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MarionHH
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Schenefeld

Bewertungen

Insgesamt 120 Bewertungen
Bewertung vom 08.02.2021
Der andere Sohn / Karlstad-Krimi Bd.1 (eBook, ePUB)
Mohlin, Peter; Nyström, Peter

Der andere Sohn / Karlstad-Krimi Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Nach einem missglückten Undercover-Einsatz liegt FBI-Agent John schwerverletzt im Krankenhaus neben seinem vermeintlichen Henker, der sich als ein ebenfalls geheim eingeschleuster Agent entpuppt. Beide sollen gegen den durch sie aufgeflogenen Drogenring aussagen und danach ins Zeugenschutzprogramm. John erwirkt, dass er mit neuer Identität in seine Heimatstadt Karlstad in Schweden versetzt wird, die er als 12jähriger mit seinem Vater verlassen hat. Seitdem hat er seine Mutter und seinen Halbbruder, die noch immer dort leben, nicht mehr gesehen. Er hat sehr private Gründe dorthin zurückzukehren: Der alte Fall eines verschwundenen Mädchens aus der Oberschicht der Stadt wird neu aufgerollt, und sein Bruder, der schon damals verdächtigt wurde, wird erneut verhört. Indem John in seine alte Heimat zurückkehrt, begibt er sich in große Gefahr und lebt in ständiger Angst, dass seine Identität von weitaus gefährlicheren Gegnern als seinen Kollegen aufgedeckt wird…

Superspannender, mitunter etwas reißerischer Thriller, der unter die Haut geht und einen nicht mehr loslässt. Der Schreibstil ist extrem eingängig und die Geschichte einfach dermaßen fesselnd, dass man kaum aufhören kann zu lesen. Die Autoren folgen dabei einer soliden und bewährten Vorgehensweise des Genres. In vier größeren Teilen, unterteilt in einzelne Kapitel, und aus zwei verschiedenen Perspektiven erzählt, entspinnt sich ein komplexer Kriminalfall mit überraschenden Wendungen. Der Fokus hierbei liegt klar bei Ex-FBI-Agent und Neu-Polizist John, der eine durchaus zwiespältige Persönlichkeit hat. Aber auch Heimer, der Vater des Mädchens, verhilft dem Leser zu tiefen Einblicken in das Leben und die letzten Stunden der verschwundenen Emelie und vor allem in das kaputte Konstrukt seiner Ehe. Beide Figuren umkreisen einander und ihre Perspektiven verknüpfen sich aufs Hervorragendste zu einem großen Ganzen.
Johns erster Undercover-Einsatz verläuft alles andere als rund und er trägt ein schweres Trauma davon, dass ihn mehr als einmal bei seinen Ermittlungen in Schweden behindert und in Lebensgefahr bringt. Einerseits erweist er sich als intelligenter, vorausschauender und effizienter Ermittler, der die Wahrheit ans Licht bringen will, andererseits jedoch kann er seine persönliche Betroffenheit nicht ausknipsen. Er ist keineswegs der sympathische Superbulle, sondern kämpft mit den Dämonen seiner Vergangenheit, tut sich schwer mit den Gepflogenheiten seiner alten Heimat, hält nichts von Teamgeist und bringt sich und andere durch seine Alleingänge und unorthodoxen Methoden in Gefahr. Auch die anderen Charaktere sind hervorragend herausgearbeitet und erweisen sich als komplizierte Persönlichkeiten mit Geheimnissen, die nur sehr schleppend ans Licht kommen. Mir hat sehr gut gefallen, dass es nicht nur vom Kriminalfall her spannend war, sondern dass auch der psychologische Aspekt, wie zum Beispiel die Zerrissenheit, die Motive, das Zwischenmenschliche, eine große Rolle spielten. Die Entscheidungen und daraus resultierenden Handlungen aller Agierenden sind immer sehr gut nachvollziehbar und authentisch und geben nach und nach das Bild darauf frei, was Emelie für ein Mensch war, wie sie lebte und was mit ihr geschah.

Fazit: Durch und durch gelungener Auftakt einer neuen Krimireihe mit interessamten Figuren und Plot, der von der ersten Zeile an fesselt, einen bis zum komplexen Finale in Atem hält und mit dem offen gehaltenen Ende Lust auf Mehr macht. Allen Fans des Genres wärmstens empfohlen, aber auch Einsteigern, die keine Angst vor verwesten Leichen und menschliche Abgründe haben!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.01.2021
Die Kannenbäckerin (eBook, ePUB)
Spratte, Annette

Die Kannenbäckerin (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Westerwald, im 17. Jahrhundert: Die junge Johanna verliert in den Wirren des dreißigjährigen Krieges alles, ihre Familie und ihr Zuhause. In einer Nacht und Nebel-Aktion schickt ihre Nachbarin sie als Junge verkleidet zu einem unbekannten Onkel, der in Hilgert, im Kannenbäckerland, leben soll. Entgegen aller Widrigkeiten schlägt sich Johanna, nunmehr als Johann, durch und Onkel und Tante nehmen sie auf. Sie darf sogar das Töpfereihandwerk erlernen und zur Schule gehen und erweist sich als gelehrige und fleißige Schülerin. Es ist jedoch nur eine Frage der Zeit, bis ihre Täuschung auffliegt…

Farbenprächtiger und spannender historischer Roman mit einer starken Hauptfigur und authentischen Charakteren. Der Roman hat alles, was man als Liebhaber des Genres braucht und überzeugt mit seinen Beschreibungen der Lebensumstände der Menschen im historischen Kontext, ihr Kämpfen ums Überleben, aber auch ihren Zusammenhalt. Dabei geht es weniger um detaillierte politische Hintergründe oder historische Persönlichkeiten und Ereignisse als vielmehr um das Leben und Lieben des „einfachen Volkes“, um dessen Gottesfurcht, um das Aufblühen des Töpferhandwerks und dessen gut recherchierte Prozesse sowie natürlich das Erwachsenwerden der Hauptfigur Johanna. Mit ihr ist der Autorin ein wahrhaft meisterlicher Charakter gelungen, die, wie die Autorin selbst, ihrer Heimat, dem Westerwald, der Natur und dem Glauben sehr verbunden ist, das merkt man beinahe auf jeder Seite. Mir persönlich war es manchmal zu viel der Gottesfurcht, andererseits passt es zu der Zeit und zu Johanna, die hier eine deutliche Entwicklung durchmacht und erst noch (oder wieder) zu ihrem Glauben finden muss. Alle Figuren sind durchweg sehr gut herausgearbeitete Charaktere, die fest in ihrer Zeit verhaftet sind, sie nehmen die Ordnung und die Schicksalsschläge als Gott gegeben hin, schmieden aber gleichzeitig stetig an ihrem Glück. Die Autorin beschreibt in sehr bildhafter Sprache und mit großer Sympathie für ihre Charaktere das wahre Leben, sie verschont sie nicht vor dem Schrecken des Krieges, vor dem Hunger und den Seuchen, den Plünderungen und Vergewaltigungen der feindlichen Soldaten. Auch Hexenprozesse finden ihren Platz.

Der Fokus der Handlung liegt klar bei Johanna und deren Leben ab ihrem 14. Lebensjahr, auf sie konzentriert sich die chronologisch erzählte Geschichte, aus ihrer Sicht wird erzählt. Andere Perspektiven gibt es nicht. Johanna ist eine eigenwillige Persönlichkeit, eine zähe und hartnäckige Person, die ihre Stärke jedoch erst mit den sie ereilenden Schicksalsschlägen entdeckt und die sich, bestärkt von ihrem Onkel, zu einer herausragenden Kannenbäckerin entwickelt. Die Geschichte greift hier zusätzlich und in großem Maße den Aspekt der Geschlechterrollen auf. Johanna kann sich als Junge besser durchschlagen, sie kann nur als Junge ein Handwerk erlernen und einer Zunft beitreten. Sie braucht den Leumund eines Mannes beim Prozess und ist nur als Ehefrau respektabel und finanziell abgesichert. Wirtschaftliche Unabhängigkeit ist nahezu unmöglich, und dass Johanna das schafft, respektiert wird und einen Mann findet, der sie und ihre Unabhängigkeit fördert, grenzt an ein Wunder und freut mich als Leser, der mit Johanna von der ersten Zeile an mitgelebt hat.

Fazit: Sehr schöner und fesselnder Roman vor dem Hintergrund des dreißigjährigen Krieges, der das Erwachsenwerden und die Selbstfindung der Waise Johanna und ihre Liebe zum Töpferhandwerk beschreibt. Wer etwas über politische Hintergründe lernen will, sollte ein anderes Buch lesen; wer jedoch dem Kreislauf und dem Leben der einfachen Menschen folgen will, starke Frauen und dramatische Entwicklungen mag, der wird dieses Buch lieben! Eine gewisse Affinität zu Religion und Handwerk ist von Vorteil, aber nicht zwingend erforderlich. Eine hervorragende Lektüre zum Abtauchen in fremde Welten und alles in allem sehr gute Unterhaltung.

Bewertung vom 11.12.2020
Kissing Chloe Brown / Brown Sisters Bd.1
Hibbert, Talia

Kissing Chloe Brown / Brown Sisters Bd.1


ausgezeichnet

Chloe Brown ist Anfang dreißig, leidet unter Fibromyalgie und manchmal auch unter ihrer überfürsorglichen und mitunter sehr klammernden Familie. Als sie fast von einem Auto überfahren wird, beschließt sie ihr Leben zu ändern und unabhängiger zu werden. Dafür erstellt sie eine ihrer geliebten Listen. Erster Punkt: von zu Hause ausziehen, abgehakt. Die anderen Punkte abzuarbeiten gestaltet sich ungleich schwieriger. Vielleicht könnte ihr hierbei der Hausmeister Redford Morgan helfen, der Chloe zwar nicht leiden kann, aber ein Ausbund an Lebensfreude, Vitalität und Selbstbewusstsein ist…

Haaaaaaach ein wundervolles Buch zum Dahinschmelzen, mit supersympathischen, sehr liebenswerten und doch auch vielschichtigen Charakteren und einem sehr humorvollen und eingängigen Schreibstil. Es passiert nicht die große Action, es ist ein Liebesroman, bei dem es auch durchaus deftig und mit eindeutigen Worten zur Sache geht, bei dem es aber auch im zwei Menschen geht, die viel Schmerz und Enttäuschungen überwinden müssen, um zueinander zu finden. Wie sich Chloe und Red erst umkreisen und dann langsam aneinander annähern, ist einfach sehr süß und wunderbar beschrieben. Der Leser gewinnt dabei tiefe Einblicke in die Gedankenwelt und das Seelenleben der beiden Hauptfiguren, auf die sich natürlich das Geschehen stark konzentriert. Interessant und romantisch fand ich hierbei besonders die unterschiedliche Wahrnehmung der beiden von sich und auch vom anderen, was es für sie sehr viel schwieriger macht, sich aufeinander einzulassen. Beide sind zutiefst verletzliche und verletzte Menschen, denen es aufgrund ihrer Erlebnisse in der Vergangenheit schwerfällt, sich anderen zu öffnen und das Risiko einer neuen Beziehung einzugehen und damit wieder verletzt und verlassen zu werden. Die Autorin beschreibt sehr einfühlsam das behutsame Abtasten der beiden, sie findet aber durchaus auch eindeutige Worte für die sexuelle Anziehung und das intime Zusammensein. In dem Zusammenhang wäre für mich allerdings weniger mehr gewesen und auf so ein bis zwei deftige Szenen hätte ich verzichten können. Nicht aus Prüderie, sondern weil mein romantisches, Stolz-und-Vorurteil-belastetes Herz einfach dahinschmilzt, wenn sich zwei aus der Ferne anbeten und nach Irrungen und Wirrungen dann endlich zueinander finden.
Das tat dem Lesevergnügen aber keinen Abbruch, das Buch ist ein echter Pageturner, liest sich sehr gut und man lebt sehr intensiv mit sowohl Chloe als auch Red mit. Diese beiden sind als Hauptfiguren äußerst gut herausgearbeitet, dennoch werden auch die Nebenfiguren so feinsinnig beschrieben, dass man große Lust bekommt, mehr über sie zu erfahren, z.B. Großmutter Gigi, die ein Unikum ist und die viel Lebensweisheit an die oftmals sehr ängstliche Chloe weitergibt.

Fazit: Ein wundervoller Liebesroman, der Lust macht, die Menschen näher kennen zu lernen und mehr von ihnen zu erfahren. Für Liebhaber romantischer Komödien, aber auch für solche erotischer Szenen bestens geeignet. Mit hat das Buch sehr gut gefallen, und da es als Trilogie angelegt ist, freue ich mich schon, wenn Chloes Schwestern ebenfalls ihr Liebesglück suchen werden.

Bewertung vom 20.10.2020
Das letzte Licht des Tages
Harmel, Kristin

Das letzte Licht des Tages


ausgezeichnet

Nach ihrer Scheidung wird Liv von ihrer fast hundertjährigen französischen Großmutter Edith nach Paris verschleppt, zunächst angeblich um Liv von ihrem Trübsalblasen abzulenken. Kaum angekommen geht es weiter nach Reims, wo Edith geheimnisvollen Geschäften nachgeht und den Ort eindeutig besser kennt als sie vorgibt. Da Edith verschlossen wie eine Auster ist und sich zudem heftig zu quälen scheint, versucht Liv mit Hilfe der Anwaltskanzlei Cohn - in Person des jungen Julien Cohn - hinter das Geheimnis zu kommen. Was verbirgt Edith, und was hat es mit dem Weingut Chauveau auf sich, zu dem Edith eine enge Verbindung zu haben scheint?

Schlichtweg großartiger, ungemein fesselnder Roman, der auf zwei Zeitebenen die dramatische und erschütternde Familiengeschichte des Weinguts Chauveaus in der Champagne zu Zeiten des zweiten Weltkrieges erzählt. Die zwei Zeitebenen spielen sich zunächst vermeintlich unabhängig voneinander ab, auf der einen Livs Reise mit ihrer wundervollen Großmutter, auf der anderen die Geschehnisse auf dem Gut Chauveau. Die Verwicklungen der vier Menschen auf dem Weingut – Michel und seine Frau Inés sowie Michels Kellermeister Théo und dessen Frau Céline – werden wiederum aus verschiedenen Perspektiven erzählt, so dass der Leser tiefe Einblicke in deren Gefühlswelt erhält. Je mehr die Geschichte voranschreitet, desto mehr verknüpfen sich beide Ebenen und umso mehr werden die Motive aller Protagonisten offenbar. Die Autorin entwirft das Leben auf dem Weingut, die Situation der Menschen unter der Nazi-Herrschaft und ihr Kampf ums Überleben bildhaft und überzeugend und verliert dabei niemals die wahren Gefühle und Motive aus den Augen. Es ist die Geschichte einer Familientragödie, eines unbeabsichtigten Verrats mit tödlichen Folgen, aber auch eine von Wiedergutmachung, von Hoffnung und nicht zuletzt von unerschütterlicher Liebe. Diese Kombination, eine spannende, vor ihrem historischen Hintergrund interessante Geschichte, die hervorragend beschriebenen Charaktere und der ungemein flüssige Schreibstil machen das Buch zu einem echten Pageturner.

Die Autorin versteht es meisterhaft, große Gefühle und Leidenschaften zu vermitteln, ohne kitschig zu werden, ihre Charaktere sind durchweg vielschichtig und durch ihre Handlungen und Emotionen zutiefst menschlich. Auch gibt es keine klare Unterscheidung von gut und böse, richtig oder falsch, die Menschen machen Fehler, handeln oft impulsiv, aus Egoismus, verletzter Eitelkeit, aber auch aus Liebe. Das beste Beispiel hierfür ist Inés, für mich sowohl tragende als auch tragische Figur. Sie bringt durch ihre Entscheidungen Dinge ins Rollen, sie polarisiert, sie hat für mich den zwiespältigsten Charakter und macht die deutlichste Entwicklung durch. Manchmal will man sie schütteln, dann wieder beschützend in den Arm nehmen, und mitunter rührt sie einen zu Tränen, wie überhaupt beim Lesen verschiedenste Emotionen freigesetzt werden. Neben ihr haben die anderen teilweise Mühe nicht zu verblassen, auch wenn sie durchaus ebenfalls intensive Persönlichkeiten haben. Inés' Wesen lässt viel Raum für Interpretationen und was-wäre-wenn-Fragen zu, ich für meinen Teil fand ihre Handlungen und Motive zwar oft sehr impulsiv, aber immer nachvollziehbar und ihr Versuch der Wiedergutmachung aller Ehren wert. Im Übrigen finde ich den Klapptentext ein wenig irreführend, denn nicht Liv recherchiert, sie wird vielmehr von ihrer Großmutter mitgerissen und erfährt eher auf Umwegen die ganze Wahrheit. Sie ist also eher passiv, während Inés aktiv agiert.

Fazit: Ein großartiges, ein emotionales Buch, dessen Geschichte einen nicht los lässt und nachhallt. Ein rundum gelungenes Gesamtpaket, das mich animiert hat, mir sofort weitere Bücher der für mich unbekannten Autorin zu besorgen. Auch wenn man die Zusammenhänge schon ein wenig ahnt, ist es einfach pures Lesevergnügen, und sehr gut fand ich auch die weitreichenden Bezüge zur Gegenwart. Für alle Fans des Familien-, Liebes- und geschichtlichen Romans

Bewertung vom 02.10.2020
Rache, auf ewig / Grall und Wyler Bd.3
Schütz, Lars

Rache, auf ewig / Grall und Wyler Bd.3


ausgezeichnet

Nach ihrer Suspendierung vom LKA haben Jan Grall und Rabea Wyler sich mit einer Agentur für Fallanalyse selbständig gemacht. Da weder die Agentur noch ihrer beider Leben so richtig rund laufen, nimmt Rabea irgendwann einen DHL-Shop mit auf, damit Geld hereinkommt. Gerade als Jan wieder mit seiner Geliebten Anita, einer BKA-Beamtin, anbandelt, muss diese nach Sylt, wo die grausam zu Tode gekommene Leiche eines Großindustriellen gefunden wurde. Als Anita entführt und Jan vom BKA hinzugezogen wird, stecken Rabea und er plötzlich mitten in einem neuen Fall, der noch viele weitere Schrecken für die beiden bereithält und bei dem der Täter ihnen immer einen Schritt voraus ist...
Sehr spannender und auch sehr blutiger Thriller um die beiden Fallanalytiker Grall und Wyler, der kaum Zeit zum Durchatmen lässt. Der Prolog beginnt schon mit einem Paukenschlag und zeigt, wes Geistes Kind der Täter ist, auch wenn das Geschehen um Grall und Wyler anfangs eher gemächlich in Gang kommt und die beiden erst später in den Fall eingebunden werden. Natürlich erhält das Ganze eine sehr persönliche Note durch das emotionale Verhältnis Gralls zur Ermittlerin, aber auch und vor allem durch die hervorragenden Beschreibungen aus der Perspektive des Täters und seiner Motive. Der Autor versteht es sehr gut, tiefe Einblicke in die verschiedenen, teilweise sehr gestörten Psychen seiner Protagonisten zu geben und spart auch nicht an zahlreichen Details zu Folter-und Tötungsmethoden. Er erweckt einen Serienkiller zum Leben, der einem Angst einjagt. Seine Figuren sind dabei aber bei Weitem nicht einseitig oder simpel gestrickt, sondern vielschichtig konstruiert, und ihre Handlungen und Motive sehr gut nachvollziehbar.
Für mich war von allen Figuren Jan Grall der interessanteste Charakter. Durch seine Hypersensibilität kann er Vieles erspüren, was anderen verborgen bleibt, und er kann sich einfach unglaublich gut in andere Menschen und vor allem in Täter hineinversetzen. Mit seinen Vermutungen und Analysen liegt er immer richtig und er lässt nicht eher locker, bis er jedes Detail hervorgekramt und geprüft hat. Sein berufliches Fach finde ich per se schon spannend, seine Vorgehensweise jedoch ist, wenn auch oft unorthodox, geradezu unheimlich effektiv. Rabea fällt zunächst einmal durch unkontrollierte Aggressionen auf, sie ist schwer traumatisiert aus den vorgerigen Fällen hervorgegangen und in meinen Augen nicht mehr fähig, diesen Beruf auszuüben. Durch ihre Unbedachtheit kommen außerdem beide in Lebensgefahr, was freilich auch der Intelligenz des Täters geschuldet ist. Dennoch trägt auch sie mit Hartnäcktigkeit und Mut zur Lösung des Falles bei und ist durchaus eine Sympathieträgerin. Außerdem ist der Charakter des Täter sehr gut dargestellt, seine Motivation und seine akribische und methodische Vorbereitung zeugen von großer Intelligenz, was man fast schon bewundern muss. Die ganze Zeit über ist er den Ermittlern mehr als einen Schritt voraus, und es ist allein Jan Gralls analytischen Fähigkeiten geschuldet, dass es schließlich zum großen Showdown kommt, bei dem Täter, Opfer und Ermittler aufeinandertreffen.
Fazit: Sehr blutiger und spannender Thriller und dritter Fall für Grall und Wales, der nichts für Zartbesaitete ist. Die Geschichte verweist oft auf die vorherigen Fälle der beiden, diese spielen vor allem bei der traumatisierten Wyler eine große Rolle und erklären ihre Handlungen. Doch auch wenn man die Vorgängerbände nicht kennt, lässt sich diese Geschichte sehr gut herunterlesen, was vor allem an dem packenden Erzähstil und den Ermittlungsmethoden der Fallanalytiker liegt. Ein Pageteurner und für Thriller-Fans ein absolutes Muss!

Bewertung vom 17.09.2020
Das Erbe der Päpstin
Glaesener, Helga

Das Erbe der Päpstin


ausgezeichnet

Ein schlichtweg großartiger, überwältigender Roman über eine junge Frau, die auf ihrem gefahrvollen Weg durch das frühmittelalterliche Europa guten wie schlechten Menschen begegnet, tiefe Freundschaft und alles verzehrenden Hass erfährt, die tötet und heilt, die klug und mutig allen Gefahren und ihrem Schicksal trotzt und dabei die Liebe findet. Dabei trifft Freya auch die Päpstin Johanna, wie sie selbst als Mann verkleidet, um dadurch Wissen zu erwerben und Wege zu gehen, die ihr als Frau verwehrt bleiben. Johanna inspiriert und fördert ihre Leidenschaft für Bücher und vor allem für medizinisches Wissen, das Freya klug und effizient zu nutzen weiß. Trotz aller Gemeinsamkeiten und Parallelen zu Johannas Lebensweg ist Freya doch eine sehr eigenständige Protagonistin, und die Autorin versteht es meisterhaft, aus ihr einen starken, vielfältigen Charakter zu formen, der alles für die Ihren tut, oft mit sich hadert und auch das eine oder andere Mal die falsche Entscheidung trifft. Darüber hinaus zeichnet sie mit bildhafter Sprache ein farbenprächtiges, sehr anschauliches und authentisch anmutendes Bild des frühen Mittelalters – einer Welt, in der Frauen per se dem Manne untertan sein und ihm gehorchen sollen – bestens verkörpert von Freya Schwester Asta. Freya als weibliche Sklavin steht da zunächst am untersten Ende der Skala. Wie sie sich herauskämpft, wie sie widrigen Umständen immer wieder entflieht und Ungerechtigkeiten einfach nicht hinnimmt, ist einfach wahnsinnig spannend und fesselnd.

Formal eingerahmt in einen Prolog und einen Epilog, die jeweils einen größeren Zeitsprung überbrücken, spielt sich die Geschichte ansonsten hauptsächlich während den Jahren 854 bis 867 ab. Aus verschiedenen Perspektiven, wobei Freya jedoch den größten Anteil hat, erzählt die Autorin von den Geschehnissen und beleuchtet nebenbei das politische Geschehen und die Machtverhältnisse jener Zeit. Für eine junge Frau kommt Freya bemerkenswert weit herum und trifft interessante Zeitgenossen. Sie gerät auch häufig in Lebensgefahr, und oft ist es Zufall und ihr Instinkt, der ihr und anderen das Leben retten. Dabei legt die Autorin nicht nur viel Wert auf realistische Beschreibungen der Lebensumstände der Menschen, was zum Beispiel medizinische Behandlungen, Geburten oder auch der Alltag in Dörfern und Städten und die Wikingerüberfälle angeht, sondern auch auf die Gestaltung der anderen Figuren, deren Persönlichkeiten hervorragend herausgearbeitet sind. Ich habe besonders mit Kasimir und auch einigen anderen mitgelebt und musste mich leidvoll von einigen verabschieden. Am meisten jedoch fiebert man mit den Hauptfiguren Freya und später dann auch Aristid mit, und der Fokus der Geschichte liegt dabei ganz klar auf ihr. In diesem Buch passiert einfach immer irgendetwas, lange Zeit der Besinnung ist Freya nicht beschieden, und mehrere überraschende Wendungen führen zu sehr unvorhergesehenen Ereignissen. Wie gut, dass alles doch ein versöhnliches Ende nimmt!

Fazit: ein hervorragend recherchierter, von der Päpstin Johanna inspirierter und inspirierender Roman über eine junge Frau in einer von Gewalt, aber auch von Wissensurst und Aufbruchstimmung geprägten Welt. Das Buch kommt im Übrigen sehr gut gebunden und mit einem sehr schönen Umschlag daher, kleiner Wermutstropfen waren einige Schwächen beim Lektorat – ohne diese wäre es perfekt gewesen. Das tut aber natürlich dem Lesevergnügen keinerlei Abbruch, die Geschichte um Freya ist ein echter Pageturner und für alle Fans des opulenten historischen Romans schlichtweg ein Muss!

Bewertung vom 31.08.2020
Der falsche Preuße / Offizier Gryszinski Bd.1
Seeburg, Uta

Der falsche Preuße / Offizier Gryszinski Bd.1


ausgezeichnet

Eine wunderbare, in herrlich schnörkeliger, antiquierter Sprache verfasste Geschichte und ein komplexer Fall! Obwohl der Schreibstil durchaus gehoben ist und sich aufgrund der teilweisen ungewöhnlichen Ausdrücke und Formulierungen nicht locker-flockig herunterlesen lässt, gewöhnt man sich schnell daran und taucht umso tiefer ein in einen ungewöhnlichen Fall mit faszinierenden Figuren und einem Ermittler, den es meines Erachtens so noch nicht gegeben hat. Die ganze Geschichte steckt voller merkwürdiger Dinge, Erfindungen und wundersamer Überraschungen, teilweise skurriler Charaktere und bemerkenswerter Innovationen. Der historische Hintergrund sowie die vielschichtig gezeichneten Figuren machen die Geschichte zu etwas sehr Besonderem, und die Autorin versteht es meisterhaft, diese Zeit aufleben zu lassen und Situationen, Menschen und Hintergründe authentisch und liebenswert darzustellen.
Mit dem Preußen in Bayern, Wilhelm von Gryszinski, prallen zwei Welten aufeinander, die sich in unterschiedlichen Szenen und Dialogen und nicht zuletzt in seiner Person manifestieren. Auf der einen Seite das Preußentum, geprägt von Zurückhaltung, Askese, Pünktlichkeit, Fleiß, militärischem Gehorsam und absoluter Loyalität, auf der anderen Seite die bayrische Gemütlichkeit, die Spezlwirtschaft, die Brauhausmentalität, das gute Essen. Niemand vereint all diese Eigenschaften besser als Hauptmann und Kommandant Gryszinski beziehungsweise weiß, wie sich das Beste aus beiden Welten herauszuholen lässt. Und dennoch gerät er mehrfach in Gewissenskonflikte, ist er doch sowohl in der Preußischen Tradition noch sehr verhaftet als auch der bayrischen Lebensart sehr zugeneigt. Er steht mehrfach vor der Entscheidung sich für eine Seite zu entscheiden, was ihm sichtlich schwerfällt. Zudem treibt ihn sein erster richtiger Mordfall mächtig um, anfangs wirkt er mitunter leicht überfordert, dann jedoch siegt sein (preußischer?) Stolz und Gerechtigkeitssinn, und trotz der bayrisch-preußischen Zwickmühle, in der er steckt, will er den Mord unbedingt aufklären. Sein Konflikt wird verstärkt durch den Hauptverdächtigen Eduard Lemke, ebenfalls von Geburt her Preuße, aber von sehr zweifelhafter Herkunft und zwielichtigem Charakter, und dem Auftrag des preußischen Gesandten, Lemke des Landesverrats zu überführen, was seiner Ansicht nach über dem eigentlichen Mordfall steht. Je tiefer Gryszinski in Lemkes skurrile Welt eindringt, umso mehr verschärft sich seine Zwickmühle. Bei der Aufklärung stehen ihm zum Glück seine eifrigen Mitarbeiter, der herrliche Urbayer Voglmaier mit seinen Spezln und Eberle mit seiner schwäbischen Verbissenheit zu Seite. Auch Amtsarzt Dr. Meyerlein trägt mit seinen Erfindungen und geradezu modernen Methoden sehr zu den Ermittlungen bei. Gryszinski scheut sich auch nicht, seine Haushälterin sowie seine beiden preußischen Freunde einzubinden und wird im Laufe des Falles mutiger und pfiffiger, verzichtet sogar zugunsten wichtiger Befragungen auf sein geliebtes deftiges Essen, reist in die eher ungeliebte Heimatstadt Berlin und erwehrt sich mehrerer Anschläge auf sein eigenes Leben. Man fiebert so sehr mit ihm mit, dass man eigene Überlegungen zum Fall fast vergisst.

Fazit: Herrlicher, gut konstruierter Kriminalfall aus dem alten München des 19. Jahrhunderts, mit liebenswerten Charakteren und einem Ermittler, der seines Gleichen sucht. Wer ist denn nun der „falsche Preuße“? Lemke, Gryszinski oder jemand ganz anderes? Dies ließ sich für mich nicht final klären, weist aber auf die beiden Welten hin, in denen sich die Hauptfiguren in dieser Geschichte bewegen. Die bildhaften Beschreibungen von historischem Umfeld und der Ermittlungsmethoden machen deutlich, in welch einer aufgeklärten Zeit der Innovationen Gryszinski ermittelt, wobei er zwischen Tradition und Moderne hin und her pendelt und doch nie seine Menschlichkeit und Empathie verliert. Ich wünsche mir, bald mehr von ihm zu lesen und kann es kaum erwarten, die lieb gewonnen Figuren wieder zu

Bewertung vom 24.08.2020
Helle und der falsche Prophet / Kommissarin Helle Jespers Bd.3
Arendt, Judith

Helle und der falsche Prophet / Kommissarin Helle Jespers Bd.3


sehr gut

Kriminalkommissarin Helle Jespers kann selbst im Urlaub im milden Südfrankreich nicht richtig abschalten. Als sie der Anruf ihres Kollegen erreicht, der eine Tote meldet, ist sie beinahe froh, dass etwas passiert, doch dann ist sie mehr als geschockt, denn die Tote ist Merle, eine alte Schulfreundin ihres Sohnes Leif. Angeblich hat sie Selbstmord begangen. Daran glaubt Helle keine Sekunde und startet deshalb zu ihren berüchtigten Alleingängen. Wo ist Merles Handy, und was hat sie mit einem jungen Pärchen in einem nicht gemeldeten, roten Pickup zu tun? Helles Vorgesetzte pfeifen sie zurück, doch dann wird in Kopenhagen in einer Jugendherberge ein junger Mann tot aufgefunden, und wieder ist das Pärchen involviert…

Dritter Fall für die eigenwillige Kommissarin Helle Jespers aus dem abgelegenen norddänischen Städtchen Skagen. Auch wenn man die Vorgänger-Bände der Kommissarin nicht kennt, kommt man sehr gut in die Geschichte hinein, was vor allem am sehr eingängigen und unprätentiösen Schreibstil der Autorin und ihrer hervorragenden Beschreibung der Charaktere liegt. Die Geschichte lebt meines Erachtens vor allem von der extrem menschlichen und sympathischen Hauptfigur und den generell sehr tiefgründig gezeichneten anderen Figuren. Es gibt eine zwar eine recht klare gut-böse-Aufteilung, dennoch sind die Persönlichkeiten der Figuren vielschichtig und die Autorin versteht es sehr gut, Emotionen zu beschreiben und den Leser diese miterleben zu lassen. Der Fall selbst ist nicht besonders komplex, Helle kommt oft durch Geistesblitze auf die Hintergründe und geht dann diesen nach. Sie hat einfach ein herausragendes Gespür für Menschen und handelt oft intuitiv. Es geht weniger darum, der schrittweisen Aufdeckung, sprich den Ermittlungen der Polizei, zu folgen, oder um ein Psychoduell als vielmehr darum, eine emotionale Verbundenheit mit den Protagonisten herzustellen. Der Leser gewinnt durch die verschiedenen Perspektiven der Leser tiefe Einblicke ins Geschehen und in die Gefühlswelt der Protagonisten und weiß immer mehr als die Kommissarin. Dennoch wird eine gewisse Spannungskurve gehalten, man fiebert vor allem mit den Figuren mit, die persönlich betroffen sind.

Formal ist die Geschichte in drei Teile eingeteilt, die die Geschichte ziemlich genau in drei gleiche Teile gliedert, deren Übergänge wichtige, für den Fortgang der Handlung einschneidende Ereignisse markieren. Die drei Hauptperspektiven Helle/Polizei, das Pärchen beziehungsweise Nick und Jemi sowie der Polizist Willem sind jede für sich spannend und der Leser weiß dadurch immer mehr als die Kommissarin, was ebenfalls einen Teil der Spannung ausmacht. Sehr gut sind die Zerrissenheit und die Zweifel der Personen dargestellt, die Grundstimmung ist zwar nicht düster, aber dennoch spürt man oftmals die Verzweiflung und den Kampf, den die Protagonisten ausfechten. Mir hat hier besonders Polizist Willem gefallen, der das Bindeglied zwischen beiden Welten darstellt und sich als äußerst mutig erweist. Bei ihm war man sich manchmal nicht sicher, wie er sich entscheiden wird, und es war spannend zu beobachten wie er sich behauptet. Mitunter hätte ich mir bei einigen anderen Figuren wie beispielswiese Jemi oder Hiob noch tiefere Einblicke gewünscht. Einiges an Motivationen und Hintergründen bleibt offen, und so bietet der Schluss zwar eine gute Auflösung, die Entwicklung der Figuren hätte aber meines Erachtens umfassender sein können.

Fazit: Gelungener dritter Band um die supersympathische Kommissarin mit den oftmals eigenwilligen Methoden. Für Fans natürlich ein Muss, doch auch Einsteiger können die Geschichte gut lesen. Wer einen komplexen Kriminalfall mit ausgeklügelten Ermittlungsmethoden erwartet, wird eher enttäuscht sein. Wer jedoch emotionale Verstrickungen und lebendige Charaktere mag, wird diesen Band verschlingen.

Bewertung vom 12.08.2020
Geburtstagskind / Ewert Grens ermittelt Bd.6
Roslund, Anders

Geburtstagskind / Ewert Grens ermittelt Bd.6


ausgezeichnet

Superspannender, packender Thriller, der von der ersten Zeile an fesselt und süchtig macht! Schonungslos kehrt der Autor das Innerste nach außen und verlangt seinen Protagonisten alles ab. Dabei bedient er sich einer rigorosen, manchmal sehr nüchternen Sprache, die dennoch viele mehr oder weniger versteckte Emotionen frei- und vor allem Abgründe offenlegt. Formal aufgeteilt in neun Teile, die hier wie Kapitel anmuten, wechselt er gekonnt die Perspektiven zwischen Grens und Hoffmann und Einschüben eines Ich-Erzählers sowie die verschiedenen Örtlichkeiten, bis sich die Fäden und losen Enden ineinander verweben wie ein sehr kompliziertes Strickmuster. Die Spannung wird zwar schon zu Beginn konstant aufgebaut, erfährt aber einen ungeheuren Kick mit dem Beginn des Countdowns von 72 Stunden - die Zeit, die ein Verdächtiger ohne Beweise festgehalten werden darf.
Der zunächst behäbig und verbittert wirkende, korpulente und alternde Grens ist eher ein Antiheld, dem man nicht unbedingt Großtaten zutraut. Er ist jedoch ein Mann voller Gegensätze und überraschenden Tiefgangs: Er lebt sehr in der Vergangenheit und ihm graut vor der Zukunft, er hat keine Familie und kaum Freunde, ist aber einigen wenigen Kindern und Menschen, die er im Rahmen seiner Laufbahn getroffen hat, sehr zugetan. Er wirkt brummig und einsiedlerhaft, riskiert aber für fremde Kinder sein Leben. Im Laufe der Ereignisse macht er außerdem eine Entwicklung durch, wird zum Wohltäter und durchbricht dadurch seine Einsamkeit. Wenn auch der alte Fall erneut traumatisierend ist, so wird er doch zu Ende gebracht.
Ebenso ist Piet Hoffmann ein Mann voller Überraschungen und einer, der schon mehr zum Helden taugt. Obgleich er manchmal undurchsichtig ist, mit illegalen Methoden arbeitet und ohne zu zögern Menschen tötet, steht sein Gerechtigkeitssinn und die Liebe zu seiner Familie immer im Vordergrund seines Handelns. Da sich auf diese beiden die Handlung konzentriert, sind ihre Persönlichkeiten am intensivsten, doch auch die anderen Figuren sind vielschichtig und führen oftmals zu sehr überraschenden Wendungen in der Geschichte.

Fans des Autors kennen die Hauptfiguren Grens und Hoffmann natürlich aus seiner Trilogie, die er zusammen mit dem Kollegen Börge Hellström verfasst hat. Und in der Tat hat der vorliegende Band einige Andeutungen und Verweise auf die Vergangenheit der beiden. Man hat als Leser, der die Trilogie nicht kennt (so wie ich), immer das Gefühl, dass die Verbindung der beiden tiefer geht und dass die Vergangenheit stark in die Geschichte mit hineinspielt. Das tut aber dem Lesevergnügen bei weitem keinen Abbruch, man kann diesen Band getrost ohne jegliche Vorkenntnisse lesen. Dass Anders Roslund schreiben kann, hat er sowieso hinlänglich bewiesen, stammen doch aus seiner Feder außerdem noch weitere Thriller, die er in Zusammenarbeit mit Stefan Thunberg verfasst hat.

Fazit: Ich bin sowieso ein schwerer Fan der skandinavischen Krimi- und Thrillerliteratur und der Autor muss sich auch als alleiniger Urheber nicht vor seinen Kollegen verstecken. Für mich ist der Thriller eine sehr gelungene Einzelleistung, die Lust auf Mehr macht, eine hochkomplexe, verworrene Geschichte, von der man natürlich weiß, dass alles irgendwie zusammenhängt, aber das Wie lange nicht durchschaut bis hin zu dem schockierenden, aber durchaus konsequenten Finale. Zwar nichts für Zartbesaitete, für Fans des Genres jedoch ein Muss, eine hochspannende Geschichte mit tiefgründigen Charakteren.

Bewertung vom 08.07.2020
Nur noch ein bisschen Glück
Ahrnstedt, Simona

Nur noch ein bisschen Glück


gut

Bei der Stockholmerin Stella läuft es gerade so gar nicht rund: Ihr Freund hat sie betrogen, sie verlässt ihn und verliert dadurch sowohl Wohnung als auch Job. Ihr einziges Ziel ist nun, ihr Erbe, ein Grundstück auf dem platten Land in Südschweden, zu verkaufen, um mit dem Geld ihren großen Traum zu verwirklichen: ein Modestudium in New York. Das Grundstück erweist sich als Alptraum, ein völlig verwilderter Acker mit einer Bruchbude ohne Strom und fließend Wasser. Eigentlich will Stella so schnell wie möglich verschwinden, wäre da nicht der nette Nachbar Thor, Biobauer auf dem Nachbarhof, der sich mehr und mehr um sie bemüht und eine magische Anziehungskraft auf sie ausübt…

Dies ist eine gefällige und gut zu lesende Liebesgeschichte mit super sympathischen Figuren und einem Hang zu deftigen Liebesszenen. Stella und ihre Geschichte gehen einem sofort zu Herzen, man lebt mit ihr mit und wünscht ihr alles Glück der Welt. Aber auch Thor ist ein super Sympathieträger, auch wenn er phasenweise doch sehr das kerniger-Naturbursche-Klischee verkörpert. Da aus ihrer beider Sicht erzählt wird, erhält der Leser in beider Gefühlswelt intime Einblicke. Das ist aus dem Grund interessant, weil beide sich selbst und einander immer wieder versichern, dass ihr Zusammensein nichts Festes sein kann. Beide reflektieren viel über ihr Leben, über vergangene Beziehungen und über sich, beide haben einiges an Vergangenheitsbewältigung zu betreiben und kommen außerdem aus gänzlich verschiedenen Welten. Aber für seine Gefühle kann man ja bekanntlich nichts…

Stella ist ein recht spannender Charakter und gefiel mir wirklich gut. Als Halbinderin entspricht sie schon optisch keiner sogenannten schwedischen Norm und erfuhr dadurch Rassismus, als Stockholmerin ist sie außerdem städtisch durch und durch und sie musste schon früh auf eigenen Beinen stehen, ist also alles andere als das „kleine Weibchen“, für das sie viele halten. Sie weiß sich durchzusetzen und ist clever und ehrgeizig, aber auch emotional, sehr loyal und treu zu ihren Freunden und hilfsbereit und empathisch - eine Menschenfreundin, die das Beste bei Menschen hervorheben will. Besonders diese Gegensätze und ihr Kulturschock im ländlichen Südschweden wurden sehr humorvoll und bildhaft erzählt. Auch die anderen Charaktere – hier besonders Thor und seine Familie - sind durchaus schön herausgearbeitet, und die Autorin versteht es, sie und die schwedische Landschaft vor dem geistigen Auge auferstehen zu lassen. Der locker-flockige Schreibstil tut sein Übriges, um das Buch in einem Rutsch herunterlesen zu können. Mir persönlich war er allerdings manchmal zu locker und wenig romantisch und glitt besonders bei den doch sehr häufigen Liebesszenen ins Vulgäre ab. Diese traten in einer für meine Begriffe sehr konstruierten Häufigkeit auf, wohingegen manch andere Ereignisse und Wendungen abrupt geschahen und nicht nachvollziehbar waren. Ich hätte mir mitunter weniger zahl- und detailreiche Beschreibungen von Liebespraktiken und Orgasmen gewünscht und stattdessen mehr Hintergründe z.B. über Familienthemen und -geheimnisse oder über die Dorfbevölkerung erfahren.

Fazit: Durchaus gelungener Liebesroman mit sympathischen Charakteren und viel schwedischem Lokalkolorit. Die detailreichen Liebesszenen muss man in der Häufigkeit mögen und dafür Abstriche in der Logik der Handlung machen, dann erhält man ein vergnügliches Buch mit einem dann doch sehr romantischen Schluss und mit einer reizenden Hauptfigur, die authentisch ist und sich selbst treu bleibt.