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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
mrs-lucky
Wohnort: 
Norddeutschland

Bewertungen

Insgesamt 197 Bewertungen
Bewertung vom 06.06.2022
Queergestreift
Köller, Kathrin;Schautz, Irmela

Queergestreift


ausgezeichnet

Die Themen „Pride“ und „Diversity“ werden aktuell verstärkt in der Öffentlichkeit diskutiert, die Vielfältigkeit der Menschen in Bezug auf Gender, Sexualität und Identität wird sichtbarer. Aber wer weiß wirklich, was hinter der Abkürzung LGBTIQA+ steckt? Passend dazu hat die Autorin Kathrin Köller gemeinsam mit der Illustratorin Irmela Schautz mit „Queergestreift“ einen großartigen Ratgeber geschaffen.
Schon der Buchumschlag ist ein Hingucker mit seinen bunten Farben. Das Material ist leider keine gute Wahl, Papier und Druck sind leider sehr empfindlich.
Inhaltlich kann das Buch mehr überzeugen. Jedem der Buchstaben aus LGBTIQA+ ist ein eigenes Kapitel gewidmet, in dem die Themen erklärt werden, zudem gibt es in Randnotizen Erläuterungen zu weiteren Begriffen des Themenbereichs. Dazu kommen Interviews und Schilderungen persönlicher Erfahrungen sowie Tipps, wo man sich weitergehend informieren oder auch Hilfe bekommen kann.
Das Buch ist übersichtlich gegliedert, großformatige, bunte Illustrationen lockern das Gesamtbild auf und unterstreichen die Informationen.
Die Sprache ist umgangssprachlich gehalten und richtet sich ähnlich wie der Stil der Bilder in erster Linie an junge Menschen, spricht dadurch aber Erwachsene genauso an.
Inhaltlich sehe ich das Buch als relevant an für Menschen aller Altersgruppen, für den Teenager auf der Suche nach seiner Identität genauso wie für Eltern, Großeltern oder andere Angehörige und Freunde, die die Welt mit offenen Augen betrachten und das Schubladendenken verlassen wollen.
Ich bin Anfang 50 und aufgrund meines persönlichen Umfeldes für das Thema sensibilisiert. Mich hat an dem Buch „Queergestreift“ beeindruckt, in welchem Umfang hier Informationen bereitgestellt werden sowohl zu geschichtlichen Entwicklungen der Communitys als auch zu sozialen, gesundheitlichen und rechtlichen Themen. Dabei kommt die persönliche Ansprache nie zu kurz, der Leser wird immer wieder angehalten, sein Denken und Handeln zu hinterfragen und den Blick für die Vielfalt der Menschen zu öffnen, wie zum Beispiel auf Seite 66 in einem Gedankenspiel zum Thema „Hetero Outing“.
Ich wünsche dem Buch, dass es von vielen Menschen gelesen wird, da es meiner Meinung nach einen großen Beitrag dazu leisten kann, die Akzeptanz für die Queer-Community zu erhöhen und Jugendliche in ihrer Entwicklung dabei zu stärken, so sein zu können wie sie sind, ohne sich verstecken zu müssen oder Anfeindungen zu befürchten.

Bewertung vom 02.05.2022
Der Tod macht Urlaub in Schweden (eBook, ePUB)
De La Motte, Anders; Nilsson, Måns

Der Tod macht Urlaub in Schweden (eBook, ePUB)


sehr gut

Der Krimi „Der Tod macht Urlaub in Schweden“ ist der Auftaktband eines schwedischen Autorenduos um eine Reihe von Morden in der Region Österlen. Der Titel passt ebenso wenig zu der Geschichte wie das schwedische Holzhaus auf dem Cover, das zwar Aufmerksamkeit erweckt, aber alles andere als typisch ist für die dänisch geprägte Region im Süden Schwedens, in der hyggelige Steinhäuser vorherrschen. Da mir schon einige Krimis von Anders de la Motte sehr gut gefallen haben, war ich neugierig genug auf diese Zusammenarbeit mit Måns Nilsson, um darüber hinwegzusehen, und meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht.
Der Krimi wird als Cozy-Crime vermarktet, und wenn schon nicht „fröhlich gemordet“ wird, so hebt sich die Geschichte doch deutlich und sehr erfreulich ab von vielen düsteren und blutigen Spannungsromanen aus Skandinavien.
Mitten im schwedischen Hochsommer wird in einem kleinen Küstenort eine prominente Maklerin in ihrem Musterhaus tot aufgefunden. Zufällig ist gerade der Stockholmer Ermittler Peter Vinston vor Ort, der aufgrund seiner Krankschreibung einen Erholungsurlaub in der Nähe seine Tochter und Ex-Frau verbringt. Auch wenn einiges nach einem Unfall aussieht, unterstützt Vinston die in Mordfällen unerfahrene örtliche Polizistin Tove Esping bei den Ermittlungen, an Feinden mangelt es der getöteten Maklerin nicht, ihr Bauprojekt war unter der Bevölkerung mehr als umstritten.
Der Krimi lebt von seinen originellen Charakteren und seinem launigen Erzählton mit viel unterschwelligem Humor. Peter Vinston und Tove Esping könnten unterschiedlicher nicht sein, was zu einigen amüsanten Szenen führt. Es ist zu schön, wenn der stets förmlich auftretende Vinston in seinem frisch gebürsteten Anzug in Toves Auto einsteigen soll, in dem es vor Hundehaaren nur so wimmelt.
Die Geschichte erinnert an klassische „Whodunit“-Krimis im Stil von Agatha Christies Miss Marple oder Hercule Poirot. Der Schauplatz und die Charaktere sind begrenzt, am Ende gibt es ein Treffen der wichtigsten Beteiligten, auf dem der Fall aufgeklärt und der Täter entlarvt wird.
Mir hat der Krimi gut gefallen, er bietet abwechslungsreiche Unterhaltung mit einem spannenden Fall, bei dem man als Leser miträtseln kann und die eine oder andere Überraschung erlebt.

Bewertung vom 24.04.2022
Eine Frage der Chemie
Garmus, Bonnie

Eine Frage der Chemie


ausgezeichnet

Bonnie Garmus‘ Debut „Eine Frage der Chemie“ ist ein bemerkenswerter Roman, emotional und mitreißend, obwohl seine Hauptfigur eher spröde und sachlich daherkommt.
Elizabeth Zott ist eine intelligente junge Frau, deren Herz für die Wissenschaft brennt. Im Amerika der 50er Jahre werden Frauen jedoch an den Universitäten und in wissenschaftlichen Laboren nicht akzeptiert, in den Augen der Allgemeinheit taugen sie maximal als Laborassistentin, gehören bestenfalls im trauten Heim an den Herd. Elizabeth
akzeptiert die klischeehaften Herabwürdigungen nicht, sondern übergeht diese mit einer Mischung aus Sturheit und Naivität in der Erwartung, durch ihre Leistung Anerkennung erfahren zu können.
In Calvin Evans, einem hoch angesehenen jungen Wissenschaftler, findet sie einen Seelenverwandten und die Liebe ihres Lebens, doch das Glück währt nicht lange, und um ihren Lebensunterhalt zu sichern, landet Elizabeth schließlich im Fernsehen in einer eigenen Kochshow, in der sie Kochen zu einer Wissenschaft werden lässt. Auch hier zeigt Elizabeth, dass sie sich selbst treu bleibt und sich nicht nach den Vorstellungen anderer verbiegen lässt. Sie präsentiert dem Publikum nicht nur schmackhafte und nahrhafte Rezepte, sondern garniert die Sendung mit wissenschaftlichem Hintergrundwissen und pragmatischen Lebensweisheiten. Ihre Authentizität sorgt für eine Beliebtheit, die nicht zu ihrer spröden und unnahbaren Art zu passen scheint. Mit ihrer Beharrlichkeit auch bei Rückschlagen macht sie den Menschen Mut, ihre Ziele nicht aus den Augen zu verlieren und sich von Vorurteilen und Klischees nicht unterkriegen zu lassen.
Der Roman bewegt, auch wenn seine Titelfigur oft unnahbar wirkt. Es ist erfrischend und beängstigend zugleich mitzuerleben, mit welchem Selbstverständnis Elizabeth davon ausgeht, dass Männer und Frauen gleich befähigt sind und gleichberechtigt behandelt werden sollten. Umso absurder und irrationaler erscheint das herabwürdigende Verhalten nicht nur der meisten Männer, sondern auch anderer Frauen, denen Elisabeth‘ selbstbewusstes Auftreten ein Dorn im Auge ist. Diese Reaktionen erscheinen unglaublich und überzogen, leider sind steckt allzu viel Wahrheit dahinter, und es ist erschreckend zu wissen, dass weltweit immer noch viel zu viele Frauen um Gleichberechtigung in der Gesellschaft kämpfen müssen.
Die Geschichte überzeugt durch seine lebendigen Charaktere und seine geistreiche Geschichte mit ernsten, aber auch amüsanten Passagen. Man mag kaum glauben, dass es sich um ein Debüt handelt, so überzeugend ist die Geschichte, Bonnie Garmus findet nicht nur bei ihrer Hauptfigur sondern auch bei den übrigen Charakteren immer den richtigen Ton.
Im Hörbuch verleiht Luise Helm, die ich schon von einigen anderen Lesungen kenne, Elizabeth Zott und ihren Mitstreitern auf einfühlsame und gelungene Weise eine Stimme.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.04.2022
Die andere Schwester / Karlstad-Krimi Bd.2 (eBook, ePUB)
Mohlin, Peter; Nyström, Peter

Die andere Schwester / Karlstad-Krimi Bd.2 (eBook, ePUB)


gut

In dem Kriminalroman „Die andere Schwester“ lässt das Autorenduo Peter Mohlin und Peter Nyström ihren Hauptcharakter John Adderley in seinem zweiten Fall im schwedischen Karlstad ermitteln.
Der ehemalige FBI-Agent John Adderly ist in den USA bei einem Einsatz gegen ein nigerianisches Drogenkartell entlarvt worden und im Rahmen des Zeugenschutzprogramms in seiner alten Heimatstadt gelandet. Nachdem der Fall, in den sein jüngerer Halbbruder involviert war, aufgeklärt wurde, sollte er Schweden längst verlassen haben, doch er möchte seinen ehemaligen Kollegen und guten Freund Trevor noch einmal treffen, der aus den USA angereist ist. Zur selben Zeit wird John an Ermittlungen zu der Ermordung der Geschäftsführerin einer neuartigen Dating-App beteiligt. Ein Verdächtiger ist schnell ausgemacht, was John entgegenkommt, da ihn seine eigene Vergangenheit gerade einholt und zunehmend bedroht.
Die Geschichte ist komplex und abwechslungsreich erzählt, es wird schnell klar, dass der Fall nicht so einfach ist, wie es anfangs scheint. Ein zentrales Thema ist die konfliktbehaftete Beziehung der Ermordeten zu ihrer jüngeren Schwester Alicia, deren Brisanz in Rückblenden nach und nach aufgedeckt wird. Dieser ist spannend erzählt, wenn auch insgesamt etwas zu sehr vorhersehbar, und Alicia zieht mit ihren ewigen Alkoholexzessen wenig Sympathien auf sich.
Bei der Geschichte um John Adderley und seinen Kollegen Trevor haben die beiden Autoren meiner Meinung nach jedoch etwas zu dick aufgetragen. John wirkt sehr naiv, agiert unprofessionell und sabotiert polizeiliche Ermittlungen für seine persönlichen Zwecke. Durch diese Verwicklungen erscheint die Handlung zunehmend wirr und unglaubwürdig. Schon im ersten Band hatte ich Probleme, mit der Figur Johns warm zu werden, in der Fortsetzung erschient er mir zunehmend unsympathisch. Ein derart unehrenhafter Polizist wie John Adderley ist für mich als tragender Charakter in einer Krimireihe nicht geeignet. Für eine Fortsetzung kann mich bei diesem Band auch das offen gehaltene Ende nicht interessieren.

Bewertung vom 29.03.2022
Die Sommerschwestern Bd.1 (MP3-Download)
Peetz, Monika

Die Sommerschwestern Bd.1 (MP3-Download)


sehr gut

In dem Roman „Sommerschwestern“ von Monika Peetz werden vier Schwestern von ihrer Mutter zu einem gemeinsamen treffen in den holländischen Küstenort Bergen eingeladen. Mit diesem Ort sind viele Kindheitserinnerungen verknüpft, denn die Familie hat dort jedes Jahr ihren Sommerurlaub verbracht, bis vor 20 Jahren ihr Vater dort bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen ist. Dieser Unfall bedeutete einen jähen Einschnitt in der Familie, die Mutter Henriette war mit der Situation überfordert und konnte nicht verhindern, dass ihre Töchter Doro, Yella, Amelie und Helen sich von ihr und voneinander immer weiter entfernt haben.
Die Mutter macht ein großes Geheimnis um den Anlass des Treffens, so dass sich die Schwestern zunächst allein den Erinnerungen aus ihrer Kindheit stellen müssen. Die vier sind sehr verschieden, jede trägt ihre eigenen kleinen Konflikte mit sich herum. Je mehr die Schwestern sich annähern und auf den Spuren ihrer Vergangenheit wandeln, um die Beweggründe ihrer Mutter zu verstehen, um so mehr erfährt auch der Leser über ihr Leben und die Ereignisse, die sie geprägt haben. Die Schwestern waren sich nie näher als zu den Zeiten ihrer Sommerurlaube in Holland, 20 Jahre später bekommen sie die Chance, den Zusammenhalt der „Sommerschwestern“ neu aufleben zu lassen.
Der Roman ist in erster Linie aus der Sicht Yellas erzählt, der zweitgeborenen Tochter und selbst Mutter von zwei kleinen Söhnen. Sie hatte schon immer ein schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter, kommt ihr hier aber ein Stück näher und findet in der Ruhe des kleinen Ortes die Muße, ihr Leben und ihre Beziehung zu ihren Schwestern zu reflektieren.
Auch wenn es Konflikte gibt und die Schwestern erkennen müssen, dass nicht alles aus ihrer Erinnerung ganz den Tatsachen entspricht, überwiegt in dem Roman die positive Stimmung. Die Charaktere sind liebevoll angelegt, aus dem Buch sprüht eine derartige Faszination der Ruhe und Sommeridylle der holländischen Küste, dass man sofort seinen Koffer packen und ein paar Tage dort ausspannen möchte.
Das Ende wird für meinen Geschmack etwas zu sehr geschönt und durch eine rosarote Brille betrachtet, der Rest der Geschichte wirkt zum Glück deutlich glaubwürdiger und weniger kitschig und wartet mit einigen überraschenden Wendungen auf, so dass ich mir gut vorstellen kann, in einer Fortsetzung der Reihe den Weg der Schwestern weiter zu verfolgen.
Im Hörbuch hat mir Ilka Teichmüller als Sprecherin mit ihrer sympathischen Stimme sehr gut gefallen, ihr Vortrag passt sehr gut zu der Geschichte.

Bewertung vom 06.03.2022
Das Mädchen mit dem Drachen (MP3-Download)
Colombani, Laetitia

Das Mädchen mit dem Drachen (MP3-Download)


sehr gut

In ihrem aktuellen Roman „Das Mädchen mit dem Drachen“ bleibt die französische Autorin Laetitia Colombani ihrem Thema treu, bewegende Geschichten von mutigen Frauen zu erzählen, die sich gegen gesellschaftliche Repressionen oder schicksalhafte Lebensumstände stellen.
Dieser Roman spielt, wie schon ein Teil ihres ersten Romans „Der Zopf“, in Indien und es gibt ein Wiedersehen mit der kleinen Lalita, deren Geschichte hier eine zentrale Rolle spielt. Die französische Lehrerin Léna reist nach einem persönlichen Schicksalsschlag nach Indien, um dort zu sich selbst zu finden. Am Strand beobachtet sie die 10-jährige Lalita, die dort in den frühen Morgenstunden ihren Drachen steigen lässt. Kurz darauf trifft sie mit Preeti zusammen, die andere junge Frauen in Selbstverteidigung unterweist und sich als Anführerin dieser Gruppe auf furchtlose Weise für die Rechte von Frauen einsetzt. Von Preeti erfährt Léna, mit welchen Widrigkeiten Frauen und insbesondere diejenigen aus der Gruppe der Dalit, der untersten hinduistischen Gesellschaftsgruppe, zu kämpfen haben. Léna beschließt, dabei nicht tatenlos zuzusehen, sondern die Mädchen zu unterstützen. Mit Hilfe ihrer neuen indischen Freunde schafft sie es, eine Schule für Dalit-Kinder zu gründen und Eltern dazu zu bewegen, ihre Kinder dort hinzuschicken. Doch schon bald muss Léna erkennen, dass es nicht leicht ist, die traditionellen Sitten und Gebräuche zu durchbrechen.
Die Autorin vermittelt auch in diesem Buch wieder eine große Nähe zu ihren Hauptfiguren, sie zeigt schonungslos, wie schwer es die jungen Mädchen insbesondere der Dalit haben, sich eine eigene Zukunft aufzubauen. Sie erzeugt Hoffnung, verschweigt aber auch nicht, wie sehr die Menschen dort in ihren Traditionen und dem täglichen Kampf ums Überleben gefangen sind. Die Geschichte der Mädchen macht umso betroffener in dem Wissen, dass ähnliche Szenen für viele dem Alltag entsprechen. Der Roman beruht auf dem realen Projekt einer Dalit-Schule in der Region Rajasthan, die Laetitia Colombani auf einer Reise nach Indien besucht hat. Diese persönlichen Eindrücke tragen sicherlich dazu bei, dass sie Charaktere und Szenen so lebendig wirken, man spürt, wie sehr der Autorin das Thema am Herzen liegt. 
Lediglich die Rahmenhandlung um Léna habe ich als unglücklich gewählt empfunden. Ihr persönliches Schicksal ist etwas zu dick aufgetragen, sorgt für unnötiges Pathos und lässt ihre Motivation zu dem Projekt fragwürdig erscheinen. 
Insgesamt kann ich das Buch aber aufgrund seines wichtiges Themas wärmstens empfehlen, im Hörbuch des Argon-Verlags lässt  Cathlen Gawlich die Szenen mit ihrem angenehmen Vortrag lebendig werden. 

Bewertung vom 01.03.2022
Der fürsorgliche Mr Cave
Haig, Matt

Der fürsorgliche Mr Cave


sehr gut

Matt Haigs Roman „Der fürsorgliche Mr. Cave“ gehört zu seinen frühen Romanen, ist aber jetzt erstmals in deutscher Übersetzung erschienen.
Im Mittelpunkt steht der Antiquitätenhändler Terence Cave, der in seinem Leben schon einige Tragödien verkraften musste. Als Kind hat er seine Mutter durch Selbstmord verloren, nach dem Tod seiner Frau bei einem Raubüberfall auf das Antiquitätengeschäft blieb er als alleinerziehender Vater eines Zwillingspärchens im Säuglingsalter zurück. Als sein Sohn Reuben auf tragische Weise ums Leben kommt und in seinen Armen stirbt, setzt Terence alles daran, seine Tochter vor allen Bedrohungen des Lebens zu schützen. Bryony war schon immer das Kind, dem er am meisten Aufmerksamkeit geschenkt hat, mit ihrem sanften Wesen, ihrer Klugheit und ihrer Liebe zur Musik stand sie ihm immer näher als der verschlossene und rebellische Reuben.
Doch je stärker Terence versucht, Bryony an sich zu binden, je mehr Regeln er aufstellt, um sie auf dem rechten Pfad zu halten, ums mehr verschließt sich Bryony vor ihm und versucht, seinem Gefängnis zu entfliehen.
Dieser Roman ist das düsterste Werk, das ich von Matt Haig gelesen habe, viele Szenen wirken verstörend, Terence erscheint traumatisiert durch die Schicksalsschläge, die er erlitten hat, er lebt zurückgezogen ohne soziale Kontakte, wenn man von seiner Schwiegermutter Cynthia absieht, die in seinem Laden mitarbeitet. Auch wenn der Roman in Form eines Briefes verfasst ist, in dem Terence seiner Tochter sein Verhalten zu erklären versucht, konnte ich trotz der direkten Ansprache keine Nähe zu den Figuren entwickeln und kein Mitgefühl für Terence und seine Verzweiflung empfinden. Seine Wahnvorstellungen sind zu obskur und gleichzeitig abschreckend.
Es ist mir selten so schwergefallen, einem Buch eine Bewertung zu geben. Sprachlich ist es brillant und das sich steigende Unbehagen von Terence ist deutlich spürbar, von Lesevergnügen kann ich in diesem Fall aber nicht sprechen, dazu wirkt es auf mich zu verstörend düster. Die Intensität der Gefühle, die dieser Roman auslöst, spricht für seine Qualität, ich habe eine andere Umsetzung erwartet. Denn auch in Matt Haigs anderen Romanen herrscht oft eine düstere Grundstimmung, jedoch werden diese durch phantasievolle Rahmenhandlungen und eine spitzfindige Sicht auf Familie und Gesellschaft gebrochen. Diese Elemente fehlen hier völlig, so dass ich als Leser eher ratlos und verstört zurück geblieben bin. Die deutsche Übersetzung des Titels finde ich irreführend, „The Possession of Mr Cave“ im Original trifft es besser.

Bewertung vom 18.02.2022
Habichtland
Knöppler, Florian

Habichtland


ausgezeichnet

In „Habichtland“ erzählt Florian Knöppler die Geschichte seiner Hauptfigur aus dem Roman „Kronsnest“ auf ebenso feinsinnige Weise weiter wie schon im ersten Band.
12 Jahre sind vergangen, im Jahr 1941 ist Hannes zu einem jungen Mann heran gewachsen und zweifacher Vater. Die Verantwortung für die Familie und den kleinen Hof in der Elbmarsch wiegt schwer auf seinen Schultern, zudem sind im Dorf zur Zeit des Krieges die politischen Spannungen gewachsen. Hannes versucht, sich möglichst unauffällig zu verhalten, doch seine Frau Lisa will der politischen Stimmungsmache in Schule und Kirche nicht mehr tatenlos zusehen, ihr fällt es schwer, kritische Kommentare dazu herunter zu schlucken. Als Hannes notgedrungen ein offizielles Amt im Dorf annimmt, um seine Familie zu schützen, nimmt Lisa ihm dies übel, in ihrer Ehe kriselt es, sie sprechen kaum noch miteinander.
In dieser Zeit kehrt Hannes Jugendliebe Mara nach Elmshorn zurück, die Begegnungen mit ihr wecken Erinnerungen an ihre gemeinsame Jugend, bieten Hannes kleine Fluchten aus dem Alltag und stärken ihn gleichzeitig, den belastenden Widrigkeiten die Stirn zu bieten.
Wie schon in „Kronsnest“ beeindruckt mich auch hier wieder das feinsinnige Gespür des Autors für seine Charaktere. Durch die zurückhaltende Sprache schafft er ein klares Bild von der Landschaft und der beklemmenden Stimmung, die damals auf der Bevölkerung gelastet hat. Man spürt als Leser den auf Hannes lastenden Druck, nichts falsches zu tun oder zu sagen, um nicht Hof und Familie zu gefährden, dazu der ewige währende Kampf, die Existenz zu sichern. Der Roman berührt und macht nachdenklich, ich habe mich oft gefragt, wie ich mich zu dieser Zeit verhalten hätte, ob ich denselben Mut wie Hannes und Lisa hätte aufbringen können.
Auch hier hatte ich wieder beim Lesen das Gefühl, in vielen kleinen Bildern einen lebendigen Eindruck von dem entbehrungsreichen Alltag der Menschen in der Elbmarsch zu bekommen, von der oft rauen Landschaft aber auch den schönen Momenten, zum Beispiel wenn Hannes und Lisa mit ihrem Boot zum Fischen hinausfahren und die Weite der Natur genießen.
„Habichtland“ hat mich wie schon der Auftaktband in ganzer Linie begeistert.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.02.2022
Ein Grab für zwei (MP3-Download)
Holt, Anne

Ein Grab für zwei (MP3-Download)


sehr gut

Selma Falck, Hauptfigur in dem Auftakt einer neuen Krimireihe der norwegischen Autorin Anne Holt mit dem Titel „Ein Grab für zwei“, hat nicht nur eine erfolgreiche Karriere as Handballerin hinter sich, sondern zählt als Staranwältin und Teilnehmerin an TV-Shows zu den bekannten Persönlichkeiten Norwegens. Doch das alles hat sie leichtsinnig aufs Spiel gesetzt, so dass ihre Familie ihr den Rücken zukehrt und sie sich in einer schäbigen Wohnung zurück zieht, mit einer Katze als einziger Begleitung.
Da steht der wohlhabende und einflussreiche Geschäftsmann Jan Morell vor ihrer Haustür mit einem Auftrag für sie. Ausgerechnet der Mann, der sie dazu gezwungen hat, alles aufzugeben, was sie besitzt, ist jetzt bereit, ihr eine zweite Chance zu geben. Seine Tochter Hege und Norwegens beste Langläuferin wurde bei einer Dopingkontrolle aufgedeckt, und Selma soll vor Beginn der Olympischen Winterspiele die Unschuld seiner Tochter beweisen. Selma hat kaum begonnen, sich dieser kaum lösbaren Aufgabe zu stellen, als ein männlicher Langlaufprofi tot aufgefunden wird, auch er mit dem gleichen Dopingmittel im Körper. Das Desaster für die norwegischen Langlauf-Nationalmannschaft ist total, und Selma muss bald feststellen, dass es hier um mehr geht, als nur das Doping zweier Spitzensportler.
Das Buch ist spannend und komplex mit verschiedenen Erzählebenen, neben der Hauptgeschichte gibt es Kapitel um einen Mann in Gefangenschaft und Auszüge eines sogenannten Drehbuchs, bei denen sich erst im Verlauf ergibt, wie sie in den Kontext passen.
Der Einstieg ist aufgrund der Vielzahl der Personen und ungewohnten norwegischen Namen nicht einfach, dennoch hat die Geschichte schnell mein Interesse geweckt. Es ist jedoch eines der Bücher, bei denen mir ein abschließendes Urteil schwer fällt. Die Mischung aus Krimi und Kritik an dem System des Spitzensports ist interessant, die raffiniert konstruierte Handlung sorgt dafür, dass man trotz einiger Längen dabei bleibt. Die Charaktere konnten mich jedoch nicht wirklich überzeugen. Selma Falck ist einerseits kühl und unnahbar, hat dann wieder eine ausgeprägte soziale Ader. Es wirkt unglaubwürdig, dass sie einerseits eine der bekanntesten Persönlichkeiten Norwegens ist, ihr persönlicher Absturz aber von den Medien jedoch komplett unbeachtet bleibt. Auch die anderen Charaktere blieben für mich zu unnahbar und fremd, so dass mich eine weitere Verfolgung dieser Reihe nicht reizt.
Katja Bürkle hat mir als Sprecherin des Hörbuchs sehr gut gefallen, sie liest die Personen mit unterschiedlichen Betonungen und den Szenen angepasst, so dass klare Bilder vor Augen entstehen.

Bewertung vom 30.01.2022
Grabesstern / Heloise Kaldan Bd.3
Hancock, Anne Mette

Grabesstern / Heloise Kaldan Bd.3


ausgezeichnet

In „Grabesstern“, dem 3.Band aus einer Reihe der Autorin Anne Mette Hancock um die Kopenhagener Investigativ-Journalistin Heloise Kaldan und Kriminalkommissar Erik Schäfer, beschäftigt sich Heloise nach den vorausgegangen und für sie persönlich sehr belastenden Fällen mit dem eher ruhigen Thema Sterbebegleitung. Connie, die Frau von Schäfer arbeitet als Sterbebegleiterin und hat Heloise für eine Reportage den Kontakt zu Jan Fischhof vermittelt. Doch Jans Geschichte geht ihr bald näher, als sie erwartet hätte. Als Jan in seinen klaren Momenten andeutet, dass ihm Ereignisse aus der Vergangenheit auf der Seele brennen, stösst Heloise bei ihren Nachforschungen mit Hilfe Erik Schäfers auf den Fall eines verschwundenen Mädchens. Sie reist nach Süd-Jütland, Jan Fischhofs früherer Heimat, und sorgt mit ihren Fragen für Unruhe unter der Bevölkerung. Es sind in der fraglichen Zeit offenbar mehr als nur ein Mädchen verschwunden. Aber was hat Jan Fischhof mit der Sache zu tun, und was versucht die örtliche Polizei zu vertuschen? Dieser Fall beginnt ruhig und steigert sich stetig zu einer spannenden und vielschichtigen Geschichte, in der Heloise nicht nur sich und Erik Schäfer in Gefahr bringt, sondern auch wieder einmal persönlich mehr involviert wird, als sie anfangs erwartete hätte.
Auch dieser Band ist wie seine Vorgänger komplex und fesselnd, einige Ereignisse sind vorhersehbar, doch die Autorin schafft es immer wieder zu überraschen. Heloise ist eine starke Persönlichkeit und mit ihrer sturen und oft unnahbaren Art nicht immer Sympathieträger. Sie darf aber auch ihrer verletzliche Seite ausleben, was zu ihrer Glaubwürdigkeit beiträgt und die Geschichten umso lebendiger erscheinen lässt. Auch wenn dieser Band in sich abgeschlossen ist, kann es für das Verständnis von Heloise Vorgehen und Reaktionen hilfreich sein, die Vorgeschichten zu kennen.
Mich hat auch dieser Band wieder von Anfang bis Ende gefesselt, die Autorin hat mit dem Gespann aus Journalistin und Kriminalkommissar eine interessante Mischung geschaffen, die sich gut ergänzt. Wo Erik Schäfer dienstliche Grenzen gesetzt sind, gibt Heloise noch lange nicht auf und treibt die Ermittlungen voran. Die Mischung stimmt, neben dramatischen Szenen gibt es auch ruhige und sogar komisch anmutende Momente.
Cover und Titel sind für diesen Fall nicht wirklich passend, den originalen Titel „Pittbull“ hätte ich auch für die deutsche Fassung als passender empfunden. Abgesehen davon hoffe ich, dass die Serie trotz der Entwicklungen am Ende noch einige Fortsetzungen finden wird.