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B. S.

Bewertungen

Insgesamt 131 Bewertungen
Bewertung vom 26.09.2023
Mattanza
Fabiano, Germana

Mattanza


sehr gut

Von Thunfischen und Menschen - Atmosphärisch dicht erzählt

In "Mattanza" begleitet man eine italienische Fischerinsel mitsamt Bewohnern, wie sie beide dem Wandel der Zeit ausgesetzt sind und den aufkommenden Veränderungen versuchen mehr oder weniger erfolgreich zu trotzen.
Auf Katria wird seit jeher der traditionelle Thunfischfang, der Tonnarra, betrieben, und zwar traditionell angeführt vom männlichen Erbe des Rais. Doch der bleibt diesmal aus, anstatt dem langersehnten männlichen Nachfolger wird Nora geboren. Nora wird gegen den Traditionen zur Erbin des Rais und somit im traditionellen Thunfischfang ausgebildet. Mit den Jahren wächst sie als Erbin des Rais in ihre Rolle und Aufgaben hinein und schafft es, die Zweifler zu überzeugen. Das Leben auf Katria könnte seinen ruhigen und gewohnten Bahnen verlaufen, wären da nicht die Veränderungen, die auch vor Katria nicht haltmachen. So landen bald nicht nur Thunfische an der Küste der italienischen Insel an, sondern anfangs Touristen und dann später Flüchtlinge.

Ein ständiger Kampf mit und gegen die Traditionen durchzieht den Roman.
Die Autorin schafft es hierbei fesselnd und stimmungsvoll ein umfassendes Porträt der Inselbewohner, von der Protagonistin Nora und vor allem vom Meer und vom Thunfischfang zu zeichnen. Unter ihrer Feder erwacht die Insel zum Leben und man wird beim Lesen Teil dieser. Gleiches gilt auch für die Fischergemeinschaft.
Anfangs hätte ich nicht gedacht, dass ein Roman über den Fischfang mich so in seinen Bann ziehen könnte, "Mattanza" hat dies aber dank seines ausdrucksstarken Schreibstils, der gut Stimmungen und Gefühle einfangen kann, geschafft.
Dank verschiedener Erzählperspektiven und der Aufteilung der Kapitel nach Jahreszahlen, beginnend im Jahr 1960 bis 2012, wird man direkt Zeuge des Wandels, der auf Katria einzieht und kann die verschiedenen Sichtweisen der Charaktere verstehen. Gerne hätte ich mir deswegen noch mehr Einblick in das traditionelle Leben auf Katria und wie es sich über die Jahre hinweg verändert, gewünscht. Teilweise war es mir nämlich zu episodenhaft erzählt, sodass leider etwas an Tiefe verloren gegangen ist. Insgesamt wurde zwar ein tolles umgreifendes Gesamtpanorama der Insel, seiner Bewohner und des Fischfangs erzeugt, aber verblieb manchmal nur an der Oberfläche. Im Gegensatz zum Meer, hat die Geschichte dadurch nicht ihre ganze erzählerische Kraft entfalten können, was schade ist, denn der bildhafte Schreibstil und die vielschichtige Handlung weiß zu begeistern. Ein paar mehr Seiten hätten dem Roman sicherlich gutgetan.

Trotz kleiner Schwächen, wusste "Mattanza" mich zu fesseln und ich bin die Welt der Fischergemeinschaft von Katria eingetaucht.

Bewertung vom 26.09.2023
Prophet
Blaché, Sin;Macdonald, Helen

Prophet


sehr gut

Sci-Fi meets Romance - fesselnd, aber mit Schwächen

3,5 von 5 Punkten

"Prophet" von Helen Macdonald und Sin Blaché ist ein flott erzähltes genreübergreifendes Buch, das Aspekte von Science-Fiction, Mystery, Action und Romantik zu einer spannenden Geschichte verbindet.

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Adam Rubenstein und Sunil Rao, zwei ehemalige Rivalen. Rao hat die Fähigkeit, Fälschungen auf den ersten Blick zu erkennen und auch zu wissen, wann jemand lügt. Außer, wenn es um Adam geht. Adam ist der Einzige, den Rao nicht entschlüsseln kann und der Einzige, der seine unberechenbaren Stimmungen und Launen in den Griff bekommen kann. Beide tuen sich widerwillig zusammen, um das unerklärliche Auftauchen eines amerikanischen Diners auf einem nebligen Feld in Großbritannien und dutzend anderer Objekte, wie vertraute nostalgische Kinderspielzeuge, zu untersuchen. Auch der mysteriöse Tod eines Sergeant, der bei einem Brand auf einem US-Stützpunkt stirbt, wirft Fragen auf.
Als das ungleiche Duo seine Ermittlungen vertieft, erfahren sie von Prophet, einer dunklen und realitätsverändernden Substanz, die dazu verwendet wird, die die die Psyche der Menschen beeinflusst und physische Objekte erzeugt, die mit Erinnerungen verbunden sind. Jeder scheint darauf auf die gleiche Weise zu reagieren … außer Rao und Adam. Während Adam und Rao versuchen, die Wahrheit über Prophet herauszufinden, beginnend in einem Versuchslabor der amerikanischen Regierungin in Colorado und endend in einem luxuriösen Lodge in Aspen, knistert es immer mehr zwischen Adam und Rao.

Was mir besonders gut an "Prophet" gefallen hat, war die Freundschaft zwischen Adam und Rao und die Einbeziehung einer queeren Liebesbeziehung, die den emotionalen Kern der Geschichte bilden. Ich mochte die Dynamik zwischen Adam und Rao, ihre gemeinsame Vergangenheit, die Art und Weise, wie der Roman zu Beginn des Buches mit Hinweisen auf ihr Liebesleben aufwartet, und die Passagen, die von Sehnsucht und Fürsorge handeln. Ihre Dialoge sprühen von Wortwitz. Was sich liebt, das neckt sich.

Was mir nicht so gut gefallen hat, war der Handlungsverlauf. Die Geschichte fängt stark an, lässt in der Mitte nach, und endet auf eine Art und Weise, die mich leider nicht komplett überzeugen konnte. Besonders zur Mitte hin, fängt die Handlung an zu mäandern, es gibt längere Abschnitte, in denen nichts gesagt oder getan wird, und dann ein paar Szenen, die mehr Zeit verdient hätten.
Zudem war, wenn es nicht um Adam oder Rao, ging, der Erzählstil eher distanziert. Die anderen handelnden Charaktere wurden für mich nicht so richtig greifbar und wirkten eher blass. Dasselbe gilt für die Beschreibung der Handlungsplätze, alles wirkte irgendwie beliebig.

Dennoch handelt es sich bei "Prophet" um einen interessanten und etwas anderen Science-Fiction-Mystery-Spannungsroman über die Gefahren von Nostalgie verknüpft mit einer erfrischenden Liebesgeschichte, das trotz seiner Schwächen zu fesseln weiß.

Bewertung vom 26.09.2023
60 Kilo Kinnhaken
Helgason, Hallgrímur

60 Kilo Kinnhaken


sehr gut

Flotter Tanz voller Herz durch Island zu Beginn des 20. Jahrhunderts

In "60 Kilo Kinnhaken" folgt man dem nun volljährigen Gestur Eilífsson aus "60 Kilo Sonnenschein" und wie sein Leben sich weiterentwickelt. Gleichzeitig wird man zudem auch Zeuge, wie die fiktive isländische Stadt Siglufjörður sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer lebhaften Heringsstadt entwickelt. Man taucht in das Leben von Gestur ein, sowie in das Leben in der Stadt Siglufjörður, die mit Ankunft der Norweger und Dänen von feuchtfröhlichen Trink- und Tanzgelagen zunehmend geprägt wird, wenn nicht Heringe gefangen oder eingesalzen werden. Ihre Entwicklung steht dabei sinnbildlich für die Geschichte Islands am Anfang des 20. Jahrhunderts.

Anfangs noch etwas träge, weiß man noch nicht genau, wohin die Reise gehen wird und wer nicht Gefallen an den teils etwas gewöhnungsbedürftigen Beschreibungen sexueller Tätigkeiten in den ersten Kapiteln findet, der wird den lohnenswerten Schmöcker von fast 670 Seiten Länge wahrscheinlich nicht weiterlesen.

Nach und nach zeigt der Roman seine wahre Stärke, die in seinem humorvollen, fesselnden Schreibstil liegt, der nur so von herzlicher Wärme für seine Charaktere sprüht, besonders für Gestur.
Mit zunehmender Seitenzahl fällt es immer schwerer, mit dem Lesen aufzuhören, auch wenn es hier und da etwas weniger ausschweifend erzählt hätte werden können.

Wie schon angedeutet, bewegt sich der Autor teils an den Grenzen des guten Geschmacks, ohne diese jedoch zu überschreiten, sodass ein leicht skurriles, aber dennoch warmherziges Porträt von Island und seinen unterschiedlichen Bewohnern und Neuankömmlingen entsteht.

"60 Kilo Kinnhaken" ist ein Buch, auf das man sich einlassen muss, das einen aber dann mit einer unterhaltsamen und berührenden Lebens- und Zeitgeschichte belohnt.
Ein Island, das man so noch nicht gesehen hat, wird unter der schwungvollen Feder des Autors zum Leben erweckt, sodass man nach einem verhaltenen Start nur so durch die Seiten fliegt bzw. tanzt und man am Ende nicht genug von Gestur und seinem Leben bekommen kann.

Bewertung vom 18.07.2023
Nincshof
Sebauer, Johanna

Nincshof


sehr gut

Ein Dorf will vergessen werden - unterhaltsam erzählt

"Nincshof" von Johanna Sebauer ist ein kurzweiliger und unterhaltsamer Roman über das gleichnamige Dorf und seine etwas mehr und mal weniger schrulligen Bewohner, die aber trotz all ihrer Eigenheiten ihr Herz am rechten Fleck haben.

Größtenteils abwechselnd aus der Sicht von Erna Rohdiebl und der „Neuen“ Isa erzählt, eine ehemalige Dokumentarfilmerin, taucht man anfangs noch etwas langsam, aber dann von Seite und Seite immer schneller in das skurile Dorfgeschehen im fiktiven Dorf Nincshof ein, das einer Legende nach im Schilf versteckt liegt.
Isa ist erst vor kurzem gemeinsam mit ihrem Mann, dem Ziegenbauer Silvio Mezzaroni, und der gemeinsamen Tochter nach Nincshof gezogen und sie versucht sich dort einzuleben, was ihrem Mann besser zu gelingen scheint als ihr. Mit der Zeit lernt sie Erna Rohdiebl näher kennen und trifft sich mit ihr, um mehr über das Dorf zu erfahren, das, wenn es nach dem Bürgermeister und ein paar Verbündeten gehen würde, am besten von der Landkarte verschwinden sollte. Denn die Verschwörergruppe, die sich selbst als Oblivisten bezeichnen, will ihre Ruhe haben und von der Außenwelt nicht belästigt werden. Die „Neuen“ bringen ihren Plan jedoch durcheinander.

Die Handlung klingt etwas absurd und das ist sie auch. Doch wird es zu keinem Zeitpunkt zu absurd. Die Autorin schafft gekonnt die Waage zwischen skurriler Geschichte und inhaltlicher Tiefe zu halten.
Anfangs braucht man zwar ein paar Seiten, um in die bildhaft und eingängig beschriebene Geschichte einzutauchen und mit den Charakteren sich anzufreunden.
Mit jeder weiteren Seite lässt einem das Dorf und seine schrulligen Bewohner jedoch nicht mehr los. Im Verlauf der Handlung lernt man die wichtigsten handelnden Personen näher kennen und erhält einen näheren Einblick in ihrer Leben, die nicht frei von Schicksalsschlägen sind.
Der Roman liest sich wie ein modern anmutendes Märchen und weiß dank des leicht humorvollen Schreibstils gepaart mit interessanten Charakteren zu überzeugen.

"Nincshof" ist eine locker-leichte und humorvolle Sommerlektüre mit zwar skurrilen, aber liebenswerten Charakteren, die einem nach und nach ans Herz wachsen.
Gerne würde man nach Nincshof entfliehen, aber halt, das geht ja nicht, da es ja nicht existiert... oder doch?

Bewertung vom 14.07.2023
Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
Knecht, Doris

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe


sehr gut

Eine Frau erinnert sich - einfühlsam erzählt

"Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe" von Doris Knecht ist ein kurzweiliger, episodenartiger und fesselnder Roman über eine alleinstehende Mutter, Schwester und Tochter, die sich an einem Wendepunkt in ihrem Leben befindet.
Bewusst hervorgehoben sind im vorigen Satz ihre Rolle als alleinstehende und -erziehende Mutter, Schwester und Tochter, da die Ich-Erzählerin in ihrem Prozess der Selbstreflexion und der inneren Selbstbetrachtung sich mit Ereignissen und Erinnerungen aus ihrer Kindheit, ihrer Studienzeit und aus ihrer Zeit als Mutter von Zwillingen, konfrontiert wird.

Ein leiser Grundton zeichnet die Erzählung aus, die als Startpunkt des Erinnerns die Lebensveränderung der Ich-Erzählerin nimmt, die durch den Auszug ihrer Kinder aus dem gemeinsamen Haus, beginnt. Sie kann sich das gemeinsame Heim nicht mehr leisten und sucht sich eine neue Wohnung. Entlang des Auszugs aus dem alten Heim und dem Einzug in die neue Wohnung werden die Leser und Leserinnen Teil ihres unstetigen und teils vignettenartigen Erinnerungsstroms. Dadurch lernt man die Ich-Erzählerin als Person näher kennen, lernt welche Ereignisse sie in ihrer Kindheit und bis ins Jetzt geprägt haben und welches Verhältnis sie zu ihren Eltern und Schwestern hat. Man gewinnt hierbei dank des ausdrucksstarken Schreibstils einen vielschichtigen Eindruck von ihr und ihren Gedanken, Gefühlen und Sichtweisen. Nebenbei bekommt man auch von den anderen Charakteren einen guten Eindruck.

Jedoch fehlte es mir manchmal etwas an emotionaler Tiefe der Erinnerungen. Man erfährt zwar viel von der Ich-Erzählerin, darunter auch ein dramatisches Ereignis in ihrer Zeit als Studentin. Beim Lesen der Lektüre hatte ich jedoch zeitweise das Gefühl, dass nur an der Oberfläche gekratzt wurde und die Ich-Erzählerin mit ihren Gedanken und Gefühlen nicht so richtig greifbar wurde.
Trotz dieser leichten emotionalen Distanziertheit, entwickelte der stimmungsvoll geschriebene Roman von Beginn an eine gewisse Sogwirkung und konnte mich dank seiner Reflexion über den Erinnerungsprozess an sich, erzählt am Beispiel einer Frau, von sich überzeugen.

Bewertung vom 02.07.2023
Refugium / Stormland Bd.1
Lindqvist, John Ajvide

Refugium / Stormland Bd.1


sehr gut

Rasanter Auftakt einer neuen spannenden Thriller-Reihe aus Schweden

Der fesselnd und kurzweilig erzählte Thriller "Refugium" von John Ajvide Lindqvist beginnt mit dem Mittsommerfest der Familie Helander, das sie im Stockholmer Schärengarten mit ausländischen Gästen veranstaltet. Die Feier wird plötzlich unterbrochen, als zwei maskierte Männer mit einem Boot an ihrem Steg anlegen und alle Anwesenden erschießen. Einzig die jugendliche Tochter Astrid überlebt versteckt den Angriff.
Julia Malmros hört in ihrem Schärenhaus, in dem sie sich nach dem geplatzten Auftrag den nächsten Millenium-Roman zu schreiben, gemeinsam mit Kim Ribbing zurückgezogen hat, auch die Schüsse.
Was danach folgt, ist ein rasanter Ritt quer über den Globus, von Schweden über China nach Kuba bis auf eine norwegische Ölbohrinsel.

Erzählt aus verschiedenen Charakterperspektiven und in kurzen Kapitel, entwickelt der gut konstruierte Thriller von Beginn an eine Sogwirkung, um dann in einem packenden und wendungsreichen Finale zu enden. Mit Julia, ihrem Ex-Mann Johnny und vor allem Kim Ribbing hat der Autor interessante und vielschichtige Charaktere geschaffen. Besonders Kim ist jemand mit einer bewegenden Lebensgeschichte voller Leid und Gewalt. Seine Person erinnert an Lisbeth Salander aus den Millenium-Romanen.

Insgesamt lassen sich mehrere Anklänge an die Millenium-Reihe von Stieg Larsson erkennen und die Verbindungen, die der Autor damit hat. Denn ähnlich wie Julia in "Refugium" schrieb John Ajvide Lindqvist am nächsten Teil der Millenium-Reihe, wurde jedoch abgelehnt. Daraufhin schreibt er sein Buchmanuskript auf der Grundlage der Grundgeschichte und Hauptfiguren um und lässt eine von ihnen, eine ehemalige Polizistin, die jetzt Schriftstellerin ist, den nächsten Teil von Millennium schreiben. Da sie keine Ahnung vom Hacken hat, bittet sie den Verlag, einen Hacker-"Berater", Kim Ribbing, zu engagieren, der ihr beim Salander-Teil hilft. Aber das Buch wird vom Verlag abgelehnt und dann werden sie und der Hacker in eine witzige und verrückte Actiongeschichte verwickelt. "Refugium" ist sozusagen ein Meta-Buch, ein Buch über sich selbst.

Was mir jedoch ein bisschen gefehlt hat, war der Thriller-Aspekt der Handlung. Nach dem spannenden und blutigen Beginn, verliert die Handlung etwas an Atmosphäre und liest sich insgesamt eher als gut geschriebener Spannungsroman als den düsteren Thriller, den ich nach Lesen der Inhaltsangabe, erwartet habe. Der Spannung tut dies jedoch keinen Abbruch.

Zum Schluss wartet noch ein Cliffhanger auf die Leser*innen, der die Vorfreude auf den nächsten Band der Trilogie steigert.
Alles in allem ist "Refuqium" ein klug konstruierter sowie spannend und durchaus stimmungsvoll geschriebener Thriller, der Lust auf die weiteren Bände macht. Für Fans des Autors und der Millenium-Reihe empfehlenswert.

Bewertung vom 16.06.2023
Die Spur der Aale / Ein Fall für Greta Vogelsang Bd.1
Wacker, Florian

Die Spur der Aale / Ein Fall für Greta Vogelsang Bd.1


sehr gut

Spannend erzähltes Umweltverbrechen

In dem kurzweilig und spannend erzählten Krimi "Die Spur der Aale" von Florian Wacker folgt man der Frankfurter Staatsanwältin Greta Vogelsang, wie sie versucht, den Mord an einem Zollfahnder aufzulösen. Der tote Zollbeamte Lars Mathissen hatte Hinweise auf ein Schmugglernetzwerk, das mit Glasaalen handelte, die jedoch nicht weiterverfolgt wurden. Und jetzt schwimmt seine Leiche im Main. Kam er dem Schmugglernetzwerk zu Nahe oder steckt etwas anderes dahinter?

Dank der kurzen Kapitel und der verschiedenen Erzählperspektiven, darunter die von Vogelsang, einer jungen chinesischen Frau in Frankfurt und einem jungen Mann in Paris, entwickelt die fesselnd erzählte Krimihandlung mit dem interessanten Schwerpunkt Umweltverbrechen und international organisierter Schmuggel leicht eine Sogwirkung. Der Autor schafft es hierbei gut, die Waage zwischen persönlichen bzw. privaten Einblicken in das Leben der Protagonistin Greta Vogelsang und eine zum Ende hin deutlich an Fahrt aufnehmende Krimigeschichte zu halten.

Passend zum Thema Schmuggel im Umweltbereich, das häufig durch international agierende Netzwerke passiert, ist die Handlung an verschiedenen Schauplätzen angesiedelt und sorgt so für eine realistische und authentische Darstellung. Dasselbe lässt sich für die Charakterzeichnung besonders in Bezug auf Vogelsang sagen, die vielschichtig und glaubwürdig ist. Leider kann man dies nur bedingt für die Nebencharaktere sagen, deren Beschreibung teils etwas oberflächlich und stereotyp ausfällt.

Auch verlor der Krimi zum Ende hin etwas an Tiefe im Vergleich zum Anfang.
Zudem merkt man der Geschichte an manchen Stellen an, dass es sich um den ersten Band einer neuen Reihe handelt, wodurch manche Handlungsstränge oder mögliche Konflikte nur angekratzt werden. Jedoch schmälert dies nicht den allgemein positiven Eindruck von "Die Spur der Aale".

Ein gut zu lesender und bildhafter Schreibstil sowie eine interessante und spannende Handlung sorgen für gute Krimiunterhaltung und machen Lust auf weitere Fälle für die durchaus sympathische Staatsanwältin Greta Vogelsang.

Bewertung vom 26.05.2023
City of Dreams / City on Fire Bd.2
Winslow, Don

City of Dreams / City on Fire Bd.2


sehr gut

Rasante Fortsetzung, die die Spannung auf den letzten Band Reihe erhöht

Der spannungsgeladene, aber im Vergleich zum ersten Band etwas gemächlicher erzählte Mafia-Thriller "City of Dreams" von Don Winslow beginnt mit Danny Ryan auf der Flucht vor der Mafia in New York und dem FBI. Gemeinsam mit seinem Sohn, seinem Vater und den Resten seiner Gangsterbande macht er sich auf den Weg nach Kalifornien, um dort ein neue, ruhigeres und friedlicheres Leben ohne Blutvergießen zu beginnen. Doch das FBI ist ihm auf den Fersen und will, dass Danny ihnen einen Gefallen tut. Als in Hollywood ein Film über ihn und seine Rolle im Mafia-Krieg in New York gedreht wird, fordert er seinen Anteil ein und beginnt in das Filmgeschäft einzusteigen. Zunächst scheint alles gut für Danny zu laufen, eine neue Liebe und ein neues Leben, doch schon bald holt ihn seine blutige und kriminelle Vergangenheit ein.

Der zweite Band der Trilogie um Danny Ryan lässt nichts anbrennen, Schlag auf Schlag schreitet die Handlung voran. Erzählt wird der wendungsreiche und kurzweilige Mafia-Thriller aus verschiedenen Perspektiven, wobei der Hauptfokus jedoch auf dem Protagonisten Danny Ryan liegt. So sorgen die unterschiedlichen Blickwinkel, verschiedene Schauplätze und die kurzen Kapitel dafür, dass man gleich von der ersten Zeile an in die fesselnde Handlung hineingezogen wird und nur schwer aufhören kann zu lesen. Für ein besseres Verständnis der Handlung ist es deshalb sinnvoll, den ersten Band gelesen zu haben.
Wer den Stil von Don Winslow kennt, weiß, dass der Autor es schafft es, mit wenigen Worten und einem einfachen Schreibstil Stimmung zu erzeugen sowie ein vielschichtiges Porträt der verschiedenen Charaktere zu zeichnen. Die Charakterisierung der handelnden Personen steht diesmal auch deutlicher im Vordergrund gegenüber den für Thriller typischen actiongeladenen und blutigen Szenen. Nichtsdestoweniger schafft es der Autor gekonnt, die Spannung hochzuhalten. Lediglich zum Ende hin, überstürzen sich die Ereignisse, wodurch die Handlung etwas an Tiefe fehlt. Das Ende liest sich eher als Cliffhanger für den dritten Band, als ein überzeugender Abschluss des zweiten Bandes.

Unterhaltsam, kurzweilig und spannend – mit "City of Dreams" liefert Don Winslow eine gelungene Fortsetzung von "City on Fire" und macht Lust auf den letzten Band der Reihe um den gerissenen Danny Ryan.

Bewertung vom 26.05.2023
Der Follower / Tom-Bachmann-Serie Bd.3
Meyer, Chris

Der Follower / Tom-Bachmann-Serie Bd.3


sehr gut

Blutiger und brutaler Thriller

3,5 von 5 Sternen

"Der Follower" von Chris Meyer ist ein fesselnd erzählter Thriller rund um den „Seelenleser“ Tom Bachmann vom BKA, der nur so von Blut trieft, definitiv nichts für Zartbesaitete oder Leute mit schwachem Magen.

Schon der Anfang hat es in sich. Einer jungen Frau werden bei vollem Bewusstsein die Beine abgesägt. Bei der jungen Frau handelt es sich um Melinda, die vor allem als Influencerin auf Instagram aktiv ist. Tom Bachmann wird auf den Fall aufmerksam, als Lisa, eine alte Bekannte aus dem Kinderheim, ihn anruft, weil Melinda verschwunden ist. Schnell wird Tom klar, dass er es mit einem brutalen Serienmörder zu tun hat. Parallel zu Toms Ermittlungen, wird ein zweiter Handlungsstrang um seinen ehemaligen besten Freund Aaron erzählt, der genauso wie auch Lisa und ein paar anderen zu den Schülern seines Vaters zählten, der sie zu Profikillern ausbildete. Mehr von dieser Zeit erfährt man durch Rückblicke in die Vergangenheit.

Wer schon die ersten beiden Bände aus der Reihe um Tom Bachmann gelesen hat, weiß, auf was er sich hier einlässt. Zwar gibt es auch psychologische Analysen von Serienmördern, doch der blutige und brutale Thrilleraspekt steht deutlich im Vordergrund.
Dank des flüssigen Schreibstils, der kurzen Kapitel und verschiedener Erzählperspektiven (darunter die des Mörders), entwickelt der Thriller von Beginn an eine Sogwirkung.
Zum Ende hin überschlagen sich regelrecht die Ereignisse und das Ende lässt einen nahezu sprachlos zurück und schreit förmlich nach einem Folgeband.

Man merkt der Handlung deutlich an, dass sie mehr auf Brutalität und Schockeffekte setzt als auf inhaltlicher Tiefe sowie Plausibilität. Auch sind manche Beschreibungen der Gräueltaten an der Grenze des Ertragbaren.

Dementsprechend eher nur für Fans von Chris Meyer und der Reihe rund um Tom Bachmann zu empfehlen.

Bewertung vom 13.05.2023
Blue Skies (deutschsprachige Ausgabe)
Boyle, T. C.

Blue Skies (deutschsprachige Ausgabe)


sehr gut

Dystopischer Klimathriller und bissige Gesellschaftssatire in einem

"Blue Skies" von T. C. Boyle ist ein dystopischer Klimaroman, dessen Stärke in seiner scharfsinnigen Beobachtung sowie Charakterisierung und seinem humorvoll satirischen und zugleich dichten Schreibstil liegt.

Die Handlung spielt in der nahen Zukunft und dreht sich um Ottilie und ihrer Familie. Sie lebt gemeinsam mit ihrem Mann Frank an der ehemals kühlen und feuchten Zentralküste Kaliforniens, die jetzt eher einem Hochofen aus Hitze und Feuer gleicht. Sohn Cooper ist Entomologe und erlebt das Artensterben aus nächster Nähe. Ottilie folgt dem Rat ihres Sohnes und beginnt, Insekten als Proteinquelle zu züchten – mit gemischten Ergebnissen. Dann wäre da noch Tochter Cat lebt in Florida in einem Strandhaus, das ihr Verlobter, der eine Bacardi-Marke vertritt, geerbt hat, während sie sich bemüht, eine Influencerin zu werden. Als sie während eines sintflutartigen Regens in Florida Zuflucht in einer Tierhandlung sucht, sieht sie eine schöne Python und kauft sie, um ihre Online-Präsenz zu verbessern, nichts ahnend, dass ebenjene Schlange eine Kette von Ereignissen in Gang setzen wird, von der kein Familienmitglied verschont bleiben wird.

Erzählt wird die fesselnde Geschichte, die Familiendrama, Klimathriller und tragikomische Satire in einem ist, aus den Perspektiven verschiedener Familienmitglieder und ist in zwei geografisch und klimatisch unterschiedlichen Regionen, Kalifornien und Florida, angesiedelt. In Florida kommt es häufig zu heftigen Stürmen mit viel Regen. Doch nicht nur das Wetter spielt verrückt, auch die Insektenwelt. Die Insekten sind inzwischen so groß wie Hamster und werden immer mehr zu einer Plage. Kalifornien hingegen wird von Hitze, Dürren und trockenen Winden heimgesucht, die zu vernichtenden Bränden führen.
Hierbei schafft es der Autor gekonnt eine scharfe und satirische Gesellschaftsanalyse mit dem Thema Klimawandel zu verbinden, ohne dass das eine auf Kosten des anderen passiert. Lediglich an manchen Stellen driftet er zu sehr ins Wissenschaftliche in Bezug auf Klima und Insekten ab, was den ansonst flüssigen Handlungsverlauf etwas ins Stocken geraten lässt.

Zudem ist das Buch nichts für schwache Nerven. Nicht nur die Natur und das Wetter haben es in sich, auch was alles der Familie widerfährt, ist nicht ohne. Zartbesaitete in Bezug auf Ungeziefer und Tragödien sollten besser die Finger von "Blue Skies" lassen. Auch muss man den schwarzen Humor mögen.
Wer jedoch einen etwas anderen dystopischen Klimaroman lesen will, der sich durch eine leicht zynische und vielschichtige Charakterzeichnung und außergewöhnlichen Handlung auszeichnet, der wird von "Blue Skies"nicht enttäuscht werden.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.