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Benutzername: 
Jackolino
Wohnort: 
Rheinland-Pfalz

Bewertungen

Insgesamt 57 Bewertungen
Bewertung vom 18.08.2022
Das letzte Grab / Carla Winter Bd.1
Erler, Lukas

Das letzte Grab / Carla Winter Bd.1


sehr gut

Hier wird etwas thematisiert, das für die organisierte Kriminalität immer wichtiger wird, der Handel mit Raubkunst. Die Sparte ist gerade dabei, den Waffenhandel als Nr. 2 der umsatzstärksten illegalen Erwerbsquellen abzulösen, nur der Drogenhandel bleibt unangefochten die Nummer 1. Und gerade die kriegerischen Auseinandersetzungen in uralten Siedlungsgebieten wie Irak, Syrien usw. haben hier Freiräume für kriminelle Machenschaften geschaffen. Privatsammler und Händler sind ebenso beteiligt, vor allem aber verdient das Organisierte Verbrechen am illegalen Handel mit Kulturgütern.
Carla Winter, Rechtsanwältin aus Frankfurt, erfährt an einem Märzmorgen, dass der von ihr seit sieben Jahren geschiedene Ehemann in der Türkei tödlich verunglückt ist. Ein Mitarbeiter der türkischen Botschaft ist eigens in ihre Kanzlei gekommen, um ihr das mitzuteilen. Trotz Scheidung gibt es da immer noch eine starke emotionale Bindung. Als Carla kurz darauf wieder in ihre Wohnung zurückfährt, findet sie den One-Night-Stand der letzten Nacht grausam ermordet im Kleiderschrank und ihre Wohnung verwüstet vor. Erste Versuche, Licht ins Dunkel zu bringen führen zu weiteren Verbrechen, leider auch an vollkommen unbeteiligten Personen und so entschließt sich Carla, die Hilfe eines ehemaligen Mandanten in Anspruch zu nehmen und selbst an die türkisch-syrische Grenze zu fahren.
Ohne zu viel vom weiteren Inhalt verraten zu wollen, kann auf jeden Fall bestätigt werden, dass das Buch auf jeder Seite spannend ist, dass sehr viel passiert und es immer wieder zu neuen unerwarteten Wendungen kommt. Dennoch fehlt mir da etwas, um die volle Punktzahl zu geben. Vielleicht ist es an manchen Stellen fehlende Empathie, als sie z.B. relativ emotionslos über den Tod des Lovers hinweggeht und seine trauernde Mutter stehen lässt.
Carla scheint mehr der gejagte Typ zu sein, die, obwohl sie versucht, das Heft des Handelns wieder in den Griff zu bekommen, doch immer wieder von neuen Wendungen eingeholt wird. Erst als sie sich auch emotional von ihrer Vergangenheit befreit und sich für eine Beziehung und nicht nur ein sexuelles Abenteuer öffnet, kann ihr Leben sich wieder normalisieren.
Das Ende bleibt irgendwie offen, möglicherweise ist eine Fortsetzung geplant. Möglich wäre sie unter den gegebenen Umständen.

Bewertung vom 15.08.2022
Die Passage nach Maskat
Rademacher, Cay

Die Passage nach Maskat


ausgezeichnet

Hier gab es für mich gleich zwei Gründe, mich für das Buch zu interessieren, zum einen habe ich fast alle Bücher von Cay Rademacher gelesen, gerne gelesen muss ich sagen, und zum anderen führte mich unser letzter Urlaub in den Oman und wenn dann Maskat schon im Buchtitel auftaucht, dann spricht es an und weckt Erinnerungen.
Für das Buch spricht auf jeden Fall auch das Cover, sehr ansprechend und mit dem dampfenden Schornstein und dem gut gekleideten jungen Paar an der Reling auf eine Schiffsreise auf einem Luxusdampfer hindeutend.
Im Oktober 1929 geht eine bunte, internationale Gesellschaft an Bord der Champollion und reist quer durch die Meere bis nach Maskat. Da sind Theodor Jung, ein Fotograf aus Berlin mit seiner jungen Frau Dora, Doras gesamte Familie, der Prokurist der Firma, eine englische Apothekerin mit ihrer armenischen Gesellschaftsdame, ein italienischer Rechtsanwalt, eine französische Stewardess und ein amerikanischer Ingenieur. Alles könnte so schön sein – wenn nicht Dora spurlos verschwinden würde. Eine Dame, von der anschließend die allermeisten Mitpassagiere und Seeleute behaupten, dass sie nie auf der Champollion gewesen sei. Theodor Jung ist verzweifelt und weiß von Tag zu Tag weniger, was er glauben soll. Sollte ihm sein täglich eingenommenes Schlafmittel Phantasien von der Anwesenheit seiner Frau vorgegaukelt haben, obwohl sie doch offensichtlich und nachweisbar Telegramme aus Berlin schickt und obwohl nichts in der Kajüte mehr auf ihre Anwesenheit schließen lässt.
Wären da nicht immer wieder ungeklärte Unfälle wie z. B. ein sich lösender Stein in der Wüste, der Jung fast erschlägt, so dass er sich schließlich selbst in Gefahr wähnt, dann hätte er möglicherweise tatsächlich an sich gezweifelt. Doch es gibt Hinweise auf krumme Geschäfte, auf Familienstreitigkeiten, darauf, dass nicht alles so ist wie es scheint. Und so nutzt Theodor Jung die Tage auf dem Schiff, um diesem Geheimnis um seine Frau auf die Spur zu kommen.
Die Zeit an Bord ist sehr anschaulich in atmosphärischer Dichte beschrieben, der Luxus eines Dampfers der 20er Jahre mit viel Platz für die Oberschicht und ganz beengten Verhältnissen für die Reisenden in den billigen Klassen, das opulente Essen, der in Strömen fließende Champagner, aber natürlich auch das heiße Klima im Suezkanal, die stehende Luft, die schweißtreibende Schwüle in den Kabine. Nicht zu vergessen, das ständige Aufeinandertreffen mit den immer gleichen Personen: Man kann sich kaum aus dem Weg gehen und das ist eine Herausforderung, wenn man sich bedroht fühlt.

Die Handlung im Buch entwickelt sich langsam, so wie die Fahrt mit dem Luxusdampfer. Zweifelt Jung anfangs noch an sich selbst, so fügen sich nach und nach Puzzleteile zusammen. Täglich kommen neue Erkenntnisse dazu, aber auch die Einsicht, dass er keinem der Passagiere trauen kann und so entwickelt sich zwischen ihm und der Stewardess, die ebenfalls seit 12 Jahren noch ihrem im 1. Weltkrieg verschollenen Verlobten sucht, ein stilles Einverständnis und eine Komplizenschaft.
Maskat und seine Corniche sind schön beschrieben, das blaue Licht bei Sonnenaufgang, die Burg im Hintergrund, die Dhaus im Hafen. Und hier klärt sich nun auch alles auf, ein nicht erwartetes Ende, klug eingefädelt, wenn auch nicht für alle Beteiligten mit glücklichem Abschluss.
Das Buch ist mit den Krimis um Roger Blanc nicht zu vergleichen, es spielt in einer anderen Zeit zwischen verschiedenen Kontinenten und manchmal hat man das Gefühl, dass an Bord eine gewisse Gesetzlosigkeit herrscht, die die Beteiligten jeweils zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen. Jedenfalls empfand ich das Ende als relativ offen, was mir nicht ganz so gut gefiel.

Bewertung vom 30.06.2022
Was ich nie gesagt habe / Gretchen Bd.2
Abel, Susanne

Was ich nie gesagt habe / Gretchen Bd.2


ausgezeichnet

Auf dieses Buch habe ich mich ganz besonders gefreut, vor allem als ich den ersten Teil gelesen hatte und davon absolut begeistert war.
Im zweiten Teil geht es nun um die männliche Vorfahrenlinie von Tom Monderath.
"Was ich nie gesagt habe" sprach nicht so stark mit mir wie Band 1, ist aber trotzdem gut und greift ein Thema auf, das mit dem Aufkommen der künstlichen Befruchtung eine besondere Relevanz erfahren hat: Wer ist mein biologischer Vater?
Mit Jenny ist Tom mittlerweile fest liiert und glücklich, etwas, das er sich vor den Ereignissen des ersten Bandes nie hätte vorstellen können. Schon der erste Band endet mit der Überraschung, dass Tom nicht nur eine Halbschwester, sondern weitere Geschwister hat. Eine DNA-Analyse hat ihm Treffer beschert und einer seiner Brüder kommt aus den Niederlanden, um ihn kennenzulernen.

Tom hat sich eigentlich in seinem bisherigen Leben nur um sich selbst gekümmert, jetzt stellt er fest, dass seine beiden Elternteile ein Leben vor seiner Zeit hatten, ein Leben, das alles andere als leicht war.
Sein Vater hatte im Krieg seine ganze Familie verloren, seine Schwester, die am Down-Syndrom litt, wurde ein Opfer der Euthanasie der Nazis.
Mit 15 Jahren musste er sich allein durchkämpfen und seinen Weg finden und während seines Studiums in Heidelberg lernt er Greta kennen. Später eröffnet er mit seinem Onkel, dem einzigen Überlebenden seiner Familie nach dem 2. Weltkrieg, eine gynäkologische Praxis.

Vor uns erstehen die verknöcherten 50er und 60er Jahre neu auf. Das, was wir heute für selbstverständlich halten, war damals gewagt oder gleich verboten. Tom taucht auch hier wieder tief in die Zeit ein und muss sich zum Schluss mit einer Erkenntnis abfinden, die ihn ganz persönlich betrifft und belastet, die aber auch zu einer neuen Erkenntnis führt: Schuld wird nicht weiter vererbt. Jeder ist für seinen Lebensweg selbst verantwortlich.

Bewertung vom 05.06.2022
Ein unvollkommener Ehemann
O'Flanagan, Sheila

Ein unvollkommener Ehemann


ausgezeichnet

Thema des Buches ist ein Evergreen: Eine betrogene Ehefrau Roxy, die vor und nach dem Tod ihres Vaters Zeit mit ihrer Mutter verbringt, den Chauffeur-Dienst ihres Vaters weiterführt und zuhause nicht mehr so zur Verfügung steht, wie die Familie es gewohnt war. Ihr Gatte Dave ist ihr zunächst zwar eine Stütze, fühlt sich dann aber vernachlässigt und macht es sich leicht und holt sich die Nachbarin ins Bett. Der Rest des Buches befasst sich damit, wie Roxy damit umgehen soll.


Ein Chauffeurdienst hat Roxy schon immer Spaß gemacht, sie fährt gut und sicher und kann sich auf ihre Fahrgäste einstellen. Und einen Chauffeur bestellt nicht jeder, da gehört schon etwas Planung und natürlich auch das nötige Kleingeld mit dazu. Und so lernt Roxy auf ihren Touren so manchen Promi, bekannt aus Funk und Fernsehen, kennen. Was zunächst aus der Not geboren schien, macht ihr Spaß, trägt zu mehr Selbstsicherheit bei und sie genießt ihre neuen Freiheiten.

Der Roman spielt in Irland und man kann davon ausgehen, dass Irland auch heute noch konservativer ist als der Rest Europas. Es ist zwar mittlerweile anerkannt, dass Frauen arbeiten, aber mehr, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Weniger, um sich freizuschwimmen, Spaß an der Arbeit zu haben und hinterher finanziell unabhängig zu sein. Vielerorts ist der Mann noch stolz darauf, seine Familie allein ernähren zu können. Die Finanzkrise, die in mehreren Passagen erwähnt wird, mag dazu beigetragen haben, dass sich Frauen weiter emanzipiert haben, das geschah aber mehr aus der Not heraus, zum Einkommen beitragen zu müssen. Roxy war über viele Jahre die perfekte Ehefrau, die ihren Mann unterstützte, die Kinder aufzog, für ihre Eltern da war. Und mit dem Seitensprung ihres Mannes, der erzwungenen kurzzeitigen Trennung und der Aufnahme eines eigenen Geschäfts, um für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, stellt sie fest, dass es noch mehr im Leben gibt, sie gewinnt Selbstvertrauen und wird sich bewusst, dass sie etwas kann, was nicht jeder kann.

Ich bin mir schon sicher, dass Dave Roxy liebt und sie vermisst. Aber es ist mehr eine selbstbezogene Liebe, er will sein altes Leben wiederhaben, in dem er umsorgt wurde, in dem ihm alles abgenommen wurde und in dem er Macht über seine Frau hatte. Er bestimmt die Richtlinien ihres gemeinsamen Lebens. Dafür akzeptiert er durchaus, dass die finanzielle Sorge um die Familie auf ihm lastet. Interessant ist, dass mit dieser Liebe ein Anspruch verbunden ist. Dave gibt unumwunden seinen Fehler zu, entschuldigt sich und ist fest davon überzeugt, damit genug getan zu haben. Er will zur alten Tagesordnung zurück. Jetzt soll Roxy sich wieder unterordnen, bestenfalls im Supermarkt an der Kasse arbeiten wie die meisten ihrer Freundinnen.

Es scheint ein Widerspruch in sich zu sein, entweder Familie oder ein anspruchsvollerer Job. Und zunächst einmal sieht das nicht nur Dave so, sondern auch Roxy’s Mutter und manche ihrer Freundinnen. Natürlich ist es eine Herausforderung, Familienleben und Beruf unter einen Hut zu bringen und oft genug ist das Chaos vorprogrammiert, wenn Unvorhergesehenes dazwischenkommt. Die Gesellschaft ist nicht auf der Seite der Frauen, schließlich haben sich die Frauen jahrhundertelang untergeordnet, das sitzt tief. Auch andere berufstätige Frauen sind durchaus nicht solidarisch, wie man an der Schuldirektorin ablesen kann, die ungehalten ist, als Roxy nicht sofort ihre Tochter von der Schule abholt, als diese sich einen Magen-Darm-Virus eingefangen hat.
Ich gebe zu, dass ich dieses Buch zu Anfang sehr langatmig fand, es passiert ja nicht wirklich viel und meistens folgt man Roxys Gedanken. Je weiter ich las, desto mehr schätzte ich es aber, diesen Gedanken zu folgen. Roxy trifft ihre Überlegungen nach reichlichem Nachdenken, sie gibt ihrem Mann durchaus die Chance, die Ehe zu retten.

Und so ist es schließlich nicht der Seitensprung, der das Eheende einläutet, sondern Daves Weigerung, über seinen eigenen Horizont hinauszublicken u

Bewertung vom 13.05.2022
Fast ein Idyll
Falk, Susanne

Fast ein Idyll


sehr gut

Die Prominenz gibt sich bei Susanne Falks Geschichten die Klinke in die Hand. Von Kaiser Franz Joseph über Johann Sebastian Bach, Beethoven, Brahms, Coco Chanel über Shakespeare und Freud – hier sind sie alle versammelt und finden sich in verblüffenden Ereignissen wieder, die sich so abgespielt haben könnten, aber nicht müssen.
Manche Geschichten sind makaber, wenn Kaiser Franz Joseph bei der Jagd einen Flügeladjudanten erschießt oder als Mrs. Jenkins unbedingt eine Wette gegen ihren Mann gewinnen will und dabei erfriert, andere Geschichten sind einfach schön zu lesen, wie die von Selma Lagerlöf, der ein Gänserich das Leben rettet.
Für mich war es eine entspannende Lektüre, gut für den Urlaub oder abends vor dem Einschlafen. Vieles war amüsant und manche Wendung unvorhersehbar, hin und wieder hatte man auch Mitleid, wie beispielsweise mit Kleopatras Gärtner oder dem Vogel Strauß von Josephine Baker.
Wie gut, dass man nicht weiß, wie es wirklich war, es hätte auch anders sein können.

Bewertung vom 22.03.2022
Zurück nach Übertreibling / Vikki Victoria Bd.1
Gray, Gloria;Felder, Robin

Zurück nach Übertreibling / Vikki Victoria Bd.1


sehr gut

Ein weiterer bayerischer Krimi aber doch auch ganz anders. Gloria Gray hat in ihrem ersten Krimi viel selbst Erlebtes in die Handlung eingebaut. Sie schreibt aus Sicht von Vikky, Künstlerin in München, transsexuell und als Kind und Teenager in Übertreibling Opfer von üblen Nachstellungen. Von ihrem früheren Peiniger und Schulkameraden Toni Besenwiesler wird sie verdächtigt, an seiner Verurteilung wegen Mord schuld gewesen zu sein. In all den Jahren seiner Haft hat er sie mit Drohbriefen und einer angekündigten Rache in Angst und Schrecken versetzt. Vikky hat sich aber aus dieser Opferrolle emanzipiert und nimmt die Klärung des Falles selbst in die Hand. Die in dem Fall ermittelnde Polizei ist eher nebensächlich, zumal Vikky den Uniformierten sowieso nicht allzu viel zutraut, so von wegen Beamtenmentalität. Die Handlung erstreckt sich nur über etwa 48 Stunden, aber diese Stunden haben es in sich. Vikky, chaotisch, gerne abgelenkt, sprunghaft und oft abschweifend in ihrer Erzählweise, selten politisch korrekt, andererseits aber auch erstaunlich geerdet und vernünftig; mit der Unterstützung ihres Freundes Wolf und allerlei neuester Technik, mit viel Witz und Cleverness bringt sie den Fall zumindest für sich und ihre Freunde zu einem schnellen und glücklichen Ende.

Neben der vordergründigen Handlung gibt es da aber auch immer mal wieder schonungslos nüchterne Einsichten, zum einen in ihre eigene Szene LGBTQ, die schon dadurch, dass sie gerade angesagt ist, entsprechende Aufmerksamkeit erfährt. Und der Krimi damit auch. Aber auch darüber, dass, obwohl doch eigentlich alle zusammen in einem Boot sitzen, jeder sich selbst der nächste ist und man nicht mit Solidarität untereinander rechnen sollte.
Zum anderen aber auch in Bezug auf die Medien, die beeinflussbar sind und von schwierigen Themen die Finger lassen. „Und alternative Medien sind durch Framing und Sprachhygiene breitengesellschaftlich längst indiskutabel gemacht worden.“
Und außerdem ist auch die Korrumpierbarkeit von Beamten, vor allem im Bezug auf das organisierte Verbrechen ein Thema. Wobei der Fairness halber gesagt werden muss, Vikky lernt auch gute (und gutaussehende) Ermittler kennen und mögen.

Das Cover ist bayerischer als der Inhalt. Kühe, Edelweiß und Enzian sollen klarstellen, das Buch spielt in Bayern. Und für die Schickeria in München darf natürlich auch ein Aperol oder anderer Cocktail nicht fehlen. Das Buch ist gut und flüssig geschrieben, birgt aber so viel an Handlung und manchmal auch nur charmanten Nebensächlichkeiten, dass man es als Schnellleser am besten gleich zweimal hintereinander liest. Es ist amüsant, unterhaltsam, zeitweise schräg, dann aber auch wieder tiefgründig.

Bewertung vom 22.03.2022
Gretas Erbe / Die Winzerin Bd.1
Engel, Nora

Gretas Erbe / Die Winzerin Bd.1


ausgezeichnet

Das Cover mutet zunächst recht sparsam an: einsame junge Frau mit ihrem Fahrrad, in Arbeitskleidung, dazu der Titel "Die Winzerin".
Nach dem Lesen des Buches stellt man aber fest, dass man es kaum besser hätte darstellen können.
Ein kaputtes Fahrrad war schuld, dass Gretas Mutter einst ihren Vater überhaupt traf. Und dass die Hellerts Greta aufzogen, geschah weniger aus Nächstenliebe, sondern weil sie dadurch schon früh eine zusätzliche Arbeitskraft bekamen, sei es im Haus oder im Weinberg. Trotz der ganzen Nähe zur Familie gehörte sie nie ganz dazu. Sie hatte keinen Anspruch auf nichts, daher auch kein Wingert auf dem Cover, obwohl das Buch dadurch vielleicht einladender gewirkt hätte.
Die Autorinnen verstehen sich aufs Schreiben, das Buch ist von Anfang an so geschrieben, dass man es nicht wieder aus der Hand legen möchte, fesselnd, mit oft unerwarteten Wendungen, aufflammenden Hoffnungen, die dann doch wieder enttäuscht werden, Plänen, die sich nicht realisieren lassen.
Man leidet mit Greta mit und wünscht ihr so sehr, dass sie sich aus diesem „Gefängnis“ befreien kann, je eher desto besser. Aber das Buch braucht diesen Spannungsaufbau, es ist schließlich der erste Teil einer Trilogie, es sollen also noch zwei weitere folgen.
Die 70er Jahre werden wieder präsent. Schon der Musikgeschmack trennt in eher einfache oder anspruchsvollere Charaktere. Und so steht der Musikgeschmack symbolisch für den Wunsch nach Selbstbestimmung. Manche jungen Frauen sind damit zufrieden, einen einfachen Beruf zu erlernen, schließlich ist das schon mehr, als der Müttergeneration zugestanden wurde und letztendlich ist es ja nur der Übergang in eine spätere Verheiratung.
Andere, so wie Greta, verstehen, dass sie ihren eigenen Weg gehen müssen, dass es auch finanzieller Unabhängigkeit bedarf, um seine Träume verwirklichen zu können.
Gerade das unerwartete Ende des ersten Teils der Trilogie lässt hier alle möglichen Richtungen offen und man darf gespannt sein, in welche Richtung sich das Schicksal Gretas entwickelt.
Sympathisch wird einem das Buch aber auch durch seine Nähe zum Wein, auch wenn nicht verschwiegen wird, durch welch harte Arbeit der Wein entsteht. Wer selbst aus der Landwirtschaft kommt, kann es nachempfinden.

Ich persönlich bin gespannt und freue mich schon auf den zweiten Teil.

3 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.