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Volker M.

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Insgesamt 415 Bewertungen
Bewertung vom 28.06.2024
Helgoland 513
Fehling,Alexander/Gedeck,Martina/Finzi,Samuel/+

Helgoland 513


sehr gut

Die Welt im Griff eines Killervirus: Nur Helgoland ist die Insel der Stabilität in einem Meer des Chaos. Aber was für die Festländer ein festungsartig verteidigter Sehnsuchtsort ist, ist in Wahrheit eine waschechte Autokratie. Beatrice führt die Gemeinde mit harter Hand, sie ist Richter und Henker in eigener Person und da sie über Lebensmittelvorräte und die lokale Miliz herrscht, fügen sich alle ihrem Willen. Marek, der einzige Arzt der Insel, forscht derweil an einem Gegenmittel gegen das Virus, aber auch er hat keine reine Weste.

Die Dystopie zeigt, wie schnell sich eine Gesellschaft von ihren demokratischen Werten entfernen kann und die Gier nach Macht aus dem Ruder läuft. Beatrice sieht ihren Weg als alternativlos und bei aller Härte ist sie grundsätzlich „ihrem Volk“ gegenüber wohlwollend. Ganz anders der „Graf“, der im apokalyptischen Hamburg ein Gewaltregime führt und unbedingt die Insel übernehmen will. Aus dieser Konstellation entwickeln die Autoren zahlreiche kleine und große Dramen, die das soziale Gefüge auf Helgoland zunehmend destabilisieren. Das ist anständige Unterhaltung, auch wenn die Logik manchmal etwas zu kurz kommt. Als Naturwissenschaftler darf man nicht nur bei der Dr. Mareks Laborausstattung die Augen zum Himmel drehen. Erst in Folge 5 bekommt die Story plötzlich eine zusätzliche Zeitebene, die in Rückblenden erklärt, wie es zu Beatrices Machtübernahme kam. Am Ende sind wirklich alle Handlungsfäden offen, ja die Staffel endet sogar mit einem heftigen Cliffhanger, was insofern problematisch ist, da noch nicht bekannt gegeben wurde, ob die Serie überhaupt fortgesetzt wird. Sky hat alle Eigenproduktionen eingestellt. Nachfolger sind zwar die Öffentlich-Rechtlichen, aber es werden nicht alle Serien tatsächlich weiter produziert.

Die Rollen sind zum großen Teil sehr gut besetzt, mit Schauspielern, denen man die Theatererfahrung ansieht, was den manchmal etwas eindimensionalen Dialogen und Figuren zugutekommt. Hätten die Schauspieler nicht diese ausgezeichnete Bühnenpräsenz, könnte das schnell lächerlich wirken. Eine komplette Fehlbesetzung ist dagegen Alexander Fehling als Inselarzt Marek. Ohne jede Mimik nuschelt er sich durch seine Rolle, dass ich nicht einmal die Hälfte seines Textes verstanden habe. Offenbar war er mit Till Schweiger in einer Klasse. Nein, so was muss wirklich nicht sein.

Die Extras sind nicht sehr ergiebig. Kurze Beiträge zeigen Kulissen, Kostüme und virtuelle Effekte (die übrigens sehr gelungen sind).

Vier Sterne, wenn die Serie wirklich fortgesetzt wird, sonst würde ich abraten.

(Die Blu-ray wurde mir von Polyband kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.06.2024
Japan - Reiserouten, Highlights, Inspiration
Schäfer, Falk

Japan - Reiserouten, Highlights, Inspiration


sehr gut

Das Reisen in Japan wird zunehmend unangenehm. Es sind 10-mal mehr Touristen im Land, seit ich vor 15 Jahren zum ersten Mal da war, die Bewegungsfreiheit hat sich leider immer weiter eingeschränkt und die Transportpreise sind geradezu explodiert. Mittlerweile sind die touristischen Hotspots so unerträglich überlaufen, dass ich sie konsequent meide und man muss wirklich nach alternativen Sehenswürdigkeiten suchen, um keinen Reisekoller zu bekommen.

Das Routen-Reisebuch von Falk Schäfer kann da eine echte Hilfe sein. Es verbindet Ziele im ganzen Land mit interessanten Streckenführungen, die die landschaftliche Vielfalt berücksichtigen. Insgesamt 10 Touren werden vorgestellt, von 4 Tagen bis 4 Wochen Dauer, die meisten davon als Rundtouren konzipiert, oder man kombiniert Teilstrecken an geeigneten Umsteigeknoten. Die thematischen Schwerpunkte sind sehr unterschiedlich, angefangen bei der klassischen Tokyo-Kyoto-Osaka-Tour bis hin zu einer spannenden Reise rund um Honshu inklusive Abstecher nach Shikoku, die auch erfahrene Japankenner begeistert. Es gibt Spezialtouren durch Kyushu, Okinawa und Hokkaido und eine etwas sportliche Wellness-Tour.

Die Routen werden zwar mit seitengroßen Karten illustriert, aber dort sieht man nur bunte Punkte, kaum einmal einen Städtenamen. Da machen die Karten praktisch keinen Sinn. Kurze Angaben zum Transport zwischen den Stationen und eine touristische Kurzbewertung ergänzen das Kartenmaterial.

Im nächsten Abschnitt werden dann die Ziele im Detail vorgestellt. Die Auswahl der Sehenswürdigkeiten richtet sich vor allem an Japan-Neulinge, mit den absoluten „must have seen“-Zielen. Städte wie Kyoto oder Tokyo sind auch einfach zu groß, um sie in einem solchen Kontext ausreichend zu beschreiben. Es fehlen z. B. innerstädtische Karten, aber es gibt Informationen zu nahen U-Bahn-Stationen und manchmal zu Öffnungszeiten und Eintrittspreisen. Die wenigen empfohlenen Hotels und Restaurants haben wirklich nur exemplarischen Charakter.

Sehr interessant ist das Kapitel „Japan inside“, das durchaus auch kritische Töne anschlägt, indem es den oftmals naiven japanischen Nationalismus und die „Pseudo-Diversität“ anspricht. Für Touristen machen viele japanische Verhaltensweisen das Reisen im Land sehr angenehm, für Menschen, die dauerhaft dort leben, können sie dagegen mehr als nervtötend sein. Falk Schäfer hat vier Jahre in Japan gelebt. Ebenfalls einen guten ersten Überblick geben die Eingangskapitel mit grundlegenden Informationen zur Infrastruktur, Transport und Unterbringung in Japan.

Der Routenplaner ist aus meiner Sicht ein gutes Werkzeug, um von zu Hause eine (Rund)Reise zu planen. Vor Ort hilft das Buch wenig, denn dafür gehen die Informationen an den Zielorten nicht genügend in die Tiefe. Nicht alle „Geheimtipps“ der Einzeltouren würden es auf meine persönliche Empfehlungsliste schaffen (den Großteil kenne ich persönlich), aber sie sind zumindest gute Übergangsstationen. Die Zeitplanung ist mir insgesamt etwas zu knapp bemessen, wenn man wirklich „eintauchen“ will. Alleine für Kyoto braucht man mindestens eine Woche. Als Daumenregel würde ich alle Zeitangaben mit 1,5 multiplizieren, wenn es nicht hektisch werden soll.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.06.2024
Faszination Rom

Faszination Rom


ausgezeichnet

Die römischen Skizzenbücher des Maarten van Heemskerck sind einzigartige Zeugnisse der Ewigen Stadt aus einer Zeit, die noch keine Fotografie kannte. Je mehr sich die Forschung mit dem Konvolut beschäftigt hat, umso erstaunlicher wurden die Entdeckungen. Erst kürzlich wurde im Rahmen einer umfangreichen Restaurierung die ursprüngliche Reihenfolge der etwa 200 Blätter weitgehend rekonstruiert, was vor allem dem Umstand zu danken war, dass 179 von ihnen noch gemeinsam im Berliner Kupferstichkabinett verwahrt werden. Es gibt kein anderes Konvolut von Reisezeichnungen der Renaissance weltweit von diesem Umfang.

„Faszination Rom“ ist der Begleitkatalog zur aktuellen Ausstellung im Kupferstichkabinett, mit Beiträgen zu vielen interessanten Forschungsaspekten. Angefangen bei der Reisepraxis im frühen 16. Jahrhundert und dem Versuch, Heemskercks Reiseweg zu rekonstruieren, seinen Kontakten und Netzwerken in Rom, die sich durch direkte und indirekte Hinweise entschlüsseln, über die Identifizierung der unzähligen Motive in den Skizzenbüchern und der Frage, ob sie tatsächlich die damalige Realität wiedergeben bis hin zur „Nutzungsphase“ der Skizzen, die für Heemskerck lebenslang als Vorlagen und Inspiration für Gemälde und Druckgrafiken dienten. Es gilt als sicher, dass das gesamte Konvolut bis zu seinem Tod zusammenblieb und es ist sogar die anschließende Provenienzgeschichte weitgehend entschlüsselt. Auch hierfür waren detektivische Quellenstudien erforderlich, wie überhaupt Heemskercks Lebensweg hauptsächlich aus Zeugnissen Dritter rekonstruiert wurde. Die Beiträge im Katalog entwirren ein komplexes Netzwerk aus Künstlerkollegen, Mäzenen und Verwandten, in dem sich Heemskerck bewegte und das ihn zu einem berühmten Mann machte. Sein Skizzenbuch wurde auch nach seinem Tod noch wertgeschätzt und nicht wenige Künstler der nächsten Generation haben nachweislich hieraus Inspiration geschöpft, darunter als die bekanntesten Hendrick Goltzius und Pieter Saenredam.

Die zahlreichen Abbildungen zeigen Originalzeichnungen, einige auch in Ausschnittsvergrößerungen, Druckgrafik und Gemälde, mit denen die Zusammenhänge belegt werden. Sie illustrieren Heemskercks zeichnerische Virtuosität, aber auch seinen Einfluss auf andere. Der umfangreiche Katalogteil enthält u. a. sämtliche Zeichenblätter in der rekonstruierten Reihenfolge, mit bibliografischen Daten und einer kurzen kunsthistorischen Einordnung.

Auch wenn die Abbildungen gegenüber den Originalen verkleinert sind, zeigen sie in unglaublicher Detailliertheit ein Rom, das zwischen Ruinen und Palästen aus einem jahrhundertelangen Schlaf erwacht und gerade dabei ist, seine neue Rolle zu finden. Ein absolut einzigartiger Blick in die Vergangenheit, der durch die spannenden Beiträge in einen noch größeren Kontext hineingewoben wird. Wie sich nämlich zeigt, sind die Skizzenbücher von einer kunsthistorischen Bedeutung, die weit über den ersten Anschein hinausgeht.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.06.2024
Praxisbuch Waldgarten
Kranz, Volker;Deemter, Frederik

Praxisbuch Waldgarten


ausgezeichnet

Ein bisschen skeptisch war ich schon: Anbau von Nutzpflanzen im Waldgarten? Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Nein, ganz und gar nicht. Die Autoren verweisen sowohl auf historische Nutzungsformen in Mitteleuropa als auch auf die Tropen und Subtropen, wo Waldgärten noch weit verbreitet sind. Nicht kompatibel sind sie aus nachvollziehbaren Gründen mit der industriellen Landwirtschaft.

Ein Waldgarten erfordert umfassendes Wissen über die natürlichen Abläufe, genannt Sukzession. Bestimmte Pflanzengesellschaften sind typisch für bestimmte Altersstufen eines Biotops, angefangen von einem frisch gepflügten Acker mit schnellwachsenden Ackerunkräutern bis zur Endphase, dem für Mitteleuropa typischen Hochwald. In jeder dieser Phasen gibt es Möglichkeiten, essbare Pflanzen anzubauen und wer eine langfristige Planung zugrundegelegt, kann jede dieser Entwicklungsstufe gezielt ausnutzen. Dabei betonen die Autoren, dass die permanente Kontrolle sehr wichtig ist, denn sich änderndes Klima, Konkurrenzdruck oder Schädlinge erfordern nicht selten aktive Eingriffe. Der Waldgarten wirkt auf den ersten Blick „wild“, ist es aber nicht. Die hohe Strukturvielfalt ist Teil des Konzepts, das sich nach ökologischen und pflanzensoziologischen Prinzipien richtet. Vielfältige Lebensräume sind automatisch artenreich und Biodiversität fördert die Resilienz. Waldgärten sind weniger empfindlich gegen Störungen aller Art, allerdings sind sie flächenbezogen deutlich ertragsärmer als die industrielle Landwirtschaft.

Das Buch ist inhaltlich gut strukturiert, indem es zunächst die Prinzipien vermittelt und anschließend durch Tabellen und Artensteckbriefe für die einzelnen Entwicklungsstufen und Standorte die praktische Umsetzung erleichtert. Besonders hervorheben möchte ich die zahlreichen „Exoten“, die hierzulande noch weitgehend unbekannt sind, aber besonders im Konzept des Waldgartens eine echte Zukunft haben. Die fundierten Beschreibungen sparen auch nicht mit kritischen Anmerkungen, wenn sich in der Praxis Probleme ergeben haben, z. B. mit invasivem Wachstum, unzuverlässiger Ernte oder geschmacklich nicht überzeugenden Sorten. Es sind jedenfalls einige unerwartete Überraschungen dabei.
Ein besonderes Kapitel ist dem Anbau von Pilzen gewidmet. Ich habe schon einmal ein Buch über Pilzkultur gelesen, dort war die Vermehrung allerdings problematisch. Kranz und Deemter nutzen deutlich einfachere Verfahren, wahrscheinlich unterstützt durch das feuchtere Mikroklima, das in einem Waldgarten herrscht. Es sind jedenfalls erstaunlich viele Kulturversuche gelungen.
Ausdrücklich hinweisen möchte ich auf den kurzen Absatz am Ende des Buches, mit einer gesundheitlichen Warnung: Einige der vorgestellten Pflanzen sind in größeren Mengen oder für bestimmte Bevölkerungsgruppen möglicherweise gesundheitsschädlich. Sie sind in den Tabellen und Beschreibungen zwar jeweils markiert, aber grundsätzlich sollte man bei „unbekannten“ Pflanzenarten vorsichtig sein. Manchmal entwickeln Pflanzen auch erst im Alter toxische Eigenschaften.
Vermisst habe ich das Thema Terra preta, das aus meiner Sicht ideal zum Waldgarten passt, alleine schon, weil man im Waldgarten meist auf Düngung verzichtet. Das Terra preta-Verfahren kommt auch aus den Tropen und erhält dort über Jahrhunderte die Fruchtbarkeit auf den oft extrem mageren Urwaldböden.

„Praxisbuch Waldgarten“ zeigt eine faszinierende Alternative zum konventionellen Nutzpflanzengarten. Auf den ersten Blick ein ungesteuertes „Laissez-faire“-Konzept, in Wirklichkeit aber ein Gartentyp, der viel pflanzenökologisches Wissen erfordert und bei dem man ständig neu prüft und plant. Aber das ist für Gärtner ja eigentlich der Normalfall.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.06.2024
British Furniture
Payne, Christopher

British Furniture


ausgezeichnet

Warum gab es bisher über die kunstgeschichtliche Entwicklung des englischen Möbels zwischen 1820 und 1920 fast keine monografischen Publikationen? Christopher Payne, international anerkannter Spezialist für europäische Möbel des 19. Jahrhunderts, war sich über die Lücke schon lange bewusst, aber ihm war auch klar, dass es schwierig sein würde, sie zu füllen. Das Problem ist der Eklektizismus jener Epoche, die bewusst auf Stilelemente vergangener Zeiten zurückgriff und dieses Prinzip über einen langen Zeitraum beibehielt. Was wir in Deutschland als „Historismus“ kennen, etablierte sich in England schon um 1820 im Segment der Luxusmöbel. Payne bemerkt in seiner hervorragend illustrierten Monografie, dass selbst der englische Handel diesen Stil oft als „viktorianisch“ missinterpretiert und damit auch fehldatiert. George III und William IV waren kunstaffin und schufen in ihrer Vorbildfunktion die Grundlage dessen, was sich etwa 20 Jahre später im Bürgertum als „viktorianischer Stil“ breit manifestierte.

Payne besitzt ein unfassbar umfangreiches Wissen, das sich aus seiner Zeit als Direktor bei Sotheby‘s und als selbständiger Händler speist. Alle stilprägenden Designer, Hersteller und Luxushändler tauchen in seinen nach Jahrzehnten gestaffelten Kapiteln mit detaillierten biografischen Angaben auf, wobei es allerdings bei den langlebigen Firmen einige Redundanzen gibt. Der Vorteil ist, dass jedes Kapitel autark funktioniert, als Leser hätte ich eine weniger in die Tiefe gehende Wiederholung allerdings bevorzugt. Über den umfangreichen Index im Anhang sind die Referenzen auch leicht wieder aufzufinden.

Besonders hervorheben möchte ich Paynes Fokus auf die verwendeten Materialien. Er ist ein hervorragender Holzkundler und es zeichnet sich im Lauf der Zeit immer deutlicher heraus, dass die Einordnung von nicht datierten Möbeln oft über eine präzise Materialbestimmung möglich ist. Das noch um 1820 als absoluter Luxusstil verwendete Design wird unter Verwendung preiswerterer (aus heutiger Sicht immer noch kostbarer) Furnierhölzer später im Bürgertum demokratisiert. Der Band untersucht, wie im Untertitel zu erkennen ist, die Avantgarde dieser Entwicklung und nicht die spätere „Massenproduktion“. Aufgrund von Paynes enzyklopädischem Wissen um Provenienz und Lokalisation bedeutender Möbel ist das Bildmaterial hierzu äußerst umfangreich und erlaubt dem Leser, ein stilistisches Gespür zu entwickeln. Hinzu kommen zahlreiche Darstellungen, die die Möbel im historischen Wohnkontext zeigen, was zum einen bei der Datierung hilft, zum anderen die praktische Verwendung illustriert.

Die Verarbeitungsqualität englischer Möbel dieser Zeit ist herausragend und nicht zufällig haben sich ungeheure Mengen von ihnen aus bürgerlichem Umfeld erhalten. Die in der Monografie gezeigten Beispiele setzen aber eigene Maßstäbe in Qualität, verfeinertem Design und Materialauswahl. Auch wenn der Autor bescheiden darauf hinweist, dass das Buch keineswegs enzyklopädisch gedacht ist, ist die Informationstiefe insgesamt so hoch, dass es aus meiner Sicht durchaus enzyklopädischen Charakter hat. Payne diskutiert seine Zuschreibungen und begründet die Wahl im direkten Vergleich mit Stücken gesicherter Provenienz. So werden vereinzelt selbst „Handschriften“ von Herstellern/Designern erkennbar.

Die Epoche des „britischen Historismus“ ist aufgrund seiner wiederholten Stilrückgriffe und langen Dauer immer noch schwer zu fassen, durch Paynes Monografie werden aber viele der Entwicklungen erkennbar und auch zeitlich besser auflösbar. Einschränkungen gelten insofern, dass die Abgrenzung zum stilistisch ähnlichen bürgerlichen Segment weiterhin eine Herausforderung bleiben wird.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.06.2024
John Sinclair - Promis lesen Sinclair
Dark, Jason

John Sinclair - Promis lesen Sinclair


ausgezeichnet

Seit über 50 Jahren ist John Sinclair Kult. Der Geisterjäger mit James-Bond Attitüde (ohne dessen Sex-Appeal) kennt sich in Britanniens Grüften und Zombie-Kommunen bestens aus und schießt jedem Ghul auf 200 Meter Entfernung eine Silberkugel in den Schleim. Mehr oder weniger schöne Frauen gehören zu seinem Leben ebenso dazu wie ein Bentley als Dienstwagen. Scotland Yard war ja schon immer für seine großzügigen Spesenregeln bekannt.

Die Sammelbox ist hochkarätig mit Sprechern besetzt, die zur Elite deutscher Trash-Experten gehören: Oliver Kalkofe, Lisa Feller, Hannes Bender, Oliver Rohrbeck und Urban Priol legen sich ordentlich ins Zeug, um tanzenden Skeletten in der Horror-Disco, dem blutrünstigen schwarzen Henker, einer rachsüchtigen Geister-Colette oder einem ganzen Bus voller Zombies Leben einzuhauchen. Nun ja, das trifft es nicht ganz, denn John Sinclair hat es bekanntlich mehr mit den Untoten, aber als Sprecher braucht man den ganzen stimmlichen Einsatz, um diesen hanebüchenen Stories die notwendige satirische Note zu verleihen. Literarisch spielt Jason Dark alias Helmut Rellergerd in der Liga von Dr. Stefan Frank, dem Arzt, dem die Frauen vertrauen und Silvia, der Schicksalsgebeutelten. Ihn zeichnen ein untrügliches Gespür für die falsche Metapher und schräge Bilder aus, gepaart mit Dialogen von deutscher Coolness und britischem Ernst. Dass die Sprecher nicht ständig laut losprusten, zeugt jedenfalls von viel professioneller Beherrschung.

Als Gute-Nacht Hörbuch hat mich die Edition prächtig unterhalten. Sozusagen die Drei-Fragezeichen-Einschlafhilfe für Erwachsene.

(Das Hörbuch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.06.2024
Nacht ohne Morgen
d`Halluin, Benoit

Nacht ohne Morgen


ausgezeichnet

Der Anruf, den Catherine eines Abends erhält, lässt ihre Welt zusammenbrechen: Ihr Sohn Alexis liegt nach einem schweren Unfall in einer New Yorker Klinik im Koma. Zusammen mit Marc, dem rätselhaften Anrufer, fliegt sie in die USA und erfährt unterwegs, was Alexis vor der Familie verheimlicht hatte: Er ist schwul und lebt seit zwei Jahren mit Marc zusammen. Es bleibt nicht das einzige Geheimnis um Alexis. Der Unfall war kein Zufall, sondern ganz offensichtlich ein Mordversuch. Doch wer könnte dem lebensfrohen und empathischen Alexis nach dem Leben trachten?

„Nacht ohne Morgen“ ist die berührende Geschichte zweier traumatisierter Menschen, die sich nach der wahren Liebe sehnen und dabei lange ein falsches Leben im richtigen führen. Marc kompensiert seine Verlustängste durch berufliches Engagement und eine steile Karriere, Alexis gelingt es dagegen nicht, den richtigen Moment zu finden, um sich vor seiner Familie zu outen, obwohl er nie befürchten muss, dass seine Sexualität nicht akzeptiert würde. Beide suchen die Liebe fürs Leben, ohne zu wissen, was das eigentlich für sie bedeutet. Bis sie sich begegnen, durchleben sie mehr oder weniger kurzlebige Beziehungen, die meistens daran zerbrechen, dass sich die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Marc ist über Dreißig, Alexis etwas jünger, aber beiden ist klar, dass ihr schwules Verfallsdatum langsam abläuft.

Benoit d’Halluin findet für die Gefühle der beiden Protagonisten die passenden Worte, zwischen Sehnsucht, Einsamkeit und dem strahlenden Moment, als sich Marc und Alexis begegnen. Mit großer Einfühlsamkeit beschreibt er die Unterschiede der Partnersuche in Europa und den USA und es wird deutlich, warum es dort so extrem schwierig ist, „Mr. Right“ zu finden und dauerhafte Beziehungen einzugehen. Umso schöner ist es, dass man auch als Leser sofort spürt, dass Marc und Alexis einander brauchen, wie die Luft zum Atmen. Zu keiner Zeit gleitet der Autor in pornografische oder triviale Abgründe ab, er befriedigt keinen Voyeurismus, sondern konzentriert sich auf die Gefühlslagen und Zweifel der Protagonisten. Gleichzeitig baut er zunehmend Spannung auf, denn von den ersten Seiten an ist klar, dass Alexis seinen Todfeind kurz vor dem Unfall erkannt hat. In Frage kommen zwar einige ehemalige Partner, deren Eifersucht immer noch lodert, nur wer es letztlich ist, bleibt lange im Dunkeln, auch dank einiger unerwarteter Wendungen.

„Nacht ohne Morgen“ ist eine literarische Liebeserklärung an zwei Menschen, die sich gesucht und gefunden haben. Der Krimi, der sich um das Attentat rankt, ist dabei nur der Auslöser dafür, die ganze Geschichte in raffiniert komponierten Rückblenden zu erzählen, wobei d’Halluin stets die richtige Balance zwischen Emotion und Spannung hält. Ein Roman, den man alleine schon wegen seiner präzisen Sprache auch mehrmals mit Gewinn lesen kann.

Die liebevollen Details in der Buchausstattung, mit farbiger Fadenheftung, Lesebändchen und clever strukturiertem Einband zeigt, dass auch der Verlag weiß, dass er hier eine seltene Perle schwuler Literatur im Programm hat.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.06.2024
Gerd Wegers Krypto-Kompendium
Weger, Gerd

Gerd Wegers Krypto-Kompendium


sehr gut

Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum & Co. kamen für mich als Anlageklasse bisher nicht in Frage. Die Kurse sind mir zu volatil, die Verwahrung zu unsicher, das Betrugs- und Diebstahlrisiko zu hoch und vor allem der fehlende innere Wert ist mir suspekt. Auch die auf dem Buchmarkt angebotene Literatur war mir entweder zu einseitig oder in der Informationstiefe zu dürftig. Mit “Gerd Wegers Krypto-Kompendium“ liegt nun ein umfassendes Lehr- und Nachschlagewerk vor, das auch bisher stiefmütterlich behandelte Themen wie Besteuerung oder Fundamentalanalyse ausführlich und breit behandelt. Meine oben genannten Vorurteile konnten durch sachliche Informationen weitgehend entkräftet werden, so dass ich heute Kryptowährungen als neue Anlageklasse betrachte. Sie diversifizieren ein Portfolio sinnvoll, weisen eine geringe Korrelation zu traditionellen Assets wie Aktien, Anleihen oder Immobilien auf und gelten somit als neue „Konkurrenz“ zu Gold.

Weger beginnt sein Kompendium mit einem ausführlichen und detaillierten Grundlagenteil. Er klärt wichtige Begriffe („Kryptosprech“) und weist auf Begriffsverwirrungen und Unschärfen hin, beschreibt die Unterschiede zwischen Bitcoin und Altcoins sowie zwischen Coins und Token, um dann auf Themen wie Blockchain, Kryptografie, Skalierbarkeit, Forks, private und öffentliche Schlüssel und Mining einzugehen. Aber auch praktische Themen wie die Emission und Börsennotierung von Kryptowährungen und deren Handel (z. B. Auswahlkriterien für Kryptobörsen) und Verwahrung (z. B. über Wallets) kommen nicht zu kurz. Besonders interessant fand ich Wegers Ausführungen zur Preisbildung von Bitcoins und warum es normal ist, dass Bitcoins so volatil sind. Der Autor schließt die Einführung in Kryptowährungen mit Risikofaktoren wie staatliche Regulierungseinflüsse, Besteuerungs- und Sanktionsmöglichkeiten, Insiderhandel, Influencer, Betrug und Hacking ab.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Fundamentalanalyse. Ob Kryptowährungen überhaupt einen inneren Wert haben, ist selbst unter Experten umstritten. Weger zeigt jedoch einen Weg auf, wie man dennoch eine Fundamentalanalyse von Kryptowährungen durchführen kann, und weist gleichzeitig auf die Unterschiede zur Fundamentalanalyse von Aktien hin. Mit seiner Methodik analysiert er andere Quellen als die Bilanzdaten von Unternehmen, um entscheiden zu können, ob eine Kryptowährung einen fairen Wert hat oder unter- bzw. überbewertet ist. Auch eine Chartanalyse ist bei Kryptowährungen genauso möglich wie bei anderen Assets. Welche Unterschiede es gibt und welche technischen Indikatoren man heranziehen kann, beschreibt der Autor sachlich, wenngleich er der Aussagekraft der technischen Analyse kritisch gegenübersteht. Der Sentimentanalyse, also der Analyse der allgemeinen Stimmung der Finanzmarktteilnehmer, die für alle Anlageklassen gilt, steht er dagegen aufgeschlossen gegenüber. Auch hier nennt Weger spezifische Indikatoren, die bei der Anlageentscheidung herangezogen werden können. Um den ganzheitlichen Blick auf das Thema Kryptowährungen abzurunden, geht Weger auch auf steuerliche Fragen mit Schwerpunkt Deutschland, aber auch in anderen Ländern ein.

Wegers Buch macht seinem Titel „Kompendium“ alle Ehre. Auf über 700 Seiten beleuchtet Weger das Thema Kryptowährungen von allen Seiten. Die sachliche Sprache, die ausgewogene Argumentation und der Verzicht auf reißerische Werbeaussagen machen das Buch zu einem wertvollen Nachschlagewerk. Es ist didaktisch gut strukturiert und zentrale Aussagen oder wichtige Themenpunkte sind im Fließtext fett gedruckt. Im Anhang findet sich ein umfangreiches Literaturverzeichnis mit zahlreichen Internet-Links. Auf der Website des Autors sind diese Links sowie alle Abbildungen des Buches digital zum Anklicken hinterlegt.
Warum bei einem Kompendium dieses Umfangs auf ein Stichwortverzeichnis verzichtet wurde, ist mir völlig unverständlich. Auf eine Anfrage beim Autor, ob ein solches Register auf seiner Website nachgereicht wird, habe ich leider keine Antwort erhalten.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.05.2024
Intelligent investieren
Graham, Benjamin

Intelligent investieren


sehr gut

Benjamin Graham (1894-1976) war ein US-amerikanischer Ökonom und Investor, der als Vater der fundamentalen Wertpapieranalyse (Value Investing) gilt. Sein berühmtester und erfolgreichster Schüler ist Warren Buffett.
Die erste Auflage seines Buches „Intelligent investieren“ (im Original: „The Intelligent Investor“) erschien 1949. Die hier vorliegende neu übersetzte deutsche Ausgabe basiert auf der vierten Auflage von 1973. Mit Kommentaren von Jason Zweig – einem US-amerikanischen Finanz- und Wirtschaftsjournalisten – aus dem Jahr 2003 wurden Grahams Ideen auf die „heutigen“ Finanzmärkte übertragen, wobei Grahams Ausführungen unangetastet blieben.

Grahams Bestseller gehört trotz seines Alters immer noch zur Standardliteratur für Investoren und richtet sich sowohl an Einsteiger als auch Fortgeschrittene. Die Themen sind heute noch hochaktuell: Aktives und passives Investieren, die optimale Zusammensetzung eines Portfolios, die Vorteile von Indexfonds, „Stock Picking“, Risikomanagement (Sicherheitspuffer), die Psychologie des Anlegers, die Vermeidung potenziell folgenschwerer Fehler, der Anleger und seine Berater, Börsengurus und ihre Jünger und natürlich die Strategien zur Wertpapieranalyse, die sich bei Graham über mehrere Kapitel erstrecken und in Vergleichen von Unternehmen und deren Bilanzzahlen enden. Graham gibt so wertvolle Tipps, wie man Blender an der Börse entlarvt.

Als Platzhalter für den impulsiven, unüberlegten Anleger erfand Graham „Mr. Market“, einen manisch-depressiven Investor, wie er im Buche steht. Er bewertet Aktien nicht nüchtern, wie es ein Finanzmathematiker tun würde, sondern bezahlt bei steigenden Kursen bereitwillig mehr als den objektiven Wert und bei fallenden Kursen will er sie häufig verzweifelt unter Wert verkaufen.

Die Neuübersetzung ist gelungen, liest sich verständlich und flüssig (auf das nervige Gendern wurde zum Glück verzichtet) und wirkt auf mich sprachlich behutsam an unsere Zeit angepasst.

„Intelligent Investieren“ ist noch immer eine Fundgrube für jeden Anleger. Die Kommentare von 2003 sind für das Verständnis und die praktische Umsetzung sehr hilfreich, auch wenn sie mittlerweile selber über 20 Jahre alt sind. Allerdings sollte der Leser wissen, dass sich Grahams Ausführungen spezifisch auf den US-amerikanischen Markt beziehen und einige Themen (z.B. Steuergesetzgebung) inzwischen überholt sind. Dies tut dem sehr positiven Gesamteindruck des Buches jedoch keinen Abbruch. Lediglich das fehlende Stichwortverzeichnis und die unpraktische Handhabung des dicken Taschenbuchs, das zum Zuklappen neigt, haben mich wirklich gestört - aber zum Glück gibt es das Buch auch als digitale Version.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.05.2024
Florenz / Welt der Renaissance Bd.2
Roth, Tobias

Florenz / Welt der Renaissance Bd.2


ausgezeichnet

Florenz gilt als Wiege der Renaissance, und viel ist bereits über die Perle der Toskana geschrieben worden. Tobias Roth wirft in seinem Buch einen ganz eigenen Blick auf die Stadt, die er als Literaturwissenschaftler quasi zwischen den Seiten historischer und meist sehr persönlicher Texte entdeckt. Den Rahmen bildet eine kenntnisreich geschriebene Stadtgeschichte, die bei aller Komprimiertheit einen intensiven Eindruck hinterlässt. Stilistisch elegant verwebt Roth das historische Stadtgeschehen mit Zeitzeugenberichten und literarischen Quellen, die den Wandel der Gesellschaft und ihrer Ansichten widerspiegeln, gleichzeitig aber auch für uns menschlich nachvollziehbar bleiben. Darunter sind echte Entdeckungen, die in der Breite kaum bekannt sind, wie das über viele Jahrzehnte geführte private Tagebuch eines Florentiner Spezereienhändlers. Da wird Geschichte in all ihren Facetten lebendig.
Dass die Stadtgeschichte von Florenz nicht nur enorm spannend ist, angefangen vom leisen Staatsstreich der Medici bis zum brutalen Gottesstaat Savonarolas (aber welcher Gottesstaat ist nicht brutal gegen „Ungläubige“...), sondern auch über die Stadtgrenzen hinaus wirkt, versteht sich von selbst. Roth zeichnet aber daneben ein Bild der Renaissance, aus dem einzelne Menschen hervortreten und es sind meist nicht die allgemein bekannten Figuren der Zeitgeschichte, sondern die aus der zweiten und dritten Reihe, die sonst gerne übersehen werden. Wenn dann eine Berühmtheit wie Lorenzo di Medici die Ehre hat, in diesem Buch sprechen zu dürfen, dann als Schöpfer ziemlich schlüpfriger Gedichte, die das sinnenfrohe Leben in den Palazzi kaum besser illustrieren könnten.

Besonders begeistert hat mich Roths Fähigkeit, komplexe Sachverhalte auf den Punkt zu verdichten, ohne dass der Leser inhaltlich überfordert würde. Sein Stil ist einerseits klar und aufgeräumt, andererseits mit einem gewissem Augenzwinkern auch äußerst unterhaltsam. Außerdem hat er offenbar den Rat von Leonardo Bruni beherzigt, dessen Brief an eine begabte Schülerin ebenfalls im Buch zu finden ist: Ein Text braucht Rhythmus und Melodie, um zu wirken. Was gut ins Ohr geht, geht auch gut ins Hirn. Dieses musikalische Sprachgefühl durchzieht Roths Florentiner Geschichte wie ein roter Faden. Dass das Seitenlayout in vielen Aspekten die Druckkunst der Renaissance aufnimmt, mit hilfreichen Marginalien und den geometrisch auslaufenden Schlusszeilen, ist eine schöne Referenz an eine Zeit, in der Bücher noch kostbar und selten waren.

Wer einmal richtig eintauchen möchte in das Leben im Florenz der Renaissance, der wird hier in 200 Seiten auf Wegen geführt, die man so noch nicht kannte und die wie neue Puzzleteile ein Bild komplettieren, das dennoch niemals fertig werden wird.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.