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Verena

Bewertungen

Insgesamt 137 Bewertungen
Bewertung vom 28.02.2023
Alles beginnt mit dir und mir
Cousens, Sophie

Alles beginnt mit dir und mir


sehr gut

Ich habe den Roman an einem Abend durchgesuchtet, weil ich unbedingt wissen wollte, wie die Geschichte ausgeht. Das kann ja eigentlich nur Gutes bedeuten. Spoileralert: Ja!
Laura arbeitet für ein Lifestylemagazin und berichtet über besondere Begegnungen von Liebespaaren. Diese romantische Verzückung was Meet Cutes betrifft hat einen Hintergrund: ihre Eltern lernten sich kennen, nachdem ihre Mutter in England die Hälfte einer gravierten Münze fand, die von der Kanalinsel Jersey stammen musste. Sie machte sich auf die Suche nach den Besitzern und verliebte sich dabei selbst in deren Enkel. An ihren früh verstorbenen Vater hat Laura keine Erinnerungen, nur Erinnerungsstücke & nachdem auch ihre Mutter verstarb, ihre eigenen Beziehungen nie lange halten und ihre Freundinnen alle irgendwie „erwachsener“ werden als sie selbst, macht sie sich auf nach Jersey. Einerseits soll sie für ihre Chefin die Liebesgeschichte ihrer Eltern recherchieren und am besten ein paar noch lebende Verwandte ausfindig machen; andererseits hofft Laura vielleicht doch selbst irgendwie auf ein Meet Cute mit ihrem Seelenverwandten. Und tatsächlich passiert Etwas: am Flughafen nimmt sie den falschen Koffer und beschließt im Hotel, dass er tatsächlich ihrem Seelenverwandten gehören muss, da der Inhalt sie so sehr anspricht. Mit Hilfe eines Taxifahrers versucht sie, an die Orte des Kennenlernsommers ihrer Eltern zu gelangen und gleichzeitig den mysteriösen Kofferbesitzer aufzuspüren. Dabei verliebt sie sich nicht nur in die Insel…
Es ist nicht von Angang an, aber relativ bald klar, wohin sich die Geschichte entwickeln wird, aber nicht das Wie. Sophie Cousens erzählt das ganz wunderbar, die Nebenfiguren unterstützen die Handlung, Henry Cavills nackter Hintern taucht hin und wieder auf und ganz grundsätzlich habe ich mich gut unterhalten gefühlt. Auch wenn man Laura manchmal gerne ein bisschen wachrütteln möchte, damit sie ihre romantische Verblendung metaphorisch ins Meer wirft und die ziemlich gute Realität zulässt. Ich hätte gerne 5 Sterne vergeben, aber da Lauras Job doch eine nicht ganz unbedeutende Rolle spielt, muss ich einen Stern abziehen, da dieser der einzig wirklich völlig überdrehte Aspekt des Romans ist. Das tut der Unterhaltung aber keinen Abbruch und auch wenn ich Küchen gerne mag, bin ich doch großer Ted-Fan 😊

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.02.2023
Mit dir allein
Silver, Josie

Mit dir allein


gut

„Ein Tag im Dezember“ von Josie Silver ist einer meiner liebsten Liebesromane. Deshalb freute ich mich besonders, auf ihren neuen Roman 😊
Auf einer winzigen irischen Insel haben Cleo und Mack ein Problem: die Hütte – und einzige Touristenherberge der Insel – in der sie unterkommen sollen, wurde doppelt belegt. Keiner der beiden will nachgeben und zurück aufs Festland, zu wichtig sind ihre jeweiligen Beweggründe, Zeit in auf der Insel zu verbringen. Also teilen sie sich die Hütte. Londonerin Cleo schreibt für ein Onlinemagazin und soll auf Salvation Island ihren 30. Geburtstag feiern, inklusive „Selbstverpartnerungszeremonie“. Mack ist aus Boston, doch sein Leben dort ist auseinandergebrochen, weshalb der Fotograf auf der Insel nach seinen familiären Wurzeln sucht.
Man kann sich natürlich denken, wie die Handlung sich entwickeln wird; selten erfinden Liebesromane das Rad neu. Was mir an Josie Silvers Dezember-Buch so gefiel, war wie real die Geschichte wirkte, was vor allem an den wunderbar ausgearbeiteten Figuren lag. Das ist ihr bei „Mit dir allein“ leider nicht gelungen. Sowohl Cleo als auch Mack bleiben – trotz jeweils dramatisch angehauchter Backstory – eher oberflächlich; die restlichen Charaktere fallen ins Schema drollige Inselbewohner:innen. Ich fand das wirklich sehr schade, denn so konnte ich Zugang zu den Figuren und ihren Geschichten finden und habe dementsprechend auch nicht wirklich mitgefiebert. Das Buch ist nett und kurzweilig unterhaltsam, aber bleibt leider nicht in Erinnerung.

Bewertung vom 23.02.2023
Dead Romantics
Poston, Ashley

Dead Romantics


gut

Tolle Idee mit viel Luft nach oben

Florence Day schreibt Liebesromane, doch nach mehreren gescheiterten Beziehungen glaubt sie nicht mehr an die Liebe. Außerdem: sie ist die Ghostwriterin einer Bestsellerautorin und kann genau wie ihr Dad Geister sehen und mit ihnen kommunizieren. Recht praktisch für ihren Dad, da er Bestatter ist; eher unpraktisch für Florence, die aus ihrer kleinen Heimatgemeinde geflohen ist, nachdem sie dort als Teenie für verrückt erklärt wurde. Die Story beginnt und man ist gleich mitten in der Handlung: in New York muss sie sich ihrem neuen Lektor stellen, der super heiß ist, aber dummerweise darauf besteht, dass sie das versprochene Manuskript liefert. Dann läuft sie ihrem Ex, ebenfalls Lektor, über den Weg; dem einzigen Menschen außerhalb ihrer Familie, dem sie je von der Geistersache erzählte und der die Geschichte postwendend in ein (schlechtes) Buch verarbeitet hat und danach mit Florence Schluss machte. Und schließlich bekommt sie auch noch den Anruf, dass ihr Dad verstorben ist, weshalb sie sich erstmals nach vielen Jahren zurück in ihre Heimatstadt macht. Da steht dann plötzlich ein Geist vor der Tür, der sie nicht mehr in Ruhe lässt.
Das Buch hat gute Momente, doch die gehen leider in viel Geplänkel unter. Ich weiß nicht, ob die Geschichte wirklich mal eine Fanfiction war, aber die Autorin liebt Fanfics und die Star Wars und Reylo Einflüsse sind nicht nur bei der Handlung deutlich (stört nicht und wird nicht-Fans nicht auffallen, mir aber schon), sondern auch beim Aufbau. Das ist die größte Schwäche des Buches. Was bei wöchentlich erscheinenden Kapitel von Hobbyautor:innen funktionieren mag, funktioniert hier für mich leider nicht. Fanfictions sind oft von einer Vielzahl an Figuren geprägt und da die Leser:innen die Originale kennen, reicht meist der Name und man hat ein Bild vor Augen. Hier wird das zum Problem: es tauchen so viele Figuren auf, die super oberflächlich sind und die eigentliche Handlung richtig stören. Auch die Protagonst:innen bleiben für mich recht flach – trotz der ernsten Backstory, berührte mich zum Beispiel nicht mal das Trauerthema. Zu viel tell, zu wenig show. Beim Plottwist weiß ich nicht, ob man sagen kann, dass er geklaut ist, aber es gibt da einen Roman, der vor vielen Jahren sehr erfolgreich war und auch richtig toll verfilmt wurde (mit einem männlichen Protagonisten, der im Gegensatz zu Adam Driver tatsächlich wirklich WIRKLICH attraktiv ist). Nachdem so viel von (Chef)Lektoren die Rede ist, bleibt mir nicht viel mehr zu sagen, als dass ein strengeres Lektorat die außergewöhnliche Idee von „The Dead Romantics“ zu einem besseren Roman hätte machen können.

Bewertung vom 23.02.2023
The Love Test - Versuch's noch mal mit Liebe
Howe, Jenny L.

The Love Test - Versuch's noch mal mit Liebe


schlecht

Sehr enttäuschend

Durch Ali Hazelwood bin ich auf Rom-Coms mit Setting in der akademischen Welt gestoßen und habe mich umso mehr gefreut, als ich über „The Love Test“ gestolpert bin. Nicht nur wieder ein Roman, der die Heldin zur Promotion belgeitet – nein, dieses Mal ging es um mein persönliches Fachgebiet: die Literaturwissenschaften.

Leider wurde ich maßlos enttäuscht. Wie kann man ein Thema, das der Autorin ja offensichtlich auch am Herzen liegen muss, nur so langweilig darstellen? Ich glaube alle, die zuvor noch nie mit Literaturwissenschaften zu tun hatten, sind durch den Roman abgeschreckt. Hinzu kommt, dass die Ph. D. Anwärterin sich verhält wie eine Erstsemesterstudentin was wissenschaftliche Arbeitsweisen und typische Vorgänge an der Uni anbelangt. Gleichzeitig hat sie aber wohl super Noten – wie passt das zusammen?

Außerdem kam zwischen den beiden Protas, Allison und Colin, nie auch nur ein kleines bisschen Chemie rüber. Die Beziehung wirkte total unnatürlich und gewollt, das lange Hinauszögern der Erklärung Colins und ewige Missverständnisse taten ihr Übriges.

Ein sehr schwaches Debüt von einer Autorin, die immerhin an einer der amerikanischen Ivy-League Colleges Kreatives Schreiben unterrichtet.

Bewertung vom 06.02.2023
Der Inselmann
Gieselmann, Dirk

Der Inselmann


sehr gut

Melancholisch schön und grausam zugleich

Ein kleiner Roman, der oft gleichzeitig traurig und schön ist. Es ist die Geschichte von Hans, der Anfang der 1960er Jahre mit seinen Eltern auf eine Insel zieht. Eine Insel, mitten in einem See. Die Stadt, ihre Menschen und all die guten und bösen Dinge, für die sie stehen, sind irgendwie greifbar nah und dennoch Welten entfernt. Die Beweggründe des Vaters bleiben ungeklärt, doch für Hans gleicht der Umzug auf die Insel dem Gang in eine neue Welt. Er hilft dem Vater bei der Arbeit mit den Schafen und zieht auf der Insel umher mit seinem treuen vierbeinigen Begleiter. Die Insel ist sein Königreich und Hans ist der König. Bis eines Tages die Nachricht kommt, dass Hans zur Schule muss. Bildung ist hierbei scheinbar nie die Priorität; es geht einzig darum, dass die Eltern und vor allem Hans sich fügen müssen. Die Gesellschaft und ihre Institutionen zeigen sich hier von ihrer grausamsten Seite; Hans‘ Kindheit wird brutal geopfert. Endlich erwachsen begibt er sich auf die Reise zurück auf die Insel, zu seinen Eltern, seinem Hund, seinem Zuhause und sich selbst.
Mit der Metapher eines einzelnen Wals werden immer wieder Einsamkeit und Alleinsein gegenübergestellt. Hans, der als kleiner Junge weit weg von den meisten anderen Menschen ein für Außenstehende einsam wirkendes Leben auf der Insel führt vs. Hans, der als Jugendlicher in Institutionen in „Gemeinschaft“ leben muss.
Erzählt wird ganz wunderbar melancholisch.

Bewertung vom 24.01.2023
The Man I Never Met - Kann man lieben, ohne sich zu kennen?
Cook, Elle

The Man I Never Met - Kann man lieben, ohne sich zu kennen?


weniger gut

Reinfall

Oh man. Es tut mir leid, aber das war einfach ein richtig großer Reinfall. Der Klappentext klang so vielversprechend. Ein Meet-Cute der besonderen Art wird versprochen, als Davey aus Texas durch einen Zahlendreher plötzlich Hannah anruft. Was darauf folgt, fühlt sich an wie der Anfang von Etwas ganz großem, dann mysteriöses Abtauchen von Davey.
Klingt gut, aber entspricht nicht dem, was ich gelesen habe. Das Meet-Cute wird dadurch entwertet, dass es bei Davey und Hannah Insta-Love ist. Dabei haben die beiden leider null Chemie und bleiben auch als Figuren unglaublich flach. Hannah, aus deren Perspektive alles beginnt, wirkt eher wie eine Karikatur und nicht wie die Protagonistin eines Romans. Ihr Verhalten, ihre Gedankengänge wirken so unrealistisch. Hier ein paar besondere Perlen: Davey lebt in Austin, sie wusste nicht, dass das in Texas ist (auch das Houston in Texas liegt, war ihr nicht klar); als die beiden (warum auch immer) über Ikea reden, stellt sie erstaunt fest, dass ihr nicht klar war, dass es in Texas auch Ikea gibt (????); in den Amerikaner, der sich verwählt, „verliebt“ sie sich nach gefühlt zwei kurzen Telefongesprächen; mit ihrem Fitnesstrainer trifft sie sich zum ersten Mal außerhalb des Studios zum Essen und bucht kurzerhand eine Reise nach Thailand mit ihm. Aber nicht, weil sie ein spontaner Mensch ist, sondern, so hatte ich das Gefühl, weil es der Autorin einfach nicht gelungen ist, ihre Geschichte und die darin agierenden Figuren authentisch rüberkommen zu lassen.
Fast forward: ein paar Videocalls und gemeinsame „Room with a View“ long distance Filmabende steht Daveys Ankunft, der in England einen Job bekommen hat, bevor. (Natürlich hat Hannah sich für den immer noch relativ Fremden die Wohnungen angeschaut und die passende für ihn ausgewählt; die erste Zeit wird er aber direkt mal bei ihr wohnen…okay.) Hannah wartet stundenlang am Flughafen auf ihn und er kommt einfach nicht. Man ahnt schon seit der Widmung der Autorin, dass das mysteriöse Abtauchen mit Krankheit zu tun hat. Und so ist es dann auch: bei Davey wurde plötzlich Hodenkrebs diagnostiziert. Er kann nicht nach England und möchte Hannah auch nicht belasten; bricht den Kontakt ab. Hannah ist erstmal fertig. In Thailand fängt sie dann etwas mit dem Fitnesstrainer an. Von der super toxischen Beziehung der beiden handelt dann auch der meiste Roman. Natürlich denkt sie immer wieder an Davey und zwischendurch gibt es total random plötzlich Kapitel aus Daveys Perspektive, der natürlich auch an Hannah denkt.
Ich hatte einerseits das Gefühl, dass die Autorin nicht wusste, was sie eigentlich will: eine Lovestory nach dem Meet-Cute, die Darstellung einer sehr toxischen Beziehung, oder eine dramatische Liebesgeschichte mit schlimmer Krankheit. Herausgekommen ist ein richtiges Kuddelmuddel, das keinem der drei Aspekte gerecht wird.
Und dann – und das tut mir am meisten leid – war die ganze Krankheitsgeschichte so schlecht erzählt, dass ich einfach nicht mitfühlen konnte. Vielleicht lag es an den flachen Figuren, an der fehlenden Chemie, vielleicht am Stil der Autorin. Im Nachwort berichtet sie jedenfalls über die Krebserkrankung ihres Mannes und diese paar Seiten waren emotionaler als der ganze Roman.
Zum Schluss gibt’s noch einen weiteren Minuspunkt: an Silvester, das Hannah mit ihren Eltern verbringt, wird zunächst erwähnt, dass der Familienhund große Angst vor Feuerwerk hat. Dann lassen sie ihn aber allein in der Wohnung, um sich eben dieses Feuerwerk anzusehen. Extra angeschaltete klassische Musik hin oder her – wenn mein Haustier Angst hat, lasse ich es nicht allein.

Bewertung vom 24.01.2023
Bissle Spätzle, Habibi?
Alaoui, Abla

Bissle Spätzle, Habibi?


sehr gut

Tolle romantische Komödie

Der Debütroman von Abla Alaoui hat mich zu Beginn dieses Jahres richtig gut unterhalten! Als großer Musicalfan war ich erstmal über mich selbst erstaunt, dass ich von Alaoui noch nicht gehört hatte: als Musicaldarstellerin ist die gebürtige Hamburgerin mit marokkanischen Wurzeln auf deutschsprachigen Bühnen in tollen Produktionen unterwegs. Als Autorin hat sie allerdings ebenfalls großes Talent, vor allem komödiantisches. Die Pointen sitzen und ich musste mehrmals beim Lesen laut lachen. (Mein absoluter Favorit: die Protagonistin Amaya ist als Schauspielerin Teil einer Telenovela – „Turm der Liebe“ :D ) Trotz des mitreißenden Humors kommt die Ernsthaftigkeit nicht zu kurz, vor allem in den Rückblicken. Amayas Aufwachsen in Deutschland in einer marokkanischen Familie: dazu gehören Diskriminierungserfahrungen, die sie bereits in der Schule macht, aber auch Konfrontationen mit den Eltern, die mit Amayas westlichem Lebensstil hadern. Die Liebesgeschichte, die in „Bissle Spätzle, Habibi?“ erzählt wird, ist nicht nur die von Amaya und Daniel, sondern auch die Geschichte von der Liebe zu ihrer Familie, der marokkanischen Kultur, aber auch ihrem freien Leben in Hamburg.
Mein einziger Kritikpunkt, ja tatsächlich der einzige Grund, warum ich keine 5 Sterne vergebe, ist das Ende. Denn das kommt viel zu abrupt. Die Geschichte war noch in vollem Gange, das große Geheimnis noch nicht gelüftet, da waren nur noch ein paar Seiten übrig. Es gibt zwar einen Epilog, aber da hätte ich mir ein bisschen mehr gewünscht.
Aber auf jeden Fall ist „Bissle Spätzle, Habibi?“ eine große Empfehlung von mir.

Bewertung vom 07.01.2023
60° Nord
Tallack, Malachy

60° Nord


gut

„… ich mag die Kälte. Nicht die böige, beißende Kälte (Shetlands), sondern die stillen, frostigen Grade unter null; die Kälte, die die Luft ganz ausfüllt und das Tragen ‚vernünftiger Kleidung‘ verlangt. Sie hat eine Reinheit und eine Befreiung, die aus dem Wissen kommt, dass man sie in Schach halten kann.“
Es sind Beschreibungen wie diese, die ich mitfühlen kann, die atmosphärisch wirken, die ich mit dem schottischen Autor Malachy Tallack verbinde. Seinen Roman „Das Tal in der Mitte der Welt“, das in seiner Heimat, den Shetland Inseln, spielt, habe ich 2021 sehr gerne gelesen. Mit Shetland als Ausgangspunkt beginnt nun auch dieser recht spezielle Reisebericht „60° Nord“. Entlang dieses 60. nördlichen Breitengrades bereist Tallack Ziele, die ebenfalls auf dieser Höhe liegen. Das sind Orte in Grönland, Kanada, Alaska, Russland, Finnland, Schweden und Norwegen – bevor es wieder nach Hause geht nach Shetland.
Obwohl natürlich der 60. Breitengrad eine Art roter Faden durch das Buch ist hat mir irgendetwas gefehlt, dass dem Ganzen etwas mehr Struktur gibt. Tallack bereist super spannende Orte und trifft interessante Menschen, doch auch manchmal fehlte mir inhaltlich etwas, das ich nicht genauer beschreiben kann. Reiseberichte sind natürlich sehr persönlich. Manchmal hatte ich auch den Eindruck, dass seine atmosphärische Prosa besser geeignet ist für fiktionale Texte als für nonfiktionale. Vielleicht hätten auch mehr Fotografien geholfen? (Zu jedem besuchten Ort gibt es genau ein Foto).
Auch wenn ich das Buch nicht uneingeschränkt weiterempfehlen würde, habe ich es doch gerne gelesen. Ich durfte etwas erfahren über mir bisher ungekannte Orte der Welt. Gleichzeitig hoffe ich aber auch, dass Tallacks nächstes Buch wieder eine fiktionale Erzählung ist.

Bewertung vom 22.12.2022
Die Wissenschaft von Mittelerde

Die Wissenschaft von Mittelerde


sehr gut

Wenn ein begnadeter Wissenschaftler wie John Ronald Reuel Tolkien eine Welt erschafft, kommt man gar nicht umhin, dass auch diese Fantasy-Welt auf wissenschaftlichen Grundlagen aufbaut.
Eine Gruppe französischer Autor:innen hat sich mit „Die Wissenschaft von Mittelerde“ genau unter diesem Aspekt Tolkiens Werk angeschaut. Herausgekommen ist ein wunderbarer Querschnitt, der interdisziplinär Mittelerde wissenschaftlich analysiert. Von Sprachwissenschaften (ohnehin klar bei Tolkien) über Geologie, Soziologie, Mineralogie, Medizin und vielen weiteren Disziplinen ist für alle Fans Spannendes zu entdecken. Es ist natürlich sicher hilfreich, viele von Tolkiens Büchern gelesen zu haben (was bei mir leider nicht der Fall ist), aber auch, wer nur den Hobbit oder die Ring-Trilogie oder gar nur die Filme kennt, kann den Essays folgen. Auf jeder Seite spürt man die Begeisterung der Geistes- und Naturwissenschaftler:innen für Mittelerde, aber auch Tolkiens Liebe zu den Wissenschaften ist unübersehbar. Ich war erstaunt, mit welcher Kohärenz er jedes Detail seiner Welt erschaffen hat. Er war so vielseitig interessiert und belesen, dass viele Elemente von Mittelerde mit Beispielen unserer Erde belegbar sind.
Ganz klar muss man jedoch sagen: die Texte sind zwar sicher nicht ausschließlich für ein Fachpublikum geschrieben, aber sie sind eben wissenschaftlich und daher auch durchaus komplexer. Genau das hatte ich erwartet, zumal das Buch „Die Wissenschaft von Mittelerde“ heißt und von der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft herausgegeben wurde. Ich schreibe das bewusst in meine Rezension, da viele der Teilnehmer:innen der Leserunde zum Buch von der Komplexität doch überrascht waren. Von der Sprache sollte man sich aber nicht abschrecken lassen, denn die Essays enthalten wunderbare Reflexionen über Mittelerde und die Geschöpfe, die Tolkien erschaffen hat.
Zunächst gibt es das Buch zum Einführungspreis von 50€, danach wird es 70€ kosten. Wer also großer Fan von Mittelerde sowie wissenschaftlich interessiert ist, sollte den Einführungspreis nicht verpassen 😉

Bewertung vom 15.12.2022
Fang jetzt bloß nicht an zu lieben
McFarlane, Mhairi

Fang jetzt bloß nicht an zu lieben


weniger gut

Gaslighting mit rosa Cover
Was würdet ihr von einem Roman erwarten, der in der typischen Rom-Com Aufmachung mit rosafarbenem Cover und dem Titel „Fang jetzt bloß nicht an zu lieben“ erwarten? Eine leichte, unterhaltsame romantische Gesichte, das hatte ich mir erhofft. Im Klappentext findet sich zwar etwas über einen Exfreund der Protagonistin, Harriet, und einer „Vergangenheit, der sie sich stellen muss“. Die Vergangenheit, beziehungsweise deren Bewältigung, nahm dann einen sehr großen Teil der Geschichte ein. Dagegen habe ich grundsätzlich nichts; wenn allerdings darin eine Thematik beschrieben wird, die bei (eventuell sogar betroffenen) Leser:innen traumatische Erinnerungen auslösen könnten, dann erschließt sich mir einfach nicht, warum Verlage und Autor:innen nirgends einen Hinweis auf diese inhaltliche Komponente geben. Deshalb von mir nun der Spoiler: es geht um Manipulation, emotionalen Missbrauch, psychische Gewalt in Beziehungen – heutzutage bekannt als Gaslighting. Die Protagonistin Harriet ist Opfer dieser Form von psychischer Gewalt und wird jäh darin erinnert, als sie den Täter, ihren Exfreund, plötzlich auf einer Hochzeit trifft, auf der sie als Fotografin arbeitet. Die Autorin zeigt gut auf, wie Harriets Trauma durch die Begegnung hochkommt; bringt den Leser:innen das Vergangene in einem Brief an die aktuelle Verlobte des Täters nah und zeigt, wie perfide Täter vorgehen, ihre Opfer systematisch fertigzumachen. Die Liebesgeschichte, mit der der Klappentext wirbt, zwischen Harriet und ihrem neuen Mitbewohner Cal spielt eine untergeordnete Rolle. Das stört mich nicht, das Marketing des Romans eben schon. Ansonsten hätte dem Roman weniger Nebenschauplätze gut getan: Cals frühere Beziehung, Cals Familiengeschichte, Lorna und ihr seltsamer Lover und ganz grundsätzlich Roxys Storyline wirkte Fehl am Platz. Stattdessen hätte McFarlane den Fokus mehr auf die Figuren Harriet und Cal legen sollen, denn trotz umfangreicher Vergangenheit bleiben beide irgendwie blass.