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Benutzername: 
Milli11
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 99 Bewertungen
Bewertung vom 29.05.2019
Marina, Marina
Landau, Grit

Marina, Marina


ausgezeichnet

Bitter und süß zugleich – Leben in Italien in den Sechziger Jahren
Eigentlich dachte ich, einen typischen leichten Italia-Sole-Mare-Amore-Roman vor mir zu haben, aber das Buch ist weit mehr und es hat mich wirklich gepackt, gefesselt und sehr positiv überrascht.

In den einzelnen Kapiteln, denen witzigerweise auch immer ein ganz großer italienischer Hit oder Schlager vorangestellt ist, wird das Leben der Bewohner des fiktiven Örtchen Sant‘Amato in Laufe der 60-iger Jahre beschrieben. Und wie es im wahren Leben so ist, gibt es nicht nur Glück und Sonnenschein, sondern auch verbotene Leidenschaften, Intrigen, verlorene Kämpfe und Hass, die tiefe Verletzungen und Wunden verursachen. Manche Menschen leiden schwer an den ihnen zugefügten Verletzungen, andere setzen sich dagegen skrupellos über das von ihnen verursachte Leid hinweg und schaffen es problemlos, alles außer dem eigenen Wohlergehen auszublenden.

Da ist zum Beispiel der Olivenbauer Davide, der lange Jahre Marina, die Frau des Friseurs Carlo liebt, beide können sich aber nicht aus ihren Familien lösen. Davides Sohn Nino übernimmt zur Enttäuschung der ganzen Familie nicht den Oliven-Hof, sondern wird Meeresbiologe. Ninos Freund Beppo steht auf Männer, was im Dorf keiner wissen darf und will es unbedingt aus den ärmlichen Verhältnissen seines Elternhauses heraus schaffen. Und Matteo, ebenfalls Ninos Freund, der unbedingt Fußballer bei Juve werden möchte und unendlich in die Tochter des örtlichen Patrone verliebt ist, muss deshalb um sein Leben fürchten. Alle müssen ihren durchaus schwierigen Weg finden.
Auch die schwere Vergangenheit in der Zeit des 2. Weltkrieges hat in der Geschichte des Dorfes und in seinen Bewohner tiefe Wunden hinterlassen, die in den jüngeren Generationen weiterwirken. Aus dieser Zeit steht ein böses Geheimnis nicht nur z. B. zwischen Carlo und seiner Frau Marina.

Außer den Bewohnern des Dorfes tauchen auch immer wieder Personen auf, die nur kurz im Dorf waren, der Künstler, dessen Frau in Sant‘Amato stirbt oder die deutsche Fabrikantentochter Reni, die in der Nähe einen schlimmen Unfall hatte. Und der Autorin gelingt es sehr gut, auch diese Nebengeschichten in den Romanverlauf einzubinden, obwohl es die für den Hauptstrang nicht unbedingt gebraucht hätte. Bei jedem neuen Kapitel habe ich mich gefreut, zu sehen, wie es mit den Personen weitergeht.

Die Sprache ist sehr schön flüssig und verständlich und es machte mir wirklich Freude, immer weiter zu lesen. Gerade die italienische Atmosphäre wird ganz treffend eingefangen, die Schilderungen des Meeres und der Landschaft sind für mich überaus bildhaft.

Mich hat das Buch sehr angerührt und an wunderschöne Zeiten in Italien erinnert, deshalb von mir 5 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.05.2019
Sommertage auf Capri
Gregorio, Roberta

Sommertage auf Capri


gut

Leichte Urlaubsgeschichte an schönem Ort
Die Sizilianerin Velia ist Ende 20 und in ihrem Leben passt so ziemlich gar nichts. Sie liebt einen jungen Deutschen, der fest auf seinem Bauernhof in Bayern verwurzelt ist, jobbt nur aushilfsweise und ohne großen Erfolg und lebt noch bei Ihren Eltern. Sie weiß so gar nicht, was aus der Beziehung und ihrem Leben so werden soll und da kommt ihr ein Angebot für einen Sommerjob als Sandalenverkäuferin auf Capri ganz recht.

Und wie es der Zufall so will, ist der Ladenbesitzer Ennio jung, gutaussehend und ungebunden, dazu charmant und sehr nett, ein Wunder, wenn sich da nichts anbahnen würde. Also entwickeln sich da ganz zart die Gefühle, der Job macht Spaß, die Familien sind auch miteinander verbunden und mögen sich, dazu schwelgt man in der nett beschriebenen sommerlichen Urlaubsatmosphäre Capris, das Lesen macht da wirklich Spaß.

Aber im Hintergrund ist da ja noch der junge, ebenfalls sehr nette Bauer Niklas, der zwar auf seinem Hof auch mit allerlei Unglück zu kämpfen hat, aber doch erkennt, wieviel ihm an der temperamentvollen Italienerin liegt und so macht er sich auf den Weg in den heißen Süden. Die Konfrontation aller Parteien lässt dann auch nicht lange auf sich warten ….

Um die Spannung nicht zu zerstören, lasse ich das Ende offenstehen, das Lesen des Büchleins macht Spaß, die Inselatmosphäre wird sehr nett beschrieben, allerdings ist die Geschichte auch nicht übermäßig anspruchsvoll oder nervenzerreißend, eher wie ein kühles Zitroneneis an einem heißen Sommertag, daher von mir sehr gute 3 Sterne.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.04.2019
Was uns erinnern lässt
Naumann, Kati

Was uns erinnern lässt


ausgezeichnet

Ein Familienleben direkt an der innerdeutschen Grenze

Das Buch erzählt in 2 Zeitebenen, zum einen in der Gegenwart mit Milla, einer alleinerziehenden Mutter, deren Hobby es ist, „Lost Places“, verlassene einsame Orte mit unterschiedlichsten Spuren vergangenen Lebens, aufzustöbern und im Internet mit anderen Interessierten zu teilen.

Bei einer Wanderung in der Nähe des Rennsteiges im Thüringer Wald stößt sie zufällig auf einen Keller, das darüberstehende Haus ist komplett zerstört und alle Spuren beseitigt, allerdings sieht der Keller so aus, als ob er nur kurz von seinen Bewohnern verlassen worden wäre. Dieser Keller gehörte zum Hotel „Waldeshöh“ der Familie Dressel und diese Familie sucht Milla nun.

Und um die Lebens- und Familiengeschichte der Familie Dressel dreht sich der 2. Handlungsstrang. Er beginnt gegen Ende des 2. Weltkrieges, im Hotel sind Frankfurter Stadtkinder einquartiert, der Hausherr ist an der Front und alle fiebern nur auf das Ende des schrecklichen Krieges hin. Und die Bewohner haben Glück, der Vater kehrt, wenn auch nicht gesund, aus dem Krieg zurück, das Hotel ist so abgelegen, dass keine Bomben geworfen werden, sich keine der diversen Besatzungsmächte wirklich dafür interessiert und es keimt die Hoffnung, irgendwann den Hotelbetrieb wieder aufnehmen zu können.

Das wiederum erweist sich als Trugschluss. Direkt am Hotel wird im Laufe der Jahre eine immer stärkere Grenzbefestigung installiert, mit Minenfeldern, Hunden und Stacheldraht, den Bewohnern wird das Leben immer schwerer gemacht, das Telefon wird abgestellt, keine Post wird zugestellt, es gibt nur eine Stelle, an der sie das Grenzgebiet überhaupt verlassen und wieder betreten dürfen, die alltäglichen Schikanen werden immer größer und schlimmer. Trotzdem gelingt es der Familie, ein durchaus glückliches Leben zu führen, der Familienzusammenhalt ist immens und sehr liebevoll und alle hoffen, dass eines Tages die Beschränkungen wieder gelockert werden. Bis eines Tages doch die große Katastrophe kommt.
Mich hat das Buch sehr berührt, einerseits bin ich familiär vorgeprägt und zum anderen gelingt es der Autorin sehr gut, die Gedankenwelt der einzelnen Personen nachvollziehbar zu machen. Zum Beispiel die immer wieder und eigentlich gegen besseren Wissen aufkeimende Hoffnung auf eine Wende zum Besseren. Die große Liebe zur Heimat, zum Wald und den Familientraditionen. Und auch die Abkehr einer einzelnen Person davon, deren Wunsch aus dem beschränkten eingesperrten Leben heraus zu kommen ist für mich durchaus ebenso verständlich.

Es ist so erschreckend, wie viele Schikanen sich das DDR-Regime für solche „Abweichler“ von der Norm hat einfallen lassen, wie die Nachbarn und Kollegen, meist ebenfalls aus Angst um ihre eigene Situation, das mitgetragen haben und wie sehr man sich einschränken lässt in der Furcht, auch noch das letzte kleine Glück zu verlieren. Und den perfiden Strategien der DDR-Oberen hatten die meisten Menschen nicht wirklich etwas entgegen zu setzen. Heute ist das möglicherweise vielen nicht nachvollziehbar, aber vielleicht muss man dies auch selbst erlebt haben.

Trotzdem vermittelt das Buch auch die alltägliche Lebensfreude und das kleine Alltagsglück absolut stimmig, dafür und für die gelungene Erinnerung an diese Zeit von mir tolle 5 Sterne!

Bewertung vom 14.03.2019
Die Mauer
Lanchester, John

Die Mauer


sehr gut

Harte, düstere Zukunft - fesselnd erzählt

Ich gestehe, dass ich mich anfangs zwingen musste, das Buch zu beginnen, zu düster und kalt waren meine ersten Empfindungen. Und zum Schluss konnte ich mich nicht gar nicht losreißen, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es mit Joseph Kavanagh, der Hauptperson des Buches, weitergeht und endet.
Joseph muss wie alle jungen Frauen und Männer des zukünftigen Großbritannien seinen Pflicht-Wehrdienst auf der Mauer, die zum Schutz des Landes vor den „Anderen“ gebaut wurde, ableisten. Und die erste Zeit fällt ihm und den anderen unglaublich schwer, es ist in der Regel eisig kalt, es ist langweilig und trotzdem müssen die Männer und Frauen ständig aufmerksam und angespannt sein. Besonders schlimm ist es in der Nacht, wenn die Wahrscheinlichkeit eines Angriffes steigt, gleichzeitig aber die Sichtverhältnisse besonders schlecht sind.

Dazu kommt noch unbedingter Erfolgsdruck, denn falls es bei einem erfolgreichen Angriff „Anderen“ gelingt, über die Mauer ins Hinterland zu gelangen, so drohen den Mauerbewachern, die diesen Durchbruch nicht verhindern kommen, drastische Strafen, sie werden aus Großbritannien verstoßen und auf dem Meer ausgesetzt.

Doch zunächst gelingt es Joseph sogar, sich bei einem Angriff auszuzeichnen, er findet Freunde und nicht zuletzt eine Frau, die er liebt und die ihn liebt. Er träumt von einer Familie mit ihr und sogar von einem möglichen Aufstieg in die Oberschicht, der ihm gar nicht so unmöglich erscheint. Denn das Leben der einfachen Bevölkerung klingt jetzt nicht wirklich erstrebenswert, die Älteren hängen der glücklichen Vergangenheit nach und die Jüngeren beneiden sie um diese Zeit und machen sie gleichzeitig für den Verlust der Lebensqualität verantwortlich.

Doch dann passiert die Katastrophe: durch Verrat aus den eigenen Reihen und aus dem Land selbst gerät seine Mannschaft in einen Angriff, Joseph überlebt gerade noch verletzt und einer größeren Gruppe Anderer gelingt das Eindringen in das Land. Und obwohl er persönlich keine Schuld hat, gelten auch für ihn die Regeln, dass er sein Recht auf weiteren Verbleib im Land verwirkt hat und in einem Boot auf dem Meer ausgesetzt wird. Und in diesem Boot ist er nicht allein.

Am Anfang liest sich das Buch etwas sperrig, aber je weiter ich kam, desto interessanter und spannender wurde es. Wir können nur hoffen, dass sowohl die klimatischen wie gesellschaftlichen Umbrüche, die hier angerissen werden und die Grund für die Lebensregeln in diesem Land sind, nicht eintreten oder die Menschheit sich für einen anderen Umgang miteinander entscheidet. Wobei hier die Frage wäre, wie man es denn besser machen könnte und müsste…

Die sprachlichen Bilder und Beschreibungen sind so eindringlich, dass ich geradezu mitgefroren habe, das ist dem Autor wirklich gut gelungen.

Das Ende lässt mich dann etwas ratlos zurück, trotzdem sehr gute 4 Sterne für dieses durchaus anspruchsvolle Buch.

Bewertung vom 14.03.2019
Lago Mortale / Simon Strasser Bd.1
Conti, Giulia

Lago Mortale / Simon Strasser Bd.1


sehr gut

Leichter Sommer-Krimi aus dem Piemont

Das ist für mich ein idealer Sommer-Urlaubs-Roman, bevorzugt an einem netten Ort irgendwo in Oberitalien. Mit einem leicht beschlagenen Glas Weißwein auf dem Tischchen neben dem Liegestuhl. Und in Oberitalien spielt auch die Geschichte, zu der der Titel ganz wunderbar passt.

Ein deutscher Journalist, Simon Strasser, mit italienischer Mutter und daher vorgeprägt, entscheidet sich nach seinem Ausstieg aus dem Berufsleben für einen Umzug nach Italien und lebt seit einiger Zeit in einem kleinen Örtchen am Lago d‘Orta. An einem sehr heißen Augusttag findet er die Leiche eines jungen Mannes auf dessen Segelboot, relativ bekannt und aus einer der örtlichen Promi-Familie stammend.
Simon findet die Umstände seltsam und bezweifelt, dass der junge Mann bei einem Segelunfall gestorben sein soll. Er beginnt nachzuforschen und zu kombinieren, sein Riecher sowie die Unterstützung diverser Freunde führen ihn immer weiter in verzwickte Familienkonstellationen und Beziehungen, die zum Teil bis zur Zeit des 2. Weltkrieges zurückreichen.

Nebenbei erfährt man auch einiges über die italienische Kultur und Lebensart und auch über die Schwierigkeiten und Umstände, mit denen man als ausländischer Zuzügler konfrontiert wird. Nicht jeder Einheimische ist begeistert, wenn immer mehr Immobilien in fremdländischer Hand sind und Ausländer zuziehen. Und bis zu echten Freundschaften ist es ein langer Weg.

Das Buch liest sich wirklich leicht und locker, auch wenn das Thema Mord und Totschlag dies auf den ersten Blick nicht unbedingt nahelegen, aber ist es absolut kein nervenzerreißender Thriller. Das ist keine Kritik, von deren Sorte gibt es auch genügend Bücher, hier ist dies, wie gesagt, nicht der Fall.

Dafür sind die sprachlichen Bilder so gut beschrieben und deutlich, dass man die Schwüle und Hitze dieses Sommers förmlich selbst auf der Haut fühlt und man am liebsten ebenfalls in den kühlen See springen würde.

Für mich eine gute 4-Sterne- Empfehlung, weniger für Krimifans, dafür für Italien-Liebhaber.

Bewertung vom 27.02.2019
Der Patriot
Engman, Pascal

Der Patriot


gut

Blutig, gewalttätig, brutal
Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich das letzte Mal ein Buch mit so viel Gewalt und einer Unmenge an Ermordeten gelesen habe, ich muss gestehen, dass ich zeitweise auch gar keine Lust hatte, weiterzulesen, weil es immer schlimmer und brutaler wurde. Dazu fand ich nicht eine Figur, die mir sympathisch war und die mir ein kleines Stück positiver Identifikation ermöglicht hätte bzw. wurde die auch relativ schnell ermordet.

Zum Inhalt: Schweden wird überschwemmt mit echten und falschen Flüchtlingen überwiegend aus dem Nahen Osten und es gibt dadurch nicht unerhebliche Probleme, Übergriffe und Gewalt gegen die schwedische Ur-Bevölkerung. Eine kleine Gruppe radikaler Gegner will mit Macht gegen diese Politik vorgehen und nimmt dafür die Journalisten ins Visier, die sie als Sprachrohr und Befürworter dieser Einwanderungspolitik identifiziert hat. Mehrere Journalisten werden ermordet, dann gelingt es, einen Einwanderer für einen Bombenanschlag auf ein Hotel zu missbrauchen und schlussendlich soll ein großes blutiges Finale unter den führenden Medienvertretern folgen.

Die Entwicklung und die persönlichen Beweggründe der Terroristen werden sehr gut und nachvollziehbar beschrieben, es ist zu fürchten, dass diese Gedankengänge auch in der realen Welt bei nicht ganz wenigen Menschen zu finden sind. Ohne Rücksicht auf Unschuldige, selbst die eigenen Landsleute, werden die Massaker durchgezogen. Und es gelingt ihnen auch, sich bestens zu vernetzen und Sympathisanten zu finden, die ihnen die notwendigen Insider-Informationen zuspielen.

Als Gegenspieler mit nicht weniger Blut an den Händen taucht dann ein ehemaliger Söldner auf, der zumindest aus persönlichen Gründen das finale Massaker verhindern will.

Das Buch liest sich durchaus spannend, leider ist zu befürchten, dass diese fiktive Geschichte ganz nahe an der realen Welt ist und das ist ziemlich deprimierend.

Für alle Thriller-Fans, die gut mit Blut und Gewalt zumindest im Buch klarkommen, eine klare Empfehlung, für mich 3 Sterne.

Bewertung vom 19.02.2019
I can see U
Morgenroth, Matthias

I can see U


sehr gut

Schöne neue Welt – unheimlich und gruselig
Glücklicherweise ist mir vorab nicht aufgefallen, dass dies als Jugendbuch vertrieben werden soll, sonst wäre mir womöglich ein durchaus spannendes und interessantes Buch entgangen.

Zum Inhalt: Marie lebt in Ingolstadt, versteht sich gut mit ihren Eltern und geht zusammen mit ihrer besten Freundin Elli in die 10. Klasse. Dort an der Schule gibt es die üblichen altersgemäßen Problem (chen), teilweise doofe Lehrer und Klassenkameraden, erster Liebeskummer – alles soweit im Rahmen. Bis eines Tages ein neuer Mitschüler – Ben – in die Klassen kommt. Der sieht smart aus, hat coole Klamotten und geht Marie nicht mehr aus dem Kopf und nicht aus dem Herzen.
Er scheint durchaus auch Interesse an Marie zu haben, aber irgendwie ist er manchmal seltsam. Und bis zu einem Treffen mit Marie außerhalb der Schule braucht er recht lange.

In der Klasse passieren nun auch ziemlich merkwürdige und unangenehme Sachen, Fake-Fotos tauchen auf, private Geheimnisse werden veröffentlicht, die Stimmung wird richtig schlecht, keiner traut mehr seinem Klassenkameraden, selbst die Lehrerschaft wird in üble Machenschaften verwickelt. Kann da irgendjemand geheime Gedanken lesen? Oder mithören, was vertraulich und unbedacht erzählt wird?
Und so weit hergeholt ist das auch in der Wirklichkeit nicht: Smart-TVs, die mithören, Puppen, die Kinder ausspionieren, Alexas und Google homes, die alles über das Leben ihrer menschlichen Mitbewohner wissen, das gibt es alles längst und noch viel mehr, was wir vermutlich gar nicht mitbekommen.

Und die Geräte geben ihre Erkenntnisse und ihr Wissen auftragsgemäß an andere weiter. Das läuft dann unter dem schönen Begriff smart home und am besten noch smart living. Natürlich macht vieles davon das Leben bequemer, aber wieviel Privatsphäre und Selbstbestimmtheit gibt man damit auf und ist es das wert?
Ich habe mich schon vor diesem Buch dafür entschieden, das „smart“-Level in meinem Leben möglichst niedrig zu halten – soweit dies überhaupt machbar ist - und nach diesem Buch bin ich noch mehr davon überzeugt, dass dies für mich richtig ist.

Ein Jugendbuch absolut auch für Erwachsene, wirklich spannend und auch hintergründig, dafür von mir 4 Sterne.

Bewertung vom 05.02.2019
Allee unserer Träume
Gerold, Ulrike;Hänel, Wolfram

Allee unserer Träume


ausgezeichnet

Berührende Nachkriegsgeschichte

Bei diesem Buch gibt es für mich eine Menge persönliche und berufliche Anknüpfungspunkte, von daher war ich sehr auf das Buch gespannt und bin nicht enttäuscht worden.

Die kleine Ilse lebt in Mühlhausen in Thüringen und ist schon als Kind vom Bauen fasziniert, dies wird erst vom Vater und später auch von der Mutter gefördert. Dann bricht der 2. Weltkrieg herein, Ilse ist Anfang 20 und danach ist die vertraute Welt komplett zerstört, die Eltern schwer krank, die Schwester in Russland und Ilse muss als Witwe eines Nazis in den Westen gehen. Bei dem Versuch, zu ihrer Familie zu gelangen, wird sie an der innerdeutschen Grenze aufgegriffen und kann sich nur dadurch retten, dass sie sich als ihre Schwester Marga ausgibt. Und diese Identität muss sie dann langfristig beibehalten, muss sich auf Helmut, den Mann ihrer verstorbenen Schwester einlassen, um die Geschichte glaubhaft wirken zu lassen.

Mit Helmut arbeitet sie dann in Berlin an der Neugestaltung der großen Ost-Magistrale, der Stalinallee, heute Karl-Marx-Allee. Das Verhältnis zu ihrem „Mann“ ist nicht einfach und ebenso nicht ihre Arbeit. Sie kämpft nicht nur gegen die Überheblichkeit ihrer männlichen Architektenkollegen, sondern genauso gegen Materialmangel auf der Baustelle, absurde Forderungen der Parteileitung und den Frust der Bauarbeiter, die mit unzureichenden Hilfsmitteln immer schneller immer mehr Leistung bringen sollen.
Dies gipfelt dann in den Aufständen im Jahr 1951 und danach muss Ilse eine schwere persönliche wie berufliche Entscheidung treffen.

Die Geschichte ist gut erzählt, ohne große Schnörkel und Füllsel und viele Sachen sind bekannt, andere erscheinen durch dieses Buch in einem ganz anderen Licht. Man fühlt mit Ilse Stolz, wie sich die durchaus prachtvollen Gebäude entwickeln und ist später ebenso mit ihr enttäuscht, wenn sich ihre Ideen und Vorstellungen in der Praxis so ganz anders gestaltet haben.

Von daher für mich ein klares Lesevergnügen und damit auch 5 Sterne.

Bewertung vom 04.12.2018
Der Apfelbaum
Berkel, Christian

Der Apfelbaum


gut

Lange zwiespältige Familiengeschichte

Christian Berkel, den ich bislang nur als Schauspieler kannte, hat in diesem Buch seine durchaus verzwickte Familiengeschichte beschrieben. Seine Eltern stammen aus ganz unterschiedlichen Milieus, sein Vater aus einer sehr armen Berliner Prekariats-Familie, in der Hunger, Gewalt und Misshandlungen selbstverständlich waren. Otto muss schon sehr früh lernen, dass er nur mit ebensolcher rohen Gewalt und darüber hinaus auch mit einer guten Portion Schläue überleben kann.

Berkels Mutter Sala hingegen kommt aus einer eher gutgestellten Intellektuellen-Schicht mit einem Hang zum Exzentrischen. Die Mutter, eine Jüdin, hat die kleine Familie und das Land für einen sehr viel jüngeren Mann verlassen, der Vater ist bisexuell und lebt dies auch offen vor seiner Tochter aus. Und dann treffen diese beiden so unterschiedlich sozialisierten jungen Menschen aufeinander und erleben zusammen die erste große Liebe. Und so könnte alles sehr schön sein, wenn das alles sich nicht gerade in der Nazizeit abspielen würde. Sala muss Deutschland und Otto verlassen, der 2. Weltkrieg beginnt und so treffen sich die beiden nur alle jahrelang einmal, verlieben sich in andere Menschen und trennen sich von diesen, finden, verlieren, verletzen und enttäuschen sich immer wieder.

Dazwischen springt der Autor zwischen den Zeiten, schreibt über seine eigene Kindheit, sein Verhältnis zur Mutter in der Kindheit und in der Gegenwart, spürt auch seinen polnisch-jüdischen Urgroßeltern nach und spannt einen ganz großen Bogen
.
Trotzdem ich historische Familienromane liebe, hat mich dieses Buch nicht so richtig gepackt, ganz untypisch hatte ich nicht den richtigen Drang, immer weiter und weiter lesen zu wollen. Ich empfand seine Mutter Sala als sehr selbstmitleidig und ständig unzufrieden, sicherlich auch aus ihrer Lebensgeschichte heraus bedingt, aber mir nicht unbedingt sympathisch. Auch der Vater Otto bleibt mir relativ blass, und trotz der ganzen widrigen Umstände und der schwierigen Zeiten, in der die Personen lebten und überlebten, kann ich nicht so richtig Gefühl für diese Geschichte entwickeln, so dass ich bei diesem Buch nur auf 3 Sterne komme.

Bewertung vom 30.10.2018
Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste
Schwenke, Philipp

Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste


sehr gut

Betrüger? Lügner? Träumer?

Natürlich sind mir die May’schen Figuren Old Shatterhand, Winnetou und Kara ben Nemsi geläufig und natürlich habe ich die Winnetou-Filme gesehen und dabei auch herzlich geheult.
Über den Autor wusste ich bislang nicht viel mehr, als dass er in Sachsen gelebt und in Radebeul in einer schönen exotisch hergerichteten Villa gewohnt hatte. Und dass er wohl auch ein durchaus begabter Aufschneider war, der seinen Mitmenschen das Blaue vom Himmel sehr überzeugend vorlügen konnte und sich damit nicht unerheblichen Ärger eingehandelt hatte. Aber was das für ein Mensch ist, der so viel Phantasie und Einfallsreichtum für unzählige Romane und ganz unterschiedliche Buch-Gestalten entwickeln konnte, dafür habe ich mich nicht wirklich interessiert.

Der Autor Phillip Schwenke bringt mir nun die Person Karl May sehr nahe, er beginnt mit der absolut ärmlichen Kindheit, der Karl durch ein Lehrerstudium entkommen kann, allerdings schafft Karl es immer wieder, sich durch kurzsichtige Aktionen richtig in tiefste Scheiße zu reiten und alles mühsam Erreichte zunichte zu machen. Und das zieht sich nun wirklich durch sein gesamtes Leben.

Schwenke springt dabei immer zwischen unterschiedlichen Zeiten, einmal begleitet er Karl auf seiner ersten Reise in den Orient, als dieser auf der Suche nach den Orten, Menschen und der Atmosphäre seiner Romane ist und feststellen muss, dass in Wirklichkeit weder der Orient noch er selbst den Schilderungen seiner Bücher entspricht und zum anderen begleitet er Karls Leben nach seiner Rückkehr nach Deutschland, als sich doch langsam die Erkenntnis verbreitet, dass Karl May weder 800 Sprachen spricht noch 15.000 Apachen befehligt und somit ein großer „Shitstorm“ beginnt.

Was für Karl May nun selbst Wahrheit, Fiktion oder vielleicht doch eine sehr schöpferische Schizophrenie ist, bleibt dabei offen und auch der Meinung des Lesers dabei selbst überlassen.