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KrimiElse

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Insgesamt 73 Bewertungen
Bewertung vom 27.05.2017
Die Geschichte der Bienen / Klima Quartett Bd.1
Lunde, Maja

Die Geschichte der Bienen / Klima Quartett Bd.1


ausgezeichnet

Großartig und wichtig

"...denn um in der Natur und mit der Natur zu leben, müssen wir uns von der eigenen Natur entfernen."

Ein düsteres Zukunfts-Szenario einer Welt ohne Bienen ist der Beginn des preisgekrönten Buches "Die Geschichte der Bienen" der Norwegischen Autorin Maja Lunde. Mit großer Erzählkraft entfaltet sich dieses Debüt vor dem Leser, das ein anspruchsvoller und spannender Familienroman gespickt mit interessanten Sachdetails und zugleich Historienbuch und ebenso Dystopie ist.

"Die Kinder ernten die Zahlen und einige Schriftzeichen, davon abgesehen war die Schule aber nur eine Form der kontrollierten Verwahrung. Der Verwahrung und der Vorbereitung auf das Leben draußen."

Das Buch spielt in drei Zeitebenen, deren Verbindung die Bienen sind. Es setzt ein in einer Zukunft ohne Bienen mit Tao, der jungen chinesischen Arbeiterin, den Aufgabe zusammen mit tausenden anderen das Bestäuben von Obstbäumen ist und die sich für ihren kleine Sohn Wei-Wen eine bessere Zukunft erträumt. Doch plötzlich verschwindet der Junge auf unerklärliche Weise und Tao begibt sich auf die Suche nach ihm.
Im England des Jahres 1852 begleitet der Leser den gescheiterten und depressiven Biologen William. Als achtfacher Vater hatte er große Hoffnungen in seinen gescheiterten Sohn gesetzt und seine klügste Tochter Charlotte nicht beachtet. Als er mit der Erforschung der Bienenstöcke beginnt und einen perfekten Bienenstock entwirft, bekommt Williams Leben neuen Aufschwung.
Die dritte Geschichte erzählt vom Imker George in Ohio im Jahr 2007, der mitansehen muss, wie seine Bienen verschwinden und immer weniger werden. Der Sohn Tom soll den Hof mit der Imkerei übernehmen, dieser hat jedoch andere Pläne.

Maja Lunde spannt den Bogen von den Wurzeln der professionellen Imkerei Mitte des 19. Jahrhunderts zum Beginn des Bienensterbens Anfang des 21. Jahrhunderts bis zu einer Welt ohne Bienen im Jahr 2098. Alle drei Geschichten dienen letztlich der Frage, wie eine Welt ohne Bienen aussehen würde und wo und wie der Anfang vom Ende begann. Sie vermittelt das Gefühl der Freude am Erfinden und Forschen für den Biologen William, die massive Hilflosigkeit und Ohnmacht von George, der seinen Bienen beim Sterben zusieht ebenso wie den Mut und die Kraft einer jungen Mutter, die ihren Sohn finden möchte und auf der Suche nach einem kleinen Hoffnungsschimmer gegen das System rebelliert.
Gleichzeitig hat die Autorin ein feines Gespür für familiäre Beziehungen von Eltern und Kindern, insbesondere die Erwartungshaltung von Vätern an ihre Söhne, die sich über die Jahrhunderte nicht geändert hat, und die Kraft der Frauen, die der Sprachlosigkeit und Enttäuschung Paroli bieten können.

"Wie verwachsene Vögel balancierten wir auf unseren Ästen, das Plastikgefäß in der einen Hand, den Federpinsel in der anderen. ...
Das kleine Plastikgefäß war gefüllt mit dem luftigen, leichten Gold der Pollen, das zu Beginn des Tages exakt abgewogen und an uns verteilt wurde, jede Arbeiterin erhielt genau die gleiche Menge. Nahezu schwerelos versuchte ich, unsichtbar kleine Mengen zu entnehmen und in den Bäumen zu verteilen."

Vieles, was wir essen, hängt von der Bestäubung durch Insekten ab, und wenn Menschen wie Vögel mit Pinsel in Bäumen hängen um Blüte für Blüte selbst zu bestäuben erinnert das nicht nur an Mao, der in China vor Jahrzehnten alle Insekten ausrotten wollte und die Blüten auf die im Buch dargestellte Weise bestäuben ließ, sondern ist für den Leser eine durchaus greifbare Version einer vom Hunger geprägten und streng kontrollierten Zukunft. Ein weltweites Bienensterben hat verheerende Folgen für uns alle, und Maja Lunde ist nicht nur eine Autorin, die einen spannenden und sehr gut recherchierten Roman zum Thema geschrieben hat, sondern auch besorgte Mutter, die aufrütteln will. Das ist ihr gelungen, und ich vergebe begeisterte fünf Sterne für das Buch.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.05.2017
Das letzte Bild der Sara de Vos
Smith, Dominic

Das letzte Bild der Sara de Vos


ausgezeichnet

Fast ein Kunstkrimi


Schicht für Schicht, wie bei einem Gemälde, baut der Autor des Buches "Das letzte Bild der Sara de Vos" seine Geschichte auf. Oft hat man das angenehme Gefühl, dass jedes Wort sitzt, wie die perfekten Pinselstriche bei einem Meisterwerk. Man merkt nichts davon, dass es sich um das erste Buch von Dominic Smith handelt, so sprachlich ausgefeilt wie er schreibt und so leicht, wie er dem Leser die ungewöhnlichen Verwicklungen ohne Hast nahebringt.

Die Romanfigur, die Malerin des Goldenen Zeitalters der Niederlande Sara de Vos hat reale Vorbilder, denen das Buch huldigt. Zwei Frauen (Sara an Baalbergen und Judith Leyster), die als Malerinnen versuchten, in der von Männern beherrschten Kunstszene des 17. Jahrhunderts Fuß zu fassen, sind die Künstlerinnen, auf deren Leben es im Buch Hinweise durch die fiktive Sara gibt. Sara de Vos muss sich nach dem frühen Pesttod ihrer Tochter allein durchs Leben kämpfen und schafft dies trotz vieler Widrigkeiten durch ihre Malerei.
Allerdings spielt das Buch nicht ausschließlich in der Vergangenheit. In der Gegenwart begegnet man der Kunstprofessorin Ellie, sie ist Spezialistin für das Goldene Zeitalter und in den 1950er Jahren in New York und im Jahr 2000 in Sydney eng mit dem Gemälde "Am Saum eines Waldes" von Sara de Vos verbunden. In New York wurde das jahrhundertelang in Familienbesitz der Familie de Groot befindliche Meisterwerk gestohlen und durch eine Fälschung ersetzt, in Sydney soll es mit Ellie als Kuratorin ausgestellt werden, wobei plötzlich zwei Gemälde auftauchen.
Anders als erwartet und sehr passend findet die Geschichte sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart zu einem schlüssigen Ende.

Es ist ein sprachlich ausgefeiltes, ruhig erzähltes Buch, das durch die Geschichte selbst viel Spannung erzeugt und das ich in sehr kurzer Zeit gelesen habe. Die Figuren der Malerin Sara im Goldenen Zeitalter und der Kunstkennerin Ellie in der Gegenwart sind mir beim Lesen sehr nahe und greifbar gewesen. Beide verbindet der Kampf, sich in der Kunstszene behaupten zu müssen, und das tun sie beide mit großer Bewusstheit über ihr Können, was letztlich mehr oder weniger erfolgreich ist. Das vermag der Autor beim Lesen zu vermitteln, ohne feministisch-kämpferisch den Zeigefinger zu erheben.
In jedem Zeitabschnitt, den der Roman streift, wird man als Leser an Nebenschauplätze entführt, die alles sehr rund machen. Im 17.Jahrhundert ist dies zum Beispiel ein Gefühl für die Lebensart in Amsterdam und auf den Landsitzen, die alles beherrschenden Gilden und ihre Macht. In den 50er Jahren in New York treibt man sich zusammen mit Ellie unter anderem in kleinen Jazzclubs herum. Nebenbei erfährt man von der Pingeligkeit der Arbeit eines Kunstfälschers und von den modernen Methoden zur Aufdeckung von Fälschungen, alles sehr passend mit der Geschichte verwoben.

Fazit
Der Roman hat für mich alles, was ein wirklich gutes Buch braucht und erzählt noch dazu eine sehr ungewöhnliche Geschichte auf ruhige, unvorhersehbare Art. Unbedingt lesen, es lohnt sich wirklich.

Bewertung vom 06.03.2017
Sein blutiges Projekt
Burnet, Graeme Macrae

Sein blutiges Projekt


ausgezeichnet

Wahrheit oder Fiktion

Im August 1869 passiert in dem Bauerndorf Culduie an der Westküste Schottlands ein Dreifachmord, verübt vom siebzehnjährigen Roderick Macrae. Macrae hat den Constable Lachlan MacKenzie und zwei seiner Kinder auf brutalste Weise erschlagen.
Das Dorf Culduie besteht nur Häusern, in denen 25 Menschen leben und als Kleinbauern (Crofter) ihren Lebensunterhalt bestreiten. Die Familie Macrae lebt unter ihnen mit zwei Kühen, sechs Schafen und einem gepachtetem Feldstück, dass sie bewirtschaftet. Entbehrungsreich, voller harter Arbeit und mit sehr wenigen Kontakten zu den anderen Bewohnern ist das Leben der Familie, weshalb zunächst unverständlich ist, wie es zu solch brutalen Mehrfachmorden kommen konnte.
Für einen Thriller ungewöhnlich ist von Anfang an klar, dass Roderick die Morde begangen hat, die Spannung bezieht das Buch aus der Frage nach dem Warum und daraus, ob die Verteidigung in der Lage ist, ihn vor dem Tod am Galgen zu bewahren.

Graeme Macrae Burnet versetzt den Leser sehr gekonnt ins 19.Jahrhundert, mitten nach Schottland. Mit Spannung verfolgt man beim Lesen die Anfänge der Kriminalpsychologie, streift durch Gerichtsakten und medizinische Gutachten, Befragungen von Zeugen und die Berichtserstattung zum Prozess und wird dabei oft an der Nase herumgeführt. Erst während des Prozesses selbst kommen Hintergründe der Tat ans Licht.

Der Roman besteht aus drei Teilen, beginnend mit den Aufzeichnungen des inhaftierten Roderick Macrae, die dieser auf Anraten seines Rechtsbeistandes anfertigte, folgt Teil zwei als Bericht des Gefängnisarztes und Kriminalanthropologen James Bruce Thomson. Der letzte Teil besteht aus einem ausführlichen Prozessbericht, während dem die Verteidigung versucht, durch den Tatbestand der geistigen Verwirrung ihren Schützling von dem Tod durch den Strang zu bewahren.

Wahrheit oder Fiktion?
Der Autor Graeme Macrae Burnet schafft mit diesem ungewöhnlichen Thriller ein raffiniertes Puzzle und verwirrt den Leser zum einen mit den Berichten selbst, zum anderen damit, dass er sich selbst im Vorwort in die Geschichte einbringt, indem er behauptet, er sei zufällig bei Recherchen auf Dokumente zu diesem Fall gestoßen. Es werden von ihm sehr gekonnt Zweifel an der Echtheit geschürt, sowohl bei den Aussagen und Niederschriften der am Fall Beteiligten als auch am gesamten Fall selbst.

Sehr gut lesbar, unglaublich spannend und absolut ungewöhnlich und unkonventionell hat Burnet über das Verbrechen geschrieben. Neben der vereinnahmenden Geschichte der Morde und des Prozesses hat er eine Konstruktion geschaffen, die über Realität auf äußerst raffinierte Weise reflektiert und den Leser letztlich fragend zurücklässt. Bravo dafür!

Graeme Macrae Burnet, geboren 1967 in Kilmarnock, Schottland, studierte Englische Literatur in Glasgow. Er schreibt seit seiner Jugend und wurde 2013 mit dem Scottish Book Trust New Writer’s Award ausgezeichnet. Er lebt und schreibt in Glasgow

Bewertung vom 06.03.2017
Das geträumte Land
Mbue, Imbolo

Das geträumte Land


sehr gut

Unbegrenzte Möglichkeiten
"Das geträumte Land", das hochgelobte Debüt der Kameruner Autorin Imbolo Mbue, erzählt eine Geschichte vom Traum von besseren Leben einer armen Auswandererfamilie in New York. Es ist eine Geschichte von Opferbereitschaft und Verzweiflung, Klassentrennung und Rassismus, Ethnischer Identität, Heimat- und Familienverbundenheit, aber auch von Glück, Hoffnung und Liebe zu Zeiten der beginnenden Wirtschaftskrise 2007.

Jende Jonga, ein armer Kameruner, hat in den USA Asyl beantragt und nach zwei einsamen Jahren mit vielen Mühen schafft er es, dass ihm seine Geliebte Neni und ihr gemeinsamer Sohn Liomi mit einem Studentenvisum folgen ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Das Paar kann in New York endlich heiraten - in Kamerun vermochte der bitterarme Jende das Brautgeld an Neni's Vater nicht bezahlen. Die junge Familie wünscht sich von ganzem Herzen ein besseres Leben in New York, und als Jende den gut bezahlten Job als Chauffeur des reichen Wall-Street-Brokers Clark Edwards bekommt, scheint ihren Träumen nichts mehr im Weg zu stehen, zumal auch Neni über den Sommer einen Job als Haushälterin im Sommerhaus der Familie Edwards bekommt.
Doch die optimistische Ansicht, dass es jeder in Amerika schaffen kann, bekommt starke Risse, als Clarks Firma im Börsencrash 2007 pleite geht. Das und eine Ehekrise in der Familie Edwards führt zu Jendes Kündigung und im harten Alltag mit mehreren schlecht bezahlten Tellerwäscher-Jobs verliert er allmählich die Hoffnung, dass ein unausgebildeter Schwarzer ohne Greencard in den USA alle Chancen hat, wenn er nur will.
Er driftet immer weiter von seiner Frau Neni weg, die Ihren College-Abschluss nachholt, um Pharmazie studieren zu können, und für die New York trotz quälendem Geldmangels und der zunehmenden Gefahr der Ausweisung die großartige Stadt ist, in der die Familie den Schritt in ein besseres Leben und die Aufnahme und Akzeptanz in besser gestellte Kreise erreichen wird.

Die beiden Familien Edwards und Jonga könnten unterschiedlicher nicht sein. Die reiche weiße Familie Edwards mit einer tadellosen äußeren Fassade erscheinen großzügig, nett gegenüber ihrer Dienerschaft, doch es besteht nie ein Zweifel an den Klassen- und Rassenunterschieden. Hinter dem schönen Glitzer und Familienglück jedoch bröckelt es.
Die Familie Jonga, anfangs der Inbegriff des Familienglücks und der Hoffnung, verändert sich im Laufe der Geschichte, als Jende merkt, dass er mit der ständigen Angst vor der Abschiebung und großer Armut trotz der zehrenden und zeitraubenden Jobs nicht mehr leben will und kann. Bei beiden Jendes offenbaren sich zunehmend negative Eigenschaften ihrer Persönlichkeiten und es kommt immer öfter zum Streit.

Die Frage nach Familie, Identität und Heimat tritt immer mehr in den Vordergrund, ob in Amerika tatsächlich die Verwirklichung des amerikanischen Traumes möglich ist oder ob Rückkehr zur Familie in der Kamerunischen Stadt Limbe das Familienglück bedeutet.
Die Geschichte der aus der Armut in der Heimat geflohenen Familie Jonga mit der Verantwortung zur finanziellen Versorgung für alle in Kamerun zurückgebliebenen Verwandten berichtet eindringlich von Wünschen und Träumen und deren Zerbrechlichkeit am Maßstab des aufreibenden täglichen Lebens von armen Auswanderern. Beherrscht von der ständigen Angst vor den Behörden, verurteilt zu vielen Stunden Arbeit in mehreren schlecht bezahlten Jobs, hilflose Sorge bei Krankheit oder Tod von Familienangehörigen zu Hause und das Gefühl der Heimatlosigkeit bestimmen das Leben. Die Autorin schafft es, wenn auch mit einigen wenigen Längen, sehr gut, dies zu verdeutlichen und unterhaltsam, spannend und intensiv von der Zerrissenheit und der Qual der Familie Jonga zu berichten.

Der Roman, der nichts an Aktualität eingebüßt hat, ist sehr gut lesbar, authentisch verfasst und zu Recht ein gelobtes Debüt, das trotz kleiner Schwächen eine Leseempfehlung mit vier Sternen von mir bekommt.

Bewertung vom 04.03.2017
Betrunkene Bäume
Dorian, Ada

Betrunkene Bäume


sehr gut

Verwurzelung und Schieflage

"Betrunkene Bäume" ist der Titel des unaufgeregten Debütromans Ada Dorian, der 2016 für den Ingeborg Bachmann Preis nominiert war.
Betrunkene Bäume stehen in der sibirischen Taiga im Permafrostboden, sie entwurzeln und schwanken, wenn der Boden zu stark auftaut. Die Folge ist, dass sie durch schiefes Verwachsen das Ungleichgewicht auszugleichen suchen und in weitere Schieflagen geraten.

Wie die Bäume geraten auch die beiden Protagonisten des Romanes, der über 80 Jahre alte Erich und die jugendliche 17-jährige Katharina, in Schieflage.
Erich, der alte Professor eines Ost-Berliner Instituts, lebt alleine in seiner Wohnung, kämpft gegen das Altern an und versucht, trotz zunehmender körperlicher Schwäche und Eingeschränktheit seine Selbstbestimmung gegenüber der Tochter Irina zu bewahren. Er lehnt jegliche Unterstützung ab, außer die von Katharina, einer jungen Ausreißerin, die in der leergeräumten Wohnung gegenüber einen notdürftigen Unterschlupf gefunden hat. Katharina war gestrauchelt, als ihr Vater die Familie verließ, um in Sibirien zu arbeiten, und die Mutter konnte sie nicht halten. Erich hat früher für sein Institut auch in Sibirien geforscht, er hat die unermesslichen und wundervollen Baumlandschaften der Taiga im Herzen mit nach Hause gebracht, sie sind seither sein Lebensinhalt geblieben.
Nach den ersten flüchtigen Begegnungen der beiden verwurzeln Erich und Katharina tief miteinander, ohne zwangsläufig danach gesucht zu haben. Erich muss sich mit Vergänglichkeiten und den oftmals herben Problemen des Alterns herumschlagen, Katharina ist wie ein junges Bäumchen im Wind gebeutelt und sucht für sich, richtige Entscheidungen zu treffen. Unbewusst helfen und stützen sie einander, Katharina wird angeleitet und wächst, Erich öffnet sich der jungen Frau und vertraut ihr seine Geheimnisse an.

Die Autorin erzählt die Geschichte mäandernd, wechseln zwischen verschiedenen Zeitebenen und Orten. Allmählich erst bekommt man Einblick in Erichs früheres Leben und seine für ihn so eindrucksvolle Reise nach Sibirien, wo er mehr als ein halbes Jahr in den Wäldern verbrachte. Dort war er glücklich, er liebt die Bäume und spricht mit ihnen. Das verband ihn mit Wolodja, seinem damaligen wortkargem Scout und späterem Freund. Dort lernte er seine Geliebte und spätere Ehefrau Dascha kennen, die ihm nach Deutschland folgte.
Der heutige Erich wirkt einsam, traurig und verlassen, geplagt von Alltagsproblemen und der übereifrigen und dennoch kühlen Fürsorge seiner Tochter, die ihn am liebsten ins Heim stecken würde - hier wird für meinen Geschmack stellenweise ein wenig zu dick aufgetragen, Klischee blitzt aus manchen Passagen hervor.
Katharina fühlt sich von allen verlassen, vom Vater, der weit weg ist, von der Mutter, die seit Jahren einen ihr entgegengesetzten Tagesrhythmus hat und sämtlichen Mut und Stärke eingebüßt hat, und von ihrem Freund Felix, dem Streber, der im Gegensatz zu ihr aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammt und sich von ihr abwendet. Das Straßenkind, dass durch die Hilfe und das Interesse für einen einsamen alten Mann sich selbst helfen kann und auf den Weg zurück findet. Für Katharina - ein bisschen zu blauäugig für das, was sie hinter sich hat, musste ebenfalls in meinen Augen ein bisschen zu viel Schablonenhaftes herhalten.

Trotz der angebrachten Kritik handelt es sich um einen sehr lesenswerten Roman, der sprachlich dicht und klar formuliert einen ungewöhnliche und stellenweise auch berührende Geschichte von Heimat, Entwurzelung, Freundschaft und Schuld zu erzählen hat. 3,5 Sterne vergebe ich dafür.

Bewertung vom 29.01.2017
Sweetgirl
Mulhauser, Travis

Sweetgirl


sehr gut

Eiskalte, originelle Geschichte

"Sweetgirl" von Travis Mulhauser thematisiert eine atemberaubende Flucht durch den eiskalten Winter Michigans. Es ist ein spannender und origineller Roman, der den Leser gefangen nimmt und schockiert.

Die 16-jährige Percy ist im tief verschneiten Michigan auf der Suche nach ihrer alkoholkranken Mutter und stößt dabei zufällig im Haus des Drogendealers Shelton auf ein völlig vernachlässigtes Baby. Sie kann nicht anders als das kleine Würmchen vor dem sicheren Kältetod zu retten und nimmt es einfach mit. Percy will dem kleine Jenna in ein Krankenhaus bringen und wird vom zwar dämlichen aber gefährlichen Shelton und seinen ebenso unterbelichteten kriminellen Kumpanen verfolgt.
Es entspinnt sich eine atemberaubende und spannende Flucht durch Kälte und Eis, bei der aus Versehen und wegen krimineller Dämlichkeit ein paar Leichen den Weg pflastern und sich unverhoffte Verbündete zeigen...

Als Leser wird man nach ganz kurzem Umreißen der Figuren regelrecht in die Handlung katapultiert und rauscht anschließend fast atemlos durch das Buch. Eine überschaubare Anzahl an Charakteren, von denen man das Wichtigste zwischendurch erzählt bekommt, erleichtert den berauschenden Lesetrip durch die Schneelandschaft. Die Beschreibungen der Kälte und des Schneesturmes sind so gut und nachvollziehbar, dass ich fast ein wenig gefroren habe beim Lesen.

"Und das ist das echt Üble am Winter in Cutler County - eigentlich nicht so sehr die Kälte, mehr die Tatsache, dass es sich irgendwann persönlich anfühlt."

White Trash - Traditionen in Form von völlig verwahrlosten, ärmlichen und heruntergekommenen Verhältnissen sind genau wie durchgeknallte Charaktere und eine gehörige Portion schwarzer Humor bezeichnend für diese fast irrwitzige Geschichte. Percy mit ihrem großen Herz und ihrer selbstlosen Liebe zu dem kleinen Baby stehen kriminelle, ekelige, wankelmütige und aussichtslose Details und Charakter gegenüber, denen sie sich stellen muss.
Trotz oder gerade wegen des ganzen Chaos entwickelt sich die Geschichte in unvorhersehbare Richtungen und hält viele Überraschungen für die sympathische Heldin Percy und für den Leser parat.

"Portis war sein Leben lang betrunken durch die Gegend gelaufen. Er sagte, der Trick dabei wäre, zu versuchen, sich schief zu halten, dann käme eine einigermaßen aufrechte Haltung dabei raus."

Pragmatische Dialoge, Wortwitz und Situationskomik machen aus einer ekeligen und schmutzigen Geschichte stellenweise fast einen Witz, was mir ausgezeichnet gefallen hat. Kurze Kapitel mit Cliffhangern, schnellen Ortswechseln und einer wirklich knappen, straffen Sprache überzeugen und schaffen einen originellen und für mich sehr lebendigen Roman, für den ich eine unbedingte Leseempfehlung gebe.

Bewertung vom 13.01.2017
Minus 18 Grad / Fabian Risk Bd.3
Ahnhem, Stefan

Minus 18 Grad / Fabian Risk Bd.3


sehr gut

Atemloses Lesevergnügen

Bin ich ein Fan von Stefan Ahnhem? Nachdem ich das Buch "Minus 18 Grad" des schwedischen Thrillerautors um den melancholischen Ermittler Fabian Risk innerhalb ganz weniger Tage gelesen habe: ja, das bin ich!
"Minus 18 Grad" ist der dritte Teil der Serie um den Kommissar Fabian Risk als Helsingborg und die dänische Polizistin Dunja Hougaard und liest sich genau wie die beiden ersten Teile fast atemlos spannend und schlüssig und hat noch dazu einen in meinen Augen wirklich innovativ anderen Plot. Schön an dieser Reihe ist, dass man auch diesen Band völlig unabhängig von der Kenntnis der Vorgängerbände lesen kann und dennoch Querverbindungen zu den anderen Büchern findet.

Inhalt:
Nach langer Ruhepause mit der Familie und fast ein bisschen Langeweile für Fabian Risk stehen die Ermittler aus Helsingborg vor einem Rätsel. Aus dem Hafenbecken wird nach einer Verfolgungsjagd ein Auto mit einem am Steuer sitzendem Toten geborgen, der offensichtlich nach übermäßigem Alkoholgenuss ertrank. Doch bei genauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass jener bereits seit zwei Monaten tot und eingefroren war, der zudem noch in den letzten Tagen von glaubhaften Zeugen gesehen wurde. Was zunächst als unlösbares Rätsel erscheint stellt sich als unglaublich perfider Plan eines Serienmörders heraus, bei dem Risk und das restliche Team alle Register ziehen müssen. Der Mörder, ein Meister der Inszenierung und des Identitätenschwindels, ist den Ermittlern stets einen Schritt voraus und nur durch glückliche Zufälle kommen sie ihm auf die Spur.
Die Dänin Dunja Hougaard, mittlerweile als strafversetzte Streifenpolizistin unterwegs und immer noch im Negativ-Fokus ihres missgünstigen ehemaligen machtgierigen Vorgesetzten, ermittelt auf eigene Faust in unglaublich brutalen und völlig sinnfreien Mordfällen im Zusammenhang mit "happy slapping", wodurch sie bei ihrem gesamten Team auf völliges Unverständnis und Ablehnung stößt und Fabian Risk um Hilfe bittet, als die vermeintlich Schuldigen in seiner Heimatstadt geortet werden.

Die Geschichte, in der Fabian Risk in diesem Band ermittelt, ist für mich neu, außergewöhnlich und dennoch glaubhaft. Es gibt sehr viele Fäden, die die Ermittler aufgreifen und verfolgen müssen, Erfolge und Misserfolge pflastern den Weg und am Ende sind es Zufälle, auf die das Team beim genaueren Hinsehen stößt, die erfolgversprechend sind und den nötigen Vorsprung gegenüber dem unglaublich brutalen, unsozialem und mit allen Wassern gewaschenem Mörder verschaffen.
Durch die vielen verfolgten Wege entstehen mehrere Spannungsbögen, die mich beim Lesen zwischendurch Atem holen ließen.

Dunjas Ermittlungen verfolgte ich sehr bedrückt. Auch hier gibt es enormes Spannungspotenzial, gleichzeitig fühlt man Ratlosigkeit, Hilflosigkeit, Unverständnis und um ehrlich zu sein auch Wut beim Lesen über eine der schlimmsten Arten der Mordens, nämlich einfach so ohne Grund und Zweck zur Befriedigung des Spaßbedürfnisses.

Daneben räumt Ahnhem wie in den Bänden zuvor den familiären und privaten Geschichten seiner Figuren Platz ein. Fabian kämpft um seine Liebe zu Sonja und um seine Familie, die Teamchefin als Helsinborg, Astrid Tuvesson kämpft mit ihrem Alkoholproblem, über die Teammitglieder Elvin und auch über Molander macht Risk ungeheuerliche Entdeckungen, die als Cliffhanger für den nächsten Roman enden. Letzters war mir aber ehrlich gesagt fast ein bisschen zu dick aufgetragen- ein kleiner Wermutstropfen.

Fazit:
Der Thriller ist sehr empfehlenswert, man sollte mit Beginn des Lesens alle wichtigen Verabredungen für die nächsten Tage absagen, das Eisfach gut gefüllt haben und die Finger unbedingt vom Wodka lassen, nach ersten paar Seiten hat man einfach keine andere Wahl, so ähnlich ging es mir zumindest.

Bewertung vom 01.11.2016
Die unsterbliche Familie Salz
Kloeble, Christopher

Die unsterbliche Familie Salz


sehr gut

Reich an Glanz und voller Schatten ist die Geschichte er außergewöhnlichen Familie Salz - in deren Zentrum das prächtige Hotel Fürstenhof in Leipzig steht. 1914 kauft es der autoritäre Herr Salz; nach einem mysteriösen Tod in der Familie wird seine Tochter, die Schauspielerin Lola, dafür verantwortlich gemacht und aus der Familie verstoßen. Lange wird sie den Fürstenhof nicht mehr betreten-weder während der Flucht mit ihren Kindern durch das Deutsche Reich noch in den 60er Jahren, als das Hotel Staatseigentum der DDR ist und Lola mit ihrer labilen Tochter Aveline in München lebt. Erst Kurt Salz, Lolas Sohn, gelingt es in einem abenteuerlichen Finale, das Hotel gleich nach der Wende 1989 in den Familienbesitz zurückzuholen. Hochbetagt regiert Lola endlich über das Hotel und über eine Familie, die immer noch tief zerrüttet ist - vom Wandel der Zeiten und den Versuchen, der eigenen Geschichte zu entkommen. Der überraschende, höchst faszinierende Roman einer höchst eigenwilligen Familie, in der sich die Schatten einer Generation auf die nächste legen - auch wenn jeder versucht, sein Leben in ein ganz neues Licht zu rücken.

Eine Familiengeschichte voller Licht und Schatten, erzählt von verschiedenen Mitgliedern der Familie und unterteilt in ebensolche Abschnitte, verfolgt im wesentlichen das Leben der Protagonistin Lola Salz, sie ein sehr langes Leben von 1905 bis 2015 lebte. Die Matriarchin der Familie ist geprägt durch ihre Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg, als sie auf sich selbst gestellt kraftvoll und mutig handelt. Aus der Kindheit trägt sie das Schweigen und die Ignoranz des Vaters gegenüber der Mutter mit sich herum und bleibt ebenso stumm ihren Kindern und ihrer Umwelt gegenüber. Sie schafft es nicht, ihren Kindern nach dem Krieg eine gute Mutter zu sein. Ihr Sohn Kurt erkennt erst sehr spät die Wahrheit und ist bis dahin ungewöhnlich eng unter der Fuchtel seiner Mutter. Aveline gleitet ab und versinkt schon als Teenager im Alkohol, so dass sie ihren Sohn Alexander nicht aufziehen kann. Kurt und auch Aveline bekommen letztlich ihr Leben nur durch Flucht weg von Lola in den Griff.

Die verschiedenen Sichtweisen auf die Geschichte ermöglichen ein rundes Bild beim Lesen und verhindern, dass man als Leser durch die Protagonistin Lola vereinnahmt und beeinflusst wird. Der Wechsel der Erzählperspektiven geben der Geschichte Spannung und Dynamik und ermöglichen die Fokussierung auf jeweils ein Familienmitglied, nämlich das jeweils erzählende, auch wenn Lola Salz in jedem der Abschnitte eine entscheidende Rolle spielt. Man erhält dadurch tiefe Einsichten in die einzelnen Charaktere, was den Roman sehr charmant macht.

Fixpunkt des Generationenromanes ist das Hotel Fürstenhof im Zentrum von Leipzig, das Freude, Leid und Begehren für jedes der Familienmitglieder bis 2015 bedeutet, bis es wieder in Familienbesitz fällt.
Ein weiteres Verbindungselement der einzelnen Erzählstränge sind Schatten, sowohl als Scherenschnitte der Mutter von Lola, die sie von jedem Familienmitglied anfertigt und Schatten, in denen sich Dinge verbergen bis hin zu Menschen, die keine Schatten haben. Mystizismus spielt hier ebenso eine Rolle wie die symbolische Bedeutung der Dunkelheit und Boshaftigkeit. Der Kreis schließt sich durch die Schatten, als Tara Jain als jüngstes Familienmitglied genau wie Lola Salz als 9-jährige einen unsichtbaren Freund hat und Schatten in ihrem Leben eine große Rolle spielen.

Ich habe die Lektüre dieses spannenden und sprachlich abwechslungsreichen Buches trotz einiger kleiner Längen sehr genossen.

Bewertung vom 04.09.2016
Die Entflammten / Secret Fire Bd.1
Daugherty, C. J.;Rozenfeld, Carina

Die Entflammten / Secret Fire Bd.1


sehr gut

Spannender Serienauftakt

Das Buch "Secret Fire. Die Entflammten" ist der erste Teil einer Serie und spannend geschriebenes Fantasy-Jugendbuch mit sympathischen Charakteren, einer in sich schlüssigen Handlung und leicht lesbarer und verständlicher Sprache. Auch wenn es nicht mein bevorzugtes Genre ist hatte mich die Geschichte nach kurzer Zeit durch geschickte geschriebene spannende Verwicklungen und Cliffhanger im Griff

Klappentext
Während die 17jährige Taylor alles daransetzt, ihren Traum - ein Studium in Oxford - wahr zu machen, setzt der 17jährige Sacha alles daran, das Schicksal herauszufordern, indem er sein Leben mit spektakulären Aktionen immer wieder in Gefahr bringt. Weiß er doch, dass er genau an seinem 18. Geburtstag sterben wird und keinen Tag früher. Die pflichtbewusste und etwas brave Taylor und der coole und ziemlich draufgängerische Sacha können nicht unterschiedlicher sein und doch ist ihr Schicksal unwiderruflich miteinander verbunden. Vor etlichen Jahrhunderten hat eine von Taylors Urahninnen Sachas Familie mit einem Fluch belegt, der stets den erstgeborenen Sohn trifft. Sachas Tod wird Chaos und Zerstörung auf die Erde bringen. Ein gnadenloser Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Gemeinsam versuchen sie alles, um Sachas Leben zu retten, und stellen dabei fest, dass sie nicht nur der Fluch verbindet, sondern auch ihre starken Gefühle füreinander.

Zwei Außenseiter - ein biederes Mädchen mit hochgesteckten Ziel und ein Junge am Rand der Gesellschaft und seines Lebens sind die Hauptcharaktere dieses Romans. Obwohl grundverschieden werden beim Lesen die Gemeinsamkeiten und die Verbindung zwischen den beiden zunächst nebulös, später immer klarer herausgestellt, daraus entspinnt sich eine ungewöhnliche und spannende Geschichte, der man sich als Leser kaum entziehen kann. Die Autorinnen haben wohldosiert und im für mich richtigem Maß Spannungsmomente eingebaut, die aus Zeit- und Ortswechseln, Andeutungen, Cliffhangern und Ahnungen für den Leser bestehen, so dass man beim Lesen davon regelrecht vorangetrieben wird, ohne sich jagen zu lassen.
Eine überschaubare Anzahl von handelnden Charakteren, Rückblicke in die Vergangenheit, die die Geschehnisse erklären, und eine sehr gute Nachvollziehbarkeit der Ereignisse ergeben ein insgesamt sehr gelungenes und gut lesbares Buch, das mich durchaus fesseln konnte.

Natürlich darf man beim Griff zu diesem Buch keine tiefschürfende Lektüre erwarten, sondern eher spannende und teilweise wirklichkeitsferne oder verträumte Unterhaltung mit Heldinnen und Helden, die bestenfalls den Atem aufgrund ihrer ungewöhnlichen Fähigkeiten stocken lassen und sich moralisch-gesellschaftlich korrekt und mitfühlend trotz ihrer Superfähigkeiten verhalten, Familie brauchen und lieben und sich nichts anderes als Normalität wünschen. Genau diese Erwartungen erfüllt der Roman, weshalb ich eine Empfehlung zum Lesen mit vier Sternen gebe.

C.J. Daugherty war vor ihrer erfolgreichen Autorenlaufbahn Gerichtsreporterin. Die international erfolgreiche Serie "Night School" stammt aus ihrer Feder.
Die Co-Autorin Carina Rozenfeld ist eine in Frankreich bekannte Autorin von Fantasyromanen und schreibt seit ihrem 9. Lebensjahr.

Bewertung vom 20.07.2016
Der Ort, an dem die Reise endet
Owuor, Yvonne Adhiambo

Der Ort, an dem die Reise endet


sehr gut

Die kenianische Autorin nimmt den Leser mit auf eine atemlose Reise durch die jüngere Kenianische Geschichte vom zweiten Weltkrieg bis zum Jahr 2007, jagd vorbei am Mau-Mau-Krieg in den 50er Jahren bis zur Unabhängigkeit, bebildert brutal und eindringlich Massenverfolgung und Vertreibung ganzer ethnischer Gruppen nach Vertreibung der Kolonialmacht, malt Bilder von Korruption im ganz großen Stil ebenso wie wirtschaftliche Probleme, Betrügereien und alte Seilschaften mit den ehemaligen Kolonialherren.
Die Protagonisten der Geschichte, die Mitglieder der Kenianischen Familie Oganda und die nach dem zweiten Weltkrieg nach Kenia ausgewanderten Briten der Familie Bolton balancieren auf dem schmalen Grat zwischen Hoffnung und völliger Niedergeschlagenheit. Sie alle umgeben sich mit unausgesprochenen Geheimnissen, an denen sie schwer zu tragen haben und fast zerbrechen.

Owuor treibt die bruchstückhafte und durch viele Rückblicke und verschiedene Zeitebenen geprägte Geschichte in einem für mich völlig ungewöhnlichen, fast atemlosen Stil voran. Schneller Episodenwechsel, virtuose, bildhafte, eindringliche Sprache mit vielen poetischen und metaphorischen Andeutungen, kraftvolle Bilder der Verzweiflung, aber auch des Glückes schaffen einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann.
Dies erfordert allerdings auch hohe Konzentration beim Lesen, sowohl in Bezug auf Verfolgung der Handlung als auch hinsichtlich des historischen Hintergrundes. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich während der Lektüre sehr oft Wikipedia hinsichtlich bestimmter Ereignisse bemüht habe.

Für mich hat das Buch den erschreckenden Alltag des Lebens zwischen Gewalt, Korruption, Verzweiflung und Zerrissenheit sehr greifbar gemacht. Ich betrachte es als sehr moralisches und poetisches Buch, dem man nicht anmerkt, dass es ein Debütroman ist.
Ich vergebe vier Sterne und eine unbedingte Leseempfehlung.