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Gurke
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Berlin

Bewertungen

Insgesamt 158 Bewertungen
Bewertung vom 15.02.2014
Der Sandmann / Kommissar Linna Bd.4
Kepler, Lars

Der Sandmann / Kommissar Linna Bd.4


sehr gut

Ein junger Mann stolpert auf einer Eisenbahnbrücke im Schneegestöber durch die Nacht. Er ist abgemagert, verwahrlost und mit der Legionärskrankheit infiziert. Trotzdem ist er in dem Moment der glücklichste Mensch auf der Welt, denn er entkam seinem Peiniger - dem Sandmann mit den Porzellanfingern! Die Polizei kann es gar nicht glauben, als sie die Personalien des Gefundenen aufnehmen, denn dieser wurde vor 13 Jahren, als er gemeinsam mit seiner Schwester Felicia in die Fänge des Serienkillers Jurek Walter geriet, für tot erklärt. Joona Linna ist es zu verdanken, dass Schwedens schlimmster Killer unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen bis zum Lebensende wegsperrt wird, denn er hat ihn damals auf frischer Tat ertappt. Seit jener bedeutenden Nacht ist Joona der Meinung, dass Jurek einen Komplizen haben musste, doch die Spur wurde nicht greifbar. Hat der Killer mit Mikael Kohler-Frosts Flucht einen Fehler begangen oder war es ein perfider Plan, um ein viel größeres Ziel zu erreichen?

Das Autorenduo Lars Kepler hat mit ihrem neuesten Krimi ganz tief in Spannungs-Trickkiste gegriffen, denn dieses Buch strotzt nur so vor Tempo und unterschwelliger Angst, die in Jureks psychiatrischen Abteilung natürlich eine hervorragende Nahrungsquelle geliefert bekommt. Nachdem Mikaels Auftauchen die Hoffnung schürte, dass Felicia auch noch lebend gefunden wird, schleußt die Polizei mit Saga eine verdeckte Ermittlerin in die Nähe von Jurek ein, um das geheime Versteck zu erfahren. Dieses Unterfangen entwickelt sich zu einem echten Nervenspiel, weil der Patient eine ungeheure Macht mit seinen Worten auf die Umgebung ausübt, wodurch es den Ärzten verboten ist mit ihm zu kommunizieren. Die zwischenmenschlich Zwangsgesellschaft ist durch die Unerfahrenheit der medizinischen Mitarbeiter wie ein perfekt konstruierter Psychothriller geladen und geprägt von gefährlichen Situationen, die selbst eine ausgebildete Gesetzeshüterin in die Bredouille bringen. Beide Gegenspieler werden sehr stark charakterisiert, da sie von ihrer Raffinesse auf einer Ebene stehen und sich ihr kleiner unterschwelliger Machtkampf immer weiter hochschaukelt, sodass wir Leser völlig gefangen von den beiden Parteien sind – ähnlich wie bei „Die Schöne und das Biest“.

Dem gegenüber steht die Hetzjagd in der Weite Schwedens nach dem Versteck, was wie die berühmte Nadel im Heuhaufen anmutet. Joona Linna zeigt hier, wie brilliant sein Gedächtnis arbeitet, wobei aber auch seine Menschlichkeit nicht zu kurz kommt, schließlich war Jurek der Grund für den inszenierten Tod an seiner Familie. Diese Details, die helfen den Protagonisten in seinem Handeln zu verstehen, werden immer wieder gelungen eingeflochten, sodass man auch Kenntnisse der Vorgänger prima mitfiebern kann.

An den Schreibstil im Präsens musste ich mich nur kurz gewöhnen, weil die Kapitel angenehm kurz waren, flog ich ohnehin durch die Seiten. Zum Finale im letzten Viertel des Krimis erleben wir dann eine wahres Feuerwerk an Szenen, die sich durchaus in einem Actionfilm finden würden. Der Effekt wird leider durch viele Ungereimtheiten getrübt, die sich zum Ende hin häufig aneinanderreihen und in der Masse unangenehm auffallen, dafür ziehe ich einen halben Stern ab, weil Unlogik ein ziemlicher Spannungskiller sein kann.

Der obligatorische Cliffhanger verfehlt die Wirkung nicht, wenngleich sich zeigen wird, wie gelungen sich die Andeutung aufklärt. Ich mag kurz nach dem Erscheinen von „Der Sandmann“ gar nicht mehr auf die Fortsetzung erwarten, denn der Sog hält auch jetzt noch an!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.02.2014
Öffne die Augen / Lucie Henebelle Bd.3
Thilliez, Franck

Öffne die Augen / Lucie Henebelle Bd.3


gut

„Man kann keinen Ort aufsuchen oder von ihm fortgehen, keinen Raum betreten oder verlassen, ohne etwas von sich dorthin mitzunehmen und dort zurückzulassen und ohne etwas von dort mitzunehmen.“ (S.228)

An diese Locard'sche Regel klammern sich die französischen Ermittler in einem besonders schwierigen Fall, bei dem der Täter nahezu vom Erdboden verschluckt ist und der Beginn seiner Mordserie rund ein halbes Jahrhundert in der Vergangenheit liegt. Die Rede ist von einem perfiden Mörder, der die Gehirne und die Augen seiner Opfer mit chirurgischer Perfektion entfernt und ihnen danach die Hände abhackt, um eine Identifizierung möglichst zu verhindern. Die aktuellen fünf toten Männer, welche in einer Baustelle verschart wurden, sind aber nicht das einzige Problem, denn derzeit ist ein Fim im Umlauf, der von ungeheurem Interesse für zwei Unbekannte ist, die dafür sogar über Leichen gehen. Dieses Video wurde lange Zeit in einer privaten Sammlung gehütet, doch nach dem Tod des Besitzers günstig veräußert. Der Käufer erblindete nach der Sichtung und warnt vor den verstörenden Bildern. Kann eine unbeschriftete Filmrolle wirklich diesen Effekt auslösen und in welcher Verbindung stehen die gehirnlosen Leichen?

Nach dem Klappentext habe ich auf ein Revival der „The Ring“ Filme gehofft, bei denen wie hier auch die Aufnahmen eines kleinen Mädchens zu dramatischen Folgen führen. Im Endeffekt ist der Film zwar im Fokus des Thriller, aber auf eine ganz andere Art, die viel eher mit Verschwörungstheorien in Bezug auf den Inhalt in Zusammenhang stehen, statt mit gesundheitlichen Folgen für die Betrachter. Filmfans werden aber von „Öffne die Augen“ begeistert sein, da der alte Stummfilm von allen Seiten untersucht wird und für die 50er Jahre über ganz erstaunliche Effekte verfügt, die selbst mich als Laien mit der Kraft der beschriebenen Bilder fesseln konnten. Der Buchtrailer auf der Verlagsseite hat diese Szenen sehr eindrucksvoll zum Leben erweckt.

Interessant ist zu erwähnen, dass der Autor schon vorher mit beiden Protagonisten Krimis bzw. Thriller veröffentlich hat und dieses schon 2012 erschienene Werk der erste gemeinsame Fall der beiden ist. Lucie Hennebell ist Zwillingsmutter und auf den ersten Blick der gute Cop mit viel Sympathiepotenzial, die aber auch ihre dunklen Geister der Vergangenheit trägt. Dagegen ist Sharko, Profiler mit shizophrenen Zügen, ruppiger und verschlossener, sodass seine Selbstgespräche mit der eingebildeten Eugenie merkwürdig und zum Teil störend wirken.

Der Schriftsteller wollte sich mit der komplexen Geschichte, die sogar erschreckenderweise auf wahren Begebenheiten beruht, selbst übertreffen, was ihm auch in dieser Form gelungen ist. Für meinen Geschmack ist er damit über das Ziel hinausgeschossen, obwohl der Schreibstil und die Idee mitreißen könnten! „Öffne die Augen“ ist eine Mischung aus Dan Brown und Jean-Christophe Grangé, aber leider ohne die Horrorfilm-Zutaten, die auf dem Klappentext versprochen werden.
In Sternen ausgedrückt würde ich gute 3,5 Sterne vergeben, weil Franck Thilliez eine geschickt konstruierten Plot erschaffen hat, der aber leider zu viel verschiedenen Input gab und durch die Jagd um den Globus und den politischen Wirbel im Mittelteil die Spannung nicht durchhalten konnte.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.02.2014
Der Ruf des Kookaburra
Leuze, Julie

Der Ruf des Kookaburra


ausgezeichnet

Emma Scherer fühlt sich im australischen Busch wie Zuhause und kann ihr Glück kaum fassen. Dem Antrag auf Forschungsarbeit wurde stattgegeben und die Ehe mit Carl ist von Leidenschaft und unbändiger Liebe erfüllt. Zur perfekten Seeligkeit fehlt lediglich ein eigenes Baby, doch durch ihre Fehlgeburt in Deutschland glaubt die junge Frau nicht mehr an die Mutterschaft. Es scheint wie ein Wink des Schicksals, als ihre schwarze Freundin Purlimil mit Zwillingen schwanger wird und ihr traurig offenbart, dass das Gesetz des Clans vorschreibt, den Zweitgeborenen zu töten. Emma will sich diesen barbarischen Riten nicht unterwerfen und nimmt das Kind wild entschlossen unter ihre Fittiche. Zu ihrem Kummer leidet die Beziehung zu Carl sehr unter den schlaflosen Nächten des Schreihals und im Streit verschwindet der gelernte Arzt über Monate spurlos. Die Ureinwohner sehen darin eine Strafe der Götter und geben Emma die Schuld als totbringende Gattin, doch die Weiße gibt nichts auf den Aberglauben – zumindestens nicht viel.

„Der Ruf des Kookaburra“ setzt genau dort on, wo der Vorgänger so harmonisch endete und entführt uns Leser wieder prächtig in die weiten Welten der grünen Oase.
Durch einen gefühlt noch lebendigeren Schreibstil habe ich zeitweise sogar vergessen, dass es sich um einen historischen Roman handelt, weil Dialoge und bildliche Landschaftsbeschreibungen von fantastischer Leichtigkeit geprägt sind. Eben jene Unbeschwertheit lässt die Protagonistin aber im Mittelteil in einigen Kapiteln vermissen, da sie von Schuldgefühlen und Selbstzweifeln zerfressen wird. Diese Schwäche steht der kämpferischen Würtembergerin für mein Empfinden nicht gut und so habe ich dankbar aufgeatmet, als sie wieder zu ihrer alten Form zurückfand. Solche Bedrücktheit, was man ohnehin als weitere Facette erklären kann, ist aber auch die einzige Kritik.

Die Fortsetzung von Julie Leuze ist rappelvoll mit Emotionen aus der ganzen Palette über Herzklopfen gefolgt von einem herben Stich wegen der Ungerechtigkeit gegenüber den Aborigines. Wundervolle Natur wechselt sich ab mit Dramatik und ungeahnter Boshaftigkeit von irdischen und übernatürlichen Mächten.

„Es ist die Macht der D'anba, die nach uns greift“, unkte Birwain.“Sie sät Unfrieden und Zorn.“ (S.341)

Mir passiert es nicht oft, aber die Autorin lässt mich wehmütig von den Personen Abschied nehmen, dabei wäre durchaus noch Potenzial für weitere Romane gegeben, die aber zu meinem Bedauern nicht vorgesehen sind.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.01.2014
Der Duft von Hibiskus
Leuze, Julie

Der Duft von Hibiskus


ausgezeichnet

Etwas Schreckliches ist in den drei dunklen Tagen passiert, vor deren Ablauf mit den schmerzlichen Erinnerungen sich Emmas Seele verschließt. Die junge Deutsche weiß lediglich, dass sie einen Toten zu verantworten hat und ihre Eltern sie seit dem Ereignis verstoßen haben. Wild entschlossen, ihrer Vergangenheit den Rücken zu kehren, nimmt sie das verlockende Angebot von Oskar Crusius, an seiner Seite durch den australischen Busch zu wandern und dabei Bilder von den unbekannten Pflanzen anzufertigen, an. Nach einer schier endlosen Schifffahrt erreicht sie den Hafen von Brisbane und trifft auch sogleich auf die drei Männer, welche neben Oskar an der Expedition teilnehmen. Der Leiter der Truppe, Carl Scheerer, weigert sich jedoch ein schwaches Weib den Gefahren der Reise auszusetzen, und gibt nur widerwillig nach, als Emma und ihr Begleiter eine Verlobung vortäuschen. Kann Emmas Leben auf dieser Lüge aufgebaut wirklich eine neue Richtung einschlagen? Immerhin fühlt sie sich zu dem dunkelhaarigen Carl viel näher hingezogen, als ihrer einzigen Liebe zuvor, die schmachvoll endete.

Die Autorin hat es geschafft dem verstaubten Immage des 19.Jahrhunderts mit einer selbstbewussten und modernen Protagonistin zu neuem Glanz zu verhelfen und dabei gleichzeitig alte Geflogenheiten nicht außer Acht zu lassen. Es macht Freude, Emma dabei zu begleiten, wie sie sich zähneknirschend von ihrem Korsett trennt, durch das schwierige Gelände im Spreizsitz auf dem Pferd fortbewegt und dabei stückweise zu einer emanzipierten Regenwald-Amazone mausert, der auch gerne mal ein Fluch über die Lippen huscht. Glücklicherweise sehen ihre Gefährten die Verwandlung nicht so streng, obwohl die Abgeschiedenheit im Dschungel den ein oder anderen zu unzüchtigen Gedanken verleitet, die im Alkoholrausch umgesetzt werden wollen. So schlängelt sich die Einwanderin durch brenzlige Zwischenfälle, die ihr aber niemals den Forschergeist und den Spaß an den detailltreuen Pflanzenzeichnungen vermiesen. Belohnung für ihre Mühen ist das Treffen mit Ureinwohnern des Landes, die voller Gastfreundschaft ihr Wissen teilen und Emma das Tor in eine neue Welt öffnen. Diese Szenen sind bildlich beschrieben und voller Respekt vor den (vermeintlich rückständigen) Naturvölkern, sodass wir Leser uns am liebsten an das Lagerfeuer setzen würden.

Julie Leuze hat rund 400 Seiten mit Spannung, zarten Gefühlen und den interessanten Eckdaten der Botanik von Übersee gefüllt. Der einzige Kritikpunkt, der mir einfällt, wäre der zwar melodische, aber unpassende Titel, denn ein Hibiskus wird bei der vielfältigen Fauna nicht erwähnt. Nichtsdestottrotz habe ich den historischen Roman an einem Tag verschlungen, was auch an dem genussvoll-leichten Schreibstil lag und schiele schon mit großen Erwartungen auf den Nachfolger „Der Ruf des Kookaburra“, denn Emmas Leben in Australien geht bestimmt turbulent weiter.

Bewertung vom 19.01.2014
Gleichklang
Schmid, Gabriele

Gleichklang


sehr gut

„Das Glück wurde als Zwilling geboren.“ (Lord Byron)

…genau wie Samantha und Deborah – im Herzen gleich und nach außen wie Tag und Nacht. Beide sind alleinerziehende Mütter und im Job wahre Powerfrauen, doch die große Schwäche von Sam ist, dass sie Probleme bis zum äußersten vor sich her schiebt, während Debbie wie ein Wirbelwind die Stolpersteine mit links zertrümmert. Bis sich ihr bedächtiger Kollege Bendix in den Weg und ohne zu fragen ihr Leben auf den Kopf stellt und mit leuchtenden Augen von Liebe spricht. Dabei hat sie nie aufgehört an ihren Verlobten zu denken, der vor vielen Jahren bei einem Flugzeugabsturz verunglückte. Ist dies vielleicht doch das wahre Glück? Zeitgleich taucht Sams vergeblich gesuchte Affäre Tom aus dem Kanada-Urlaub wieder auf, der liebend gerne an ihre leidenschaftlichen Tage anknüpfen würde. Als er allerdings erfährt, dass er der Vater ihres Sohns Patrick ist, der zudem an einer schweren Erbkrankheit leidet, hängt der Haussegen mächtig schief. Wird Tom ihr verzeihen können oder einen hässlichen Sorgerechtsstreit entfachen?

Die Autorin spricht aus eigener Erfahrung, wenn sie von dem Alltag mit einem Hämophilie-Patienten berichtet. Denn ihr Sohn, dem sie den Charakter des tapferen Kämpfers Patrick gewidmet hat, ist ebenfalls unheilbar erkrankt. Mit guten Feingefühl webt Gabriele Schmid medizinische Grundlagen zu der Blutgerinnungsstörung, sowie Ängste und Behandlungsmöglichkeiten in den sonst sehr lockeren Inhalt ein, sodass es keineswegs zu extrem ins Fachliche abdriftet, aber trotzdem verständlich und berührend ist. Ich finde es immer schön, wenn man als Leser merkt, dass der Schriftsteller ein Teil von sich selbst in die Personen einarbeitet, schließlich wird so die emotionale Brücke zwischen den Menschen vor und hinter den Büchern viel intensiver.

In der eigentlichen Liebesgeschichte erwartet uns dann ein Doppelpack von Gefühlen, denn die Zwillingsschwestern leben im besten Gleichklang und so ist es nur logisch, dass das Leben der Freundinnen in annähernd gleichen Bahnen verläuft. Der Titel und die Gestaltung des Romans zeigen auch hier wieder, wie wichtig der Autorin ein stimmiges Bild wichtig war. Insgesamt war es ein Buch zum Abschalten, das sich an dem gängigen Verlauf einer Romanze hält und ohne große Wendungen auskommt, wobei der Kollege Bendix für meinen Geschmack noch am überraschendsten war. Obwohl mir die Passagen im Krankenhaus eindeutig besser gefielen, als die Kapitel in Debbies Kanzlei, die sich um einen kniffligen Scheidungsfall rankten. Enttäuscht war ich dann aber über das schnulzige Ende, was besser in eine lahme Soap, als in einen sonst überzeugenden Roman gepasst hätte.

Betroffene und Interessierte, welche die Bluter besser verstehen möchten, sollten definitiv zuschlagen, zumal die Autorin pro Verkaufsexemplar 1€ an die Deutsche Hämophiliegesellschaft spendet. Zwillinge im Liebesrausch bedeutet hier auch: Kaufe eine Liebesgeschichte, erhalte zwei. :-)

Bewertung vom 16.01.2014
Herzenskälte / Leitner & Grohmann Bd.2
Berwein, Saskia

Herzenskälte / Leitner & Grohmann Bd.2


ausgezeichnet

Jennifer Leitner, Kriminalkommissarin aus Lemanshain, hat es wieder mit einem Serienkiller der Extraklasse zu tun, was die reißerischen Medien erneut auf ihre Fährte hetzt.

„Die mit den Bestien tanzt.“ (S.195)

Der Täter entfernt seinen Opfern das Herz und bringt sie danach an den ungewöhnlichsten Orten auf perfide Weise mit Make-Up und perfekt inszeniert in Position. Die Polizei kommt in ihren Ermittlungen nicht voran, denn zwischen den Leichen gibt es keinerlei Verbindungen und somit kaum Chancen den Wahnsinnigen zu stoppen. Jennifers Kollege Marcel fällt zudem wegen seines Alkoholproblems bis auf weiteres aus, doch sein Ersatz, Staatsanwalt Oliver Grohmann, freut sich auf die Arbeit mit der temperamentvollen Kommissarin. Erschwerend kommt allerdings hinzu, dass sein Sorgenkind Hannah nach vier Jahren Funkstille plötzlich bei ihm vor der Haustür auftaucht und sich bei ihm einnisten will. Ihre geforderten 200€ Taschengeld sind noch der kleinste Punkt über den es zu diskutieren gilt, schließlich will Olivers Ex nicht einfach klein beigeben.

Saskia Berwein hat mit ihrem zweiten Thriller „Herzenskälte“ eindrucksvoll bewiesen, dass der Vorgänger „Todeszeichen“ nicht nur ein Zufallserfolg war, sondern damit der Auftakt für eine spannende und temporeiche Serie geboren wurde. Für meinen Geschmack hat sich die Autorin selbst übertroffen und nun die Messlatte für den nächsten Fall „Seelenweh“ (04.09.2014) sehr hoch angesetzt – tut mir Leid, liebe Saskia. ;-)

Denn hier stimmt einfach alles! Der Leser wird mit einem erschreckenden Motiv aus den Socken gerissen, das sich wunderbar in die Erlebnisse der 16-jährigen Hannah in der Gothic-Szene einfügt und den Leser immerfort in Atem hält. Ich gehe jede Wette ein, dass selbst der größte Krimi-Spezialist nicht hinter das ausgeklügelte Geheimnis des Mörders blicken kann und werde mich deshalb hüten eine Andeutung in irgendeine Richtung zu machen!
Auch das Privatleben der Protagonistin wartet mit Witz und Dramatik auf, zumal der Staatsanwalt und die Kommissarin sich auch sachte näher kommen, was ihre Fans sicherlich freuen wird – Jennifer dagegen eher weniger, weil es für sie einem Kontrollverlust und damit Schwäche gleichkommt. Es war einfach herrlich zu verfolgen, wie ihr Widerstand in dieser Hinsicht bröckelte und gleichzeitig ihr Gespür für die Verbrechen sich schärfte.

Ich hoffe sehr, dass meine Begeisterung ansteckend ist, denn ihr werdet es sicherlich bereuen, wenn ihr euch diesen Knaller entgehen lasst!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.01.2014
Todeszeichen / Leitner & Grohmann Bd.1
Berwein, Saskia

Todeszeichen / Leitner & Grohmann Bd.1


sehr gut

Deutsche Krimikunst aus einer Mühlheimer Feder

Kommissarin Jennifer Leitner, die von Franfurt wegen persönlicher Gründe in das beschauliche Lemanshain versetzt wurde, kommt einfach nicht zur Ruhe.
Ein Serienkiller duldet nun mal keinen Aufschub, zu mal zwischen den Opfern noch keinerlei Verbindung gefunden wurde und die Polizei permanent unterbesetzt kaum Anhaltspunkte verfolgen kann.
Der „Künstler“ schickt seine Opfer mit einem letzten Gruß in die Nachwelt, indem er sie mit einer blutigen Skizze durch die Klinge eines Skalpells markiert und danach ohne jegliche Beweise fein säuberlich mit Bleiche gewaschen in der Gegend drapiert. Wann hört das grausige Morden endlich auf?

So brutal, wie die Verletzungen der Opfer beim Lesen auch wirken, kommt ihre Brutalität eigentlich nur im Prolog so richtig zur Geltung, der übrigens ein spitzenmäßiger Einstieg in „Todeszeichen“ war. Wir Leser müssen wie die Polizei mit den Ergebnissen der Verstümmelungen leben, aber die Gänsehaut bei den kranken Phantasien des „Künstlers“ und die Qualen der Frauen gehen dadurch verloren. Allerdings hat die Autorin ein ganz nettes Gesicht, sodass man sich gar nicht vorstellen kann, dass in ihr ein kleines Thriller-Monster steckt und manchmal kann man den eigenen Gedanken bei der Lektüre auch mal Freiraum lassen oder sich noch ein wenig Spielraum für den Folgeband bewahren, der schon im Januar 2014 erscheinen wird und auf meiner Wunschliste notiert ist.

An diesem tollen Erstlingswerk kann ich nur an einem Punkt Kritik üben, denn neben der Perspektive von Jennifer und Charlotte fehlte mir hier der Blick in den Kopf des Täters, was bei Thrillern sehr gerne als Spannungs- bzw. Verwirrungsinstrument benutzt wird und für mich irgendwie als Rätsel-Sahnehäubchen dazugehört.

Von der Thematik erinnert das Motiv an den Weltbestseller „Das Parfum“ und findet im LYX-Verlag einen modernen Anstrich mit interessanten Ermittlern, die sehr menschlich charakterisiert werden und dank der impulisven Jennifer Leitner für reichlich Wirbel und Wutausbrüche sorgen. Durch den Staatsanwalt Oliver Grohmann bekommt sie einen vernünftigen, wenn auch nicht weniger verbissenen Gegenpart, der sogar einige Traummann-Attidüden aufweist, wenngleich Jennifer mit dem hübschen Kai in einer festen Parternschaft steckt.

„Todeszeichen“ wartet mit einem Schreibstil auf, der einem alten „Schreiber-Hasen“ würdig und damit eben echte Deutsche Krimikunst aus einer Mühlheimer Feder ist und deshalb eine Kaufempfehlung verdient.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.01.2014
Der Ruf des Kuckucks / Cormoran Strike Bd.1
Galbraith, Robert

Der Ruf des Kuckucks / Cormoran Strike Bd.1


sehr gut

Schuster, bleib bitte NICHT bei deinen Leisten

Ja, ich bin eine Minderheit, die sich von dem Harry-Potter-Hype damals nicht anstecken ließ und mehr aus Neugierde, als aus Überzeugung den Krimi aus der Zauberfeder von J.K. Rowling entdecken wollte. Mein fester Vorsatz war „Der Ruf des Kuckucks“ nicht voreingenommen zu lesen, aber die Erfolgsautorin eher etwas strenger zu bewerten, als Debüt-Kollegen, weil der Wirbel um ihr „geheimes“ Synonym natürlich ein Magnet für die Käufer allerorts war und ein großer Name leicht über Unstimmigkeiten hinwegtrösten kann. Schon nach kurzer Zeit war ich trotzdem sehr positiv überrascht von Plot und Charakteren, sodass ich die Lektüre nicht bereut habe.

Cormoran Strike steht kurz vor dem Abgrund. Nach der Trennung von seiner langjährigen Freundin Charlotte muss er in seinem Büro auf einer Campingliege schlafen, was die unsagbaren Schmerzen in seinem Beinstumpf, eine Verletzung aus seinem Afghanistan-Einsatz, nur noch verstärkt. Zudem steht seine Detektiv-Kanzlei ebenfalls nah vor dem Ruin, als ihm von einer Zeitarbeitsfirma auch noch eine Sekretärin zu überhöhten Konditionen vermittelt wird. Robin offenbart aber schnell nützliches Geschick im Umgang mit Klienten, deren neuester Vertreter ein Anliegen von medialer Bedeutung hat. John Bristow war der Bruder von dem tragisch in den Tod gestürzten Model Lula Landry, welche während eines Depressionsschubes Selbstmord begangen haben soll – so der Polizeibericht. Strike soll dies widerlegen und würde dafür von dem emotionalen Bruder ein königliches Honorar kassieren.

Die größte Stärke bei dem Krimi waren die toll ausgearbeiteten Charaktere, wodurch selbst kleine Randfiguren so lebendig wie der gutmütige Bär Strike wurden, was vermutlich noch ein Relikt aus dem Fantasy-Genre darstellt, immerhin stehen die (magischen) Eigenschaften dort im Mittelpunkt. Auch die Handlung war sehr gut aufgebaut und obwohl wir eigentlich nur Zeuge von Verhören und Gesprächen wurden, war die Spannung dennoch greifbar, was mich im Mittelteil schon beinahe zu einer fünf Sterne Bewertung verleitet hätte. Selbst der Schreibstil verdient den Vermerk „besonders schön“, weil er bei mir ein Wohlfühl-Gefühl weckte, als ob ich mittlerweile schon das x-te Buch einer alten Freundin gelesen habe.

Am entscheidenden Punkt bricht das Konstrukt der perfekten Krimi-Autorin dann kläglich an der Spitze ab! Die Auflösung war für mein Empfinden viel zu konstruiert und trotz des Freifahrtscheins des Psychopathen als Mörder nicht glaubhaft. Dabei muss ich das unlogische Indiz der Wassertropfen anführen, die nur ein Superhirn aus dem Nichts deuten könnte und jeder Lektor wegen Effekthascherei besser gestrichen hätte. Ich habe zwar großes Vertrauen in Strikes Gespür und freue mich auf seinen nächsten Fall, aber Supermann, der 1 +1 zusammenzählt und nach kurzer Recherche im Internet des Rätsels Lösung hat, ist er nicht. Schade war auch, dass wir aus seinen Gedankengängen recht zeitlich ausgeschlossen wurden und im Dunkeln tappten, als er schon beinahe den Vierhaftungsauftrag erteilte.

Vier Sterne für eine Autorin, die den Sprung aus der Jugendliteratur ohne Zauberei in das nächste Level geschafft und mir wunderbar Raum für Spekulationen gegeben hat.

26 von 32 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.01.2014
Hundherum glücklich
Andeck, Mara

Hundherum glücklich


ausgezeichnet

„Der Hund braucht sein Hundeleben. Er will zwar keine Flöhe haben, aber die Möglichkeit sie zu bekommen.“ (Robert Lembke)

..die Autorin Mara Andeck weiß das, und nimmt uns Leser, die zum Großteil vermutlich ebenfalls Hundemenschen sind, auf humorvolle, aber immer auch informative Weise mit auf eine Reise durch alle Facetten des menschlichen Lebens – angefangen bei Haus, Genen und Kultur, sowie etwas abstrakt in den Himmel und über den Mond zurück in die Zukunft.

Dabei darf man bei „Hundherum glücklich“ nicht mit dem Anspruch herangehen, dass hier ein Ratgeber für schwer erziehbare Fellnasen mit den neuesten Trick aufwartet, denn davon ist der Markt allmählich wirklich gesättigt. Der Bastei Lübbe Verlag hat mehr einem „Bello Allzweckbuch“ die Chance gegeben, welches sich von Hundehaufen zu Hundegedicht und schließlich Hundeklonen zu meinem ersten Highlight in diesem Jahr gemausert bzw. gehundet hat.

Es würde leider schlichtweg den Rahmen einer Rezension sprengen, wenn ich hier alles aufzählen wollte, was mich an diesem Buch bewegt, beeindruckt und berührt hat, denn tatsächlich werden all diese Emotionen von der Schriftstellerin bedient – eben alle jene Gefühle, die man auch als Tierhalter täglich durchlebt.
Um zwei Beispiele zu nennen, fällt mir die Erfindung des „Ash Poopie“ ein, welches von einem israelischen Unternehmen entwickelt wurde, um den Kot der Canis lupus familiaris richtiggehend in Staub verfallen zu lassen oder Laika, der erste Hund im Weltall, der leider durch voreiligen Menschenentschluss verglüht ist.
Auf den ersten Blick sind viele Dinge davon unnützes Wissen, aber viele Fragen („Wie backe ich einen schmackhaften und gesunden Hundekeks?“, „Was sind die Vorteile eines Rassehundes gegenüber eines Mischlings und umgekehrt?“, etc.) habe ich mir selbst schon häufig gestellt. Dafür wäre ich im Freundeskreis vielleicht nur milde belächelt worden, nun habe ich aber endlich ein Sammelwerk mit dem gewissen Wuff gefunden, dass ich uneingeschränkt empfehlen kann. Und wieder einmal zeigt sich, dass egal wie wenig Geld man hat, ein treuer Begleiter (sowie ein tolles Buch) das höchst Glück der Welt ist.

Bewertung vom 10.01.2014
Wenn der Tod lachen könnte

Wenn der Tod lachen könnte


sehr gut

In der Jugend verschwenden wir kaum einen Gedanken an das Ende unserer Lebenszeit, dann lassen wir uns von zahlreichen Blockbustern bzw. Krimis & Thrillern mit den verschiedenen und grausamen Tötungsmethoden unterhalten. Im Alter versuchen wir mit allerlei Medikamenten den körperlichen Verfall aufzuhalten, bis am Schluss uns doch der Sensenmann zu sich ruft – mit einem breiten Lächeln auf den totenköpfigen Lippen.

„Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.“ (Mahatma Gandhi)

Welch makaberen Humor der Tod sich über die Jahrmillionen angeeignet hat, davon können wir uns in dieser Anthologie mit 25 Kurzkrimis überzeugen, denn sein Spektrum ist weit und böse und manchmal auch von Misserfolg begleitet, was dann wiederum andere zum Schmunzeln bringt.

An manchen Stellen fehlte mir allerdings die Kreativität, weil der Killer für meinen Geschmack zu oft durch einen simplen Tauschtrick zum Opfer wurde, der auch mit unterschiedlichen Personen aus verschiedenen Berufskreisen nicht aufregender beim fünften Mal wurde.

Die Herausgeberin Sophie Sumburane hatte aber auch ein Gespür für den Exitus par excellence! Meine Favoriten waren eindeutig „Gottes Ohr“ von Petra Tessendorf – wenn ein Blitz nicht nur erleuchtet und dazu in kreativer Tagebuchform verfasst; „Mabel's Sweetest“ von Christiane Nitsche – wenn Selbstgemachtes nicht immer gesünder ist; und „Irgendwann sieht mir jeder ins Auge“ von Eva Lirot – ein Monolog mit dem dunklen Fürsten und einer großen Portion Spaßfaktor.

Andere Geschichten waren bis zur Auflösung auch sehr interessant und obendrein stilistisch mit einem gelungenen Schreibstil abgerundet, wie beispielsweise „Flederfanten“ von Marie Schmidt – wenn der Alltag so trist ist, dass die Traumwelt (fast) real wird; oder „Fehlgriff“ von Andreas Sturm - wenn Rache nicht immer süß ist; und „Mörderischer Valentin“ von Mandy Kämpf – wenn Eifersucht unerträglich wird, die es dann aber auf Grund kleiner Schwächen nicht in meine persönliche Top 3 geschafft haben.

Nicht immer waren die Pointen gelungen, vor allem wenn auf knappen Raum mehr Platz für unnötige Details, als für eine hilfreiche Erklärung verwendet wurde, die selbst mit der gemeinsamen Recherche in einer Leserunde nicht zu knacken waren. Summa summarum ergibt sich daraus ein ordentliches vier Sterne Buch und die intensive Bekanntschaft mit dem Tod, der fair, fies, freundlich und furchtbar flink sein kann.