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Insgesamt 54 Bewertungen
Bewertung vom 06.11.2021
Ungeborene Hoffnung
López, Elodie

Ungeborene Hoffnung


sehr gut

In dem Buch „Ungeborene Hoffnung“ hat Elodie López ihre bisherige Lebens- und Leidensgeschichte verarbeitet. Sie und ihr Mann Egar sind ein junges, modernes, glückliches Paar, das sich ein Kind wünscht. Leider klappt dies über viele Jahre hinweg nicht und sie müssen sich mit dem Thema Unfruchtbarkeit auseinandersetzen. Um ihren Schmerz zu verarbeiten, teilt sie zuerst in einem Blog und später in diesem Buch unverblümt und ungeschönt ihre Gefühle, Bemühungen und Enttäuschungen. Und auch, wie sehr die Unfruchtbarkeit die Beziehung belastet, wird thematisiert.
Als Betroffene finde ich es enorm wichtig, dass es solche Berichte gibt. Einerseits um anderen Betroffenen Mut zu machen und, noch wichtiger, zu zeigen, dass negative Gefühle, Neid, Ablehnung und Unverständnis durch das Umfeld in so einem Fall dazugehören und man sich nicht dafür schlecht fühlen sollte. Zum anderen ist es wichtig, Nichtbetroffene für dieses noch immer tabuisierte Thema zu sensibilisieren. Niemand scheint sich vorstellen zu können, dass die „einfachste Sache der Welt“ manchmal eben doch nicht so einfach ist. Und wenn man sich einmal mit dem Thema beschäftigt, stellt man fest, dass die Zahl der betroffenen Paare doch deutlich höher ist als gemeinhin angenommen. Nur hört man davon selten etwas.
Ich wünsche mir, dass das Buch einen weiten Leserkreis findet. Wichtiger als ungewollt Kinderlose sind hier eigentlich diejenigen, die sich bisher nicht mit Kinderlosigkeit auseinandergesetzt haben.
Für mich persönlich hatte das Buch ein paar Schwächen. An manchen Stellen war es mir zu sehr zusammengefasst, da hätte ich mir mehr Tiefe gewünscht. Auch bei den medizinischen Beschreibungen hätte ich mir mehr gewünscht. Sicher, ich kenne all die kleinen Details, aber für einen Außenstehenden könnte es dennoch so wirken, als wäre eine künstliche Befruchtung kein sonderlich großer Aufwand. An dieser Stelle ist einiges Potential verschenkt worden. Grundsätzlich ist es jedoch ein sehr lesenswertes Buch.

Bewertung vom 27.10.2021
Das Zeitalter der Drachen
Nuyen, Jenny-Mai

Das Zeitalter der Drachen


ausgezeichnet

Wieso haben die Drachen ständig schlechte Laune?
Jenny-Mai Nuyen entführt uns in eine Welt, die von Zwergen, Elfen und Menschen bevölkert wird. Und dann gibt es da noch eine Handvoll Drachen, die die Zweibeiner terrorisieren, weil sie regelmäßig die von „Geisterschatten“ Befallenen als Opfer verlangen. Niemand weiß genau, was diese Geisterschatten sind. Niemand weiß, wen es als nächstes trifft.
Als Nireka vom Zwergenvolk an Geisterschatten erkrankt, beschließt sie, zu fliehen und ihr Volk so vor der Belagerung durch den Drachen zu schützen. Auf ihrer Flucht stößt sie auf einen unbewohnten Turm im Meer und erweckt dort unwissentlich einen Drachen – Aylen – nach über 300 Jahren aus seinem Ei. Einen Drachen, der es sich zum Ziel gesetzt hat, niemals eine Person zu fressen und die anderen Drachenbestien zu besiegen. Nireka verbündet sich mit diesem Drachen und dient ihm, wie in den alten Zeiten üblich, als Quelle seiner Kraft. Während die beiden gemeinsam unterwegs sind und in Kämpfe verwickelt werden, wird Aylens Geschichte in langen Rückblenden erzählt.
Ich mochte die Geschichte, sie ließ sich gut lesen und trotz kleinerer Längen ist es mir nie schwergefallen, das Buch erneut zur Hand zu nehmen. Die Idee, wie die Autorin mit dem Thema Unsterblichkeit umgegangen ist, hat mir ebenfalls gut gefallen. Die Charaktere sind anschaulich beschrieben und vielschichtig, niemand kann klar der guten oder bösen Seite zugerechnet werden, und es gibt einige Wendungen, die mich überrascht haben.
Was mich jedoch wirklich deprimiert hat, war die Tatsache, dass sich die (traurigen) Geschehnisse zwischen Menschen und Drachen (wer ist Unterdrücker, wer der Unterdrückte?), die die Geschichte um Aylen in Gang gesetzt haben, im Grundsatz am Ende wiederholen, obwohl Aylen und Nireka Besseres im Sinn gehabt haben. Wenn jeder ein bisschen zurückstecken würde, kämen doch alle besser dabei weg, oder? Aber das ist ja in der heutigen Zeit leider auch nicht anders, da ähneln wir uns wohl...

Bewertung vom 14.10.2021
Nachtschattenwald. Auf den Spuren des Mondwandlers
Tordasi, Kathrin

Nachtschattenwald. Auf den Spuren des Mondwandlers


ausgezeichnet

„Nachtschattenwald“ von Kathrin Tordasi ist ein tolles Buch!

Mich hat die Geschichte von der ersten Seite an mitgenommen. Angesiedelt ist sie ein paar Jahrzehnte in der Zukunft. Alles ist grün, die Natur hat sich erkennbar ihr Recht genommen und ihren Lebensraum zurückerobert. Offenbar wächst alles schneller als wir es kennen.
Aufgrund dessen leben die Menschen in kleinen Kommunen zusammen und sind wieder zu Selbstversorgern geworden. Zwischen den einzelnen Kommunen gibt es wenig Kontakt – Straßen, Brücken, Gleise: alles überwuchert; Computer, Telefon, Internet: funktionieren nicht mehr. Strom ist jedoch vorhanden (und wird aus ökologischen Quellen gewonnen).
In dieser Welt lebt der 12jährige Finn. Er hält sich gern draußen auf, weiß aber auch um die Gefahren des Waldes: denn nachts schleicht der Nachtwandler im Wald herum und verschleppt all die Menschen, die nicht rechtzeitig zum Einbruch der Dunkelheit zu Hause sind. Die Erwachsenen behaupten, er versetze sie in einen immerwährenden Schlaf. Ein Mythos, um rebellische Kinder unter Kontrolle zu bringen, oder die traurige Wahrheit?
Tatsache ist, dass immer wieder Menschen spurlos verschwinden. Und auch Finn hat einen Verlust zu verkraften: Vor sechs Jahren war er mit seiner älteren Schwester Hannah im Wald unterwegs gewesen, als sie vom Einbruch der Dunkelheit überrascht worden sind. Hannah hat dafür gesorgt, dass Finn sicher in einer Baumhöhle versteckt war, während sie selbst sich ein anderes Versteck suchen wollte. Sie verschwand in dieser Nacht, die Suchaktion am nächsten Tag blieb erfolglos. Ist sie in die Fänge des Mondwandlers geraten?
Nach einem Überfall auf den Garten seiner Oma geraten Finn und seine beste Freundin Samira in Kontakt mit den „Elstern“, einer Gruppe Jugendlicher, die abgeschieden von den Kommunen leben, und, so scheint es auf den ersten Blick, keine Lust auf die allgemeinen Regeln haben. Tatsächlich wollen die Elstern die Gleichgültigkeit der Erwachsenen gegenüber dem Mondwandler nicht länger hinnehmen und arbeiten an einem Plan, das Lager des Mondwandlers aufzuspüren und zu vernichten. Dafür brauchen sie Finns Hilfe, der offenbar als Einziger in der Lage ist, eine Art biologischen Kompass, der auf die Fährte der Bestie führt, zu benutzen. In Finn wächst der Wunsch, Hannah zu finden, aber mit der Zerstörung des Mondwandler-Lagers ohne vorherige Befreiung der Nachschwärmer ist er nicht einverstanden. Also machen sich Finn und Samira in Begleitung einer abtrünnigen Elster allein auf den Weg in den Nachtschattenwald. Und dort entdecken sie ein großes Geheimnis...
Der Schreibstil ist klar und flüssig, aber dennoch sehr plastisch. Die Autorin schafft es wunderbar, dem Leser die gleiche Gänsehaut den Rücken emporkriechen zu lassen, die auch Finn spüren muss, wenn er nachts im verbotenen Wald steht und das Knarzen, Knacken und Knurren einordnen muss. Die Charaktere sind einfühlsam beschrieben und entwickeln sich im Laufe der Geschichte nachvollziehbar weiter. Finn zweifelt immer wieder an sich und seinen Fähigkeiten – in Momenten der Not wächst er jedoch über sich hinaus.
Als die Kinder das Geheimnis des Mondwandlers aufdecken, habe ich kurz gezögert, ob ich den Fortgang der Geschichte mag – einfach weil die Wendung so unerwartet und überraschend war. Aber eigentlich ist die Wendung genial und ich bin restlos begeistert! Und sie wirft so viele Fragen auf: Wer ist denn nun das Monster? Wessen Rechte stehen höher? Es geht um Vieles in diesem Buch – Freundschaft, Verrat, Mut und Selbstüberwindung, aber auch die großen Themen Klimawandel, Umweltzerstörung und Umweltschutz. Die Auflösung des Rätsels hält eine breite Palette an Denkanstößen bereit. Kathrin Tordasi ist eine spannende Mischung aus Abenteuer-, Dystopie- und Science-Fiction-Roman mit klarer Leseempfehlung gelungen. Schade, dass sich durch die Zielgruppe ab 10 Jahre sicher nicht so viele erwachsene Leser finden werden, wie das Buch eigentlich verdient hätte.