die Sprache ist ein wenig der geschilderten Epoche angepasst, aber dennoch sehr gut lesbar. Was insgesamt zu einem Lerseerlebnis der ganz besonderen Art führt. Unbedingte Empfehlung!

Bewertung vom 18.11.2024
Vaterländer
Tambrea, Sabin

Vaterländer


sehr gut

Beeindruckend. Ich habe mir den autobiographischen Text "Vaterländer" von Sabin Tambrea über das Hörbuch zu Gemüte geführt und bin ziemlich angetan. Die Tatsache, dass der Autor als gelernter Schauspieler selbst das Buch eingelesen hat, lässt mich als Zuhörer noch ein gutes Stück näher an die Lebens- und Familiengeschichte heranrücken. Zudem interessant, hinter die Fassade des bekannten Schauspielers zu blicken, fernab von irgendeiner Rolle in irgendeinem Film. Was den Inhaltsüberblick betrifft gibt die Beschreibung des Verlages sehr gut wider, worum es geht, deshalb mag ich es hier an dieser Stelle nicht wiederholen. Was aber war für mich so fruchtbar an dem Text? Sabin Tambrea schafft es durch seine Erzählweise, dass ich mich förmlich ganz nah an der Seite derjenigen Personen aus der Familie fühle, um die es gerade geht. Ich erfahre eine Fluchtgeschichte und darf mein historisches Wissen um einiges auffrischen und ergänzen - wer kennt schon die Geschichte der Diktatur in Rumänien? Und vor allem: Kein Jammern, Klagen und Verzagen der Familienmitglieder - vielmehr ein Zusammenhalten, ein sich den schlechten Rahmenbedingungen stellen und der feste Wille, das Beste daraus zu machen. Da könnte sich so mancher, welcher sich angewöhnt hat, sich darüber zu beschweren dass nicht alles optimal ist und dafür nach Schuldigen zu suchen, eine ganz dicke Scheibe abschneiden. Fazit: Lesen oder Hören - hat einen guten Effekt für die eigene Lebenszufriedenheit.

Bewertung vom 16.11.2024
Nur nachts ist es hell
Taschler, Judith W.

Nur nachts ist es hell


gut

Erzählte Geschichte. Judith W. Taschler spannt den Bogen ihrer Geschichte vom Ersten Weltkrieg bis hinein in die Nachkriegszeit des Zweiten Weltkrieges. Es ist die Geschichte einer verzweigten und über zwei Kontinente verteilten Familie. Im Mittelpunkt steht die erzählende Elisabeth, Krankenschwester, die gerne Medizin studieren würde und sich schließlich zusehends als Unterstützerin der Sache der Frauen begreift... Konfrontiert mit den 'Engelmacherinnen' setzt sie sich mit ihrem medizinischen Wissen für ungewollt schwangere Frauen ein. Allerdings ist es nicht einfach, in diesem keineswegs uniteressanten Roman den roten Faden zu halten. Der Roman ist gut, wenn er länger bei einem Thema, einer Teilgeschichte verbleibt, springt aber leider viel zu oft... unterschiedliche Zeiten, die Themen Frauenrechte, essayistisch anmutende Einschübe zur Entwicklung der Medizin, Beziehungsgeschichten... Aber vielleicht ist 'Zurückerinnern' ja tatsächlich eher ein sprunghafter als ein gradliniger Prozess.

Bewertung vom 16.11.2024
Stalker - Er will dein Leben.
Strobel, Arno

Stalker - Er will dein Leben.


gut

Gute Idee, aber... Und dazu noch brandaktuell - Identitätsdiebstahl. Der neue Thriller "Stalker - er will dein Leben" von Arno Strobel kann über weite Strecken überzeugen und thematisiert auch recht treffsicher die gegenwärtige Sehnsucht nach Aufmerksamkeit: In öffentlichkeitswirksamen Jobs ist das Generieren von Aufmerksamkeit in den sozialen Medien unerlässlich (geworden) für die persönliche Karriere - und das mit all seinen Folgen, da sind nämlich nicht nur die Fans, sondern auch die Hater und Trolle mit all ihren destruktiv-bösartigen Kommentaren. Der Schauspieler Eric Sanders hat einen vielbeachteten Auftritt in einem 'Tatort' und hofft auf einen Karrieresprung; doch wird sein Facebook-Account von einem unbekannten gekapert, der die Person von Eric Sanders durch Fake-Posts als überheblich, arrogant und anzüglich erscheinen lässt. Zudem fordert der Unbekannte von Eric, innerhalb von 3 Tagen öffentlich einen Mord zu gestehen, den Eric angeblich als Elfjähriger an einem neunjährigen Jungen begangen haben soll. Der Unbekannte kombiniert seine seltsame Forderung mit der Androhung, bliebe das öffentliche Geständnis aus, würde etwas Schlimmes passieren. Für Eric, dessen Beliebtheitswerte als Schauspieler in den Keller zu purzeln beginnen läuft die Zeit und es beginnt eine Reise in seine Vergangenheit, in der bislang aber alle Erinnerungen an seine ersten 11 Lebensjahre durch das Trauma einer Brandkatastrophe ausgelöscht scheinen. Alles weitere wäre gespoilert... Was ich zu Strobels neuestem Werk sagen möchte: Liest sich gewohnt gut, ist spannend geschrieben und verläuft echt gut... bis dann ein Schluss sich ereignet, der alles kaputtmacht. Vielleicht war es das Bedürfnis des Autors, die Story unbedingt total unerwartet enden lassen zu wollen, noch einen letzten Turn zu vollziehen... und genau daran ist der Thriller schlussendlich gescheitert.

Bewertung vom 09.11.2024
Mein drittes Leben
Krien, Daniela

Mein drittes Leben


sehr gut

Verlust und Trauer. Daniela Kriens neuer Roman "Mein drittes Leben" hat mich tief bewegt. Die Geschichte wirkt derart authentisch - fast könnte man meinen, sie sei autobiographisch. Und das scheint die große Fähigkeit der Autorin zu sein - sich in (verzweifelte) Lebenslagen einzufügen. Sylvia, die 17-jährige Tochter von Linda und Richard erleidet einen tödlichen Unfall. Nichts im Leben ist mehr, wie es vorher war; vielmehr teilt Linda ihre bisherige Lebenszeit in drei Leben ein: Das Leben vor der Geburt ihrer Tochter, die 17 Jahre mit Sylvia und die Zeit nach dem größtmöglichen aller Verluste, dem Tod des Kindes. Zwar gibt es für Trauer keine Regeln, gleichwohl aber Erwartungen des Umfeldes, nämlich, dass man mit der Zeit ('nach spätestens einem Jahr') den Verlust verarbeitet und ins Leben zurückgefunden haben müsse. Linda aber geht eigene Wege; distanziert sich zusehends von ihrem Mann und zieht in ein kleines Dorf, um sich ihrer Trauer auf ganz eigene Art zu widmen. Daniela Krien beschreibt, wie sich Linda zunächst total zurückzieht und schließlich ganz langsam wieder selbst das Leben zutraut. Warnung an alle potenziellen Leser:innen - das ist kein 'Heile-Welt-und-alles-wird- gut - Buch'. Und gerade deshalb umso lesenswerter.

Bewertung vom 02.11.2024
Intermezzo
Rooney, Sally

Intermezzo


ausgezeichnet

Fantastisch! Sally Rooney hat bereits mit ihren Vorgängerromanen unter Beweis gestellt, wie gut sie ihr Handwerk versteht. In ihrem neuen, seitenstärkeren Roman "Intermezzo" präsentiert sich die Autorin noch um einiges gereifter. Meisterhaft versteht es Sally Rooney, menschliche Seelen zu sezieren und Innenleben plastisch nachvollziehbar zu präsentieren; sie lässt ihre Figuren einander begegnen und in (Liebes-) Beziehung zueinander treten; dabei wird offenbar, wie jede der Hauptfiguren auf ihre spezielle Weise mit sich hadert, welche Wünsche und Sehnsüchte, Ängste und Unsicherheiten in die Kommunikation der Figuren einfließen... selten habe ich eine Autorin erleben dürfen, die einen derart datailreichen Tiefenblick auf das Zwischenmenschliche nimmt. Zwei Brüder, die unterschiedlicher nicht sein könnten; der Jüngere, Ivan, verliebt sich in die ältere, frisch getrennte Margret; der Ältere, Peter, sucht Trost bei der wesentlich jüngeren Naomi, nachdem er von seiner langjährigen Partnerin Sylvia verlassen worden ist. Nach dem Tod des Vaters der Brüder wird ihnen die ganze Ambivalenz ihrer Beziehung klar. Liebe, Hass, Eifersucht... Gefühlsstrudel ereilen die Protagonist:innen... Eine Geschichte, wie sie sicher nicht das erste Mal geschrieben wurde, aber nicht in der Art, wie Sally Rooney sie erzählt. Fantastisch!!!

Bewertung vom 08.10.2024
VERGIFTETE ZUKUNFT (eBook, ePUB)
Schleheck, Regina

VERGIFTETE ZUKUNFT (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein wahres Feierwerk fantastischer Ideen! Bei Kurzgeschichten denke ich immer: Das ist was Leichtes aber Nachdenkenswertes für Zwischendurch. Mit Regina Schlehecks Geschichtensammlung ist es mir völlig anders ergangen... hatte ich die erste Geschichte zu Ende gebracht, zog es mich schon in die zweite hinein... und so ging es dann (fast) in einem fort. Ich habe jede der fantastischen Geschichten genießen können, jede Geschichte war zu Beginn zunächst auch ein kleines Rätsel mit umso größerem Überraschungseffekt am Ende; und ich habe mich immer wieder gefragt, wo die Autorin ihre Ideen und ihre Inspiration hernimmt; einige Ideen wirken zuweilen wie drogeninduziert... aber natürlich sind da keine (bewusstseinserweiternden) Drogen im Spiel, weil dann hätte das mit der sprachlich sehr ansprechenden Umsetzung mit Sicherheit nicht in dieser herausragenden Art geklappt. Da ist die biblische Geschichte der Menschheit aus göttlicher Perspektive und ziemlich abseitig vom Mainstream erzählt; gegenseitige Hörnung mit abschließender Kreuzigung. Da ist eine Waschmaschine, die den größten Menschenverächter und -vernichter der Geschichte ins 1000-jährige Paradies katapultiert. Wir erfahren, wie aus einem - des Untergangs wegen - geplanten Doppelselbstmord mit Übungsvorlauf der Mord der Eva wird. Es ist zu lesen vom schwarzen Gold und den Visionen eines Jungen: Abbauen, Auffressen, Pulverisieren. Und schließlich auch, warum alter und teurer Whiskey mörderisch gut sein kann. Am Ende gibt es sogar eine Lektion, warum sich Außerirdische nicht auf eine Lieb mit einer Menschin einlassen können. Vorher dann noch, warum Wolkenkratzer Symbole der Phallokratie sind und wie das alles ein Ende findet... auch wenn's noch was dauern wird. Die Enttarnung des Gutmenschen in seiner doppelbödigen Motivlage... weil unterhalb des Altruismus dunkle Stebungen lauern. Die Bahnen der Planeten sind berechenbar, das Verhalten eifersüchtiger Frauen mit Rachegelüsten hingegen nicht. Web-Space als Menschenlagen im Weltall - über die (kein-)tierische Rache im Stile von 'E.A.Poe goes SF'. Lost in Space in Folge von unerwartetem Präsidialbesuch...
Gut geschrieben, böser Humor, implizite Gesellschaftskritik (das leistet gute SF), Überraschungseffekte - ein Erählungsband als wahrer Pageturner!!!