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Benutzername: 
TochterAlice
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Köln

Bewertungen

Insgesamt 1384 Bewertungen
Bewertung vom 16.07.2024
Das Lied des Propheten
Lynch, Paul

Das Lied des Propheten


ausgezeichnet

Eine Art Stasi
diktiert das neue Leben der Menschen in Irland, nämlich seit undemokratische Mächte sich der Regierung bemächtigt haben. Ist das unrealistisch? Nun, ich kenne mich in der irischen Politik nicht aus, aber global gesehen finde ich das leider überhaupt nicht. Autor Paul Lynch (Nomen ist hier leider Omen) ist ein Hell-, nein, eigentlich ein Schwarzseher. Und das tut er mit einer solchen Klarheit und Bestimmtheit, dass ich mich dem nicht entziehen kann. Und das betrifft sowohl die Lektüre des Buches, das ich nicht aus der Hand legen konnte als auch die darin beschriebenen Ereignisse.

Bald bemächtigt sich eine gewisse Ausweglosigkeit der Bewohner des Landes, denen wir vor allem über Eilish, eine Wissenschaftlerin und Mutter mittleren Alters folgen. Ihr Mann, ein Gewerkschaftler, wurde schon früh verhaftet und seitdem hat sie nichts mehr von ihm gehört.

Als Leserin verdächtige ich zeitweise fast jede Figur der Zusammenarbeit mit dem Regime. Ist die nette alte Dame, die den Kuchen bringt, eine Spionin? Oder arbeiten Eilishs Kollegen für den Staat?

Sehr eindringlich und plastisch führt uns der Autor vor Augen, wie schnell man bspw. als Gewerkschaftler in die Illegalität abrutschen kann. In diesen dunklen Zeiten wächst auch die Kluft zwischen Eilish und einigen ihrer Kinder.

Zunächst fiel es mir schwer, mich auf das Buch einzulassen, dem Stil und den Inhalten zu folgen. Deswegen finde ich es wichtig, in der passenden Stimmung zu sein, wenn man sich dieses Buch zu Gemüte führt. Denn es ist definitiv keine Lektüre für alle Tage. Aber die Erkenntnisse, die man daraus schöpft, haben bleibenden Wert. Zumindest für mich!

Bewertung vom 09.07.2024
Feuerjagd
French, Tana

Feuerjagd


ausgezeichnet

Eine Art europäischer Western
Wenngleich das Szenario nicht ganz so dramatisch und drastisch und auch nicht so auf einen einzigen Moment zugespitzt ist wie bspw. in "Zwölf Uhr mittags", dafür sehr vielschichtig und mit sehr viel Personal, das bis ins kleinste Detail ausgearbeitet ist, bestückt.

Im Mittelpunkt stehen Cal und Trey. Cal ist Amerikaner, ein ehemaliger Polizist mittleren Alters, der nach seiner Scheidung nur noch weg wollte aus den Staaten und in einem winzigen Dorf im Westen von Irland ein neues Zuhause fand. Das hat er nicht zuletzt Trey zu verdanken, einem lokalen Teenager: das inzwischen 15jährige Mädchen tauchte vor zwei Jahren bei ihm auf und begann, ihn bei seinen Schreinerarbeiten, mit denen er sich nun seinen Lebensunterhalt verdient, zu unterstützen. Und genauso bei seinen Ermittlungen bzw. seinen Aktivitäten als Zünglein an der Waage bei gewissen Begebenheiten vor Ort.

Diesmal ist Trey selbst involviert, denn ihr Vater - sie ist eins der ältesten Kinder einer Großfamilie, der sich vor vier Jahren aus dem Staub gemacht hat, ist wieder da und macht ihrer Mutter und ihr und so manch anderen das Leben zur Hölle.

Doch er kommt mit einem Superplan zum Geldverdienen nicht nur für sich selbst zurück. Obwohl jeder Einzelne es besser wissen müsste, findet er Interessenten. Und nicht nur das - das potentielle Opfer ist gleich zusammen mit ihm in sein Heimatdorf gekommen.

Ein Spannungsroman der allerbesten Sorte - packend vom ersten bis zum letzten Wort und damit sehr empfehlenswert. Besonders für Leser:innen, die auf Atmosphäre statt auf Knallerei und Karacho stehen.

Bewertung vom 06.07.2024
Der Morgen nach dem Regen
Levensohn, Melanie

Der Morgen nach dem Regen


gut

Eine unglückliche Liebe?
Nein, gleich mehrere werden in diesem in einen ungewöhnlichen Rahmen eingebetteten Roman geschildert. Im Vordergrund steht die äußerst unglückliche Beziehung zwischen Mutter Johanna und Tochter Elsa, die man eigentlich gar nicht als Liebe bezeichnen kann, zumindest nicht von der Tochter aus.

Der Grund: sie fühlte sich von ihrer Mutter allein gelassen. Diese war ihr gesamtes Berufsleben lang als Krisenmanagerin für die Vereinten Nationen an den Brandherden der Welt unterwegs gewesen, wodurch auch die Ehe der Eltern zerbrochen ist. Denkt zumindest Elsa - dass der Hintergrund deutlich vielschichtiger ist, weiß nur Johanna.

Denn es gibt viele Arten zu lieben - das wird auch Elsa Jahre später klar, als sie selbst sich vor der Flucht vor einer unglücklichen Beziehung in die Familienresidenz am Rhein zurückzieht, die Johanna gerade geerbt hat.

Aufgrund des ungewöhnlichen Rahmens wollte ich diesen Roman unbedingt lesen, bin aber nun etwas enttäuscht aufgrund der fehlenden Tiefe, wie ich finde. Die Vereinten Nationen mit den Brandherden bleiben eher im Hintergrund, im Vordergrund stehen die Liebesbeziehungen. Wobei einiges zu ausführlich behandelt wird, anderes wiederum in der Luft hängen bleibt.

Bewertung vom 03.07.2024
Der Sohn des Friseurs
Bakker, Gerbrand

Der Sohn des Friseurs


gut

Simon, ein noch recht junger Mann, arbeitet als Friseur im eigenen Salon, den er von seinem Opa geerbt hat. Er arbeitet nur so viel, wie es ihm zur Finanzierung seines Unterhalts erforderlich ist. Auch sein Vater war Friseur, ist aber seit langem - Simon war gerade geboren - fort. Wahrscheinlich bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen, auch wenn seine Leiche nie gefunden wurde.

Simons Innenleben ist überaus reichhaltig, nach außen hin wirkt er eher zurückhaltend, da er wenig spricht. Während er seine Mutter in ihrem Ehrenamt - Schwimmen für geistig behinderte Jugendliche - unterstützt, erwachen in ihm gewisse Begierden.

Damit tat ich mich ziemlich schwer: auch wenn dies ein "typischer Bakker" im gewohnten Stil mit dem üblichen Charme ist, wurden hier aus meiner Sicht gewisse Grenzen überschritten. Ein Umstand, der mich sehr verunsicherte und mit dem ich mich ausgesprochen unwohl fühlte.

Bewertung vom 01.07.2024
Man sieht sich
Karnick, Julia

Man sieht sich


sehr gut

Man umkreist sich
Und das bereits seit dem ersten Kennenlernen! Frie und Robert kennen sich seit der Mittelstufe und haben seither ein Auge auf einander geworfen. Allerdings, ohne sich darüber auch nur im geringsten bewußt zu sein, dass der andere genauso empfindet. Stattdessen sind sie jahre, nein: eher jahrzehntelang beste Freunde. Das Mädchen aus gehobenen Verhältnissen, aber mit agressivem Vater geschlagen und der Junge mit der alleinerziehenden Mutter, der sich seit seiner Kindheit mehr um sie kümmern muss als umgekehrt. Trotzdem: sie erkennen einander, haben in vielerlei Hinsicht dieselbe Wellenlänge.

Sehen sich wieder, mißverstehen sich, kommen wieder aufeinander zu und gestehen einander Jahre nach dem Abitur - Frie ist inzwischen alleinerziehende Mutter - ihre Liebe. Klappt alles nicht so ganz. Also: abrupte Trennung, nach Jahrzehnten ein neuer Versuch, der wiederum desatrös endet.

Das alles garniert mit einer Menge recht originellen weiteren Akteuren, die sich auf unterhaltsame Art in den Handlungsablauf einreihen.

Nicht gefallen hat mir das viele Rauchen - die Protagonisten sind fast 10 Jahre jünger als ich und schon zu meiner Jugendzeit wurde man als Nichtraucher nicht (mehr) für uncool gehalten. Genauso war es mit dem Trinken. Doch abgesehen von dem, dass einige Klischees etwas überzogen sind bzw. gar nicht passen, ist dies ein warmherziger, scharfsinniger Roman um das gemeinsame und getrennte Altern von Freunden bzw. Liebenden, das ausgesprochen charmant geschildert wird.

Bewertung vom 27.06.2024
Tödlicher Stoff / Die Hausboot-Detektei Bd.3
Achterop, Amy

Tödlicher Stoff / Die Hausboot-Detektei Bd.3


gut

Es geht weiter mit der Hausboot-Detektei: Nun bereits in deren drittem Fall. Denn: He still lives on a house boat, down on the river, nämlich Arie, ehemaliger Polizist. Inzwischen leidet er nicht mehr ganz so sehr unter den vergangenen Lasten; der Trennung von seiner Frau und dem Verlust seines Jobs kurz vor einer entscheidenden Beförderung.

Sein zündender Gedanke, nämlich die Gründung einer Detektei mit ähnlich jämmerlichen Kreaturen wie ihm selbst ist durchaus von Erfolg, wenn auch nicht von Reichtum gekrönt. Die fünf bauen sich mehr und mehr gegenseitig auf und ihr Wissen über Kriminalfälle aus. Auch haben sich anderhalb Pärchen sowie ein großes und ein kleines Haustiergefunden.

Der dritte Fall ist der Mord an einem angesehen Geschäftsmann, der von einem der Fünf beobachtet wird - mehr weiß man aber noch nicht.
Wieder basiert der Plot auf einer tollen Idee, doch leider ist die Ausführung aus meiner Sicht immer noch nicht ganz auf den Punkt gebracht, es wabert alles nämlich ein wenig vor sich hin, gerät auch mal aus dem Fluss (beziehungsweise aus den Grachten - wir befinden uns ja in Amsterdam=

Sicher, Humor ist vorhanden (wenn auch der manchmal etwas treffender sein könnte), aber die Spannung bleibt irgendwie so ziemlich aus.

Da geht doch noch was, gerade bei so vielen tollen Ideen!

Bewertung vom 26.06.2024
Das Gewicht eines Vogels beim Fliegen
Grigorcea, Dana

Das Gewicht eines Vogels beim Fliegen


gut

Ein Buch, auf das ich sehr gespannt war: ein Roman im Roman und dann auch noch zum Thema Kunst! Ich habe mich sehr auf diese Lektüre gefreut. Leider jedoch verpuffte mein Interesse recht bald, da die Zusammenhänge zwischen den beiden Erzählsträngen nicht so gestaltet waren, dass ich als Leserin ungeduldig dem weiteren Handlungsverlauf entgegen blickte.

Ganz im Gegenteil: Mit dem Eintritt in diese spezielle Welt der Kunst habe ich mich leider sehr schwer getan. Das kann natürlich mit überhöhten Erwartungen zusammenhängen. Mir gingen gewisse stilistische Feinheiten, vor allem die wiederholten Parallelen in beiden Erzählsträngen (weiße Hütchen, um nur ein Beispiel zu nennen) gehörig auf den Keks.

Was als geschickter Kniff gedacht war, um die Spannung zu erhöhen, kam bei mir leider nicht an.

Bewertung vom 24.06.2024
So ist das nie passiert
Collins, Sarah Easter

So ist das nie passiert


sehr gut

Laika ist weg!
Willa hat es nicht leicht im Leben, schon als Kind nicht. Sie hat zwar eine liebevolle Mutter und mit ihrer jüngeren Schwester Laika pflegt sie ein so warmherziges Verhältnis, dass andere sie beneiden. Doch der Vater macht vor allem den beiden letzteren das Leben so zur Hölle, dass auch für Willa nichts mehr schön ist. Denn es ist ihr nicht möglich, den beiden zu helfen.

Und eines Tages verschwindet Laika einfach - sie ist gerade mal dreizehn Jahre alt. Und kommt auch nicht mehr wieder - erst vergehen Monate, dann Jahre. Weder für Willa noch für ihre Mutter ist das Leben noch lebenswert.

Wobei es für Willa noch einigermaßen erträglich ist, denn sie kommt auf ein Internat und teilt sich ein Zimmer mit ihrer bald besten Freundin. Doch zu Hause ist es brutal öde wie eh und je.

Kein Tag vergeht, ohne das Willa und ihre Mutter an Laika denken - was mag wohl mit ihr geschehen sein.

Dies ist wirklich ein sehr gelungener Spannungsroman, denn auch der Leser hat bis weit über die Hälfte des Buches keine Idee, was da passiert sein könnte.

Und die Autorin entwickelt einen so originellen Plot, dass ich glatt die volle Sternenzahl gegeben hätte, wenn sich die Zufälle nicht ein wenig zu sehr gehäuft und die Entwicklungen nicht teilweise einfach wahnwitzig geworden wären. Das ist schade, aber die Lektüre lohnt sich trotzdem!

Bewertung vom 23.06.2024
Am Himmel die Flüsse
Shafak, Elif

Am Himmel die Flüsse


ausgezeichnet

Die Welt ist groß
Und alles hängt irgendwie zusammen!

Elif Shafak ist wirklich eine großartige Schriftstellerin, die hier Geschichten aus diversen Epochen in einander verwebt. Das verbindende Element ist eines, ohne das niemand von uns leben kann, nämlich Wasser.

Tröpfchenweise, teilweise auch in Schwällen, wandert es aus dem üppigen, dabei blutdrünstigen Hof eines mesopotamischen Herrschers der Antike ins London des 19. Jahrhunderts und begleitet dort, im Umfeld der Ärmsten, nämlich direkt an der Themse, die Geburt von Arthur, der nichts vergessen wird und atemberaubend schnell lernt und versteht.

Und dann, fast in der Gegenwart, nämlich 2014, im äußersten Zipfel der Türkei, nämlich in ebendiesem bereits erwähnten Mesopotamien, die Taufe des Mädchens Narin im Fluss, die durch einen Bagger rüde unterbrochen wird - der Natur wird einmal mehr Einhalt geboten und wie so oft, leiden wieder einmal diejenigen, die sowieso nichts haben. Noch ein paar Jahr später wiederum begegnen wir 1918 in London einer jungen Schriftstellerin, die nicht mehr leben mag....

Reich und Arm, Nord und Süd - hier fließt alles zusammen in einem stimmigen und überaus eindrucksvollen Text, den ich mit Genuss gelesen habe!

Bewertung vom 22.06.2024
Marie und die drei Geheimnisse
Wilms, Judith

Marie und die drei Geheimnisse


gut

Ein Roman mit Heilungsvermögen?
Das weckte zwar von Beginn an mein Interesse, kam mir aber durchaus auch etwas suspekt vor: wie kann man geheilt werden - seelisch, wohlgemerkt, indem man "nur" eine Geschichte liest.

Schnell wurde klar, dass die Geschichte von Marie, die bei einem Retreat auf einer griechischen Insel ihr gebrochenes Herz - ihr langjähriger Partner hat sie sehr abrupt und für sie überraschend verlassen heilen möchte, in Zusammenhang mit Erkenntnissen aus der Psychologie verfasst wurde, weswegen sie wenig Überraschendes enthält.

Teilweise erfüllt sie aus meiner Sicht das Ziel, dem Lesenden zu helfen, teils habe ich mich aber auch ganz schön geärgert. Denn Marie kümmert sich nur um sich selbst, es ist ihr egal, ob der alte Mann, der ihr auf dem Markt begegnet, vielleicht selber Hilfe braucht oder ob der Kollege im Kurs vielleicht auch gern mal ein tröstendes Wort hören würde.

Ein Buch, das mich in einem Zwiespalt hinterlässt - ich werde wohl noch länger darüber nachdenken. Vielleicht ist das ja aber auch das eigentliche Ziel....