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TochterAlice
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Köln

Bewertungen

Insgesamt 1335 Bewertungen
Bewertung vom 03.03.2024
Yellowface
Kuang, R. F.

Yellowface


sehr gut

Weiß statt gelb
Kein "Yellowface", in diesem Falle: keine Chinesin zu sein - ist das tatsächlich June Haywards größtes Manko nach der Veröffentlichung ihres bejubelten Romans "Die letzte Front" über die weitgehend unbekannte Rolle der chinesischen Arbeiterfront im Ersten Weltkrieg?

Oder ist ihrem neuesten Werk tatsächlich anzumerken, wo es herkommt? Nämlich geradewegs vom Schreibtisch ihrer gerade verstorbenen ehemaligen Komillitonin Athena, einer gefeierten Bestsellerautorin. Wobei June, aus deren Sicht die gesamte Handlung geschildert wird, uns Leser:innen glauben machen will, dass sie diese nur als Impuls, sozusagen als Starter verwendete. Oder ist es tatsächlich so?

Autorin Rebecca F. Kuang ist Meisterin in der Darstellung unterschiedlicher Perspektiven, möglicher Optionen, Positionen und Einstellungen - eine überzeugender als die andere. Was sollen bzw. können wir Leser:innen glauben, wobei führt uns June auf einen Holzweg?

Zudem ist das Thema in dieser Art meines Wissens noch nie so eindringlich betrachtet worden, allerdings auch nicht so sehr dem Zeitgeist entsprechend. Und der geht an mir, die deutlich älter ist als Autorin und Hauptperson, dann doch ziemlich stark vorbei.

Außerdem setzt vieles auf die unterschiedliche Herkunft der beiden Autorinnen June und Aurora - also weiß und asiatisch. Aus meiner Sicht nicht die einzige, auch nicht unbedingt die vordergründigste Art der Betrachtung, auch wenn es ist der Tat überrascht, dass June, die bisher in ihrer Schriften noch nicht viel - genauer gesagt, gar nichts - mit China bzw. Asien generell zu tun hatte, ein so spezielles Thema wählt.

Ein Roman, der mich beschäftigt, aber nicht begeistert. Vielleicht, weil ich nicht zur mutmaßlichen Zielgruppe gehöre, vielleicht aber auch, weil das alles ein bisschen "too much" ist. Dennoch durchaus lesenswert.

Bewertung vom 02.03.2024
Annas Lied
Koppel, Benjamin

Annas Lied


sehr gut

Geschichte einer Frau, deren Träume ungelebt blieben
Denn Hannah Koppelmann, die Protagonistin dieses Romans, wächst in Kopenhagen in einer Familie von Ostjuden auf, die in die USA auswandern wollte, es aber nur bis Dänemark schaffte. Auf die jüdischen Traditionen und Bräuche wird größter Wert gelegt, nach dem Willen der Mutter - der Vater verdient mit seiner Schneiderei den Familienunterhalt und hat sonst nicht viel zu melden - sollen alle Kinder diese durch eine arrangierte Heirat in gleichen Kreisen weitertragen. Und - mit einer Ausnahme - Musiker werden, auch Hannah ist seit ihrer Kindheit eine begnadete Pianistin.

Nachdem alle vier Söhne hinsichtlich der Heirat enttäuscht haben und dänische Frauen ehelichten, liegt die Hoffnung der Mutter auf Hannah. Gerade sie, die sich schon früh in einen dänischen Sozialisten verliebt hat, die diese Gefühle aus ganzem Herzen erwidert.

Durch tragische Ereignisse wie Krieg, Vertreibung und erschwerten Wiederaufbau des Familienlebens danach sieht Hannah keine andere Möglichkeit, als den Vorgaben der Mutter zu folgen und in eine von den Eltern arrangierte Ehe einzuwilligen, durch die es sie nach Paris verschlägt.

Ein sehr emotionaler Roman, den der Autor, Jazzmusiker Benjamin Koppel, angelehnt an die Lebensgeschichte seiner Tante Anna Koppel verfasste - das Lied ihres Lebens, Annas Lied also. Koppel nähert sich seiner Familiengeschichte mit großer Achtung und Würde - es gibt für alles einen Grund, so sein Tenor, auch wenn dieser oft sehr subjektiv ist.

Ich empfinde diesen Roman als ausgesprochen lesenswert. Wenn jemand auf die Idee kommen würde, die Geschichte meines Lebens ohne Beschönigungen und Illusionen aufzuschreiben - dann wünschte ich, er würde dies mit ebenso viel Toleranz, aber auch Demut tun, wie es Benjamin Koppel für seine Großtante Anna getan hat!

Bewertung vom 01.03.2024
Töchter des Aufbruchs / Das Pensionat an der Mosel Bd.1
Pierre, Marie

Töchter des Aufbruchs / Das Pensionat an der Mosel Bd.1


ausgezeichnet

Gelungener historischer Roman über eher Unbekanntes
Wozu die - einst deutsche, dann wieder französische Moselregion Elsaß-Lothringen zählt: 1910 gehörte sie zum Reichsland und unterstand dem deutschen Kaiser. Was nur wenige Franzosen guthießen, auch wenn sie es nicht offen sagen durften.

So auch die junge Lehrerin Pauline Martin, gebürtig aus Metz, die das Pensionat für junge Mädchen von ihrer Tante im elsässischen Diedenhofen geerbt hat und dieses nach ihren eigenen Vorstellungen weiterführt. Zehn Mädchen hat sie in ihrer Obhut, aus allen Teilen des Reiches, auch aus entfernteren. Dazu eine junge Lehrerin aus dem protestantischen Teil Deutschlands, die beste Köchin der Stadt - und neuerdings auch einen etwas undurchsichtigen Gärtner.

Ach, es ist eine Freude, dieser ebenso spannenden wie lehrreichen Geschichte zu folgen: ich konnte das Buch bis zum Schluss nicht aus der Hand legen. Die kämpferische Pauline mit durchaus klaren Positionen ist eine wahre Sympathieträgerin, der man beim Lesen manchmal zurufen will: "Sei vorsichtig" oder "Lass es", auch wenn man sie nur zu gut versteht. Und letztendlich ist sie ja dann auch auf dem richtigen Weg, wenn auch nicht ohne fremde Hilfe

Ich kann diesen lebendigen Roman jedem/r Leser:in empfehlen, der/die auf unterhaltsame Weise mehr über diese einst zu Deutschland gehörenden französischen Provinzen erfahren möchte!

Bewertung vom 29.02.2024
Cacao Ritual
Glapa, Leni;Eidner, Felix

Cacao Ritual


weniger gut

Ein Buch über Kakao und dessen jahrhundertealte, nun überlieferte Bedeutung in Ritualen. Man erfährt einiges Interessante, sollte sich aber auch vor Augen halten, dass beide Autoren gemeinsame Inhaber einer Firma sind, die teuren Biokakao (nach ihren Ausführungen den einzig Wahren) und die hier beschriebenen Rituale vermarkten.

Ein Buch über spirituellen Umgang mit Kakao. Hört sich für Sie sehr merkwürdig an? Nun, für mich auch, zumal das hier als eine Sache dargestellt wird, die einen großen Teil vom Leben einnehmen sollte (außer in der Schwangerschaft). Also, mir kommt es so vor, als wäre dieses Buch mit seinen 12 beschriebenen Ritualen eine Vorstufe zur Nutzung der Dienste der Firma... nein, ich nenne den Namen jetzt nicht. Ich will ja schließlich nicht mit vermarkten!

Bewertung vom 28.02.2024
Die Spiele
Schmidt, Stephan

Die Spiele


weniger gut

Obwohl mir die Thematik vielversprechend und spannend erschien, habe ich in den Krimi nicht hineinfinden können, was ganz sicher deutlich mehr an mir bzw. an meinen Erwartungen lag als am Autor.

Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich mich auf den Stil und die Handlung einlassen konnte, mir war es zu ruhig und ja - zu sperrig irgendwie.

Ich hoffte immer wieder, dass ein Bruch, eine Änderung, ein Umschwung erfolgen würde, aber leider war das nicht der Fall.

Ein bisschen erschien es mir, als ob gewisse Restriktionen eingehalten werden müssten. Ich hatte sehr auf die junge Botschaftsangestellte Lena Hochfellner als auflockernden und belebenden Faktor gesetzt, doch leider hat auch sie nichts Grundlegendes für mich geändert.

Leser, die sich für Politkrimis interessieren, sollten sich dennoch nicht von meiner Ansicht abhalten lassen, ich bin sicher, dass viele das anders sehen - bzw. lesen!

Bewertung vom 28.02.2024
Der späte Ruhm der Mrs. Quinn
Ford, Olivia

Der späte Ruhm der Mrs. Quinn


sehr gut

You not seen nothing like the mighty Quinn

So lautet einer meiner Lieblingssongs von Bob Dylan, aber auch das Urteil vieler Fernsehzuschauer bei der Backchallenge, an der die 77jährige Jenny Quinn teilnimmt und gemeinsam mit ihrem Konkurrenten Azeez bald zum Zuschauerliebling avanciert.

Doch bis dahin war es ein langer Weg für die Dame, die seit Jahrzehnten jeden Tag köstliche Backwaren zaubert - bislang allerdings nur für die Familie und die wenigen Freunde, die sie und ihr Ehemann so haben. Und so mighty - mächtig also - wie sie teilweise rüberkommt, fühlt sie sich auch während der Challenge nicht.

Nun sollte sie am Ziel ihrer Wünsche sein, oder? Nun, das was Jenny treibt, ist nicht der Ehrgeiz zum Backstar der Nation zu werden. Natürlich will sie dort Erfolg haben, mehr noch jedoch ist für sie der Umstand, dass sie überhaupt so weit gekommen ist, ein Grund zur Freude - und das Erlebnis an sich.

Aber in ihrem Leben gibt es ein ganz, ganz großes, ja riesiges Geheimnis, von dem nicht einmal ihr Mann etwas ahnt. Wie wird sie wohl damit umgehen?

Ein Roman, dem ich zunächst nicht allzuviel abgewinnen konnte, denn auf mich wirkte er sehr harmlos - und ein kleines bisschen langweilig. Doch das legte sich rasch, die Handlung wurde dichter, vielschichtiger und vor allem tiefgründiger. Ein Buch mit Ecken und Kanten, das ich ins Herz geschlossen habe - ebenso wie die Protagonistin und ihre Lieben.

Bewertung vom 27.02.2024
Leute von früher
Höller, Kristin

Leute von früher


gut

Ein besonderes Inselleben
Das möchte Marlene nach ihrem Studium ausprobieren und verdingt sich zu diesem Zweck für eine Saison in einer Art Ferienressort auf der Insel Strand, gleich gegenüber von Husum. Das Besondere daran: hier wird früheres Leben nachgeahmt, alle Mitarbeiter tragen historische Kleidung und haben sich bestimmten Vorgaben zu beugen.

Die Ereignisse werden aus Marlenes Sicht geschildert, die eine merkwürdig distanzierte ist: beim Lesen wuchs in mir der Eindruck, dass sie manches gar nicht begreifen und schon gar nicht an sich heranlassen will.

Das betrifft allerdings nicht Janne, auf die Marlenes Auge gleich am ersten Abend fällt. Langsam erfolgt eine Annäherung zwischen den beiden Frauen.

Der Roman hinterlässt mich in einem großen Zwiespalt - es gibt Aspekte, die mir sehr gut gefallen - vor allem der sehr "normale" Umgang mit gleichgeschlechtlicher Liebe, diese wird vollkommen unspektakulär dargestellt und in die Handlung eingebunden - das würde ich mir sehr viel häufiger wünschen. Ein hilfreicher Weg, um dieser die Normalität zu verleihen, die sie verdient!

Dahingegen wird die Protagonistin Marlene sehr sperrig dargestellt - wie ich finde, auf eine recht gezwungene Art. Manchmal versucht die Autorin - so mein Eindruck - die von ihr geschaffene Figur fast gewaltsam von einer etwas milderen Haltung abzuhalten.

Ein Buch, das sich schnell, ja fast süffig liest. Ich bereue die Lektüre nicht, obwohl ich nicht so recht sagen kann, wie gut mir das Buch denn im Ganzen gefallen hat.

Bewertung vom 23.02.2024
Das Mörderarchiv Bd.1
Perrin, Kristen

Das Mörderarchiv Bd.1


ausgezeichnet

Mord auf die entspannteste Art wird hier geschildert - nämlich als überaus gelungener Whodunnit mit jeder Menge humoristischen Einlagen, die - und das ist längst nicht immer so - wie die Faust aufs Auge passen.

Worum geht es? Großtante Frances ist eine - gelinde ausgedrückt - überaus eigenwillige Person. Ob das erst so wurde, als ihr im zarten Alter von 17 Jahren eine Wahrsagerin mitteilte, dass sie durch einen Mord von dieser Welt scheiden würde, oder ob das vorher schon der Fall war, vermag kaum jemand mehr zu sagen - ganz gewiss jedenfalls nicht ihre Großnichte Annie und deren Mutter Laura, bis vor kurzem noch Alleinerbin des nicht gerade kleinen Vermögens der alten Dame. Jetzt jedoch soll dieses auf Annie übergehen - oder doch nicht?

Jedenfalls wird Annie in den Heimatort der alten Dame, nämlich nach Castle Knoll beordert und ist schon ganz gespannt darauf, diese kennenzulernen - allerdings trifft sie nur noch auf deren Leichnam und muss nun, um an das Erbe zu kommen, den Mörder enttarnen.

Was ebenso spannend wie amüsant ist, denn dem Leser ist - gemeinsam mit Annie - nicht nur ein Blick, sondern mehrfache Lektüre in Frances`Tagebuch vergönnt, wo die - teilweise noch lebendige - Gesellschaft der 1960er Jahre im Detail beschrieben wird. Deren Nachfahren lernen wir zusammen mit Annie vor und während den Ermittlungen kennen - alle sind ganz wunderbar gezeichnet, so dass man sie - wie auch die Lokalitäten - förmlich vor Augen hat.

Normalerweise käme ich nicht auf die Idee, einen Krimi als warmherzig zu bezeichnen - hier jedoch fällt mir kein anderer Begriff ein!

Bewertung vom 20.02.2024
Geordnete Verhältnisse
Lux, Lana

Geordnete Verhältnisse


weniger gut

Faina ist eine Emigrantin aus Rußland jüdischer Abstammung, die in den 1990er Jahren nach Deutschland, ins Ruhrgebiet, kommt. Freunde zu finden, ist nicht leicht für sie.

Nur einer interessiert sich für sie, nämlich Philipp, der, was Freundschaft und Geborgenheit angeht, ein absolutes Schattendasein führt.

Zusammen sind sie stark, können einander vertrauen, sind füreinander da. Oder? Irgendwann gerät die Bindung ins Bröckeln, löst sich auf, entsteht wieder...

Aber etwas hat sich verändert, bestimmte Seiten haben sich an den beiden verändert, sie quälen einander und es ist vor allem Philipp, der sich irgendwann an überhaupt keine Regeln mehr hält. Erst nimmt sein Respekt vor der Freundin ab (wobei das umgekehrt bis zu einem gewissen Punkt ebenfalls der Fall ist), dann verschwindet die Distanz komplett.

Irgendwann konnte ich der Logik der Handlung nicht mehr folgen, wobei wahrscheinlich genau dieser Effekt erzielt werden sollte - nichts war mehr nachvollziehbar. Für viele sicher sehr einleuchtend, ich hingegen habe mich in diesem Buch verloren und weder mich noch die Handlung wiedergefunden. Leider nicht meine Lektüre!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.02.2024
Der Ausflug - Nur einer kehrt zurück
Kvensler, Ulf

Der Ausflug - Nur einer kehrt zurück


ausgezeichnet

Zwei Paare brechen auf zu einer Wanderung - die Langzeitverlobten Anna und Henrik mit ihrer langjährigen Freundin Milena sowie deren neuem Bekannten Jacob, der sogleich das Heft in die Hand nimmt und mal eben so die Wanderroute ändert.

Die drei anderen wandern seit langem jedes Jahr eine Woche zusammen im Norden Schwedens und der dominante Jacob fügt sich nicht gerade nahtlos in die bewährte Gruppe ein.

Dazu entpuppt sich der von ihm vorgeschlagene Weg als deutlich herausfordernder als die geplante Route, ein Wetterumschwung bringt zusätzlichen Zündstoff.

Der Leser tastet sich häppchenweise voran, Auszüge aus einem Vernehmungsprotokoll wechseln sich mit aktuellen Geschehnissen sowie Rückblicken ab.

Verschiedene Faktoren sind es, die die Situation bis an die Spitze treiben und das mit den einfachsten und zugleich wirkungsvollsten Bestandteilen, nämlich Mensch und Natur.

Obwohl mir einige (wenige) Wendungen nicht ganz stimmig erschienen, konnte ich das Buch nicht aus der Hand legen und habe ganz ungeplant am Wochenende eine richtiggehende Lesenacht veranstaltet. Erst am Schluss, als aus meiner Sicht schon alles klar war, folgte die eigentliche Überraschung.

Sehr zu empfehlen!