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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Anja12
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 53 Bewertungen
Bewertung vom 26.06.2022
Violeta
Allende, Isabel

Violeta


ausgezeichnet

Dieser Roman ist ein gebührendes Geburtstagsgeschenk der Autorin an sich selbst und an uns. Kurzweilig, berührend und mitnehmend schreibt Isabell Allende so wie man sie kennt… diesmal die Geschichte von Violeta der Valle. Diese hält ihr Leben für ihren Enkel Camilo fest. „Auf der Reise durchs Leben legt man lange gleichförmige Strecken zurück, Schritt für Schritt, Tag für Tag, ohne dass etwas Aufsehenerregendes passiert, aber die Erinnerung besteht aus den unerwarteten Ereignissen, die den Kurs prägen. Sie sind es wert, erzählt zu werden.“ Diese aufsehenerregenden Ereignisse, realistisch und natürlich erzählt, aneinander gereiht und faszinierend authentisch im Konstrukt der Mitmenschen um Violeta bringen es auf knapp 400 Seiten voller Mitgefühl und Teilnahme. Durch ihren unaufgeregten Schreibtstil gelingt es der Autorin in mir ausnahmslos ´ Empathie für die handelnden Personen zu erzeugen. Die Leserinnen und Leser erleben 100 Jahre Lebensgeschichte im historischen Kontext, von Spanischer Grippe bis Corona-Pandemie, angesiedelt auf dem amerikanischen Kontinent. Ein bewegendes Buch. Ein ergreifendes Buch. Ein Buch für alle Fans von Isabell Allende und die, die es werden, sobald sie das Buch lesen.

Bewertung vom 17.06.2022
Die dunkle Leidenschaft
Haller, Reinhard

Die dunkle Leidenschaft


ausgezeichnet

Professor Reinhard Haller konnte „Das Wunder der Wertschätzung“ und er kann auch disparat „Die dunkle Leidenschaft“. Dieses Buch über den Hass und seine Verwandten habe ich - selbst noch nie hassend - an einem Tag verschlungen und fühlte mich erhellt. Dies gelingt durch eine kurzweilige Struktur, den verständniserzeugenden Aufbau der Kapitel, den Schreibstil und die populärwissenschaftliche Sprache. Unspektakulär und leicht, kein bisschen schwer zu verstehen und reichhaltig angehäufelt mit Fakten aus bspw. Neurologie, Psychologie und Geschichte streift das Buch durch alle Facetten des Hasses. Höchst aktuell und auch unter Bezugnahme auf den Ukrainekonflikt zeigt das Buch, wie Hass und seine Verwandten bspw. Neid, Wut, Zorn und Verachtung in der Menschheit verankert sind und wie sie erklärt werden können. Haller avisiert hier zurecht, er wolle „dem Hass durch Transparenz den Schrecken nehmen“. Emotionale und kognitive Anteile werden beleuchtet, so dass eine ganzheitliche Betrachtung der auf Zerstörung gerichteten Abneigung entsteht. Damit hört der Autor zum Glück nicht auf, er mündet das Buch in Wege aus dem Hass. Dies empfand ich nach 200 Seiten Verständnis für diese dunkle Leidenschaft als sehr erbaulich. So bin ich nach dem eigentlich Schrecklichen, dem Dunklen am Ende doch ermutigt und voller Tatendrang, die To-Do-Liste gegen den Hass in die Welt zu tragen, selbst umzusetzen wo immer es geht und zu hoffen, dass viele Menschen dieses Buch lesen und es ebenso tun.
Dieses Buch ist ein Muss für alle Betroffenen, Hassende und Gehasste. Es ist eine Zusammenstellung für alle, die kopfschüttelnd Hate-Speech wahrnehmen oder vor dem Phänomen Putin fassungslos sind. Dieses Buch ist auch eine Goldgrube für True-Crime-Fans und schaut darüber hinaus sogar hinter die Kulissen der bloßen Crime-Fakten. Gewünscht hätte ich mir mehr wissenschaftliche Fundierung, indem bspw. durch Fußnoten auf die quellengebende Literatur hätte verwiesen werden können, damit ich in meinem Beruf als Coach das eine oder andere noch hätte vertiefend nachlesen können.

Bewertung vom 15.09.2020
Das lügenhafte Leben der Erwachsenen
Ferrante, Elena

Das lügenhafte Leben der Erwachsenen


ausgezeichnet

Endlich wieder Ferrante. Endlich wieder an einem Wochenende Eintauchen in die neapolitanische Welt, die beim Lesen so plastisch und sinnlich vor dem geistigen Auge entsteht. Noch im Fieber der großartigen Quadrologie der Neapolitanischen Saga von Lila und Elena finden Elena-Ferrante-Liebhaber hier eine gelungene Fortsetzung.
Schon das Cover im Stil der Ferrantebücher zeigt, es geht auch um die Dramatik des Eintritts in die Erwachsenenwelt. Die Geschichte ist „nichts als ein Knäuel, von dem niemand weiß […], ob es den passenden Faden einer Erzählung enthält oder nur ein verworrener Schmerz ohne Erlösung ist.“ (S.9) Erschütternd deutlich und durch Nüchternheit viel emotionalen Freiraum lassend, ganz beiläufig mitreißend gelingt es der Autorin zu beschreiben, wie die Welt der einst vertrauenserweckenden Erwachsenen komplex, verworren, lügend-intrigant erscheint, wie Beziehungsgeflechte anders wirken, wenn man sie als 13-Jährige zu durchschauen beginnt. „Vielleicht zersprang in diesem Moment etwas in mir, und vielleicht war das das Ende meiner Kindheit. Jedenfalls fühlte ich mich wie ein Gefäß, dessen Inhalt durch einen winzigen Riss unmerklich herausrieselte.“ (S. 44) Erinnern Sie sich daran?
Die Geschichte beginnt mit einem beiläufigen Satz, der in Giovanna das Bedürfnis weckt, ihre Tante Vittoria kennenzulernen. Vittoria, die verhasste Tante, die für Giovannas Mutter „längst kein Mensch mehr [ist], sondern nur noch eine Redensart.“ (S. 40) Giovanna beginnt, in die Vergangenheit ihrer Familie einzutauchen, Beziehungen aufzubauen, zu schwärmen und zu begehren, andere Seiten er zuerkennen, als die kindhaft, naive und unaufgeklärte Sicht. „Sieh sie dir genau an, deine Eltern, sonst bist du nicht zu retten.“, sagt ihr Vittoria. (S. 109)
Dieses Buch ist Plädoyer für ein bewusstes Erwachsenwerden und für die Sünde, denn „die Sünde gibt es: Das ist, wenn keine Freundschaft da ist, keine Liebe, und wenn man was Schönes vergeudet.“ (S. 134) Dieses Buch kommt ohne reißerische Spannungsbögen ganz allein mit den nüchternen Beschreibungen von Giovannas Welt aus, zwischen Kirche, Moral und Frivolitäten. Wer Elena Ferrante liebt, kommt hier auf seine Kosten. Wer sie nicht kennt, hat hier eine gute Chance, sie lieben zu lernen.