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Insgesamt 577 Bewertungen
Bewertung vom 24.09.2008
Das Dorf der verschwundenen Kinder
Hill, Reginald

Das Dorf der verschwundenen Kinder


ausgezeichnet

Reginald Hill hat diesmal einen vielschichtigen Kriminalroman geschrieben. der sich um ein Dorf dreht, das zur Anlage eines Stausees abgerissen und geflutet wurde. Damals verschwanden Kinder. Benny Lightfoot geriet in Verdacht, der wie aus der Versenkung offensichtlich wieder aufgetaucht ist. Als nach vielen Jahren erneut ein Mädchen nicht nach Hause kommt, wird der ganze Fall erneut aufgerollt. Die Jagd auf Benny beginnt, obwohl sein Name nur als Schriftzeichen erscheint. Hill verschränkt die Mär vom Nix, der Kinder in seine Hölle lockt, dem musikalischen Vortag der ins Englische übersetzten Kinderlieder von Gustav Mahler und dem tragischen Leben der Hinterbliebenen miteinander. Leider bleibt dabei der bissige Spott des Detektiv-Paars Pascoe und Daziel auf der Strecke. Pascoes eigene Tochter erleidet einen schweren Unfall und ringt mit dem Leben. Es sind viele Enden, die Hill am Schluß zusammenknüpft. Vielleicht zu viele, denn die Spannung leidet darunter, dass der Leser von Strang zu Strang springen muss. Ein klassischer Whodunit, der in Pascoes persönlichem Schicksalsschlag und in der geschickten Verflechtung des Nix-Märchens mit den verschwundenen Kindern ihren Höhepunkt findet.
Polar aus Aachen

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Bewertung vom 24.09.2008
Train Dreams
Johnson, Denis

Train Dreams


ausgezeichnet

Sein Leben als Tagelöhner zu fristen, sich als Waldarbeiter zu verdingen, führt unweigerlich dazu, dass der Körper eines Tages nicht mehr mitspielt, einem von fallenden Ästen der Kiefer ausgerenkt wird, man den Arm nur noch im falschen Winkel strecken kann. Doch Robert Grainer verliert Schlimmeres. Seine Frau und das Baby kommen bei einem Waldbrand um. Zwar versucht er, sein Leben weiter zu führen, doch der Verlust und der Gedanke an Gladys sind schwer zu tragen. Denis Johnson hat eine faszinierende Novelle vom allmählichen Zusammenwachsen der USA geschrieben, und jene in den Mittelpunkt gerückt, die durch das Verlegen von Schienen, Roden der Wälder es erst ermöglichten. Seine Sprache ist klar und seine Poesie bezieht er aus den Menschen, die er in ihrem Überlebenskampf beschreibt. Dennis Johnson braucht sie nicht zu suchen, sie fallen ihm zwischen dem Glauben an Gott, dem Anwachsen der Technik und den kleinen Vergnügungen zu. Die Novelle handelt von denen da draußen, die sich ihre Hütten irgendwo aufbauen und deren Spuren wieder verwischt werden, sobald sie weiterziehen.
Polar aus Aachen

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.09.2008
The Ghost Road
Barker, Pat

The Ghost Road


ausgezeichnet

Selten ist so eindringlich von den Folgen des Krieges gewarnt worden. Zumeist werden Siege, Niederlagen, die Toten, Verletzten aufgelistet, um das Grauen zu zeichnen. Pat Barker schaut sich unter den Überlebenden um. Billy Prior kehrt immer wieder in Krieg zurück, obwohl er es mit etwas Geschick so einrichten könnte, dass er daheim bleiben dürfte. Prior fühlt sich in die Pflicht genommen und Barker beschreibt minutiös die Dämonen, die ihn umtreiben. Er wird zum vierten Mal wieder hergestellt, um sich erneut dem Schrecken zu stellen. Diesmal rettet er sogar ein Leben, das jedoch anschließend dem Tod entgegen siecht. Der Wahn eines Krieges spiegelt nicht nur das Schlachtfeld wieder. Es ist die Euphorie vor dem Beginn, das blinde Pflichtgefühl, wie das Zusammenschustern der Reste, sei es psychischer, sei physischer Natur. Niemand überlebt einen Krieg wirklich sagt Barker.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 21.09.2008
The Eye in the Door
Barker, Pat

The Eye in the Door


ausgezeichnet

Pat Barkers große Regeneration-Triologie, die sich mit den Folgen des Krieges beschäftigt, findet in Das Auge in der Tür einen krönenden Abschluss. Es sind nicht nur noch die Männer, derer sie sich widmet. Sie beschreibt, wie die Frauen, die zum Zuschauen, zum Daheim funktionieren verdammt sind, ihren Alltag bewältigen. Barker führt alle Figuren der beiden Vorgänger wieder zusammen. Den Psychiater, den Soldaten, den Protestler und zeichnet ein Leben nach, dass sich zwischen Alptraum und normalen Alltag eingerichtet hat, das unter ständiger Beobachtung steht und sich auf den Wahnsinn versteht, indem es die Schäden auf sich nimmt und für sich abseits nach etwas Leben sucht. Wird das Abschlachten draußen zur Normalität, hallen die Durchhalteparolen durch die Gänge, wirft das die Daheimgebliebenen auf sich selbst zurück und sie erscheinen alle wie ein Art Patient, der auf eine Medizin wartet, die sein Leiden lindert, im festen Wissen darum, dass es nicht mehr weggehen wird. Pat Barker hat mit ihrer Trilogie von Menschen erzählt, die übrig bleiben, sich zurechtzufinden versuchen, denen nur oberflächlich Hilfe zu Teil wird. Wer in den Krieg ziehen möchte, sollte Par Barker lesen. Vielleicht haben die Menschen, die mitgerissen werden sollen, das Glück, dass derjenige davon ablässt.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 21.09.2008
Regeneration
Barker, Pat

Regeneration


ausgezeichnet

In Pat Barkers zweitem Band ihrer Trilogie über den ersten Weltkrieg wendet sie den Blick erneut vom Schlachtfeld ab zu den Überlebenden hin. Je länger ein Krieg dauert, desto lauter werden die Stimme, ihn zu beenden. Dass ist im England jener Zeit nicht anders. Und wie in vielen Ländern beseitigt man die Kritiker am besten, in dem man sie mundtot macht. Siegfried Sassoon wird gleich für verrückt erklärt, und ausgerechnet in ein Sanatorium eingeliefert, in dem Kriegsgeschädigte wieder hergestellt werden. Wie soll man mit den Schrecken eines Krieges fertig werden? Am besten durch Elektroschocks. Man verbannt die Erinnerungen einfach, indem man sie ausmerzt, sagen die einen. Der behandelnde Arzt Rivers setzt eher auf die Macht sich den Erinnerungen zu stellen und sie zu überwinden. Wie die Maschinerie des Kriegs funktioniert. wie sie am Laufen gehalten wird, davon berichtet Barker auch in diesem Roman, der in einem Sanatorium spielt. Weit abseits der Schlachtfelder, weit abseits der Gefahr, des Chaos. Doch es gibt keine Sicherheit, wenn ein Mensch erst einmal traumatisiert ist, die Dämonen folgen ihm überallhin. Ein überaus gelungener Roman, der den einsamen, verbannten Warner in der Wüste ausgerechnet ins Auge des Grauens katapultiert, wo derselbe Wahnsinn wütet, wie in der Dunkelheit der Schlachten.
Polar aus Aachen

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.09.2008
Zeitlupe
Coetzee, J. M.

Zeitlupe


weniger gut

Coetzees Roman enttäuscht, obwohl der Autor all sein schriftstellerisches Können einsetzt, uns die Geschichte von Paul Rayments Versuch zu erzählen, nach einer Beinamputation zurück ins Leben zu finden. Rayment verweigert sich dem Schicksal, indem er sich nicht abfinden mag. Der Anfang ist glänzend erzählt, auch die wachsende Zuneigung zu seiner Pflegerin Marijana weckt das Interesse des Leser, spätesten mit dem Einzug von Elisabeth Costello jedoch, dem unbeholfenen Versuch seine Marijana eingestandene Liebe in eine Unterstützung für den Sohn umzudeuten, tritt der Roman auf der Stelle. Costellos Ränke und Einwendungen zugunsten der verschreckten Marijana drehen sich unglaubwürdig im Kreis, so dass man hofft, dass die Geschichte endlich zum Punkt kommt. Es ist also weniger Coetzees sprachliche Meisterschaft als die Handlung, die ermüdet. Furios gestartet mit der Beschreibung eines Verlustes und dem anschließend blinden Umhertasten ebbt die Geschichte in einem unglaubwürdigen Zufall aus. Wer Coetzees feines Gespür für einen Plot kennt, wird lieber ein anderen Roman von ihm empfehlen.
Polar aus Aachen

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.09.2008
Die Nase
Gogol, Nikolai Wassiljewitsch

Die Nase


ausgezeichnet

Ein kleiner Beamter, der sich lediglich das Kopieren zutraut, sich in Deckung hält, so dass er zwar Ziel ironischer Spitzen ist, aber sein Leben im Abseits zu fristen versteht. Wäre da nicht sein Mantel, besser gesagt ein Umhang, weil er durch das jahrelange Tragen ausgedünnt ist. Der Held der Geschichte spart sich das Kleidungsstück vom Mund ab, um als er endlich das neu erstandene Stück in Händen hält, Aufsehen zu erregen, verschreckt darüber zu sein, dass er plötzlich im Mittelpunkt des Interesses steht, um noch in der Nacht beraubt zu werden. Die Geschichte endet tragisch. Sie erzählt wie stets bei Gogol vom Russland seiner Zeit, zeichnet mit Schärfe Ober- wie Untertanen und beschreibt die dichte Atmosphäre zwischen leerem Standesdünkel und dem Gefühl der Ohnmacht. Das Schicksal trifft halt auch jene, die sich darunter wegzuducken versuchen.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 20.09.2008
Der zerbrochene Krug
Kleist, Heinrich von

Der zerbrochene Krug


ausgezeichnet

Wie vermag man, die Ungerechtigkeit, die Willkür besser zu brandmarken als durch ein Lustspiel. Zu Zeiten der Zensur muss die Kritik so fein ausfallen, dass am besten der Kritisierte, über sich selbst lachen kann. So dumm wie Adam kann doch keiner sein. Ein Tölpel. Gezeichnet von seinen nächtlichen Eskapaden tritt er von Anfang an auf. Heinrich von Kleist setzt seinen Dorfrichter Adam der Lächerlichkeit aus. Der Zuschauer, Leser kann amüsiert dabei zusehen, wie er seinen Hals zu retten versucht. Gleichzeitig seziert Kleist ein Gerichtssystem, in dem ein Mensch wie Adam an eine Schaltstelle der Macht gelangen kann. Ein zerbrochener Krug wird zum Symbol für die in Gefahr geratene Ehre. Die des Mädchens gilt es zu wahren, den Schein des Richters zu retten. Dass die Aufklärung eines Falles verhindert werden soll, war weder zu Kleist Zeiten, noch ist es in unseren Zeiten ein Einzelfall. Recht ist, was als Recht gesprochen wird. Es kommt auf den Richtern an. Im Fall des zerbrochenen Krugs steckt das Intrigenspiel eines Mannes dahinter, der sich ein Mädchen gefügig machen will. Trotz aller Komödie, trotz des genial simplen Gegenstands
ein vergnügliches Spiel um Machtmißbrauch und dörfliche Rechtsprechung.
Polar aus Aachen

0 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.09.2008
Malibu
de Winter, Leon

Malibu


ausgezeichnet

Malibu, Strände, Filmprominenz. Ein Traum, für viele, die gerne der Fabrik Hollywood glauben wollen. Für Joop Koopman wird der Ort zum Inferno. Seine Tochter stirbt, doch es entwickelt sich keine bleierne Trauerarbeit. Leon De Winter gießt das volle Leben über den Vater aus. Wie er es schafft, Themen wie die Buddhistische Wiedergeburt, Politspionage, einen familiären Schicksalsschlag zu einer amüsanten, tragikomischen Geschichte zu verweben, so dass man bedauert, dass der Roman nach knapp 410 Seiten zu Ende geht, bleibt sein Geheimnis. Einer der Erfolgsgaranten ist sicher, dass er bereit ist, erzählerische Risiken einzugehen, in denen skurile Ereignisse wie wundersame Menschen auftreten. In seiner Geschichte, dient sich der am Tod der Tochter Schuldige dem Vater an, von nun an will er nur noch für ihn da sein. Neben dem Thriller, der sich wie nebenher entwickelt, ist dies das Herzstück des Romans. Zwei Männer, die aus dem Leben gefallen sind, versuchen zu überleben. Bei Leon de Winter sind sie gut aufgehoben. Seine Welt zeichnet das Wunder des Zufalls.
Polar aus Aachen

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.09.2008
Das Versteck
Koontz, Dean R.

Das Versteck


sehr gut

Diesmal überzeugt Dean Koontz, obwohl die Ausgangssituation für seinen Psychothriller äußerst gewagt ist. Nach einem Unfall wird ein Mann wiederbelebt. Seine Reanimierung stellt einen neuen Rekord dar und scheint ohne Gehirnschäden durchgeführt zu sein. Somit könnten Hatch Harrison und sein Frau Lindsay weiter am privaten Glück arbeiten, indem sie ein behindertes Pflegekind, bei sich aufnehmen, um ein einen Schicksalsschlag zu überwinden. Wäre da nicht Vassago, ein psychopathischer Killer, der sich dem Bösen verschrieben hat und seit einem Mord an einem Freund in der Jugend, die dunkle Seite des Lebens bevorzugt. wäre das Leben perfekt. Doch Vassagio hat nur eins im Sinn: Die Rückkehr in die Hölle. Hatch und er sind gedanklich seit dem Unfall verbunden, sie sehen geradewegs in das Leben das anderen hinein. Dass ausgerechnet Vassago sich Lindsay und Hatchs Feinden zuwendet, erscheint fast wie die Ironie des Schicksals. Dean Koontz Mischung aus detailreicher Beschreibung einer Psychose, geschicktem Einsatz von Thrillerelementen ergibt einen spannenden Aufbau, der konsequent den Verästelungen der Angst nachgeht. Je weiter die Geschichte fortschreitet, desto weniger bedarf es der Schockelemente. Koontz verläßt sich ganz auf die Vorstellungskraft seiner Figuren. Fast zwangsläufig kommt es zum Show Down. Auch wenn die eine oder andere Stelle vorhersehbar ist, man früh weiß, daß Regina, das behinderte Mädchen, wohl in Vassagos Fänge gerät, beweist Koontz mit diesem Thriller, dass er seine Leser ins Düstere ziehen und einen Alptraum entfachen kann, dessen Konstrukt man gerne annimmt, weil es bestens unterhält.
Polar aus Aachen

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.