Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Volker M.

Bewertungen

Insgesamt 279 Bewertungen
Bewertung vom 12.08.2024
Die Welt der Gegenwart
Aubry, Émilie;Tétart, Frank

Die Welt der Gegenwart


ausgezeichnet

Wer die ARTE Serie „Mit offenen Karten“ kennt, der weiß, dass die Redakteure Meister im Visualisieren von komplizierten geopolitischen Sachverhalten sind. Ihre Karten und Animationen werden immer begleitet von sehr sachkundigen und präzise formulierten Off-Kommentaren, die das Gesehene noch einmal in den richtigen Kontext setzen.

Émilie Aubry und Frank Tétart gehören zur Stammmannschaft der Redaktion und haben in ihrem Buch die aktuellen Krisen der Welt ins Visier genommen. Auf jedem Kontinent (außer der Antarktis) haben sie exemplarisch einige Länder ausgewählt, die von überregionaler Bedeutung sind und deren Entwicklung bis in die Gegenwart dargestellt. Dabei konzentrieren sie sich auf Elemente, die insbesondere für laufende oder drohende Konflikte von Bedeutung sind bzw. die in absehbarer Zeit zu inneren Umwälzungen führen werden. Wirtschaftliche Aspekte stehen, wie schon in der TV-Serie, häufig im Zentrum solcher Überlegungen. Die Autoren bemühen sich dabei um eine ausgewogene Darstellung, die auch die Sichtweise von Aggressoren berücksichtigt, wobei sie natürlich die Position für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einnehmen. Aber man erfährt auf diese Weise sehr nachvollziehbar, warum Diktaturen handeln, wie sie handeln. Alle Diktatoren sind letztlich von der Angst getrieben, dass sie mit der Macht auch ihren Kopf verlieren werden. Zu Recht.

Die Zahl der internationalen und regionalen Konflikte ist derzeit so groß wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Fast jeder kann sich unkontrolliert ausweiten, einige haben es bereits getan. Die Aktualität der Darstellung ist dabei erstaunlich aktuell und berücksichtigt selbst Entwicklungen, die erst wenige Wochen alt sind (Stand etwa Juni 2024). Das ist schon bemerkenswert für ein aufwendiges Druckerzeugnis, dessen Produktion ja einige Zeit benötigt.

Wer sich geopolitisch über den schlechten Zustand der Welt informieren will, faktenbasiert und sachkundig aufbereitet, der ist mit diesem Buch gut beraten. Gute Laune macht es leider nicht.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.08.2024
Xu Yong

Xu Yong


ausgezeichnet

Ich habe die faszinierende Atmosphäre in den Beijinger Hutongs tatsächlich noch erlebt, Anfang der Neunzigerjahre: Ein morbider Charme und der Hauch einer tausendjährigen Geschichte zog durch die Gassen, die eher kleinen Dörfern als einer großen Stadt glichen. Die ehemals herrschaftlichen Paläste waren schon damals in viele Wohneinheiten aufgeteilt und ihrer ursprünglichen Funktion längst beraubt. Xu Yongs Fotos fangen diese Atmosphäre des Verfalls ein, noch verstärkt dadurch, dass in den Straßen keine Menschen zu sehen sind. Beijing wirkt ausgestorben, fast wie ein Museum.
Xu Yong hat wohl geahnt, dass es diese besonderen Siedlungen bald nicht mehr geben würde. Damals erstreckten sich die vierseitigen Wohnhöfe noch über Quadratkilometer rund um die Verbotene Stadt und den Tiananmenplatz, ein undurchdringliches Labyrinth, in dem sich der Reisende nicht nur im übertragenen Sinn verirren konnte. Man lief in Sackgassen oder im Kreis, aber hinter jeder Ecke gab es neue Entdeckungen.
Wer genau hinschaut, erkennt auf den Fotos auch unmittelbare Spuren der Geschichte, wo die Zeichen adliger Herrschaft mit Gewalt getilgt wurden. Menschliches Leben existiert nur indirekt auf den Bildern, sichtbar durch Vorratsgefäße in den Höfen oder die noch bis vor 20 Jahren üblichen, rund gepressten Briketts aus Kohlestaub vor den Türen. Autos sieht man keine. Damals war Beijing eine Stadt der Radfahrer.

Der Band erschien bereits 1990 und es war das erste Buch über Hutong überhaupt. Der Klappentext kommt zwar zu dem Schluss, dass die Hutong auch heute noch „das wahre Gesicht der Stadt“ seien, aber das stimmt nicht einmal ansatzweise. Es gibt keine originalen Strukturen mehr, die alten Höfe wurden fast ausnahmslos abgerissen und durch Betonimitate ersetzt. Die heute sichtbaren „Ziegelmauern“ in den Bereichen der Stadt, die den Touristen als „Hutong“ gezeigt werden, sind aufgeklebte Keramik-Riemchen und wo sie nicht rein touristischen Angeboten dienen, lebt in den modernen, aber im traditionellen Stil gebauten Häusern Beijings die politische und wirtschaftliche Elite. Die ursprünglichen Bewohner wurden vor 30 Jahren in die Hochhaussiedlungen der Vorstädte vertrieben, die sozialen Strukturen sind auf immer zerstört. Ich habe mit eigenen Augen die Abrissbagger gesehen und die amtlichen Bekanntmachungen an den Türen, die den Familien zwei Wochen Zeit ließen, ihr Heim zu verlassen. Xu Yongs atmosphärische und perfekt ausbelichtete s/w-Fotos sind also in jeder Hinsicht historisch. Und sie sind ein wertvolles Zeugnis vom „wahren Gesicht Beijings“, das es leider nicht mehr gibt.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.08.2024
James Carroll
Carroll, James

James Carroll


ausgezeichnet

James Carroll war ein Fotograf mit einem besonderen Blick für Details. Der Band „The Lives of Others“ enthält mehr als 100 Fotografien aus seinem reichen Portfolio, mit einem zeitlichen Schwerpunkt zwischen 1965 und 1972. Da war Carroll Mitte zwanzig bis Anfang dreißig und entwickelte seinen Stil, der immer etwas ungezwungen Voyeuristisches hatte. Die Personen auf seinen Bildern wirken unbeobachtet, schauen kaum jemals direkt in die Kamera und sind oft gedankenverloren oder völlig absorbiert von einem Spiel oder Gespräch. Ein wiederkehrendes Motiv ist der Mensch auf der Suche nach Orientierung. Kinder und Heranwachsende hatten es ihm daher besonders angetan, deren Unbekümmertheit und Freiheit Carroll als Chronist seiner Zeit dokumentierte. In den sparsamen Textkommentaren zu den Bildern äußert er allerdings Zweifel daran, ob die heutige durchorganisierte Kindheit diesem Ideal der kindlichen Freiheit noch entspricht.

Carroll betont immer wieder die Verbindung zwischen dem Fotografen und dem Motiv, das in seinen Bildern allerdings nur in eine Richtung geht: Die Beziehung baut der Fotograf auf, das Motiv ahnt nichts davon und gerade deshalb übertragen sich die Emotionen unmittelbar auf den Betrachter. Die Gefühle sind völlig unverstellt und man beginnt instinktiv damit, Geschichten um die Szene zu weben. Sie besitzen eine soghafte Dynamik, die oft gestalterische Ursachen hat: Carroll war ein Meister des Anschnitts, wodurch er Teile des Motivs nach außen verlagerte und damit automatisch die Phantasie des Betrachters anregt. Das Nicht-Gesehene wie das Nicht-Gehörte konstruiert die eigentliche Geschichte für jeden neu und anders.

„The Life of Others“ hat James Carroll noch selbst konzipiert und die Probedrucke noch in Händen gehalten. Aber er ist 14 Tage vor der Veröffentlichung gestorben. Das emotional berührende Buch, das wie aus der Zeit gefallen scheint, wurde sein Vermächtnis.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.08.2024
Finanznachrichten lesen - verstehen - nutzen
Beike, Rolf;Schlütz, Johannes

Finanznachrichten lesen - verstehen - nutzen


ausgezeichnet

Wirtschaft und Finanzen machen einen nicht unerheblichen Teil der täglichen Nachrichten aus - gerade in Zeiten der deutschen und europäischen Schuldenkrise. Die Medien überschwemmen uns mit Begriffen wie Dax & Dow Jones, Derivate & CDS, Libor & EONIA. Ein tiefgreifendes Verständnis des Finanzmarktgeschehens ist daher wichtiger denn je. Dieses Buch hilft dem Leser, die Zusammenhänge zu verstehen.

"Finanznachrichten lesen - verstehen - nutzen" ist seit 25 Jahren ein Klassiker unter den Finanzbüchern, der in regelmäßigen Abständen aktualisiert und erweitert wurde. Er erklärt mit bildhafter Sprache, hervorragender optischer und inhaltlicher Strukturierung sowie mit zahlreichen Grafiken und Tabellen auch komplizierte und komplexe Sachverhalte verständlich und präzise.

In der vorliegenden 7. Auflage sind einige neue Kapitel hinzugekommen, wie z. B. die Situation an den internationalen Finanzmärkten seit 2015 und aktuelle Themen wie Inflation und der Krieg in der Ukraine. Sehr interessant fand ich die Abschnitte über nachhaltige Geldanlagen und Geldanlagen mit Hilfe von künstlicher Intelligenz.

Nach einem umfangreichen Einführungskapitel behandeln die Autoren alle wichtigen Finanzmarktprodukte:
- Aktien (Arten, Auswahlstrategien, Indizes, Ertrags- und Risikobewertung u.a.)
- Geldmarkt (Transaktionen, Handel, Zentralbanken, wichtige Zinssätze, Devisen u.a.)
- Devisen (Konvertibilität, Kurse und Notierungen, Handel, Auf- und Abwertungen u.a.)
- Anleihen (Emissionsprospekt, Verzinsung, Handel, wichtige Emittenten, Barwert und Rendite, Risiken, Rentenindizes, strukturierte Produkte wie Indexzertifikate u.a.)
- Derivate (Termingeschäfte, Forwards, Futures, Optionen, Strategien, Risiken u.a.)
- Investmentfonds (Aktien-, Renten- und Immobilienfonds, Hedgefonds, Auswahlhilfen u.a.)
- Rohstoffe (Handel, Anlagemöglichkeiten, Indizes)

Allein das 10-seitige Inhaltsverzeichnis, das beim Verlag heruntergeladen werden kann, zeigt wie gut strukturiert das Buch ist. Schade ist allerdings, dass die Autoren nach wie vor auf ein Literaturverzeichnis sowie auf Weblinks zur weiteren Vertiefung der Themen verzichten.

Für mich ist das Buch dennoch DAS Standardwerk zum Thema Finanzen. Es richtet sich gleichermaßen an Einsteiger wie Profis und ist Lehrbuch und Nachschlagewerk zugleich. Wer dieses Buch verinnerlicht hat, kann dem Wirtschaftsteil der Zeitung gut folgen und ist nebenbei auch bestens auf Gespräche mit seinem Bankberater vorbereitet und kann unterscheiden, ob er gerade beraten oder verkauft wird.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.08.2024
Bauen in römischer Zeit
Martin, Julia

Bauen in römischer Zeit


ausgezeichnet

Die Colonia Ulpia Traiana, oder wie sie heute heißt, Xanten ist ein besonderer Glücksfall der Archäologie. Fast das gesamte ehemalige Stadtgebiet liegt unter freien Feldern begraben und wurde später niemals überbaut. Damit lässt sich die Stadt wie kaum eine andere nördlich der Alpen in ihrer ganzen Funktionalität erforschen.

Der Band „Bauen in römischer Zeit“ wirft einen sehr speziellen Blick auf die Colonia, nämlich den eines Baumeisters. Oder, um es noch präziser zu formulieren, mit dem Blick der unterschiedlichen Handwerker, die römische Bauten errichteten. Damals waren fast so viele Gewerke unterwegs wie heute und die Techniken waren bemerkenswert ausgereift. Die Methoden der experimentellen Archäologie versuchen, diese alten Fähigkeiten zu rekonstruieren und gerade in diesem Feld ist der Archäologische Park Xanten führend. Schon in den Achtzigerjahren wurden aufwendige Bauten mit alten Techniken neu errichtet, so zum Beispiel die Thermen und später auch römische Handwerkerhäuser.

Dadurch, dass der Stadtplan der Colonia weitgehend bekannt ist, lassen sich auch die Funktionen einzelner Bauten gut zuordnen. Bei Grabungen wurden viele Objekte gefunden, die einen direkten Bezug zum Bauhandwerk haben und wo diese fehlen, lassen sich Analogieschlüsse zu besser erhaltenen Funden und Befunden in anderen Teilen der Welt ziehen. So gelingt es dem Autor, ein überaus anschauliches und detailreiches Bild zu entwerfen, das die großartigen Leistungen der Römer auf dem Gebiet der Architektur und städtischen Infrastruktur zeigt. Die lebendige Sprache, die fast völlig auf Fachvokabular verzichtet, bietet einen leichten Zugang für Leser auf allen Stufen des Vorwissens und die zahlreichen Abbildungen und Rekonstruktionszeichnungen illustrieren die Texte in sinnvoller Weise. Das Buch behandelt jeden Aspekt römischer Bautätigkeit, angefangen bei der Wohnbebauung, über Straßen, Kanäle und Aquädukte bis hin zu den großen Repräsentationsbauten. Besonders gut gefallen hat mir, dass der Autor auch beschreibt, wie man aus minimalen Befunden trotzdem sehr ausführliche Rekonstruktionen ableiten kann. Hierfür werden auch antike Texte, insbesondere von Vitruv zitiert, die zum Beispiel Zusammenhänge von Stockwerkzahl und Fundamentdicke herstellen. Es ist erstaunlich, mit welchen detektivischen Methoden die Archäologie dabei vorgeht.

Das Buch mag als Ausstellungsbegleiter für das Museum im Archäologischen Park Xanten gedacht sein, steht aber auch absolut eigenständig als eines der besten allgemeinwissenschaftlichen Bücher zum Thema „Bauen im Alten Rom“. Sehr anschaulich, verständlich und hervorragend illustriert.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.08.2024
Tsunenos Reise
Stanley, Amy

Tsunenos Reise


ausgezeichnet

Japan hat eine ausgeprägte Schriftkultur. Das zeigt sich nicht nur in der Kunstform der Kaligrafie, sondern in einer generellen Wertschätzung von allem Geschriebenen. Man wirft schriftliche Zeugnisse vergangener Zeiten nicht weg. Genau aus diesem Grund sind auch die Briefe von Tsuneno erhalten geblieben, die im Jahr 1801 als Tochter eines Tempelpriesters in der schneereichen Provinz Echigo geboren wurde. Sie wurde noch als Kind verheiratet, zeigte aber früh ein sehr selbstbestimmtes und nicht regelkonformes Verhalten. Insgesamt heiratete sie fünf Mal, in keiner Ehe wurde sie glücklich.
Das besondere an ihrem Lebenslauf ist, dass sie sich zu einem Zeitpunkt entscheidet, der Provinz den Rücken zu kehren und gegen den Willen der Familie nach Edo auszuwandern. Dort ist bei weitem nicht alles Gold, was glänzt und sie muss sich über Jahre hinweg mit niederen Tätigkeiten durchschlagen. Aus dieser Zeit stammen die meisten Briefe, die sie ihrem Bruder in Echigo als neuem Oberpriester am Familientempel schickte. Sie sind sowohl gesellschaftlich als auch kulturhistorisch heute hochinteressante Quellen aus einer der gewaltigsten Umbruchphasen in der japanischen Geschichte. Es ist die Zeit der Perry-Expedition, die auf ein feudales und militärisch völlig unvorbereitetes Japan trifft und den freien Handel mit dem Westen erzwingt. Als Nebeneffekt wird die Samuraiherrschaft untergehen und genau diesen zunächst schleichenden Untergang erlebt Tsuneno in Edo hautnah mit.

Die Briefe liefern Amy Stanley allerdings nur den Rahmen, der Ausgangspunkt für die unterschiedlichsten Betrachtungsweisen auf Land und Leute ist. Mit großer Erzählfreude und Sachkunde ermöglicht sie Einblicke in das Leben der einfachen Leute, genauso wie in das der Samurai unterschiedlicher Rangstufen. Ferner beleuchtet sie die Organisation des Alltags, die Nöte der Arbeiter, aber vor allem auch das Leben der Frauen, die in der offiziellen japanischen Geschichtsschreibung meist nur Randfiguren sind. Tsuneno bietet durch ihre offenen Briefe und selbstbewusste Haltung einen seltenen Einblick in diese Welt. Sie zeigen aber auch, dass die in Japan auch heute noch propagierte „Harmonie“ in der Gesellschaft damals wie heute eine Utopie war und ist. Streitigkeiten werden zwar subtil ausgefochten, aber nicht minder wirkungsvoll und brutal. Tsuneno verstößt gegen viele Regeln, aber sie behauptet sich letzten Endes doch.

Eindrucksvoll war für mich das Detailwissen Stanleys über die kleinen Dinge des Alltags und die Organisation der Shogun-Stadt Edo. Obwohl ich mich mit dem Thema schon lange beschäftige, waren doch viele Elemente dabei, die mein Bild komplettiert haben und die lebendige Art der Schilderung ist wirklich einzigartig. Eines der besten Bücher über das Japan der Zeit zwischen 1800 und 1850, das ich persönlich kenne.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.07.2024
Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse
Graham, Benjamin

Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse


ausgezeichnet

Benjamin Graham (1894-1976) war ein US-amerikanischer Investor und Ökonom, der durch seine fundamentale Analyse von Wertpapieren weltberühmt wurde. Seine Methodik des "Value Investing" wurde vor allem von seinem Schüler Warren Buffett weitergeführt und ist auch heute noch aktuell.

Die erste Auflage des Buches „Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse“ (im Original: „Security Analysis, Principles and Technique“) erschien 1934 zu einem ungewöhnlichen Zeitpunkt: Ein Drittel aller amerikanischen Industrieunternehmen notierte unter ihrem Liquidationswert. Für Benjamin Graham und seinen Co-Autor David L. Dodd, der für die Faktenrecherche und das Lektorat verantwortlich zeichnete, war dies jedoch kein Hindernis. Als Zeitzeugen der Weltwirtschaftskrise machten sie sich viele Gedanken darüber, wie man in einem Umfeld unvorhersehbarer und dramatischer Veränderungen investieren kann.

Für die vorliegende siebte Auflage wurde das Werk neu kommentiert und auf die heutige Anlegerwelt übertragen. Insbesondere die zusätzlichen Kommentare von Finanzexperten wie Seth A. Klarman, Roger Lowenstein und Howard S. Marks führen dieses fast 90 Jahre alte Mammutwerk in die Gegenwart und zeigen, was überholt ist oder unverändert gilt. Anders als das ebenfalls neu aufgelegte „Intelligent investieren“ richtet sich dieses Kompendium an fortgeschrittene Anleger.

Im Kern geht es beim Value Investing darum, unterbewertete Wertpapiere zu identifizieren und damit eine überdurchschnittliche Rendite zu erzielen. Graham beschreibt, worauf es bei der Unternehmensbewertung ankommt, wie man Risiken erkennt, wie man die Sicherheitsmarge bestimmt und warum es so wichtig ist, zwischen dem Wert einer Aktie und ihrem Börsenkurs zu unterscheiden. Kennzahlen sind aber nicht das Einzige, worauf der Ansatz des Value Investing beruht. Ebenso wichtig ist die Analyse der Wettbewerbssituation, der Kundenstruktur, des Geschäftsmodells, der Eigentümerstruktur und des Managements. Auch das Bauchgefühl spielt eine Rolle und man sollte lieber ein Investment verpassen, als gegen die Intuition zu handeln. Hat man sich zu all diesen Punkten eine Meinung gebildet, versteht man das Unternehmen sehr gut und kann ein Investmenturteil fällen.
Die allgemeinen Prinzipien des Value Investing gelten auch heute noch, da das den Märkten zugrundeliegende Anlegerverhalten in der menschlichen Natur begründet ist und Märkte immer Ineffizienzen aufweisen. „Solange andere dem Sirenengesang vom schnellen Reichtum erliegen, ist und bleibt Value Investing wie schon seit rund 90 Jahren ein solider, risikoarmer und erfolgreicher Ansatz.“ kommentiert der Hedgefonds-Manager Klarman zutreffend.

Grahams Standardwerk „Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse“ ist auch heute noch ein wertvolles Instrument für jeden fortgeschrittenen Anleger, nicht zuletzt wegen der hervorragenden Kommentierung. Allerdings sollte sich der Leser darüber im Klaren sein, dass sich Grahams Ausführungen spezifisch auf den US-amerikanischen Markt beziehen und einige Themen mittlerweile überholt sind. Der Rest ist mehr als nur lesenswert.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.07.2024
Reise Know-How Reiseführer Japan
Hoffmann, Oliver;Ryuno, Kikue

Reise Know-How Reiseführer Japan


ausgezeichnet

Japan boomt schon seit einigen Jahren und selbst die Corona Pandemie konnte die Besucher nur kurz fernhalten. Mittlerweile gibt es besonders in Kyoto, aber auch anderen touristischen Zentren deutliche Zeichen von Übertourismus, was auch daran liegt, dass Japan mittlerweile zu den eher günstigen Reisezielen zählt. Zumindest, wenn man erst mal da ist. Meine erste Reise war 2008 und seitdem zieht es mich immer wieder dahin, weil es einfach ein wunderschönes Land mit unerreichtem Reisekomfort ist.

Der RKH-Reiseführer ist jetzt in der sechsten Auflage und ich habe ältere Auflagen auch schon mehrfach mitgenommen. Er ist sehr gut strukturiert und übersichtlich und er konzentriert sich zuverlässig auf die jeweiligen Highlights der Region/Stadtviertel. Das ist nicht zu unterschätzen, denn im Internet wird man mit Infos geradezu erschlagen, was die Entscheidung manchmal schwer macht. Ich reise wie gesagt seit 2008 immer wieder nach Japan und damals gab es noch sehr wenige Reiseführer. Auch mit meiner heutigen Erfahrung würde ich die im Buch ausgewählten Ziele immer noch als die Top-Attraktionen ansehen, auf die man sich gut verlassen kann.

Die Autoren haben die Inhalte sehr aktuell gehalten. So sind zum Beispiel die kürzlichen (und ziemlich happigen) Preiserhöhungen beim JR Railpass schon berücksichtigt. Da wäre dennoch ein Hinweis sinnvoll gewesen, dass man genau durchrechnen sollte, ob sich der Railpass überhaupt noch lohnt. Ich habe es für die nächste Reise gemacht und kam zum Schluss, dass es sich für mich NICHT mehr lohnt. Auch ist der seit der ersten Auflage immer noch falsche Hinweis drin, dass die Herbstfärbung in Japan im September und Oktober ihren Peak hat. Das ist nicht korrekt. In der touristisch wichtigsten Zone zwischen Tokyo und Kyoto ist es November bis Anfang Dezember. Nur im äußersten Norden, der touristisch weniger interessant und erschlossen ist, beginnt die Saison im September. Da viele ihren Plan nach solchen Infos ausrichten, sollte das wirklich mal korrigiert werden.

Sehr gelungen und verhältnismäßig umfangreich sind die allgemeinen Kapitel zur Kultur und Reisepraxis (Transport, Unterkunft, Sitten etc.), die nicht nur interessant, sondern auch wichtig sind. Einiges läuft in Japan anders, aber wer es weiß, kommt selbst ohne Japanischkenntnisse ausgesprochen gut durch.

Die Touristenmassen machen insbesondere in Kyoto mittlerweile das Leben schwer. Die Busse sind völlig überfüllt und wegen der dauernden Staus auch extrem langsam geworden. Es tut mir in der Seele weh, das zu schreiben, aber man sollte in seiner Planung nicht zu lange hier bleiben, obwohl gerade Kyoto unendlich viel zu bieten hätte. Es war weltweit meine absolute Lieblingsstadt. Aber die Menschenmassen, die leider nicht die guten Umgangsformen der Japaner besitzen, trüben mittlerweile das Vergnügen doch so deutlich, dass ich wirklich warnen muss. Dieser Hinweis, der für alle absoluten Top-Ziele in Japan gilt, fehlt leider im Buch. Wer das weiß und sich entsprechende Ausweichziele abseits der ausgetretenen Pfade sucht, wo es das echte Japan noch gibt, kann aber immer noch eine unvergessliche Reise in einem der schönsten Länder der Erde erleben.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.07.2024
The Book of Printed Fabrics. From the 16th century until today
Gril-Mariotte, Aziza

The Book of Printed Fabrics. From the 16th century until today


ausgezeichnet

Es ist nicht übertrieben zu behaupten, mit dem Textildruck begann die Demokratisierung der Mode. Waren Textildekore zuvor nur mit aufwendigen Stickereien oder komplizierten Nähtechniken realisierbar, erlaubte der Druck die Produktion hoher Stückzahlen mit vertretbarem Aufwand. Die ersten Textildrucke fanden im 16. Jahrhundert ihren Weg aus Indien nach Europa, aber wer hier reflexartig wegen „kultureller Aneignung“ Schnappatmung bekommt und Wiedergutmachung fordert, wird von Aziza Gril-Mariotte gleich eines Besseren belehrt: Gerade im Textildruck ist der interkulturelle Austausch sehr komplex und zeigt Wechselbeziehungen in alle Richtungen: Die Technik stammt aus Ostasien, die Hersteller saßen in Indien, die Motive kamen oft aus Europa. Selbst das noch heute beliebte Paisley-Muster ist so ein kultureller Hybride.

Das geradezu verschwenderisch illustrierte Buch greift auf die weltweit einzigartige Sammlung des Textildruck-Museums in Mulhouse zurück und erlaubt eine hochspannende Reise durch Zeit und Raum, mit Beispielen aus 500 Jahren Stil- und Kulturgeschichte. Denn die farbigen Stoffe waren von Anfang an ein gewaltiger Erfolg, der sofort die Merkantilisten auf den Plan rief. Noch im 17. Jahrhundert verbot Frankreich (vergeblich) den Import, um die einheimischen Webereien zu schützen, aber schon im 18. Jahrhundert gab es in kurzen Abständen wechselnde Textilmoden, die vom Adel geprägt und vom Bürgertum und sukzessive dem einfachen Volk schnell übernommen wurden. Der Wettlauf zwischen Innovation und Massengeschmack, der bis heute anhält, hat hier seinen Ursprung.

Gril-Mariotte beschreibt, wie die Professionalisierung von Handel, Industrie und (Kunst)handwerk ineinander greift, sich Spezialisten für jeden Arbeitsschritt ausbilden (um 1800 war Textildesigner ein sehr gesuchter Mangelberuf!) und kommt zu dem Schluss, dass die Industrialisierung des Textildrucks den eigentlichen Beginn der „Mode“ darstellt. So weit würde ich vielleicht nicht gehen, denn auch in vorangegangenen Jahrhunderten gab es klare stilistische Entwicklungen, aber sie erfassten niemals zuvor das einfache Volk und vor allem war es früher eine Mode des „neuen Schnitts“, nicht die eines neuen Dekors. Das Dekor wurde jetzt zum Treiber der Mode und die Schlagzahl beschleunigte sich mit jeder technischen Innovation. Die Autorin lässt diese Entwicklung buchstäblich vor den Augen des Lesers ablaufen. Mal eklektizistisch, mit Rückgriffen auf Vergangenes, mal ultramodern, aber immer als typisches Produkt einer definierten Zeit. Es ist eine Stilkunde auf Stoff, die das Auge schult und ganz nebenbei viele spannende und verblüffende kulturhistorische Details liefert. In den Motiven spiegeln sich gesellschaftliche Veränderungen, politische Umwälzungen und eben das wieder, was man „Zeitgeist“ nennt.

Heute widmen sich weltberühmte Designer dem Textildruck und digital ist er auch längst. Wer also glaubt, es handele sich hier nur um bedruckte Lappen Stoff, der wird in den zwei Bänden, deren Buchdeckel liebevoll mit bedruckter Seide bezogen sind, sicher viele Überraschungen erleben. Seit 500 Jahren steht der Textildruck nämlich an der vordersten Front der Innovation.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.07.2024
Botanische Gärten der Welt
Trentham, Deborah

Botanische Gärten der Welt


gut

Botanische Gärten sind Archen der Pflanzenwelt, aber auch Orte der Erholung und Forschung. Es gibt sie seit etwa 500 Jahren, aber nicht alle sind inhaltlich so breit aufgestellt wie z. B. Kew Gardens, der größte (und bedeutendste) botanische Garten der Welt. Deborah Trentham hat in ihrem Buch eine Auswahl von 40 Gärten getroffen, aus allen Klimazonen, Regionen und Kontinenten, außer der Antarktis. Der Fokus liegt natürlich in Europa, wo das Konzept erfunden wurde und wo immer noch die größten Pflanzensammlungen existieren.

Die Autorin fokussiert sich auf die Entstehungsgeschichte der jeweiligen Einrichtung und stellt die aktuellen Hauptattraktionen vor. Dazu gehören insbesondere die tropischen Gewächshäuser, aber auch Sammlungs- oder Forschungsschwerpunkte, die allerdings, wenn überhaupt, nur sehr knapp beleuchtet werden. Botanische Highlights werden selten erwähnt, architektonische dagegen wohl. Nicht alle beschriebenen Attraktionen/Installationen/Konzepte sind zeitlos und werden auf Dauer in dieser Form existieren, aber sie bilden zumindest den aktuellen Zeitgeist und kuratorische Moden ab.

Es gibt im Buch keine Informationen zu Eintrittspreisen, Adressen oder der Anreise, die man aber leicht recherchieren kann.

Für Leser, die sich für die geschichtliche Entwicklung von Botanischen Gärten aus aller Welt interessieren, bietet das Buch einen guten ersten Überblick, bleibt aber fachlich eher an der Oberfläche. Botanische Gärten als Reservoire für seltene Pflanzen und als Orte der aktuellen biologischen Forschung werden durch die Beiträge nicht wirklich sichtbar. Das Bildmaterial stammt aus uneinheitlichen Quellen für Stock-Fotografie und wurde nicht optimal farbkorrigiert, wodurch die Bildqualität insgesamt heterogen bleibt und mich nicht überzeugt hat, selbst wenn die einzelnen Motive zweifellos sehr attraktiv sind.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.