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Anna625

Bewertungen

Insgesamt 87 Bewertungen
Bewertung vom 23.08.2021
Greta und Jannis
Kuratle, Sarah

Greta und Jannis


sehr gut

Greta und Jannis wachsen gemeinsam auf. Sie sind wie Bruder und Schwester füreinander, bis sie sich eines Tages zum ersten Mal küssen - und sich sofort Hals über Kopf ineinander verlieben. Doch was sich für beide so richtig anfühlt, darf niemals sein, denn es gibt ein lange gehütetes Geheimnis in der Familie, das Greta eine Beziehung zu Jannis verbietet. Also zieht sie fort in die Berge, ins allerletzte Dorf, das von außen noch erreichbar ist, und bringt die gewaltigen Berge zwischen sich und ihn. Dort lebt sie fortan bei Tante Severine und zieht mit ihr gemeinsam ausgesetzte Kinder auf. Doch so unüberwindbar das Gebirge wirkt, so sehr sind es auch Gretas und Jannis' Gefühle füreinander.

Was jedem, der diesen Roman aufschlägt, zweifelsohne als erstes auffallen wird, ist der Erzählstil, denn dieser erinnert das komplette Buch über sehr an einen Bewusstseinsstrom. Gretas Eindrücke werden unmittelbar wiedergegeben, wörtliche Rede ohne Abgrenzung durch Interpunktion in den Satz eingefügt, nur mittels Kursivierung kenntlich gemacht. Oft verbinden sich in einem Satz Indikativ und Konjunktiv, oder es verschmelzen gleich zwei ganze Sätze zu einem, weil sich Gretas Gedanken plötzlich etwas anderem zuwenden und dabei kaum Rücksicht auf die Satzkonstruktion nehmen. Das gestaltet den Text sehr anspruchsvoll, dafür liest er sich aber auch wirklich schön. Man braucht Zeit und Konzentration für diesen Roman, zumindest, wenn man nichts verpassen will. Lässt man sich jedoch voll und ganz auf den Erzählstil ein, wird man feststellen, wie bildgewaltig und einfühlsam "Greta und Jannis" geschrieben ist.

Dank der speziellen Erzählweise fühlt man sich Greta als Protagonistin sehr nahe. Ihre Wut und Verzweiflung darüber, nicht mit demjenigen zusammensein zu dürfen den sie liebt, weil in der Vergangenheit Fehler begangen und nicht rechtzeitig offenbart wurden, wird sehr greifbar beschrieben. Und doch ist es vor allem die Stille der Berge und der Natur, die den Roman auszeichnen. Die Nähe der Figuren zu den Bäumen und Tieren, die sie tagtäglich umgeben, macht einen essentiellen Teil der Geschichte aus. Sie sind Quelle der Ruhe, bieten die Geborgenheit, die den Figuren sonst verwehrt bleibt.

So wird "Greta und Jannis" zu einem sehr nachdenklichen Roman, der gekonnt zwischen Tragik und Stille balanciert und, sobald man sich darauf eingestellt hat, mit seiner poetischen Sprache überzeugt.

Bewertung vom 17.08.2021
Zikadensommer
Bakopoulos, Natalie

Zikadensommer


schlecht

Mira möchte in ihrer alten Heimat Athen einen Neuanfang wagen. Sie taucht ein in die Welt ihrer Vergangenheit und trifft alte Bekannte wieder, nicht zuletzt auch den Kapitän, der nun in der Wohnung neben ihrer lebt und ebenfalls einiges zu verarbeiten hat.

Meinen Erwartungen hat der Roman leider gar nicht entsprochen. Ich hatte auf ein tiefgründiges Buch mit einer gewissen Prise Leichtigkeit gehofft, bekommen habe ich am Ende weder das eine noch das andere. Es wurden durchaus wichtige und interessante Themen angesprochen: Homosexualität, die finanzielle Lage Griechenlands und nicht zuletzt Migration. Statt das weiter auszuführen wurde jedoch alles nur ein paar Mal knapp erwähnt, die erhoffte Tiefe blieb aus zugunsten einer merkwürdigen Liebesgeschichte, die man eigentlich kaum so nennen kann.

Schon der Einstieg fiel mir schwer, weil der Schreibstil die Figuren merkwürdig auf Distanz zum Leser hält, und das, obwohl durchaus die Gefühle der beiden Protagonisten dargestellt werden; jedoch auf eine Weise, die einen beim Lesen nicht wirklich berührt und das alles irgendwie an einem vorbeirauschen lässt. Gespräche zwischen den Figuren wirkten auf mich oft konstruiert, weil sie gerade zu Beginn häufig so aufgebaut sind, dass eine Person mehrere Seiten lange Monologe führt, und die andere nur zwischendurch mal einen Halbsatz einwirft oder es eine kurze "Regieanweisung" gibt, was wohl bewirken soll, dass es dann eben nicht ganz so sehr wie reiner Monolog wirken soll. Vergeblich, in meinen Augen. So werden dann Erinnerungen und Gedanken wiedergegeben, die man in anderer Form sicher besser und nachvollziehbarer, vor allem aber authentischer hätte in die Geschichte einfügen können. Auch darüber hinaus haben mich Protagonisten und Nebenfiguren wenig überzeugt. Sie waren mir zwar nicht unsympathisch, aber das, was mit ihnen geschieht, hat mich einfach zu keinem Zeitpunkt des Buches auch nur ein kleines bisschen berührt.

Der Roman wirkt, als könne er sich nicht recht entscheiden, was er denn nun sein möchte: locker-leichte Sommerlektüre mit der ganz typischen Protagonistin, die einen Neuanfang wagt, oder nachdenkliche Studie über Migration und das Leben in Griechenland. Die Balance dazwischen zu finden ist der Autorin leider nicht gelungen, und so taumelt man mehr ziel- und orientierungslos durch die Geschichte als einem roten Faden zu folgen, während das Geschehen munter weiter vor sich hinplätschert.

Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen, sich hier für das eine oder das andere zu entscheiden und gar nicht erst zu versuchen, Ernsthaftigkeit mit Leichtigkeit zu verbinden, um so wenigstens einem von beidem die nötige Tiefe zu verleihen. Denn so kommt leider beides nicht richtig zur Geltung, stattdessen wird nur der Eindruck einer zwiegespaltenen, inhomogenen Geschichte erzeugt, die nicht zum Punkt kommt und einen am Ende genauso ratlos zurücklässt, wie man in das Buch gestartet ist.

Die Figuren, die Handlungsorte, die Handlung selbst - all das wirkte auf mich seltsam nichtssagend und irgendwie austauschbar. Mich stört noch nichteinmal, dass es nicht viel Action gibt, das mag ich gelegentlich sogar sehr gerne, aber das muss dann halt auch mit überzeugenden Charakteren und der entsprechend tiefgehenden Ausarbeitung der Themen einhergehen - was hier leider nicht der Fall war. Die Handlung zieht sich einfach nur in die Länge und das war's.

Bewertung vom 16.08.2021
Die Hebamme
Hoem, Edvard

Die Hebamme


sehr gut

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wächst Marta Kristine Andersdatter Nesje an der Westküste Norwegens auf. Ihr Leben ist geprägt von den schwierigen Lebensbedingungen und der Armut der ländlichen Bevölkerung. Nach Jahren der Ungewissheit sucht sie später Erfüllung im Beruf der Hebamme, stößt damit im Ort jedoch zunächst nur auf Ablehnung und muss lange Zeit darum kämpfen, das tun zu dürfen, worin sie ihre Lebensaufgabe sieht.

Das Buch ist eine Mischung aus Roman und Biographie, denn Marta Kristine war die Ururgroßmutter des Autors und auch viele der anderen Figuren haben nachweislich zu ihren Lebzeiten real gelebt. Dennoch liest sich das Buch eher wie ein Roman, wenn auch gelegentlich Daten und Fakten Einzug finden, die das Geschehen historisch belegen. Das hat mir sehr gut gefallen, weil man einen umfassenden Einblick in die tatsächlichen Lebensumstände der Landbevölkerung an der Küste Norwegens zu Beginn des 19. Jarhunderts erhält, dennoch aber aber nie das Gefühl hat, ein trockenes Sachbuch zu lesen. Das Verhältnis zwischen Realem und Hinzugedachtem erschien mir sehr ausgewogen und glaubwürdig und ich habe Marta Kristines Geschichte mit großem Interesse verfolgt.

Wir begleiten die Protagonistin auf ihrem Lebensweg von frühester Kindheit an, als sie mit ihren Eltern neu in die Gegend gezogen ist, über ihre jungen Erwachsenenjahre und ihre Zeit als Hebamme und Mutter, bis hin ins hohe Alter. Von Anfang an wird deutlich, dass sie eine starke Frau ist, die sich allen Widrigkeiten zum Trotz nicht unterkriegen lässt und sich ihren eigenen Weg durchs Leben schafft. Dass sie dabei oft auch auf Dinge verzichten muss, geliebte Menschen verliert und ihr Tun immer wieder verteidigen muss, hält sie nicht auf.

Es gelingt ihr, einen Beruf auszuübern, der damals in Norwegen kaum ein hohes Ansehen genoss - denn wer braucht schon eine Hebamme, die vielleicht auch noch mehrere Dörfer entfernt lebt, wenn man doch Nachbarinnen, Mütter und Töchter seit jeher als Geburtshelferinnen um sich hatte? Und warum sollte man dafür dann auch noch Geld bezahlen, wo das doch ohnehin meist viel zu knapp ist? So wird schnell klar, dass Marta Kristine es gerade in ihrer Anfangszeit als Hebamme nicht leicht hatte. Hinzu kommen ein Ehemann, der zusehends mehr in ein Leben zwischen Melancholie und Schwermut abdriftet und dessen Einnahmequellen unzuverlässig sind, und, wie damals üblich, jede Menge Kinder, die es zu versorgen gilt. Dass es ihr trotz allem irgendwie gelingt, die Balance dabei zu halten, verdankt sie ihrem familiären Umfeld und nicht zuletzt auch ihrem starken Willen.

Der Schreibstil des Autors ist angenehm zu lesen, und obwohl sich im Mittelteil des Buches vielleicht die ein oder andere Länge ergibt, wird es doch nie zu trocken oder zu langweilig. Ich habe das Lesen sehr genossen und bin positiv überrascht von dieser Romanbiographie, die gekonnt das Leben einer bemerkenswerten Frau porträtiert. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.08.2021
Unsere unendlichen Tage
Fuller, Claire

Unsere unendlichen Tage


ausgezeichnet

Während ihre Mutter auf Konzertreise in Deutschland ist, verbringt die achtjährige Peggy einige Wochen allein mit ihrem Vater zuhause. Dieser, schon seit einer ganzen Weile vom Gedanken an ein Leben als Aussteiger begeistert, erhält über einen Bekannten die Gelegenhet, eine kleine abgelegene Waldhütte in den Bergen zu übernehmen. Also macht er sich gemeinsam mit seiner Tochter auf den Weg dorthin. Kaum angekommen erzählt er dem Mädchen, die restliche Welt sei untergegangen, alle Menschen tot, sie beide die einzigen, die überlebt haben. Auf keinen Fall dürfe sie den Fluss überqueren oder die Berggipfel überschreiten, denn dahinter lauere nur noch die Große Kluft, ein unendliches Nichts. Und so beginnen endlose Jahre im Wald, in denen Peggy im Kampf ums Überleben erwachsen wird und doch zugleich das kleine Mädchen bleibt, das sie war, als die Welt unterging.

Die Handlung ist zweigeteilt. Ein Strang handelt vom Leben in der Abgeschiedenheit der kleinen Waldlichtung, der andere spielt Jahre später, als Peggy wieder zurück in die Zivilisation gelangt und erkennen muss, dass ihr Vater sie all die Jahre belogen hat.

Peggy ist eine sympathische Protagonistin. In den Rückblicken auf die Zeit "Davor", als sie noch ein ganz normales Leben mit ihren Eltern und Freunden irgendwo in London führte, war sie ein aufgewecktes und wissbegieriges kleines Mädchen. Stets hat sie sich bemüht, ihrem Vater eine Freude zu machen, und so wehrt sie sich auch nicht gegen dessen Beschluss, die tagelange Reise mit langem Fußmarsch zur abgelegenen Waldhütte anzutreten, obwohl sie eigentlich viel lieber zuhause bleiben würde. Als sich irgendwann abzeichnet, dass aus dem Abenteuerurlaub ein "für immer" werden soll, akzeptiert sie auch dies recht schnell. Und dennoch ist sie nicht glücklich über dieses neue Leben in der Einsamkeit. Wie auch, sie ist gerade einmal acht Jahre alt, als sie aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen wird, als sie plötzlich ihren gesamten Alltag umkrempeln muss.

Es ist eine seltsame Beziehung zwischen Vater und Tochter, einerseits geprägt von der Entscheidung des Vaters, Peggy gegen ihren Willen dazu zu zwingen, an seinem Traum teilzuhaben - und sie so ihres eigenen Lebens beraubt -, und andererseits von seiner großen Liebe zu ihr, die er unter Beweis stellt, als er ihr mühevoll aus Holz ein Klavier baut. Mit den Jahren zeichnet sich zusehends eine leichte Spur des Wahnsinns ab, der den Vater immer wieder überkommt und unter dem Peggy in all der Zeit sehr leidet.

Und doch gibt der Handlungsstrang aus dem Jahr 1985 Hoffnung, denn es ist klar: sie wird aus diesem Leben entkommen, zu dem ihr Vater sie verpflichtet hat, sie wird zurückkehren, auch, wenn sie ihre Vergangenheit nie ganz wird abstreifen können.

Der Roman ist spannend erzählt. Er ist nicht auf Action aus, hat aber einen dystopischen Hauch, und dank des eingehenden Schreibstils kann man nicht anders, als mit dem kleinen Mädchen mitzufiebern und stets darauf zu hoffen, dass für sie alles gut ausgehen wird. Die Atmosphäre schwankt auf einer Skala von beklemmend bis unbeschwert, dazwischen ist alles vertreten; doch zu jedem Zeitpunkt wirkten die Figuren und Szenen authentisch, die Beschreibungen eingängig und ergreifend.

Ich habe "Unsere unendlichen Tage" sehr gerne gelesen und empfehle es daher gerne weiter!

Bewertung vom 05.08.2021
Die Spur der Toten / Witchmark Bd.1
Polk, C. L.

Die Spur der Toten / Witchmark Bd.1


weniger gut

Der Arzt und Hexer Miles Singer arbeitet in einem Veteranenkrankenhaus, muss seine magischen Fähigkeiten jedoch aufgrund seiner Vergangenheit verborgen halten. Als eines Tages ein anderer, sterbender Hexer eingeliefert wird, der darauf besteht, vergiftet worden zu sein, versucht Miles zusammen mit dem mysteriösen Tristan Hunter den Mörder des Mannes zu finden. Gemeinsam kommen sie nach und nach einem dunklen Geheimnis auf die Spur.

Ich wollte dieses Buch wirklich mögen. Denn eigentlich hatte ich das Gefühl, dass es wirklich gut ist - die Protagonisten fand ich interessant, die Welt ebenso, der Schreibstil war auch in Ordnung. Jedoch hat man anfangs kaum Informationen erhalten zu der Welt, in der alles spielt, es wurden Begriffe verwendet (zB "Gesternter" oder "Gentleman", was hier anders verwendet wird als unser normales "Gentleman"), die ewig nicht erklärt worden sind, ebenso die verschiedenen Gruppen Magiebegabter, bei denen lange unklar bleibt, was denn nun genau ihre Fähigkeiten und Aufgaben sind und die Beziehungsstrukturen zueinander. Man hat beim Lesen ständig das Gefühl, den zweiten Band einer Reihe in der Hand zu haben, ohne zuvor seinen Vorgänger gelesen zu haben, weil einem dauernd Informationen fehlen und man den Eindruck hat, irgendetwas verpasst zu haben. Das stört beim Lesen leider doch schon sehr, und daher habe ich dann auch recht schnell die Lust verloren; zumal die Geschichte ein wenig braucht, um Fahrt aufzunehmen.

Schade, denn wie gesagt, ich glaube mit mehr Hintergrundinfos hätte das wirklich ein gutes Buch werden können. So hat es mich leider enttäuscht.

Bewertung vom 05.08.2021
Junge mit schwarzem Hahn
vor Schulte, Stefanie

Junge mit schwarzem Hahn


ausgezeichnet

Martin ist ein besonderer Junge. Nicht nur, dass er Waisenkind und sein bester Freund und ständiger Begleiter seit jeher ein schwarzer Hahn ist, er ist auch wirklich klug und durchschaut die Bewohner des kleinen Dorfes, in dem er aufwächst, bei allem was sie tun. So ist es kein Wunder, dass er eher auf Ablehnung stößt und sich alleine durchschlagen muss, weil er allen ein wenig unheimlich ist. Und das, obwohl er eigentlich allen nur Gutes will. Als dann eines Tages ein Maler durchs Dorf kommt, ergreift Martin die Gelegenheit diesen auf seiner Reise zu begleiten und kommt so endlich hinaus in die weite Welt.

Bereits die Leseprobe hatte mich sehr angesprochen und so war ich froh, dass das Buch meine Erwartungen dann auch voll und ganz erfüllt hat - die Geschichte von Martin und seinem Hahn ist wunderschön erzählt und lässt einem den Protagonisten ans Herz wachsen. Martin hat viel Schreckliches in seinem kurzen Leben ertragen müssen, und dennoch ist aus ihm ein mutiger, herzensguter kleiner Junge geworden. Er riskiert eine ganze Menge für das Wohl Unschuldiger.

Stets an seiner Seite ist der Hahn, der von den Dorfbewohnern für den Teufel gehalten wird, der Martin jedoch immer unterstützt und verteidigt, sobald dieser seine Hilfe benötigt. Nicht zuletzt durch den Hahn gewinnt der Roman eine leicht mystische, märchenhafte Atmosphäre, auch die restlichen Figuren und der Schreibstil unterstreichen dieses Gefühl. Die Sprache verzichtet auf allzu viele Ausschmückungen, ist ein wenig kindlich-naiv gehalten und doch auf einem hohen Niveau; sie passt sehr gut zum Protagonisten, bei dem man häufig auch das Gefühl hat, dass er tief in sich drin älter ist als seine elf Jahre.

Schon nach wenigen Seiten entfaltet das Buch einen solch starken Sog, dass ich es am liebsten am Stück gelesen hätte. Zu fesselnd sind die märchenhafte Atmosphäre und die Geschichte Martins. Von mir gibt es daher volle 5 Sterne und eine Leseempfehlung für dieses traumhaft-schöne Debüt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.07.2021
Systemfehler (MP3-Download)
Harlander, Wolf

Systemfehler (MP3-Download)


sehr gut

In einer Zeit, in der nahezu alles technisch gesteuert wird, sind wir umso mehr darauf angewiesen, dass die Sicherheit solcher Abläufe gewährleistet wird. Das wird deutlich, als es eines Tages urplötzlich zu Störungen in der Internetverbindung kommt. Was scheinbar harmlos beginnt, wird schnell zum Horror-Szenario für die Bevölkerung: Nicht nur ist der Internetzugang ist nicht mehr möglich, auch in den Notaufnahmen und Intensivstationen der Krankenhäuser mehrerer Großstädte kommt es zu Störungen, Beatmungsgeräte fallen aus, für die Patienten kommt alle Hilfe zu spät. Die Kommunikatio zwischen Piloten und Flughäfen ist gestört, Flugzeuge müssen nootlanden, stürzen ab oder verschwinden.Die Wasser- und Stromversorgung versagt, denn auch sie wird mit technischen Hilfsmitteln gesteuert.

Mitten in diesem Chaos findet sich Daniel Faber, IT-Experte einer Spielefirma, den Anschuldigungen des BND ausgesetzt, der davon überzeugt ist, dass Daniel für den Zusammenbruch des Internets mitverantwortlich ist. Daniel selbst kann jedoch nichts dafür, hat er doch nur versucht, einen kleinen Fehler seines Sohnes auszubügeln. Doch die Sache lässt ihn nicht los, und so beginnt er selbst nachzuforschen, wer hinter den Cyber-Angriffen steckt - denn mittlerweile ist klar: Da hat jemand gezielt nachgeholfen, und wer es auch war, so schnell wird er nicht lockerlassen.


Die Erzählweise hat mir sehr gut gefallen. Aus vielen verschiedenen Perspektiven erhält man hier Einblick in das Geschehen, unter anderem aus den Augen Daniels, seiner Schwester, die Ärztin in einem großen Krankenhaus ist; seiner Mutter auf dem Land, seiner Frau, die mit den Kindern per Flugzeug unterwegs in den Urlaub ist. Auch Nelson Carius, Sonderermittler des BND, erhält seinen eigenen Erzählstrang. Durch die vielen Perspektivwechsel ergibt sich so nach und nach ein Geflecht aus Informationen und Eindrücken, dass die Ereignisse nachvollziehbar darstellt. Etwas schade fand ich, dass einige der Handlungsstränge zwischenzeitlich stark im Vordergrund stehen, gegen Ende des Buches dann jedoch mehr oder weniger im Sande verlaufen und nur noch kurz aus der Sicht einer anderen Figur "fertigerzählt" werden. Das hätte in meinen Augen noch etwas schöner abgerundet werden.


Es kommt einige Spannung auf im Laufe des Buches, die auch bis zum Ende hin aufrechterhalten wird. Längen haben sich keine ergeben, und so habe ich das Hören sehr genossen!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.07.2021
Genug
Dalsgaard, Louise Juhl

Genug


ausgezeichnet

Nach ihrem Schulabschluss nimmt sich die junge Frau, aus deren Sicht der Roman geschrieben ist, ein Ziel vor: Sie will abnehmen. Zu Beginn wiegt sie ca. 72kg, doch in nicht einmal einem Jahr nimmt sie etwa 40kg ab und ist damit stark untergewichtig. Längst steht für sie nicht mehr wie anfangs noch die Gesundheit im Vordergrund, vielmehr ist ihr ständiger Wunsch, Gewicht zu verlieren, zu einer Krankheit geworden, die sie nicht mehr loslässt.

Selten habe ich ein Buch gelesen, das dieses Thema so eindrücklich dargestellt hat. Allein durch die Erzählweise, die sich vor allem von den kurzen Kapiteln in sehr ansprechender Sprache auszeichnet, fühlt man sich der Protagonistin bereits nahe und verfolgt mit Schrecken ihre Geschichte. Die vielen Rückblenden in ihre Kidheit und Jugend komplettieren das Bild einer jungen Frau, die sich innerlich leer fühlt, der irgendetwas fehlt, was sie einfach nicht finden kann und das sie letztendlich zu solcher Verzweiflung treibt, dass ihr Körper kurz vor dem Aufgeben ist. Immer wieder gibt es Einschübe in Form von Berichten, in denen sich die Sozialarbeiterin oder die Ärzte der namenlosen, jungen Frau zu Wort melden. Sie betonen die innere Zerissenheit der Protagonistin, die teils den starken Wunsch nach Veränderung zeigt und unbedingt am Leben bleiben will, dann jedoch wieder sämtliche Behandlungsmethoden vehement ablehnt.

Ein erschreckendes, jedoch sehr authentisches und eindringliches Buch, das mich sehr gepackt und von Anfang bis Ende überzeugt hat.

Bewertung vom 21.07.2021
Auszeit
Lühmann, Hannah

Auszeit


sehr gut

Schon seit einer ganzen Weile schreibt Henriette an ihrer Dissertation, oder besser: sie sollte daran schreiben. Denn sie komm nicht wirklich voran, ihre Arbeit scheint ihr abwechselnd faszinierend und völlig belanglos, es findet sich einfach kein roter Faden, dem sie folgen kann. Dann wird sie schwanger, und obwohl sie anfangs große Gefühle hegt für dieses Kind in ihr und sich sehnlich eine Tochter wünscht, treibt sie das Baby ab. Später reist sie mit einer Freundin in eine abgelegene kleine Hütte, um dort wieder zu Atem zu kommen.

Letzteres, der Aufenthalt in der Hütte, ist der Ausgangspunkt der Geschichte; von dort aus eröffnet der Roman dem Leser nach und nach Einblicke in die Vergangenheit, das Puzzle setzt sich langsam zusammen. Viel Handlung gibt es nicht, es ist mehr die Atmosphäre, welche die Autorin kreiert hat, die den Roman auszeichnet. Die Stagnation in Henriettes Leben, ihre Depression, all das spiegelt sich in der Sprache und der Erzählweise wider und wird auf diese Weise nachempfindbar gemacht. Ich konnte mich auch tatsächlich sehr gut hineinfühlen in die Geschichte, das Buch aufzuschlagen war jedes Mal, als senke sich eine dichte Wolke auf einen herab. Alles wirkt merkwürdig gedämpft, fast wie durch Watte hindurch und in Zeitlupe, oder so als sei man noch halb im Schlaf. So wurden die Gefühle und Gedanken der Protagonistin sehr gut transportiert.

Während Henriette in der sie plötzlich umgebenden Ruhe der Hütte versucht, ihrer Depression zu entkommen, sich endlich darüber klar zu werden, was sie möchte, welcher Weg der richtige für sie ist, liest man parallel dazu davon, wie es zu dieser Situation kam, zu ihrer Schwangerschaft, über die sie sich erst freute und die sie am Ende verzweifeln ließ.

Am Ende hat mir dann doch noch das entscheidende Fünkchen gefehlt, davon abgesehen habe ich die Stille des Romans aber sehr genossen.