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Benutzername: 
Frie
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Hamburg
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Leseratte

Bewertungen

Insgesamt 65 Bewertungen
Bewertung vom 16.01.2022
Alte Sorten
Arenz, Ewald

Alte Sorten


gut

Die neuere deutsche Literatur ist nicht arm an Beschreibung des dörflichen Lebens. Neben Hansen, Hermann und Zeh, um nur einige zu nennen, es hat sich auch Arenz mit dem Thema beschäftigt. Warum sollte man auch 'alte Sorten' lesen?
Mit schöner Sprache beschreibt Arenz die Natur und Umgebung: ..flimmerte die Luft über dem Asphalt. ....sah aus wie Wasser, ... Sommerwasser. Man konnte es nur mit den Augen trinken.
Aber richtig Zeit verwendet er auf seine zwei Protagonistinnen:
zwei auf den ersten Blick sehr unterschiedliche Frauen, Liss und Sally, treffen aufeinander. Die eine betreibt einen Hof und betäubt sich mit Arbeit; die andere ritzt sich, um etwas zu spüren zwischen Kliniken, Therapeuten und Eltern, denen der Zugang zur Tochter fehlt.
Sehr langsam nähern sie sich an einander an, lernen Blicke, Gesten und Reaktionen lesen und finden beieinander etwas, dass sie sonst bei niemandem gefunden haben.
Und die Beiden, obwohl sie lange keine Kraft für sich selbst hatten, übernehmen Verantwortung für die Andere. Das Leben wird dadurch nicht schwerer, sondern leichter.
Wer Bücher mag, die sich Zeit nehmen, schöne Worte für Natur und Tätigkeiten finden und wer die Jugendsprache von Sally aushalten kann, der wird diese Geschichte mögen. Der Schreibstil ist gut lesbar und die Geschichte kann man in ein paar Jahren bestimmt erneut für sich entdecken.
Das schöne Cover passt m.E. nur mäßig zum Inhalt. Vermutlich gehen potentielle LeserInnen im Buchhandel daran vorbei. Von mir gibt es 4 Sterne.

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Bewertung vom 16.01.2022
Unter der Drachenwand
Geiger, Arno

Unter der Drachenwand


gut

Das Cover mit einem Bild aus dem Bestand des Autors nimmt keinerlei Bezug zum Hauptort des Geschehens, einem kleinen Ort am Mondsee. Das Buch ist hoch gelobt, das kann man nur in Teilen verstehen.
Aus Briefen vom Flohmarkt entwirft Geiger Geschichten um diese Menschen herum, die es zum Teil wirklich gab. Das ist grundsätzlich eine gute Idee. Wir erhalten Einblicke in verschiedene Leben des Jahres 1944 und es sind zum Teil erschütternde Schicksale. Daraus hätte ein tolles Buch werden können.
Leider kommt man den Figuren nicht nahe. Oft ist für den Leser gar nicht klar, warum es zu welcher Handlung kommt. So fehlt es für mich selbst beim Haupt-Akteur, Veit, an der Nachvollziehbarkeit seines Tuns. Dadurch bleibt das Buch oberflächlich und in Teilen nebulös. Phasenweise war es geradezu zäh. Wenn nicht immer wieder zwischendurch so bitter beeindruckende Sätze wie: 'Gott schütze uns vor dem, was der Mensch aushält' eingeflochten wären, hätte ich vielleicht aufgehört zu lesen.
Trotz allem gelingt es Geiger, die Atmosphäre dieser Zeit einzufangen. Das ist die Stärke des Buches.
Das war nicht mein erstes Buch von Geiger, meine Erwartung eher hoch. Dieses Buch hat sie nur in kleinen Teilen erfüllt, so werden es nur 3 Sterne.

Bewertung vom 09.12.2021
The Lie in Your Kiss / Die Hüter der fünf Jahreszeiten Bd.1
Ocker, Kim Nina

The Lie in Your Kiss / Die Hüter der fünf Jahreszeiten Bd.1


sehr gut

Zunächst hält man ein dickes Buch mit einem farbenfrohen Einband in der Hand. Im Buch geht es um Jahreszeiten, die man auf dem Cover mit gutem Willen erkennen kann. In der Hauptsache ist es eine Art Herz und viel Rot.
Eine tolle Geschichte hat sich die Autorin ausgedacht. Mächtige Familien aus verschiedenen Ländern sind Hüter der Jahreszeiten. Zwischen den Familien geht es um Macht und Machterhalt; alle stehen in Konkurrenz. Es taucht eine weitere Familie auf, die in diesem Reigen eine Rolle hatte und von den anderen Familien aber vor langer Zeit um diese Stellung beraubt und im Anschluss vernichtet wurde. Dieser Vernichtung sind  ein paar Familienmitglieder entkommen und die Nachfahren fordern nun ihren Platz ein. Bloom, die Protagonistin gerät zwischen die Fronten und muss sich entscheiden, zu wem sie hält. Nicht immer sind ihre Handlungen und Reaktionen nachvollziehbar, so dass ich sie zum Teil mit Distanz betrachtet habe. Sie hatte zu Beginn des Buches in ihrer Familie eine bestimmte Rolle, die im Verlauf des Buches unlogisch wird.
Grundsätzlich ist  die Geschichte flüssig geschrieben und hält viele Wendungen bereit. Da nicht alles vorhersehbar ist, bleibt es immer spannend. Das Ende hat mir nicht gefallen, da vieles offen ist.
Ärgerlich ist, dass das Lektorat viele Doppellungen (zum Teil wortgleich) nicht entfernt hat. 
Zusammenfassend vergebe ich trotz des wirklich tollen Plots nur 4 Sterne, wegen der Wiederholungen und des offenen Endes.

Bewertung vom 05.12.2021
Gelassen leben
Middendorf, Katharina

Gelassen leben


sehr gut

Ein recht unscheinbarer Einband und ein schönes, quadratisches Format. Das fällt als erstes auf, wenn man das Buch in der Hand hält. Es ist sehr abwechslungsreich gestaltet und es macht Spaß, die Inhalte so aufzunehmen. Schön, dass es 'gelassen leben' heißt und erst in der Subline das Thema Achtsamkeit kommt. Katharina Middendorf hat viele Schicksalsschläge im Leben erlitten und ist mit ihrer Expertise sicher eine gute Autorin für dieses Buch.
Inhaltlich kommt man als Leser an nahezu allen Themen vorbei, die mit dem Titel in Zusammenhang stehen. Dadurch, das viele Themen den gleichen Raum bekommen, fehlt es gelegentlich an Tiefe. Der Ratgeber ist eher ein Lexikon.
Aber, ich habe einige Ideen gefunden, von denen ich zuvor noch nichts gehört hatte. Auf jeden Fall hat sich das Lesen für mich gelohnt.
Das Buch werde ich sicher noch mal lesen, da Details ob der Fülle der Gedanken doch mal untergehen.
Für jemanden, der sich noch nie mit dem Thema beschäftigt hat ist das Buch auf jeden Fall gut und evtl. zu umfangreich. Jemand mit ersten Erfahrung findet sich noch Ideen.
Aus meiner Sicht ist der Verweis auf vertiefende Literatur viel zu knapp geraten. Von den 9 Empfehlungen sind zwei eigene der Autorin dabei. Das hätte ich mir bei einem Buch von Stiftung Warentest anders gewünscht.
Wegen der vielen kleinen Übungen zu den Themen gibt es dann trotz Kritik noch 4 Punkte.

Bewertung vom 13.11.2021
Mitte / Kat Menschiks Lieblingsbücher Bd.11
Kutscher, Volker

Mitte / Kat Menschiks Lieblingsbücher Bd.11


sehr gut

Ich gebe zu, dass ich nicht schwer zu überzeugen bin, wenn Volker Kutscher etwas Neues für das 'Gereon Rath Universum' schreibt, was von Kat Menschik illustriert und bei Galiani veröffentlicht wird. Zudem spielt meine Lieblingsfarbe orange bei der grafischen Ausgestaltung eine große Rolle.
Fritz, Friedrich Thormann, musste untertauchen und arbeiteten als Friedrich Hutzke bei einem Kohlenhändler in Berlin. Dabei trifft er unerwartet auf jemanden aus der nahen Vergangenheit, dem er besser nicht begegnet wäre. Leider verhält er sich unangemessen und löst damit einen dramatischen Verlauf aus.
Das alles erfahren wir aus Briefen, die Fritz an seine ehemalige Pflegemutter Charly Ritter und seine Verbündeten aus der Jugend, Hannah, schreibt. Das Buch besteht ausschließlich aus diesen Briefen und der Verlauf der Handlung ergibt sich daraus.
Ich denke, dass man das Buch auch ohne Vorkenntnisse lesen kann, da Fritz in seinen Briefen viele Rückblenden macht. Das hemmt für mich etwas den Lesefluss. Auch fällt es mir schwer, der jugendliche Ausdrucksweise zu folgen.
Gestalterisch ist das Buch klasse, die Geschichte überzeugt mich nicht ganz. Deshalb gebe ich 4 Sterne und empfehle das Buch den Fans vom Team Kutscher/Menschik.

Bewertung vom 13.11.2021
Wahi - süß, sauer, salzig, scharf
Wahi, Alex

Wahi - süß, sauer, salzig, scharf


ausgezeichnet

Ich wäre an diesem Buch im Laden vorbei gegangen; ich hätte kein Kochbuch vermutet und mir sagte Wahi nichts. Das hat sich nun geändert. Nachdem ich das Buch in einer Lesechallange leider nicht gewonnen hatte, aber einen Teil der Rezepte für eine Kurzrezension schon lesen durfte, möchte ich den Rest meines Lebens nicht ohne das Buch verbringen. Und das ist richtig so. Die Rezepte, die Anleihen auf der ganzen Welt nehmen, sind übersichtlich gegliedert: ein kurzer Abriss zum Hintergrund der Speise, die Zubereitungszeit, Personenzahl, und Einkaufsliste. Der Kochablauf ist nachvollziehbar beschrieben.  Fast immer gibt es einen Tipp für die Zubereitung. Zu jedem Rezept gibt es ein sehr ästhetisches Photo.
Die ersten Ergebnisse sind schmackhaft und zum Teil schon ein zweites Mal gekocht. Es gibt massenhaft Post-it für die nächsten Mahlzeiten.
Besonders angenehm ist, dass es alles Zutaten sind, die man im Laden einfach so kaufen kann. Nichts dabei was im gepflegten Einzelhandel für fragende Gesichter sorgt oder was man im Internet bestellen müsste. Sehr gut finde ich auch, dass viele Rezepte ohne Fleisch auskommen.
Ich kann das Kochbuch nur empfehlen und vergebe mit Begeisterung 5 Sterne.

Bewertung vom 11.11.2021
Wir sind schließlich wer
Gesthuysen, Anne

Wir sind schließlich wer


gut

Warum sich Anne von der Haushälterin und ihrer Schwester so schlecht behandeln lässt ist unklar. Genauso unklar bleibt, warum  eine Pastorin ihren Gebeten nicht traut und eigentlich keine Zeit für ihre Gemeinde hat.
Warum die Schwester und die Haushälterin plötzlich einen Sinneswandel vollziehen,  ergibt sich nicht aus dem Verlauf der Geschichte. Der Leser staunt also.
Anna von Betteray, Pastorin, geschieden mit Hund lässt alles stehen und liegen, um ihrer Schwester in der Not zu helfen. Das Verhältnis zwischen den beiden wird auch in Rückblenden beleuchtet. Es wird viel Wert auf die Beschreibung der Unterschiede zwischen beiden gelegt; das wirkt zum Teil konstruiert. Anne wird zu einer Art Ermittlerin, um das Verschwinden ihres Neffen aufzuklären. Ein Hauch einer Romanze mit dem frisch getrennten Polizisten darf nicht fehlen.
Was will es nun sein, eine Familiengeschichte,  ein Liebesroman, ein Krimi oder eine Geschichte vom Leben auf dem Land. Der Roman soll im Heute spielen,  hat aber viele Themen,  die wie in den spießigen 50ern daher kommen.
Ich hatte mir mehr erhofft. Auch das Cover lässt mehr erwarten , als der Roman halten kann.
Wegen des flüssigen Schreibstils gibt es noch 3 Sterne. 

Bewertung vom 07.11.2021
Every (deutsche Ausgabe)
Eggers, Dave

Every (deutsche Ausgabe)


gut

Ich hatte den Vorläufer 'the circle' gelesen und war ganz beeindruckt von der Geschichte. Deshalb hab ich mich sehr auf das 2. Buch zu diesem Thema von Eggers gefreut. Es handelt sich um eine Art Fortsetzung. Im neuen Buch geht es darum, dass Delaney 'Every', den Nachfolger von 'the circle', von innen zerschlagen will. Das will sie erreichen, indem sie absurde 'Verbesserungs' Vorschläge macht mit der Erwartung dass, die Nutzer sich wehren, weil dadurch ihre Freiheiten eingeschränkt werden. Tatsächlich ist es so, dass die neuen Apps und Weiterentwicklungen kaum auf Widerstand stoßen. Sie wechselt mehrfach die Abteilung und überall macht sie 'unbemerkt' Vorschläge, die immer aufgegriffen und umgesetzt werden. Als Leser fragte ich mich irgendwann, warum das so lange niemand durchschauen soll, dass diese Vorschläge am Ende alle von ihr sind. Tatsächlich kommt man Delaney aber auf die Schliche.
Weltweit kommt es zu erheblichen  Einschränkung der Freiheit, die Delaney mit zu verantworten hat, weil diese Vorschläge von ihr ausgegangen sind.
Obwohl sie wohl eine gescheiterte Heldin  sein soll, hat sie mit ihrem Verhalten bei mir zunehmend Antipathie geweckt.
Der Zweck heiligt eben nicht immer die Mittel. Sie hat den Bogen überspannt.
Das Buch endet dystopisch und lässt wenig Hoffnung für unsere Zukunft.
Ich persönlich glaube, dass diese Situation so nicht eintreten wird, weil viele Menschen dem 'Charme' der Technik nicht in diesem Maße verfallen werden.
Es sind einige Tage vergangen, bevor ich diese Rezension veröffentliche und ich stelle fest, dass das Buch bei mir keinen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Ich finde die Geschichte an vielen Stellen zu langatmig  zB die Wiederholung mit den verschiedenen Abteilung, die durch Delaney aufgesucht werden, sind einfach zuviel. Abschließend kann ich dem Buch, weil es sich einfach zieht und mir die Handlung zu unwahrscheinlich erscheint, maximal 3 Punkte geben und es nur Fans von Teil 1 und von Eggers empfehlen.

Bewertung vom 27.10.2021
Der Flug des Raben
Wagamese, Richard

Der Flug des Raben


ausgezeichnet

Ich wusste schon vorher, dass mir das Buch gefallen würde, als ich den Text auf dem Buchdeckel las. Aber es ist viel mehr: die Geschichte hat sich in meine Seele geschlichen. Es ist, als hätte ich das alles verstanden, als hätte ich das gelernt, gefühlt, gewusst.
Was für ein Erzähler, der uns an dieser teilweise biografischen Geschichte teilhaben lässt. Am liebsten würde ich mich mit meinem Kanu auf die innere Reise auf die andere Seite des Sees machen um mit Leinen und Tabak meine Dankbarkeit für meinen Lebensweg zu zeigen.
Es ist uns schon einiges verloren gegangen in den letzten Jahrhunderten in Bezug auf die Verbindung zur Natur.
Die Geschichte ist voll witziger Anekdoten und ich bedauere zutiefst, dass ich keinen Indianer im Freundeskreis habe. Auf jeden Fall können sich in der Familie Raven die Menschen gut selbst auf die Schippe nehmen. Garnet Raven und Richard Wagamese ziehen in mein Regal ein und werden für immer bleiben. Der Einband hat Bezug zum Inhalt und spricht mich mit seiner ruhigen Ausstrahlung an.
Auch wenn ich jetzt 5 Punkte vergebe, möchte ich nicht mit jedem darüber sprechen- es ist doch mein Buch.... Es wird wie eine Adlerfeder überreicht, als etwas Besonderes.

Bewertung vom 25.10.2021
Stell dir vor ...
Hopkins, Rob

Stell dir vor ...


ausgezeichnet

Als erstes fällt das schöne Cover auf. Stilisierte Pflanzen in kreisrunden Ausschnitten ziehen das Cover und die Startseiten der jeweiligen Kapitel.
Das Buch könnte komplett in den biologischen Kreislauf zurückgeführt werden. Schon das ist ein Statement.
Der Autor ist ein wichtiger britischer Umweltschützer, der mit diesem Buch eine Fülle von Informationen zusammengetragen hat.
Das Buch gliedert sich in neun Kapitel und wirft die Frage auf, was wir alles erreichen könnten,  wenn wir unsere Fantasie wieder gebrauchen.
Viele Querverweise sind in den Anmerkungen am Ende des Buches zu finden. Das Lesebändchen hat mich sehr gefreut.
Jedes Kapitel ist umfangreich recherchiert, oft war der Autor vor Ort um sich selbst ein Bild von Initiativen zu machen. Vom ein- oder anderen Ansatz hat man schon mal gelesen,  aber noch nie habe ich so viele Projekte an einer Stelle gebündelt gefunden.
Zum Teil ist man fast überfordert von der Anzahl. Aber sofort fragt man sich, warum das alles nicht viel weitere Kreise zieht und im eigenen Umfeld auch gemacht wird.
Es ist eines jener Bücher, bei welchem man nach dem Lesen nicht mehr sagen kann: das hab ich nicht gewusst oder das geht nicht.
Es ist beflügelnd, weil so tolle Sachen dabei rauskommen,  wenn Menschen die Gelegenheit erhalten, ohne Schranken denken zu dürfen.
Ich habe schon die erste Idee, was ich in meiner Umgebung ändern möchte und wie ich es starten kann.
Ein wichtiges Buch und eine klare 5 Punkte Leseempfehlung.