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Benutzername: 
Gela
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Niedersachsen
Über mich: 
Ob Krimi, Belletristik, Biografie oder Dokumentation. Ich mag Bücher und reise gerne mit ihnen in andere Welten.
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 141 Bewertungen
Bewertung vom 26.03.2021
Der große Sommer
Arenz, Ewald

Der große Sommer


ausgezeichnet

Hier entdeckt jeder ein wenig den eigenen großen Sommer

Friedrich, genannt Frieder darf nicht mit in den Urlaub fahren, sondern muss seine Sommerferien bei den Großeltern verbringen, um für die Versetzungsnachprüfungen zu lernen. Ihm bangt vor der Strenge des Großvaters, der keine Nähe zulässt. Doch dieser Sommer wird zu diesem einen, an den man sich immer erinnern wird. Frieder fühlt die ersten Schmetterlinge im Bauch kribbeln, lernt, was Verantwortung, Freundschaft und Familie bedeuten kann.



Ewald Arenz hat mit wundervoll lebendigen Worten einen erinnerungswürdigen Sommer erschaffen. So empfindet man nur einmal den Sommer. Überall wartet ein Abenteuer darauf, entdeckt zu werden. Die erste Liebe voller Leidenschaft, Ungewissheit, Qual und Romantik. Friedrichs Gefühle sind so vertraut und nachvollziehbar. Jeder wird hier etwas von seinem eigenen großen Sommer entdecken. Wunderschön und wie vom Wind getragen, leicht zu lesen.



Die Charaktere sind so echt berührend und fühlbar. Besonders Frieder war mir durch seine feinfühlige Art, Dinge zu betrachten, sofort sympathisch. Ihm begegnet man zuerst auf einem Friedhof, während er nach einem Grab sucht. Dies ist nur eine von wenigen kurzen Sequenzen der Gegenwart, bis seine Gedanken wieder zum Sommer seines 16-jährigen Ichs zurückkehren.



"Aber das alles hier, dieser Sommermorgen und die Blätter über dir und wie du lässig auf dem Rad sitzt und rauchst und cool aussiehst, das ist ..., als ob man das alles erst malen muss, damit man es in einem Moment aufnehmen kann. Damit man fühlen kann, was diesen einen besonderen Augenblick ausmacht."



Wer wäre schon begeistert für Prüfungen zu lernen, wenn alle anderen sich in der Sonne aalen. Genau das scheint Frieders Schicksal in den Ferien zu sein. Noch dazu im Haus seiner Großeltern, wo sein Großvater, ein Professor am Klinikum, kühl und abweisend keinerlei Verständnis für einen Teenager zeigt. Ganz anders dagegen Oma Nana, eine warmherzige, kunstbegabte Frau, die viel Einfühlungsvermögen bei ihrem Enkel zeigt.



Zum Glück gibt es noch den besten Freund Johann und Frieders ältere Schwester Alma, die die lauen Sommerabende zu etwas Besonderem werden lassen. Dann gibt es plötzlich Beate, ein Mädchen im Schwimmbad, das Frieders Herz so schnell berührt hat. Es macht unheimlich Spaß zu lesen, wie die ersten zarten Gefühle in Frieder erwachen. Seine Unsicherheit den eigenen Gefühlen gegenüber. Jeder hat das schon erlebt, aber hier wird es herrlich erzählt.



"Den Werther hatte ich immer langweilig gefunden, aber in diesem Moment, in dieser Telefonzelle an diesem still-sonnigen Nachmittag, schüttelte es mich innen so durch, dass ich plötzlich verstand, dass manche diesen Orkan im Inneren irgendwann nicht mehr aushielten."



Nichts scheint die Freunde aufhalten zu können. Die verbotenen geheimen Plätze der Stadt scheinen ihnen zu gehören. Bis Johanns Vater stirbt und sich ein Schatten über die Freunde legt und ihre Freundschaft belastet. Der coole Johann zerbricht unter seiner Fassade, die er nicht mehr aufrechterhalten kann. Intensive, traurige und bewegende Momente zeigen, wie schnell das Leben einen neuen Weg einschlägt.



Hier zeigt sich, wie wertvoll der Zusammenhalt einer Familie ist. Der vermeintlich kalte Großvater erweist sich als großherziger, sympathischer Mensch, der es nur verstanden hat, sein Herz gut zu verstecken. Das Erkennen eines anders eingeschätzten Menschen wird leise, aber sehr intensiv herausgearbeitet und hat mir sehr gefallen.



Es endet, wie es beginnt. Der Kreis hat sich geschlossen.



Dieser Roman ist wundervoll, intensiv, ehrlich und klar. Am Ende merkt man, wie kostbar solche Erinnerungen im Leben sind.

Ich muss wohl nicht mehr sagen, wie sehr er mir gefallen hat.



Von mir gibt es 5 Sterne plus

Bewertung vom 19.03.2021
Die Erfindung der Welt
Sautner, Thomas

Die Erfindung der Welt


sehr gut

Philosophisches über das Leben

Ein anonymer Auftraggeber bittet die junge Schriftstellerin Aliza Berg, einen Roman über das Leben zu schreiben. Die einzige Bedingung ist, eine vorgegebene Region mit all ihren Bewohnern mit einzubeziehen. Nicht nur das enorme Vorabhonorar reizt Aliza, sondern auch die Neugier auf die ihr unbekannte Gegend rund um den Ort Litstein. Die herzliche Aufnahme durch die Ortsansässigen macht es ihr leicht, erste Kontakte zu knüpfen. Besonders der Gräfin von Hohensinn fühlt sie sich verbunden und findet in deren Burg eine Unterkunft zum Schreiben.

Thomas Sautner versteht es beeindruckend und verwirrend Kluges in vielschichtig wunderschöne Worte zu hüllen. Meine Erwartung an einen Roman über einen Roman haben sich allerdings nicht erfüllt. Eine durchgehende Handlung habe ich nicht entdeckt. Vielmehr begleitet man unterschiedliche Personen in ihre persönlichsten Winkel. Es ist herausfordernd, die verschiedenen Erzählperspektiven zu erlesen. Sprunghaft geht es zu und nicht immer mochte und konnte ich folgen.

Es geht hier tatsächlich um das Leben an sich in seiner ganzen Vielfältigkeit. Philosophische Betrachtungen und ins Unendliche abschweifende Gedanken des Grafen von Hohensinn. Die Schönheit und Wildheit der Natur, in der jeder sein darf, wer er will. Es geht um Liebe und Existenzangst.

Die Charaktere waren mir überraschend unwichtig. Mich hat das Spiel der Worte fasziniert, die gekonnt und spielerisch gesetzt werden.

"... dass das Leben nur in der Art eines Lehrlings und nicht in der eines Meisters zu meistern ist, dass es nur andächtig und dann wild drauflos zu meistern ist, nur heulend und lachend, nur sich einmal davor in einer Ecke verkriechend und dann himmelwärts ihm entgegenspringend, und dass jeder darüber hinausreichende kluge Daseinsplan vom schallenden Lachen des Zufuallsgotts flachgewalzt wird wie ein zuversichtlicher Frosch vom Autoreifen eines dahinschießenden Land Rovers."

Mit dem Ende des Romans konnte ich mich nicht so recht anfreunden, da es zu sehr auf ein Drama hinausläuft, das sehr inszeniert und theatralisch wirkt. Aber vielleicht soll es auch genau so wirken, weil nichts im Leben einer Handlung folgt, sondern seine eigenen Wege sucht.

Dies ist ein Buch zum in Gedanken hängen bleiben und Treibenlassen.

Bewertung vom 10.03.2021
Dinosaurier auf anderen Planeten
McLaughlin, Danielle

Dinosaurier auf anderen Planeten


ausgezeichnet

Ungeschönte bewegende Lebensgeschichten

Ungeschönte schmerzhaft intensive Alltagsgeschichten, wie nur das Leben sie schreiben kann. Über Frauen und Männer in schwierigen Phasen ihres Lebens im Kampf um Anerkennung, Liebe, Wahrnehmung und Verständnis.

Danielle McLaughlin hat mit ihrem wundervoll raumgreifenden Schreibstil in kurzen Erzählungen ganze Lebensgeschichten erzählt. Trotz aller Düsternis wird man gefesselt und ist sofort bei den Protagonisten. Faszinierend, wie tief man in eine 20-seitige Kurzgeschichte eintauchen kann und diese auch nach dem Lesen noch nachhallt. Nach jeder Geschichte musste ich erst einmal innehalten und das Gelesene ruhen lassen, so intensiv fühlte ich mich in die Handlung hineinversetzt.

"Ich mache mir Sorgen, sagte ihre Mutter. Aileen wartete. Die Währung der Sorge hatte im Munde ihrer Mutter über die Jahre einen so großen Wertverlust erlitten, dass man nicht ahnen konnte, was nun folgen mochte."

Hier kämpfen Menschen ums nackte Überleben oder haben schon aufgegeben. Eine verzweifelte 45-jährige Frau, die auf eine Beziehung hofft, obwohl sie tief im Inneren weiß, dass ihr vorheriges Leben dies nicht mehr möglich macht.

"Einen Riegel vor ihre Vergangenheit schieben, das konnte sie nicht. Die Vergangenheit war eine offene Tür und mehr als im Flur daran vorbeieilen war da nicht zu machen."

Die Geschichten lassen einen nicht los, gehen direkt ins Herz. Man hat das Gefühl, genau dies könnte gerade in der Nachbarschaft stattfinden. Ein kleines Mädchen, dass sich ausgegrenzt fühlt, ein überforderter Ehemann, der sich um seine psychisch kranke Frau sorgt, eine Mutter, die ihren Enkel vielleicht das letzte Mal sehen darf.

Die Autorin hat gegenwärtige Stimmungen in starke, bewegende Worte gefasst. Ein Buch, das lange nachklingt und aufweckt.

Bewertung vom 07.03.2021
Ein Stadtmensch im Wald
Walden, H.D.

Ein Stadtmensch im Wald


gut

Entschleunigungslektüre

Ein Schriftsteller flüchtet vor der Pandemie in die Einsamkeit des Waldes, denn Schreiben kann man überall. In Brandenburg, im Ruppiner Wald, findet er mehr als nur Ruhe. Seine unbestrittene Unwissenheit, was Flora und Fauna angeht, bietet ihm die Möglichkeit, sich völlig unbefangen der Natur zu nähern. Seine kleinen Wald-Erlebnisse laden zum Innehalten ein. Tierportrait-Zeichnungen von Elisa Rodriguez unterstreichen die Schilderungen.

H.D. Walden hat sich einem aktuellen Thema gewidmet. Nicht jeder hat die Möglichkeit, sich den Corona-Hotspots fernzuhalten. Ein Autor hat diese Chance natürlich und so zieht es ihn in eine Waldhütte, fern von Abstandsregeln und Hygienekonzepten. Als Leserin, die direkt am Wald lebt, habe ich dieses Buch mit einem Schmunzeln und Aha-Erlebnissen gelesen. Für mich alltägliche Situationen werden auf amüsante Art beschrieben und laden zum Neubetrachten ein.

Aufgetragen von der Freundin, soll der Schriftsteller die Waldtiere füttern, was anfänglich eher eine Pflicht als Freude ist. Diese Vögel scheinen alle gleich. Doch durch die neu gewonnene Zeit und Muße zum Beobachten werden diese Tiere eigenständige Wesen mit Eigenarten, verhaltenstypischen Bewegungen und Charakterzügen.

Diese Stelle hat mir besonders gefallen:

"Wenn die Kleiber sich Futter holten, hieß es 'Alle runter auf den Boden! Keiner bewegt sich, oder es knallt! Her mit den großen Scheinen, na los hört ihr schlecht, ihr habt genau vier Sekunden Zeit!' Die Dompfaffen hingegen wirkten wie Leute, die an einem heißen Sommertag im Garten grillen und eigentlich keinen großen Appetit haben, weil es so warm ist."

Ein Waschbär hat es ihm dann besonders angetan. Jede Nacht plündert der schlaue Kerl die Meisenknödel und lässt sich auch nicht von verschiedenen Abschreckungsversuchen davon abhalten. Mann und Tier arrangieren sich, der eine füttert den Waschbären und das Tier lässt Vogelhaus Vogelhaus sein. Man bekommt den Eindruck, dass sich der Mensch den Tieren annähert, seinen Tagesablauf danach ausrichtet und sich vom städtischen Verhalten immer mehr entfernt.

Einige Passagen waren mir etwas zu fremd. Dialoge zwischen Waschbär und Mensch sind wohl der Einsamkeit und Stille geschuldet. Wiederkehrende nächtliche Wanderungen zu einem Hochsitz, um zu überprüfen, ob eine Jägerin diesen besucht hat, konnte ich nicht so ganz verstehen. Auch wenn eine gewisse Zuneigung zu einem Wildtier besteht, bleibt es doch ein Wildtier und die Rettung vor einer vermeintlichen Kugel wäre auch mit nächtlichen Wanderungen nicht zu verhindern gewesen.

Für mich ist es eine Empfehlung, sich ab und zu vom menschlichen Getümmel zu entfernen, um den Blick für die Natur und das Sein zurückzugewinnen. Auf jeden Fall eine Entschleunigungsleseempfehlung.

Eine Begebenheit im Buch hat der Auto im Video festgehalten:

https://youtu.be/jzW6iEyuW10

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.03.2021
Der Verein der Linkshänder
Nesser, Håkan

Der Verein der Linkshänder


ausgezeichnet

Schuldgefühle verjähren nicht

Kurz bevor Ruheständler Kommissar Van Veeteren vor seinem 75ten Geburtstag in den Kurzurlaub flüchtet, berichtet ihm ein früherer Kollege von einem alten Fall, der offensichtlich nicht als abgeschlossen bezeichnet werden kann. 1991 kamen vier Menschen in einer Pension ums Leben, die alle Mitglied im "Verein der Linkshänder" gewesen sind. Ein weiteres Mitglied galt als vermeintlicher Täter und wurde bis zu diesem Tag vermisst. Nun scheidet er als Täter aus, denn seine Leiche scheint auch seit 1991 im Wald verscharrt gewesen zu sein.

Håkan Nesser mischt Krimi- und Romanelemente gekonnt zu einem besonderen Leseerlebnis. Philosophie findet hier genauso ihren Platz wie klassische Musik oder menschliche Abgründe. Eigentlich möchte man gar nicht, dass man sich dem Ende nähert. Ein durchgängig fesselnder Spannungsbogen macht neugierig auf jeden weiteren Abschnitt. Die Kapitel sind in unterschiedliche Zeitabschnitte aufgeteilt. Es wird von der Gegenwart im Jahr 2012, über die Kindheit der Opfer in den 50er-Jahren und 1991, dem Jahr der Todesfälle erzählt. Dieser Roman setzt die Romanreihe rund um Kommissar van Veeteren fort. Kenntnisse über die vorherigen Bände sind aber nicht erforderlich, der Roman ist in sich geschlossen.

"...nein, es gab wirklich keinen Grund zur Besorgnis, denn wenn das Grauen an die Tür klopft, findet es Freude daran, es an einer Tür zu tun, an welcher der Mensch dahinter vollkommen unvorbereitet und wehrlos ist."

Van Veeteren war mir sofort sympathisch. Der im Ruhestand befindliche Kommissar betreibt ein Bücherantiquariat und ist ein leidenschaftlicher Schachspieler, der überdies noch einen liebenswert herzlichen Umgang mit seiner Frau Ulrike Fremdli pflegt. Ulrike ist dann auch mein heimlicher Star in diesem Roman. Ihre Energie und ihr Charme sind deutlich spürbar. Durch ihre detektivische Ader inspiriert sie van Veeteren letztendlich, den alten Fall noch einmal genauer zu betrachten.

Die Rückblicke in die Vergangenheit zeigen, was aus einer unbedachten Handlung entstehen kann. In einer Gruppe kann man sich aufgehoben fühlen, sich aber auch dem Gruppenzwang ausgesetzt fühlen. Die vielen Verästelungen, die in verschiedenen Zeitebenen entstehen und am Ende zusammengeführt werden, sind sehr geschickt in die Handlung eingearbeitet worden. Der Autor spielt mit dem Leser, gibt ihm Informationen, die vermeintlich den Fall lösen, nur um sich dann wieder zu verlieren.

Mir hat dieser fesselnde Roman sehr gefallen. 600 Seiten zum Eintauchen, Überraschenlassen und Genießen.

Bewertung vom 27.02.2021
Die Bücherfrauen
Tilghman, Romalyn

Die Bücherfrauen


weniger gut

Ein Tornado wütet in Kansas und macht den kleinen Ort Prairie Hill dem Erdboden gleich. Im Nachbarort New Hope hat man andere Sorgen. Das Kulturzentrum soll verkauft werden, wenn nicht ausreichend Spendengelder in die Kasse kommen. In New Hope begegnen sich zufällig drei völlig unterschiedliche Frauen, die sich selbst verloren haben und durch eine gemeinsame Aktion wieder zu sich selbst finden.

Romalyn Tilghman hat als historische Rahmenhandlung den Bau der Carnegie-Büchereien in Kansas vor über 100 Jahren gewählt. Frauen waren es damals, die sich für den Bau der Büchereien in ihren kleinen Orten eingesetzt haben. Frauen, die bis dahin eigentlich nicht viel selbst entscheiden durften. Dieses Thema wäre es Wert gewesen, detaillierter betrachtet zu werden.

Leider verliert sich die Autorin in zu vielen Einzelthemen, die dann nicht fortgeführt werden. Drei unterschiedliche Ich-Perspektiven wechseln sich im Roman ab und steuern aufeinander zu. Dabei geht es um die Tornado-Folgen, eine historische Spurensuche, vernachlässigte Kinder, eine Frauenbewegung, Liebesgeschichten und ein altes Familiengeheimnis. Eigentlich genug Material, um daraus eine lebhafte Story zusammenzustellen. Der Schreibstil, der sehr gewöhnungsbedürftig ist und die Schilderung der Charaktere, die sehr blass wirken, lassen aber kein harmonisches Bild entstehen.

Anfangs dachte ich noch, die Übersetzung wäre evtl. nicht gelungen, aber auch der Originalroman lässt sich holprig lesen:

"I stand in front of my house that isn’t. For the twenty-seventh day in a row, I look over a landscape of rubble, in the middle of a war zone that once was a town before there was a tornado. I sift debris through my fingers, hoping for treasure."
Vor allem die schlichten Sätze, die einfach nicht zu erwachsenen Frauen passen wollen, haben mir das Lesen ein wenig vergällt.

"Sie weinte wie eine Geisteskranke; ihr Gesicht lief ganz lila an, und ihre Lider schwollen zu, so dass ihre Pupillen wie verschrumpelte Erbsen wirkten und nicht wie glänzende grüne Murmeln."
Es mag auch an der amerikanischen Sichtweise liegen, die sehr konservativ und gleichförmig wirkt. Ich konnte mich nicht hineinversetzen. Zu viele Nebenschauplätze wie das Quilten und die Spendenbasare wurden mehrfach und detailliert beschrieben. Die eigentliche historische Geschichte zum Roman verliert sich dagegen.

Ich hatte einen unterhaltsamen Frauenroman erwartet, der viel über die Historie der Büchereien in Kansas beinhalten würde. Geblieben ist nur ein Bild von nähenden Frauen in einem Kulturzentrum.

Bewertung vom 24.02.2021
Essen gut, alles gut
Niemeier, Heike

Essen gut, alles gut


sehr gut

Tipps um ein eigenes Körpergefühl zu erlangen und sich wohlzufühlen

Gesund leben, Gewicht halten, jung aussehen, fit sein. Jeder von uns hat so seine Baustellen und sucht nach dem persönlichen Ideal. In diesem Ratgeber über Essen und Ernährung finden sich wichtige Aspekte, die Anregungen geben, um diesen Wünschen ein Stück näher zu kommen.

Als Ökotrophologin (Ernährungswissenschaft mit den Schwerpunkten Sporternährung, Essverhalten und Kommunikation) weiß
Heike Niemeier wovon sie spricht. Sie überzeugt durch einen leichten Schreibstil, der grundlegende wissenschaftliche Details lesbar aufbereitet. Viele Schautafeln unterstreichen den Inhalt und verdeutlichen die Inhalte.

Vieles hat man schon gehört, aber selten habe ich so unterschiedliche Themen so kompakt aufbereitet vorgefunden. Anhand von Beispielen schildert die Autorin, wie man mit wenig Veränderungen viel erreichen kann, um ein besseres Körpergefühl zu bekommen. Besonders gut hat mir gefallen, dass darauf hingewiesen hat, dass jeder Körper anders aufgebaut ist. 70 kg sind bei jedem anders verteilt. Ein Tipp kann für jemanden sehr gut funktionieren, für den anderen halt nicht.

Rezepte und Einkaufstipps runden diesen Ratgeber ab und machen Lust durchzustarten. Ich habe das Buch inzwischen häufig zur Hand genommen, um mich zwischendurch wieder upzudaten.

Empfehlenswert ist auch die Website https://essenz.hamburg/, auf der man noch weitere Rezepte und Tipps finden kann.

Bewertung vom 17.02.2021
Miss Bensons Reise
Joyce, Rachel

Miss Bensons Reise


sehr gut

"Wir können sein, was wir möchten."

London im Jahr 1950. Ein beinahe verpasster Lebenstraum bahnt sich seinen Weg durch den tristen Alltag von Margery Benson, und ehe sie sich versieht, befindet sie sich auf einem Dampfer, um den goldenen Käfer auf Neukaledonien zu finden. Statt einer erhofften talentierten Expeditionsbegleiterin stürzt die junge Enid Pretty dazu, um Margery bei der Suche zu unterstützen. Zwei völlig unterschiedliche Frauen starten zusammen in ein ungeahnt aufregendes Abenteuer, dass ihren ganzen Mut erfordert und mit einer wundervollen Freundschaft belohnt wird.

Racel Joyce hat einen zauberhaften Schreibstil, der den charmanten, witzigen und warmherzigen Charakteren einen lebhaften und übersprudelnden Rahmen zum Agieren bietet. Von der ersten bis zur letzten Seite war ich gefesselt von so viel Energie und Leidenschaft, die förmlich auf einen überspringt.

Margery Benson ist nun wirklich keine Frau, die nach der Beschreibung in Erinnerung bleiben könnte. Eine graue, unförmige Maus, die als ungewollte Lehrerin mit ihren 47 Jahren ein Leben in Einsamkeit fristet. Dann wird man mit ihrer heimlichen Leidenschaft der Welt der Käfer, konfrontiert. Voller Ekstase wandelt Margery an den Schaukästen des Natural History Museum vorbei und auch als Leser kann man satzweise über diese Käferwelt nur staunen und schließt diese unscheinbare Frau langsam in sein Herz:

"Fühler wie Halsketten, Schnurrbärte, Scheibenwischer, Keulen. Fühler so fein wie ein Lockenhaar, Fühler mit Bommeln, perlenbesetzt, mit einem Horn oder Stachel bewehrt, von der Form eines Kammes."

Als Expeditionsbegleitung ist Enid Pretty nun völlig ungeeignet. Die schrille kleine Person scheint eher auf eine Vergnügungsfahrt zu starten, mit ihren hautengen Kleidchen, Make-up und blondiertem Haar. Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen und da sich sonst niemand findet, der spontan auf eine Insel im Südpazifik fahren möchte, ist Enid mit im Boot. Weder die erhofften Französischkenntnisse noch sonstige Erfahrungen mit Käfern kann die Blondine vorzeigen, dafür verfügt sie über ein ungeahntes Organisationstalent und bezirzt so manchen Zollkontrolleur, um ohne Pass die Reise fortsetzen zu können.

Zwischen den Zeilen kann man viel über diese herzerwärmenden Frauen erfahren. Beide haben eine schicksalhafte Vergangenheit hinter sich und mussten allein in einer schwierigen Nachkriegszeit ums Überleben kämpfen. Sie scheinen beide nach einem Strohhalm zu greifen, um eine letzte Chance im Leben zu erhalten. Sie dabei zu beobachten, wie sie über sich hinauswachsen, sich gegenseitig Halt geben und an Stärke gewinnen, ist berührend.

Es ist diese besondere Mischung aus Humor, Leichtigkeit und tiefem Gefühl, was diesen besonderen Roman ausmacht. Enid Pretty fasst es am besten zusammen:

"Was uns zugestoßen ist, macht nicht das aus, was wir sind. Wir können sein, was wir sein möchten."

Bewertung vom 17.02.2021
Unter Wasser Nacht
Hauff, Kristina

Unter Wasser Nacht


sehr gut

Auch in einer vermeintlich heilen Welt gibt es dunkle Schatten

Zwei befreundete Paare, die sich so gut verstehen, dass sie gemeinsam ein Grundstück teilen und Haus an Haus wohnen. Thies, Sophie, Inga und Bodo haben sich diesen Traum im Wendland an der Elbe erfüllt, doch ihre Freundschaft wird auf eine harte Probe gestellt. Aaron, der elfjährige Sohn von Thies und Sophie, kommt in der Elbe ums Leben und mit seinem Tod legt sich ein Schatten über das perfekte Miteinander der Paare. Ein Jahr nach dem Unglück erscheint eine geheimnisvolle Frau im Ort, die allzu aufmerksam und interessiert auf alle zugeht. Durch sie werden Gefühle geweckt und Geheimnisse gelüftet, die schon zu lange verborgen blieben.

Kristina Hauff hat einen sehr klaren, beobachtenden Schreibstil. Besonders die Landschaft an der Elbe wird aus einem besonderen Blickwinkel betrachtet. Statt natürliche Bilder zu zeichnen, werden eher emotional bedrückende Szenen heraufbeschworen. Jedes Kapitel wechselt mit Sicht auf einen bestimmten Protagonisten. So erfährt man Kapitel um Kapitel mehr über die einzelnen Personen und deren Sichtweise auf das Geschehene. Mir fehlte dabei aber die Nähe zu den handelnden Personen. Es werden wenig Emotionen transportiert, die Charaktere bleiben sehr kühl, vielleicht auch oberflächlich. Das mag gewollt sein, um die Situation vom Leser interpretieren zu lassen.

Das Schlimmste, was Eltern passieren kann, ist, ein Kind zu verlieren. Im Fall von Thies und Sophie gibt es dann noch die Ungewissheit, warum ihr Sohn sterben musste.

"Warum geht ein Elfjähriger mit T-Shirt, Hose und Schuhen in die Elbe?"

Die Polizei ist gerade dabei, die Ermittlungen einzustellen und so schwindet knapp ein Jahr nach dem Schicksalsschlag für die Eltern jede Hoffnung, eine Erklärung zu erhalten. Diese Zerrissenheit ist deutlich zu spüren. Jeder versucht mit sich allein das Unaussprechliche zu verarbeiten. Jedwede Nähe zueinander scheinen sie verloren zu haben. Auch ihre Freunde meiden sie, weil sie die perfekte Familie im Nebenhaus nicht mehr ertragen können.

Als eine Fremde durch einen Zufall in das Leben der Freunde tritt, nehmen sie diese als unverhoffte Bereicherung in ihrer Mitte auf.

"Mara war voller Widersprüche. Sie gab die um sein Seelenwohl besorgte Freundin. Die sinnliche Mara, die ihn lockte. Die besonnene Frau, die ihn abwies. Mara, die ihre Geheimnisse hatte".

Die Figur der Mara wirkte auf mich zu sehr am Reißbrett konstruiert. Eine Frau, die gleich von mehreren Personen als ihr persönliches Highlight im Alltag willkommen geheißen wird. Niemand kennt diese Frau und von heute auf morgen geht sie bei den Paaren ein und aus. Es entsteht sogar eine Art Wettstreit darum, wer am meisten Zeit mit ihr verbringen kann.

Mara ist es dann auch, die Bodo und Inga darauf aufmerksam macht, dass deren Tochter Jella etwas bedrückt. Es ist zwar nicht außergewöhnlich, dass Außenstehende häufig etwas sehen, was direkt Betroffenen nicht offensichtlich ist. Aber gerade hier, wo eine perfekt funktionierende Familie beschrieben wird, soll niemand gemerkt haben, dass Jella etwas verbirgt und nicht verarbeiten kann? Es ist mir schwergefallen, der Wendung etwas Glaubhaftes abzugewinnen.

Mir sind in diesem Roman zu viele Themen miteinander verwoben worden. Der Verlust eines Kindes hätte für mich allein als Thema ausgereicht und müsste nicht durch eine wild konstruierte dramatische Geschichte ummantelt werden. Es geht um Verlust, Verdrängen und Wegschauen. Freundschaften und Beziehungen müssen zeigen, wie belastbar sie in schwierigen Situationen sind.

Ich habe mich bei der Bewertung für ein knappes Aufrunden entschieden, weil mir am Ende die stillen Momente im Roman gefallen haben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.02.2021
Der Malik
Kreutner, Bernhard

Der Malik


sehr gut

Ein besonders heikler Fall auf Malta sorgt dafür, dass die "Sonderermittler für besondere Fälle" zum Einsatz kommen. Ein hoher österreichischer Finanzbeamter ist verschwunden und niemand weiß genau, was er dort wollte oder warum er verschwunden ist. Michael Lenhart und Sabine Preiss haben wenig, auf dem sie aufbauen können. Lediglich ein Zettel mit der Notiz "Der Malik" bildet die Grundlage ihrer Recherchen. Als sie auf eine Familie mit Migrationshintergrund stoßen, haben sie plötzlich Politik und Medien gegen sich. Politische und wirtschaftliche Ränkespiele werden gezielt miteinander verflochten und sind nur schwer zu enttarnen.

Dies ist der zweite Teil einer Kriminalromanserie eines Sonderermittler-Duos, den Autor Bernhard Kreutner im locker, leicht zu folgendem und interessanten Stil geschrieben hat. Da ich den ersten Teil "Der Preis des Lebens" nicht kannte, hatte ich Bedenken, ob man ohne Vorkenntnisse in die Serie einsteigen kann. Die Erklärungen und die Zusammenhänge der Personen werden ausreichend wiedergegeben, um sich zurechtzufinden. Der erste Teil hat mir nicht gefehlt.

Besonders interessant finde ich die Mischung aus Wirtschafts- und Politikkrimi, der zwar kein neues Thema aufgreift, aber dennoch sehr gut umgesetzt wird. Der kriminelle Umgang mit europäischen Emissionszertifikaten und dem sogenannten Umsatzsteuer-Karussell, der Umsatzsteuererschleichungen in traumatischer Höhe ermöglicht, wird hier sehr realistisch beschrieben.

In diesem Roman geht es nicht darum, einen Täter zu finden, sondern ihm das Handwerk zu legen. Die Clan-Kriminalität mit all ihren schmutzigen Tricks wird hier von einer ganz anderen Seite beleuchtet. Das Clan-Oberhaupt hält an alten Traditionen fest, reell ist nur, was man mit Händen greifen kann. Seine Söhne spezialisieren sich aber mehr und mehr auf digitale Kriminalität, mit der sie wesentlich effektiver und erfolgreicher sind. Hinter der Fassade erfolgreicher Geschäftsmänner gehen sie skrupellos sprichwörtlich über Leichen.

Der Wiener Charme darf natürlich nicht fehlen und so ist die Vorzimmerdame Frau Wolf der heimliche Star in diesem Roman. Mit Dialekt und forschem Auftreten ist sie immer bestens informiert und hilft den Ermittlern in mancher brenzligen Situation einen Wissensvorsprung zu erhalten. Schwerer habe ich mich mit Ermittler Dr. Lenhart getan, der ein Faible für philosophische Ergüsse hat, die nicht immer angebracht und nachvollziehbar sind:

"Dekonstruiert á la Frankfurt erhält man dann ein Oxymoron wie den demokratischen Sozialismus."

Da halte ich es eher mit einem seiner Polizeikollegen:

"Michael, sorry, bei aller Wertschätzung, du hast einen an der Waffel."

Alles in allem hat mir dieser Kriminalroman zunehmend besser gefallen. Die anfänglichen Anfangsschwierigkeiten mit den Charakteren sind dem Interesse am Thema und dem steigenden Spannungsbogen gewichen. Ein thematisch ungewöhnlich angelegte Story, die neugierig auf die Fortsetzung macht.