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Renas Wortwelt

Bewertungen

Insgesamt 86 Bewertungen
Bewertung vom 16.02.2024
So was wie Freunde
Osborne, Bella

So was wie Freunde


ausgezeichnet

Ganz neu ist die Geschichte, die dieser Roman erzählt nicht. Über die Freundschaft zwischen einem Teenager und einem älteren Mensch, wie auch über die Bemühungen von Einwohnern, ihre Bücherei vor der Schließung zu retten, wurden schon etliche Bücher geschrieben. Dennoch liest man auch diesen Roman gerne, denn er berührt, macht auch nachdenklich und er ist gut geschrieben.
Tom fühlt sich unsichtbar, weder seine Mitschüler bemerken ihn wirklich – abgesehen von dem Widerling, der ihm ständig mobbt (auch so ein Klischee) – noch nimmt sein Vater wirklich Notiz von ihm, schon gar nicht von seinen Wünschen. Seit seine Mutter vor Jahren starb, gehen Haushalt und Leben der Beiden immer mehr den Bach runter. Hinzu kommen heftige finanzielle Schwierigkeiten, so dass Toms Vater erwartet, dass Tom nach der Schule sofort eine Lehre in der örtlichen Fabrik beginnt, wo auch er selbst arbeitet. Dass Tom für sein Leben ganz andere Pläne hat, dass er sich große Sorgen um seinen Vater macht, der immer mehr dem Alkohol verfällt, ignoriert der Mann permanent.
Maggie ist gewissermaßen auch unsichtbar, einziger Kontakt ist ihr miesepetriger Nachbar und ihr wöchentlicher Leseclub. Die alte Dame bewirtschaftet ganz allein eine etwas heruntergekommene Schaffarm. Sie ist körperlich topfit, kann Kampfsport und saust mit einem Quad über ihrer Farm. Aber sie ist auch sehr einsam, was ihr immer mehr zusetzt.
Deshalb ist sie auch sehr glücklich, als sie Tom kennenlernt, der eines Tages in der Bücherei auftaucht, wo sie sich mit dem Buchclub trifft. Ein Zufall bringt die beiden in Kontakt und sie, so unterschiedlich sie auch sind, kommen sich sehr schnell näher. Maggie erkennt die Probleme, mit den Tom zu kämpfen hat und er hilft ihr bei der Farmarbeit.
Als Gerüchte entstehen, dass die Bücherei geschlossen werden soll, starten Maggie und Tom eine Kampagne zur Rettung dieses für sie so wichtigen Ortes. Dabei ergeben sich für Tom auch immer wieder Gelegenheiten seinen Schwarm, seine Mitschülerin Farah zu treffen und zu sprechen. Doch nicht nur der Kampf für die Bücherei scheint aussichtslos, auch die Lage zwischen Tom und seinem Vater verschlechtert sich immer mehr.
Der Roman ist, trotz der altbekannten Muster und des natürlich erwartbaren Happy Ends, spannend, flüssig, berührend, manchmal zu Tränen rührend, ein anderes Mal sehr erheiternd. Ein Wohlfühlbuch, das gute Laune macht, aber auch schwierige Themen wie Alkoholismus, Mobbing, Ausgrenzung und Einsamkeit behandelt, wenn auch ein wenig oberflächlich und eher im Vorübergehen. Die Lösungen erscheinen dann doch meist etwas zu simpel und zu schnell.
Dennoch eine klare Leseempfehlung.
Bella Osborne - So was wie Freunde
aus dem Englischen von Birgit Schmitz
Wunderlich, Januar 2024
Gebundene Ausgabe, 384 Seiten, 22,00 €

Bewertung vom 09.02.2024
Die zerrissenen Staaten von Amerika
Landwehr, Arthur

Die zerrissenen Staaten von Amerika


sehr gut

Bei der Lektüre dieses Buches gruselt man sich mehr als bei einem Horror-Roman. Die Szenarien, die der Autor zeichnet, sind erschreckend, verstörend und leider wirken sie zusätzlich wie eine Blaupause für das, was gerade bei uns im Land vor sich geht.
Der Autor, bekannt als Journalist und ARD-Korrespondent, hat profunde Kenntnis der Vereinigten Staaten, hat das Land bereist und die Menschen dort interviewt. Er hat die Vorgänge in den letzten Jahren genau beobachtet, analysiert und über sie berichtet. Davon erzählt er in diesem Buch.
Dabei geht es insbesondere um die Unterschiede in den Regionen, die Differenzen zwischen Küstenbewohnern und Einwohnern im Landesinneren, die Unvereinbarkeit von Meinungen und nicht zuletzt um Religion, Rassismus, Vorurteile und Dogmatismus.
Wenn er aus Gesprächen zitiert, kann man die Sorgen der Amerikaner einerseits verstehen, ihr Umgang damit und die Konsequenzen, die sie daraus ziehen, sind uns aber dann doch fremd. Ihr absoluter Wille zur Unabhängigkeit, zur Selbstverantwortung, ist für Europäer und besonders Deutsche schwer nachzuvollziehen. Daraus aber, so das Buch, erklären sich die Spaltung im Land, dieser Riss, der unüberwindbar scheint.
So widmen sich viele Seiten beispielsweise der Beschreibung des Gesundheitssystems und dem Versuch, zu erklären, warum sich so viele Amerikaner gegen eine Krankenversicherung wehren. Ein weiteres umfangreiches Thema ist die Schule, die Organisation und Finanzierung des Schulsystems, das sich drastisch von unserem hier in Deutschland unterscheidet.
Das Buch liest sich flott, ist geradezu spannend, aber eben auch fast so erschreckend wie ein Horrorroman. Der Autor hat nicht nur unzählige Interviews im ganzen Land geführt, er zitiert auch aus zahlreicher Literatur, die mal der einen, mal der andren Seite das Wort redet.
Bei aller fesselnder Information gibt es jedoch auch viele Wiederholungen, vieles wird in jedem Kapitel erneut erwähnt oder erklärt. Es wirkt dann manchmal, als wären die einzelnen Kapitel jeweils unabhängige Reportagen gewesen, in welchen man eben die Grundlagen jeweils neu erläutern muss. Das schwächt meine Begeisterung für dieses so interessante und meines Erachtens auch wichtige Buch etwas ab, dennoch halte ich es für empfehlenswert.
Arthur Landwehr - Die zerrissenen Staaten von Amerika
Droemer, Januar 2024
Gebundene Ausgabe, 287 Seiten, 24,00 €

Bewertung vom 05.02.2024
DuMont Bildband Orte zum Staunen in Deutschland
Nöldeke, Renate;Wolfmeier, Melanie;Ormo, Nadine

DuMont Bildband Orte zum Staunen in Deutschland


sehr gut

Ähnlich wie die „52 Eskapaden“-Bände des Verlags ist auch dieser Bildband aufgebaut. Er führt auf 52 überraschende Entdeckungstouren, so der Untertitel des Buchs.
Zur besseren Orientierung teilt man Deutschland in drei Teile: Im Norden, Im Herzen und Im Süden. Demzufolge beginnt es natürlich an den Stränden von Nord- und Ostsee, führt die Leserinnen und Leser auf Halligen, zum bekannten Badeort Laboe, nach Rügen oder Greifswald. Im Herzen besucht man den Großen Goitzschesee in Sachsen-Anhalt, das sogenannte Grüne Band in Nordhessen, die ehemalige deutsch-deutsche Grenze, oder den Rolandsbogen am Rhein. Im Süden werden die Regionen um den Kaiserstuhl, die Saarschleife oder der Felsberg im Odenwald vorgestellt.
Dass es sich bei den Orten, die zum Staunen einladen, auch vielfach um sehr bekannte Sehenswürdigkeiten oder Naturplätze handelt, ist ja kein Manko. Zu jedem Ziel gibt es einen, zugegebenermaßen recht kurzen Text, der nur weniges zu erzählen weiß. Genau wie bei den schmaleren 52-Eskapaden-Büchern gibt es außerdem einen übersichtlichen Infoblock, mit Angaben zur Anreise, zur besten Reisezeit, zur empfohlenen Ausrüstung und ggf. zu Übernachtungsmöglichkeiten. Weiterhin werden jeweils noch etliche andere sehenswerte Ziele im der Umgebung vorgeschlagen, die einen Ausflug, einen Besuch lohnen.
Als Reiseführer oder zum Mitnehmen auf eine Tour eignet sich das Buch weniger, dafür ist es schlicht zu groß und zu schwer. Um aber den Mund wässrig zu machen, um sich ein Ziel für einen Urlaub, einen Tagesausflug oder eine kurze Auszeit auszuwählen, dafür ist das Buch sicher eine gute erste Hilfe. Der Band ist wie immer sehr anschaulich, mit vielen großen und kleinen Fotos, gestaltet, auch wenn diese nicht immer wirklich aussagekräftig im Hinblick auf den jeweiligen Ort sind.
Insgesamt ein Buch zum Blättern, zum Schwelgen und Träumen.
Orte zum Staunen in Deutschland
Kunth Verlag, November 2023
Gebundene Ausgabe, 336 Seiten, 29,95 €

Bewertung vom 02.02.2024
Der Fluss und das Meer
Wodin, Natascha

Der Fluss und das Meer


sehr gut

Natascha Wodins bekanntestes Buch ist sicherlich „Sie kam aus Mariupol“. Gerade jetzt haben ihre Bücher zusätzlich an Bekanntheit gewonnen. Und das völlig zu Recht.
In diesem schmalen Band finden sich fünf Erzählungen, die wie Erzählungen aus ihrem eigenen Leben anmuten und es zum Teil durchaus auch sind. Die erste, titelgebende spannt einen Bogen vom Asowschen Meer bis hin zum Fluss in Bayern, der Regnitz. An diesem Meer wuchs ihre Mutter auf, in diesem Fluss nahm sie sich Jahre später das Leben. Die Erinnerungen, die mit dem Meer, dem Strand, der Kindheit verbunden sind, sind berührend, mal malerisch und anheimelnd, mal traurig und erschütternd. Die Verbindung zu heutigen Ereignissen an diesen Orten zieht die Autorin natürlich, was das Ganze umso erschütternder und geradezu greifbar macht. Haben wir doch alle die Bilder aus Mariupol vor Augen.
In einer weiteren Erzählung mit dem Titel „Nachbarinnen“ schildert Wodin, wie sie eine Nachbarin beobachtet, ihre zunehmende Verwahrlosung und deren Auswirkung auf die Umwelt und die Nachbarschaft.
Der Stil, in dem Natascha Wodin schreibt, ist nicht rührselig, nicht kitschig. Ihre Geschichten sind Beobachtungen ohne zu urteilen, sind sachlich, nicht emotional. Sie sind auch Beobachtungen des eigenen Lebens, des eigenen Handelns und Fühlens, analysieren dies in gewisser Weise. Die Geschichten sind nicht leicht zu lesen, man muss sich auf den Fluss der Sätze einlassen. Diese Sätze, die oft sehr lang, sehr verschlungen sind.
Mancher Text war mir zu schwermütig, zu schwer, um ein Lesegenuss zu sein. Sprachlich herausfordernd. Dennoch ist diese Sammlung unbedingt lesenswert.
Natascha Wodin - Der Fluss und das Meer
Rowohlt, Dezember 2023
Gebundene Ausgabe, 191 Seiten, 22,00 €

Bewertung vom 31.01.2024
Das Mörderarchiv Bd.1
Perrin, Kristen

Das Mörderarchiv Bd.1


sehr gut

Allein diese ungewöhnliche Idee weckt die Neugier auf den unterhaltsamen Roman aus England. Eine Frau, deren eigene Ermordung vorhergesagt wurde, sammelt ihr Leben lang Beweise, Verdächtigungen und Spuren auf den- oder diejenige, die sie irgendwann einmal ermorden würde.
Schließlich legt sie sogar testamentarisch fest, dass nur der oder die sie beerben wird, der diesen Mord aufklärt. Was naturgemäß dazu führt, dass sich all die potentiellen Erben – die natürlich gleichermaßen die naheliegendsten Verdächtigen sind – beeilen, den Mörder dingfest zu machen.
Zu diesen möglichen Erben gehört Annie, Großnichte der Ermordeten Frances. Annie ist ihrer Großtante nie begegnet, sie lebt in London mit ihrer Mutter allerdings in deren Haus. Dort im Keller wurden und werden immer noch viele Koffer und Kisten von Frances aufbewahrt. Falls es Annie nicht gelingt, den Mörder zu finden, würden also auch sie und ihre Mutter das Dach über dem Kopf verlieren.
Zweiter möglicher Erbe ist ein Stiefneffe der Verstorbenen. Außerdem treten auf: Der Anwalt der Toten, sein Schnösel von Sohn, ein attraktiver Kommissar und viele Dorfbewohner, die alle auf die eine oder andere Weise in den Fall verstrickt sein können.
Auf zwei Zeitebenen erzählt Kristen Perrin, deren erster Roman für Erwachsene das Buch ist, von den Ereignissen. Das aktuelle Geschehen verfolgen wir aus der Perspektive der Ich-Erzählerin Annie, die unvoreingenommen und durchaus burschikos an die Sache herangeht. Die zweite Zeitebene erzählt von Frances, beginnend in ihrer Teenagerzeit, als man ihr ihren eigenen Mord prophezeite. In vielen Tagebucheinträgen erfährt man so vom damaligen Verschwinden einer Freundin Frances‘ und den Verwicklungen der anderen Jugendlichen und vor allem der Familie des Landguts, auf welchem Frances später lebte und starb.
Die Geschichte ist ausgesprochen unterhaltsam, witzig, lebendig, spannend. Der Schreibstil ist ungemein flüssig, nie langweilt man sich bei der Lektüre, selten ist ein Wort zu viel. Die Autorin hält sich nicht auf mit Nebenschauplätzen, mit zu viel Beschreibung, zu viel Tiefgang. Die Figuren sind sympathisch, nicht ganz klischeefrei, aber in ihren Absonderlichkeiten liebenswert. Die Auflösung schließlich ist kaum vorhersehbar, weil sehr gut konstruiert.
Es gibt allerdings einige grobe Schnitzer, Fehler in der Chronologie oder anderer Art, die aus der Lektüre herausreißen, ungemein verwirren, bis man sie als solchen Fehler erkennt. Das tut der Freude über den Lesespaß zwar keinen Abbruch, hätte aber durch ein sorgfältiges Lektorat sicher vermieden werden können.
Kristen Perrin - Das Mörderarchiv
aus dem Englischen von Susann Rehlein
Rowohlt polaris, Januar 2024
Taschenbuch, 396 Seiten, 18,00 €

Bewertung vom 29.01.2024
KUNTH Bildband Ganz große Kunst
Dubilski, Petra;Fischer, Robert;Gsänger, Christiane

KUNTH Bildband Ganz große Kunst


sehr gut

Wer ein Museum besucht oder eine Opernaufführung, der konzentriert sich auf das Innere der Gebäude, die er oder sie dazu aufsucht, auf das, was drinnen gezeigt wird. Doch die Gebäude selbst sind auch Kunst, sind Kunststätten, die sehenswert sind.
Genau dieser „großen“ Kunst widmet sich der neue Bildband aus dem Kunth-Verlag. Und wieder sind es nicht nur die faszinierenden Fotos, die sprachlos machen, sondern auch die Art, wie der Verlag diesmal die Ansichten und Texte sortiert. Nach Farben nämlich, wie in einem Regenbogen werden die Museen, Opernhäuser, Theater von Violett über Rot, Rosa, Braun und Grau bis Weiß bestimmten Farben zugeordnet. Das mag willkürlich erscheinen, macht aber Sinn, wenn man sich darauf einlässt und die jeweiligen Farben auf sich wirken lässt.
Rund um die Welt führt das Buch, zeigt zu verschiedenen Blautönen das Wallraff-Richartz-Museum in Köln wie auch das Operahuset in Oslo. Naheliegenderweise ist das Kapitel Gold das umfassendste, nahe gefolgt von Weiß, sind doch beide Farben die sicher meistverwendeten in gerade solchen Stätten wie Museen und Theatern, und zwar innen wie außen.
Unter Rot findet sich unter anderem der Musikverein in Wien, den fast jeder kennt von den jährlichen Neujahrskonzerten, aber auch das Victoria & Albert Museum in London. Ebenfalls in London das weltberühmte Shakespeare’s Globe Theatre, welches der Farbe Braun zugeordnet ist.
Allen großformatigen Fotos sind kurze Texte beigegeben, die knapp und übersichtlich einige Informationen zum jeweiligen Gebäude geben. Mag sich mancher mehr Details wünschen, so wären sie doch hier meiner Meinung nach überzählig, da doch die Fotos wirken sollen. Sicher kann man fehlende Informationen anderweitig finden. Doch zwischen die einzelnen Gebäude sind auch immer wieder kurze Texte eingefügt, mal über die Anzahl der Sitzplätze in den größten Opernhäusern der Welt, mal über den eben erwähnten Shakespeare.
Besonders interessant schien mir in diesem Buch auch der Aspekt, wie Städte und Nationen doch Wert auf ihre Kultur und ihre Kunst legen und das in der Gestaltung der dafür geschaffenen Häuser zum Ausdruck bringen. Sind doch etliche der gezeigten Museen und Opernhäuser geradezu bombastisch, überwältigend, manchmal erdrückend geradezu.
Ein wirklich sehenswerter Bildband, sehr zu empfehlen.
Ganz große Kunst
Kunth Verlag, November 2023
Gebundene Ausgabe, 240 Seiten, 32,95 €

Bewertung vom 26.01.2024
Schneesturm
Walsh, Tríona

Schneesturm


sehr gut

Zum 10. Todestag ihres Mannes reisen die früheren Freunde der Inselpolizistin Cara an. Man hat sich lange nicht gesehen, ist sich fremd geworden. Sturm und Schnee schneiden die Insel vom Festland ab, da wird eine Leiche gefunden, jemand aus ihrem Kreis wurde ermordet.
Das ist das Setting dieses soliden Krimis – für einen Thriller fehlt es meiner Meinung nach an einigen weiteren Zutaten – dessen Handlung sich binnen weniger Tage zwischen Weihnachten und Neujahr abspielt.
Vor 10 Jahren kam Caras Ehemann auf See ums Leben. Danach brachen drei der sechs Freunde ihre Zelte auf der Insel ab, nur Maura blieb, die Lehrerin im Ort. Nun kommen Seamus, Caras Schwager, Ferdy und Sorcha zurück, um den 10. Todestag zu begehen. Doch dann gibt es einen Todesfall und schnell wird klar, einer oder eine aus der Gruppe muss der Mörder bzw. die Mörderin sein.
Cara, einzige Polizistin auf der spärlich bewohnten Insel, versucht ihr bestes, die Tat aufzuklären, zweifelt immer wieder an den Dingen, die sie herausfindet. Immer wieder fühlen sich alle bedroht, es geschehen merkwürdige Ereignisse, Drohungen werden ausgesprochen und alte Animositäten brechen auf.
Das Ganze wird einigermaßen spannend erzählt, mit vielen, immer neuen Wendungen, was angesichts des begrenzten Personentableaus recht geschickt ist. Verwirrung entsteht, auch das von der Autorin sehr gekonnt gemacht, durch ein Filmteam, dass das Leben von Seamus verfilmen soll und dessen Schauspieler den wahren Figuren zum Verwechseln ähnlich sehen.
Dennoch, trotz der immer neuen Spuren und Verdächtigungen, hat man als Leserin recht früh eine Ahnung, wer den Mord begangen haben könnte. Dass am Ende Cara plötzlich, ohne dass sich dies in den vorherigen Szenen angedeutet hätte, den Fall aufklärt, ist dann doch ein wenig überraschend. Erinnert in seiner Art an die altmodischen Krimis, in welchen der Detektiv an Ende alle Verdächtigen versammelt und dann, wie ein Zauberer das Kaninchen, den Mörder aus dem Hut zaubert.
Die Beschreibungen der Wetterbedingungen und der Bedrohungen sind atmosphärisch dicht, die Dialoge passend und die Figuren plastisch. Die häufigen irischen Einsprengsel vermitteln zwar Lokalkolorit, stören aber den Lesefluss dann doch ziemlich. Davon abgesehen und trotz einiger Längen liest sich der Roman flott und fesselt bis zum Ende.
Triona Walsh – Schneesturm
aus dem Englischen von Birgit Schmitz
Fischer, Dezember 2023
Taschenbuch, 379 Seiten, 17,00 €

Bewertung vom 24.01.2024
Die Wolkengucker
Fritz, Kristina

Die Wolkengucker


sehr gut

Ein bisschen arg süßlich ist er ja schon, der neue Roman der deutschen Autorin, die hier unter einem ihrer vielen Pseudonyme schreibt. Die Geschichte um die Menschen, die sich zum Wolkengucken treffen und schnell zu einer Gruppe von Freunden werden, ist berührend, doch eben auch ziemlich kitschig und das Ende lässt sich früh erahnen.
Dennoch macht es Freude, von Matt und seiner kleinen Tochter Mia zu lesen, die um ihre verstorbene Frau bzw. Mutter trauern, von Wilma, der fast 90jährigen, steinreichen Villenbesitzerin, die um ihre kürzlich verstorbene beste Freundin trauert, von Ayla, Wilmas Putzfrau, die sie von besagter Freundin geerbt hat und von Ferdinand, Wilmas Nachbarn.
Margarete, Wilmas Freundin, war begeisterte Wolkenguckerin. Wilma selbst hingegen konnte dieser Beschäftigung nie etwas abgewinnen. Doch im Gedenken an die Verstorbene, die sie so schmerzlich vermisst, lädt sie öffentlich zum Wolkengucken in ihren Garten ein.
Die kleine Mia sieht ebenfalls gerne in den Himmel, entdeckt immer neue Figuren in den Wolken und so ist es keine Frage, dass sie ihren Vater dazu überredet, zu diesem Treffen zu gehen. Matt ist ein recht verschrobener Illustrator, der mit dem Leben nur schwer zurecht kommt.
Ferdinand, Wilmas Nachbar, kann so gar nicht mit anderen Menschen und beschimpft anfangs die Gruppe in Wilmas Garten ganz fürchterlich.
Ayla, die junge Putzfrau, die nun für Wilmas Haushalt und auch für Wilma sorgt, hat ständig Geldsorgen und leidet in ihrer fürchterlichen WG, in welche sie aus finanziellen Gründen ziehen musste.
Nach und nach kommen sich diese so unterschiedlichen Menschen näher, tauen auf, beginnen sich zu vertrauen, vertrauen sich ihre Geheimnisse an. So kommt es natürlich, wie es kommen muss: Aus der traurigen alten Dame wird eine gute Fee, aus dem miesepetrigen Nachbarn ein freundlicher Herr und aus Ayla und Matt…. Man ahnt es.
Der Roman ist flüssig und liest sich flott, ist nie langweilig oder langatmig. Aber leider ist er eben auch sehr märchenhaft, verlaufen die erwartbaren Entwicklungen der Figuren arg zügig, aber auch durchaus nachvollziehbar und anschaulich geschildert. Die Figuren sind sympathisch, wenn auch manches ein wenig dick aufgetragen ist. Es gibt viele Wiederholungen, sowohl inhaltlich wie auch sprachlich in Form von Wortwiederholungen in aufeinanderfolgenden Sätzen.
Fazit: Ein netter, unterhaltsamer Wohlfühlroman, den man trotz der kleinen Mängel gerne liest.
Kristina Fritz - Die Wolkengucker
Lübbe, Dezember 2023
Gebundene Ausgabe, 384 Seiten, 16,00 €

Bewertung vom 22.01.2024
Die Bundesrepublik
Gerhard, Paul,;Paul, Gerhard

Die Bundesrepublik


sehr gut

Die Geschichte eines Landes anhand von Fotos zu erzählen, ist vielleicht keine neue, aber in jedem Fall eine faszinierende Idee. Der Historiker Gerhard Paul ist darin ein sehr Erfahrener, hat er doch ähnliche Bücher bisher in großer Zahl veröffentlicht.
In drei große Kapitel unterteilt er sein Buch: Die Bonner Republik von 1949 bis 1989, die Berliner Republik von 1990 bis 2021 und die Ampelrepublik seit 2021. Ob man mit dieser Einteilung so ganz einverstanden ist, bleibt jedem selbst überlassen, mich hat sie anfangs doch irritiert. Die Regierung durch die Ampelkoalition macht in meinen Augen keine andere Republik aus Deutschland, von daher hadere ich etwas mit dieser Dreiteilung.
Dennoch fasziniert mich das Buch, denn es sind viele berühmte Fotos darin enthalten, ikonografische Fotos, wie der Mauerbau, der Kniefall Willi Brandts in Warschau, der Mauerfall, der verpackte Reichstag, um nur ein paar zu nennen. Doch es werden auch viele Plakate aus den unterschiedlichen Jahren gezeigt, es werden die Cover von bekannten Zeitschriften und Magazinen gezeigt, in der Regel alles Ansichten, die Geschichte schrieben.
Die drei Kapitel werden wieder unterteilt nach ganz verschiedenen, vielleicht manchmal überraschenden Themen. Da geht es um die Aufarbeitung des Nationalsozialismus, da geht es um die Zeit des Terrors durch die RAF. Da geht es um Kino und Fernsehen und deren Macht, die auch eine Macht der Bilder ist, was ganz im Besonderen für die Werbung gilt, der ebenfalls ein Unterkapitel gewidmet ist.
Im zweiten Teil, der sich mit der „Berliner Republik“ befasst, geht es um die Bilder der Regierenden und wie sie sich unterscheiden, um die „Bildunfälle“ mancher Politiker und welche Folgen das für die Jeweiligen hatte und es geht natürlich auch um die sogenannte Flüchtlingskrise, die ja nicht erst 2015 erfunden wurde. Man findet in dem Buch viele unangenehme Themen, an die man vielleicht lieber nicht so gerne erinnert wird, neben all den schönen Erinnerungen aus 75 Jahren Bundesrepublik.
Die Texte schwanken zwischen kurzen Bildbeschreibungen, Bildbewertungen und längeren Abschnitten, die bestimmte Aspekte genauer beleuchten. Das Buch ist sicher eines, das man nicht am Stück zur Gänze liest, sondern viel mehr je nach Thema und Interesse immer wieder einmal in die Hand nimmt. Als Überblick, als Chronik, als „Fotoalbum“ interessant, fesselnd, immer wieder überraschend und auf jeden Fall empfehlenswert.
Gerhard Paul - Die Bundesrepublik
wbg Theiss, November 2023
Gebundene Ausgabe, 598 Seiten, 60,00 €

Bewertung vom 15.01.2024
99 1/2 Orte in der Eifel
Kramp, Ralf

99 1/2 Orte in der Eifel


sehr gut

Wer diesen Autor kennt, weiß, dass man mit aller Art von Skurrilem und Überraschendem rechnen sollte. Seine Bücher sind komisch, kriminell gut und niemals langweilig.
Langweilig wären auch all diese 99 ½ Orte sicher nicht, würde man sie besuchen. Allerdings, ob man jemals dort an- und wenn, dann hinterher wieder dort fortkommt, das wäre die große Frage. Damit man sie überhaupt finden könnte, würde man sie denn suchen, gibt es sogar detaillierte Karten in diesem unterhaltsamen Buch.
Das einen zu so seltsamen Orten lockt wie „Die marodeste Straße in der Eifel“ oder zum „Nackenpickel, dem kleinsten Berg der Eifel“ oder dem „Flüsschen Harn“. Oder zu merkwürdigen Veranstaltungen wie „Die Rollator-Formel eins auf dem Onanierburg-Ring“, dem „Schilderwaldbaden am Rande der Autobahn“ oder der „Alljährlichen Wahl der Miss Damenbart“.
Man könnte sich aber auch die Anlagen der ehemaligen Maultrommelfabrik Plitsch & Klingel ansehen, gelegen zwischen den Dörfern Rotzbuckel und Schladderfeld. Ein junges Gründer-Ehepaar ist dort bestrebt, Moos mit Moos zu machen. Vielleicht könnte solches Moos ja sogar die Kunsthaarperücke vom Markt verdrängen?
Oder man lässt sich von Elfi Fussel, auf dem Rastplatz an der B51, die Zukunft orakeln. Oder besucht eine Vorstellung der Theatergruppe des Klosters Filzkragen.
Ein sehr abwechslungsreicher Führer durch die Eifel, wie man sie bisher sicher noch nicht kennt. Manchmal bleibt einem bei der Lektüre das Lachen jedoch fast im Halse stecken, so absonderlich oder gar beängstigend sind diese Ausflugstipps. Oder man bleibt am besten gleich daheim.
Ralf Kramp - 99 1/2 Orte in der Eifel
KBV, November 2023
Taschenbuch, 211 Seiten, 18,50 €