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Benutzername: 
julemaus94
Wohnort: 
Jena

Bewertungen

Insgesamt 423 Bewertungen
Bewertung vom 16.07.2023
Die Erinnerungsfotografen
Hiiragi, Sanaka

Die Erinnerungsfotografen


sehr gut

Umgang mit dem Tod auf Japanisch

Jede Landeskultur pflegt einen unterschiedlichen Umgang mit dem Tod. Manche zelebrieren ihn, andere betrachten ihn als etwas bedrohliches. Dieses Buch bietet dem Leser nun einen Einblick in eine mögliche japanische Sichtweise.

Stirbt ein Mensch, gelangt er in eine Zwischenwelt und wird dort von Hirasaka in seinem Fotostudio empfangen. Dieser begleitet den Toten auf seiner Reise durch die Erinnerungen und Meilensteine seines Lebens, festgehalten anhand von Fotos. Doch worauf wartet Hirasaka selbst?

Die Idee finde ich zauberhaft und die Geschichte wird sehr einfühlsam erzählt, ohne dabei zu werten. Dabei bleibt der Erzählstil gewohnt nüchtern (was meiner Meinung nach einfach an der "Übersetzungsbarriere" der japanischen Sprache und Schrift liegt). Die Sätze sind recht kurz und simpel gehalten, zaubern dabei aber trotzdem teilweise sehr interessante Wortgebilde.

Die Geschichte an sich ist wenig vorhersehbar und lässt sich auch nur schwer beschreiben. Man muss sich einfach darauf einlassen und sehen, was einen am Ende erwartet.

Insgesamt ist das Buch sowohl optisch ansprechend als auch inhaltlich erfüllend. Klar hätte es an der ein oder anderen Stelle ein paar Seiten mehr vertragen können, aber der Kerngedanke kommt trotzdem an.

Bewertung vom 16.07.2023
Als wir Vögel waren
Banwo, Ayanna Lloyd

Als wir Vögel waren


sehr gut

Mystisches Trinidad

Die Liebesgeschichte von Darwin und Yejide entführt uns auf die (zumindest mir) vollkommen unbekannte Insel Trinidad mit ihrer sehr interessanten Glaubens- und Totenkultur.

Darwin kommt auf der Suche nach einem Job in die Stadt und beginnt auf dem Friedhof als Totengräber zu arbeiten. Nur schwer kann er seinen Glauben als Rastafari mit der neuen Arbeit vereinbaren. Dann trifft er auf Yejide, die gerade ihre Mutter verloren hat und ein ganz besonderes Verhältnis zu den Toten pflegt.

Der Erzählstil ist mystisch und behäbig und gibt damit, so kann ich mir zumindest vorstellen, einen sehr guten Einblick in die Lebensweise dieses Landes. Das Leben der Figuren ist stark von ihrer Kultur und ihrem Glauben beeinflusst und unterscheidet sich sehr stark von unserer westlichen Lebensweise.

Zu Darwin baut man als Leser sehr schnell eine Beziehung auf, da er stark in der realen Welt verwurzelt ist. Yejide dagegen verkörpert die mystische Verbindung zum Außerweltlichen/ Totenreich.

Mir persönlich hat diese Mischung sehr gut gefallen, man muss sich aber wirklich darauf einlassen können.

Bewertung vom 16.07.2023
Die Tage in der Buchhandlung Morisaki
Yagisawa, Satoshi

Die Tage in der Buchhandlung Morisaki


gut

Kurzweilig und oberflächlich

Die japanische Literatur ist schon so eine spezielle Kategorie für sich. Da bildet dieses Buch wahrlich keine Ausnahme.

Takako fällt nach einer unglücklichen Trennung in ein tiefes Loch. Aus diesem befreit sie ihr Onkel Satoru und sein Buchladen im Bücherviertel Jinbocho. Nach und nach kehrt sie mithilfe der Bücher zurück ins Leben. Und auch ihr Onkel blüht dank seiner Nichte langsam wieder auf.

Die Geschichte an sich verläuft relativ ruhig und ohne große Aufregung. Überraschende Wendungen sucht man hier vergeblich. Aber das braucht sie auch nicht unbedingt. So bleibt sie unaufgregt und leicht zu lesen.

Die Figuren sind nicht unsympathisch, schrecken mich als Leser aber ab und zu aufgrund seltsamer Äußerungen oder Handlungen ab. Es fiel mir teilweise schwer eine Bindung zu ihnen aufzubauen. Gerade die zweite Hälfte des Romans hat mich leider ein wenig verloren. Das Ende konnte mich aber zum Glück wieder versöhnen.

Bewertung vom 16.07.2023
Sylter Welle
Leßmann, Max Richard

Sylter Welle


sehr gut

Lebendiger Schreibstil

Dass das Cover ein absoluter Eyecatcher ist, muss ich vermutlich nicht extra nochmal betonen. Wer hier eine hochexplosive Familiengeschichte erwartet, könnte aber eventuell etwas enttäuscht werden.

Denn die autobiografisch anmutende Geschichte über Max, der zum letzten Mal seine Großeltern im Sylturlaub besucht, bietet auf den ersten Blick keine großen Enthüllungsmomente.

Dafür erhält man in verschiedenen Rückblicken Einblick in den (Urlaubs-)Alltag einer typischen 70er-Jahre-Familie. Es geht um Akzeptanz und Toleranz, ebenso wie die verschiedenen Formen der Äußerung von Liebesbekundungen.

Die Geschichte an sich wäre mit Sicherheit ausbaufähig, dafür hat mich der Erzählstil auf ganzer Länge überzeugt. Der Humor gefällt mir genauso wie die vielen verschiedenen Anspielungen und Referenzen. So strahlt das ganze Buch Lokalkolorit und Zeitgeist aus und wird gegen Ende sogar noch emotional. Mich hat es überzeugt!

Bewertung vom 19.06.2023
Leonard und Paul
Hession, Rónán

Leonard und Paul


sehr gut

Roman der ruhigen Töne

Gewisse Bücher müssen einfach zum richtigen Zeitpunkt kommen. In meinem Falle und in Bezug zu "Leonard & Paul" war es auf jeden Fall so.

Die Geschichte um diese beiden so außergewöhnlichen wie unscheinbaren Freunde überzeugt mit ruhigen Tönen und wenig Spannung. Scheinbar passiert nicht viel, auch wenn sich das Leben der beiden Männer innerhalb dieser Seiten massiv verändert.

Die Handlung an sich ist wenig komplex, dafür liegt der Fokus zu sehr auf den beiden Hauptfiguren. Beide scheinen recht unscheinbar, auch wenn sie nur schlecht in das aktuelle Gesellschaftsschema passen. Typische introvertierte Menschen, die nur schwer mit dem schnellen Puls des Lebens mithalten können und deshalb oft belächelt oder bevormundet werden. Und doch wird man im Laufe des Buches davon überzeugt, dass sie das Leben auf ihre Art und Weise genauso meistern und das Beste abgewinnen können.

Vielleicht ist genau das auch die Botschaft, die man als Leser mitnehmen soll: Egal, wie du dein Leben führst und wie andere über dich urteilen- erfolgreich ist es nur, wenn du damit glücklich bist.

Bewertung vom 12.06.2023
Idol in Flammen
Usami, Rin

Idol in Flammen


gut

Spannendes Thema

Wenn man ehrlich ist, könnte das Thema dieses Buches aktueller nicht sein. Das Verhältnis von Fans zu ihren Idolen ist ein ganz besonderes und nicht leicht zu erschüttern. Wie tief die Verehrung gehen kann, zeigt Rin Usami knapp und trotzdem eindringlich.

Schülerin Akari verehrt Masaki, seit sie ihn als Kind bei einer Theateraufführung gesehen hat. Selbst als das Mitglied einer Pop-Band mit Gewaltvorwürfen konfrontiert wird, hält sie zu ihm und bleibt ihm treu. Mit allen Konsequenzen.

Wie tief die Heldenverehrung gehen kann und wie sehr es das reale Leben der Fans beeinflusst, zeigt dieses Buch wirklich eindrücklich. Dabei hat sich die Autorin aber auch wirklich knapp gefasst und mit Sicherheit so einige "Nebenwirkungen" unterschlagen. Dass das Buch nur knapp 130 Seiten umfasst, wird schnell schmerzlich bewusst.

Weder erhalten die Figuren wirkliche Tiefe, noch wird das Thema genügend von allen Seiten beleuchtet. Es ist mehr wie eine Momentaufnahme. Verstärkt wird diese Wirkung noch durch den nüchternen Schreibstil und die etwas emotionslose Wortwahl.

Das Thema ist spannend, die Ausführung zu knapp.

Bewertung vom 12.06.2023
Es war einmal in Brooklyn
Atlas, Syd

Es war einmal in Brooklyn


gut

Verliert viel

Dieses Buch zeigt mal wieder sehr anschaulich, weshalb man sich nie auf Klappentexte verlassen kann und sollte. Lass dich vom Cover einfangen und unvoreingenommen in die Geschichte hineinfallen, aber bitte nicht von falschen Erwartungen beeinflussen.

Die Geschichte der Nachbarskinder Juliette und David ist eigentlich eine herzerwärmende, wären da nicht Pizzabote Rico und Davids Erkrankung.

Mehr zu sagen ist gar nicht notwendig, denn traurigerweise kann man sich ab da eigentlich schon denken, in welche Richtung sich das Buch entwickeln wird.

Die Figuren bekommen eine herzerwärmende Backgroundstory verpasst, ein bisschen Lokalkolorit darf auch nicht fehlen. Leider liegen genau hier aber auch die Schwächen des Buches.

Der rote Faden der Handlung verliert sich in vielen Rückblicken und Nebenschauplätzen. Das Lokalkolorit entfaltet kaum seine Wirkung. Ich meine, mit Brooklyn hat man eigentlich einen unheimlich interessanten handlungsort, aber eigentlich hätte die Story auch sonstwo spielen können, die Wirkung wäre die gleiche gewesen.

Die Figuren wirken leider teilweise zu unsympathisch und erreichen mich kaum, sodass mir ihr Schicksal überhaupt nicht nahegeht.

Fazit: Das Buch hätte großartig sein können, verliert aber leider zu viel an Wirkung auf dem Weg zum Finale.

Bewertung vom 12.06.2023
Der weiße Fels
Hope, Anna

Der weiße Fels


ausgezeichnet

Spannendes Konzept

Wer hier einen fließenden Roman erwartet mit durchgehendem roten Faden, wird das Buch letzlich vermutlich enttäuscht zuklappen. Wer es mit experimentierfreude aufschlägt und sich unvoreingenommen hineinfallen lässt, könnte positiv überrascht werden.

Anna Hope betrachtet vier verschiedene Einzelschicksale, getrennt durch die Jahrzehnte bzw -hunderte, verbunden durch den Handlungsort. Sie alle werden von einem weißen Felsen vor der Küste Mexikos angezogen, für alle hat dieser eine vollkommen unterschiedliche Bedeutung.

Spannend fand ich, dass die Figuren weniger Persönlichkeiten als Leinwand für das jeweilige Schicksal darstellen. Unterstützt wird dieser Eindruck dadurch, dass die Figuren mehr oder weniger namenlos bleiben.

Dadurch werden ihre Erlebnisse aber umso eindrücklicher. Die Schirftstellerin, die mit einer Pandemie und der Angst um ihre Tochter kämpfen muss; der Sänger, der vor der Presse, seinen wild gewordenen Fans und dem Leben im Rampenlicht flüchtet; zwei junge Mädchen aus dem indigenen Stamm der Yoemem, die gefangen und deportiert werden sollen und zu guter Letzt der Kapitän, der mit seiner Rolle als Kolonialist hadert.

Jedes Einzelschicksal für sich liest sich schon sehr spannend und ergreifend, aber die Mischung ist es, die aus einem guten Roman ein herausragendes Leseerlebnis macht.

Bewertung vom 04.06.2023
Babel
Kuang, R. F.

Babel


gut

In Wissenschaft erstickt

An diesem Buch kam man in den letzten Wochen kaum vorbei und ich kann mir vorstellen, dass sich daran auch in der näheren Zukunft nichts ändern wird. Denn "Babel" schafft, was vorher kaum ein Fantasyroman geschafft hat: Fans sowohl in den Reihen der Fantasy-Liebhaber zu finden als auch Begeisterung bei Literatur-Enthusiasten auszulösen. Und ich kann das sehr gut nachvollziehen.

R.F. Kuang verankert ihre Geschichte im England des frühen 19. Jahrhunderts und gibt ihr mit dem Silberwirken einen Touch Magie- und schon hat man das schönste Historical Fantasy-Setting.

In diese Welt wird Robin hineingeboren, als er in ärmlichen Verhältnissen in Kanton aufwächst, bis er von Professor Lovell nach England geholt wird, um am berühmten Sprachen-Kolleg Babel zu studieren. Schnell findet er in seinen Komilitonen Ramy, Letty und Victoire Freunde und gemeinsam bewältigen sie den Universitätsalltag.

Auf jeder Seite dieses Buches spürt man, mit wieviel Liebe fürs (historisch korrekte) Detail die Autorin an ihre Geschichte heran gegangen ist. Teilweise liest es sich wie eine theoretische Abhandlung über Sprachen und ihre historische Entwicklung.

Man merkt, dass sie sich unheimlich viele Gedanken über diese von ihr geschaffene Welt gemacht hat. Dadurch hat man aber auch oft das Gefühl, dass ihr diese knapp 700 Seiten beinahe nicht ausreichen, um diese vielen Ideen unterzubringen.

Der Text liest sich unheimlich dicht und man (oder zumindest ich) musste mich beim Lesen sehr konzentrieren, damit ich ja kein Detail überlese (denn man weiß ja nie, ob das nicht nochmal für die folgende Handlung relevant sein könnte- Spoiler: ist es oft nicht).

In dieser Dichte gehen leider nicht nur die Figuren unter, sondern auch die Spannung ganz schnell flöten. Nun könnte man meinen, dass Spannung für einen guten Roman nicht zwingend notwendig wäre. Dem könnte ich zustimmen, wenn mich dafür die Figuren überzeugen würden.

Aber hier liegt die/ eine große Schwäche des Buches. Die Figuren wirken blass und unispiriert. Auf emotionaler Ebene erreichen sie mich überhaupt nicht und ihre Entscheidungen und Handlungen sind für mich oft unlogisch und einfach nur ihrer Position am oberen Ende der Intelligenz-Skala nicht angemessen.

Da der Plot des Buches in direkter Abhängigkeit von den handelnden Figuren steht, kommen wir damit auch gleich zur zweiten großen Schwäche. Ist der Plot zu Beginn noch nachvollziehbar und fesselnd, wandelt er sich ab ca der Hälfte zu etwas unlogisch bis teilweise sehr vorhersehbar.

Alles in allem kann ich mir vorstellen, dass das Buch noch viele begeisterte Leser um sich versammeln wird, da es eine überraschende Mischung aus Fantasy und Realismus darstellt. Allerdings kann ich mir genauso gut vorstellen, dass es die Geister sehr stark spalten wird, da sich mit Sicherheit viele Lesende an den vielen kleinen Schwachpunkten stören werden.

Bewertung vom 22.05.2023
Siegfried
Baum, Antonia

Siegfried


weniger gut

Nicht auszuhalten

Eine Frau und Mutter fährt eines morgens in die Notaufnahme der Psychiatrie, um ihren Problemen zu entfliehen. In Rückblenden in ihre Kindheit erfährt man nach und nach, woraus ihre Probleme eventuell resultieren.

Die Story klang wirklich interessant und der Anfang las sich auch recht vielversprechend. Allerdings hat sich dieser Eindruck nach der ersten Rückblende komplett geändert.

Die Figuren waren einfach unerträglich, sowohl die namenlose Hauptfigur als auch ihre Mutter, Stiefvater und Großmutter Heidi (die natürlich nicht Großmutter oder geschweige denn Oma genannt werden möchte).

Die Rückblenden ufern zu sehr aus, dadurch verliert die Story schnell an Drive und Spannung.

Der Umgang der Figuren miteinander waren dabei so unmöglich, dass ich nach 100 Seiten abbrechen musste. Ich hätte dem Buch gerne eine Chance gegeben, aber auch ich habe meine Grenzen.