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Island
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Nürnberg

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Insgesamt 64 Bewertungen
Bewertung vom 12.01.2013
Gang nach Canossa
Gastmann, Dennis

Gang nach Canossa


ausgezeichnet

„Der Gang nach Canossa“ ist das zweite Buch des Hamburger Journalisten Dennis Gastmann, der auch für das Fernsehen arbeitet und für den NDR in einer sehr unterhaltsamen Sendung „Mit 80000 Fragen um die Welt“ reist. Dadurch kennt man ihn auch schon als Reporter, der sich fremden Dingen auf eine sympathische Art, sehr charmant und mit fast kindlicher Neugier annähert, was großen Spaß beim Zusehen macht.

In seinem neuen Buch bleibt er zur Abwechslung in unserem Kulturkreis und begibt sich auf die Spuren von König Heinrich IV., der im Dezember 1076 von Speyer aus nach Canossa aufbrach, um den Papst dazu zu bewegen, den Kirchenbann gegen ihn aufzuheben. Dieser Bußgang ist vielen sicher noch aus dem Geschichtsunterricht bekannt. Allerdings geht es Dennis Gastmann nicht darum, dem Papst oder der katholischen Kirche zu gefallen, sondern mehr um die Herausforderung diese Strecke zu bewältigen und darum, eine Art Pause einzulegen und dem Stress für einige Zeit zu entfliehen.

Während Heinrich IV. damals wohl zu Pferd unterwegs war, wie Dennis Gastmann von einem Historiker im Laufe seiner Reise aufgeklärt wird, nimmt sich der Journalist vor, die ziemlich genau 1000 Kilometer von seinem Wohnort Hamburg bis ins italienische Canossa zu Fuß zu bewältigen und das, obwohl er bisher nicht besonders viel Sport getrieben hat. Diese Tatsache, kleinere Verletzungen, schlechte Wanderwege und Schnee im Gebirge sorgen dann aber immer mal wieder dafür, dass er seinem Vorsatz kurz untreu wird und auf den Bus oder Zug ausweicht. Dennoch bewältigt er in den drei Monaten insgesamt einen Großteil der Strecke, inklusive einer Alpenüberquerung, zu Fuß und geht dabei wirklich an seine körperlichen Grenzen, wie der Leser immer wieder miterlebt, sodass die kleineren „Schummeleien“ dem Ganzen keinen Abbruch tun.

Im Verlauf der Reise kommt es immer wieder zu interessanten und manchmal zugleich amüsanten Begegnungen mit mehr oder weniger alltäglichen Menschen. So trifft er in Frankfurt einen Börsenexperten und unterhält sich mit Mitgliedern der Occupy-Bewegung, diskutiert mit einem katholischen Priester in Speyer und die Zeugen Jehovas wollen ihn genauso anwerben, wie die Produzenten einer trashigen neuen Fernsehsendung. Er übernachtet in den verschiedensten Unterkünften, von einfachsten französischen SB-Hotels, über Herbergen mit Familienanschluss in Italien oder dem luxuriösen Hotel Beau Rivage in Genf, wo man recht wenig begeistert auf ihn und sein Wanderoutfit reagiert.

Dadurch, dass Dennis Gastmann sehr anschaulich schreibt und mit seiner ihm eigenen Neugier auch auf dieser Wanderung an alles herangeht, kann man sich sehr gut in viele der Situationen hineinversetzen und als Leser hautnah dabei sein. Unterstützt wird dies zudem durch gelegentlich eingefügte Fotos. Es fällt auch auf, dass er beim Niederschreiben des Buches nach seiner Rückkehr aus Canossa auch noch viele Fakten und Details recherchiert und hinzugefügt hat. Immer wieder finden sich auch teils ironische, mal mehr, mal weniger offensichtliche Anspielungen zu aktuellen Themen, wie den Rücktritt von Christian Wulff oder der Wirtschaftskrise. Alles in allem ist dieses Buch eine sehr abwechslungsreiche, unterhaltsame und zugleich informative Lektüre, die sich zudem angenehm flüssig lesen lässt.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.01.2013
Stresstest
Gehrmann, Sebastian

Stresstest


ausgezeichnet

In „Stresstest“ geht es um Lukas und Sophie, die zwar sehr verschieden sind, aber dennoch seit einiger Zeit ein Paar. Der Ich-Erzähler Lukas steht zu Beginn des Romans kurz vor seinem 30. Geburtstag, aber ihm graut es vor diesem Tag, da er nicht erwachsen werden möchte. Dementsprechend sieht auch sein Leben aus: Er zeichnet Comics, wovon er sich aber nicht über Wasser halten kann, sodass ihm seine Eltern regelmäßig die Miete für sein Zimmer in einer sehr chaotischen Männer-WG überweisen. Sophie dagegen ist eine sehr ehrgeizige Pharmazeutin, die unbedingt Karriere machen will und genaue Vorstellungen von ihrem Leben hat. Doch dann ist sie kurz nach Lukas 30. Geburtstag plötzlich schwanger und beide stehen vor ganz neuen Herausforderungen, die auch ihre Beziehung auf eine harte Probe stellen. Lukas gelingt es nämlich immer wieder, sich in ungünstige Situationen zu manövrieren und alles falsch zu machen, was er aus Sophies Sicht falsch machen kann.

Der Autor des Buches, Sebastian Gehrmann, ist selbst Anfang Dreißig und hat eine kleine Tochter. Somit ist klar, dass das Buch einige Parallelen zu seinem Leben enthält, aber in vielen Situationen hat er natürlich auch bewusst übertrieben.

Ich fand den Schreibstil von Sebastian Gehrmann sehr angenehm lesbar. Er schreibt auch schön anschaulich und viele Dialoge sorgen für Lebendigkeit. Im Buch gibt es viele humorvolle Szenen und alle möglichen Klischees über werdende und junge Eltern werden bedient. Gleichzeitig kann man im Verlauf der Geschichte aber auch Lukas Entwicklung vom ewigen Jugendlichen zum jungen Vater mitverfolgen, wodurch stellenweise auch eine etwas ernsthaftere Komponente vorhanden ist. Der Protagonist wirkt sehr sympathisch, sodass man sich gut in ihn hineinversetzen kann und mit ihm mitleidet, wenn er mal wieder vor einem Problem steht. Sehr gut hat mir auch gefallen, dass am Ende vieler Kapitel die von Lukas erdachte Comicfigur Linus auftaucht (leider nicht als Zeichnung, sondern die Bildfolge wird beschrieben) und das Problem treffend und sehr humorvoll auf den Punkt bringt. Der Roman ist für werdende Väter, die ein ähnliches Problem mit dem Erwachsenwerden haben und deren Frauen sicher besonders interessant und amüsant. Ich selbst zähle aber weder zu der einen, noch zu der anderen Gruppe und das Lesen hat mir trotzdem großen Spaß bereitet. In manchen überspitzt dargestellten Nebenpersonen des Buches kann man sicher auch Menschen aus seinem eigenen Bekanntenkreis wiedererkennen. Ich empfehle das Buch gerne weiter und hoffe, dass es bald eine Fortsetzung über die Probleme, die das bisher ungewohnte Zusammenleben als kleine Familie mit sich bringt, gibt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.12.2012
Mich gibt's übrigens auch für immer
Seidel, Jana

Mich gibt's übrigens auch für immer


sehr gut

Informationen zum Buch

„Mich gibt’s übrigens auch für immer“ ist nach „Über den grünen Klee geküsst“ und „Eigentlich bin ich eine Traumfrau“ der dritte Frauenroman von Jana Seidel, die aus Norddeutschland stammt und momentan in Hamburg in einer Zeitschriftenredaktion arbeitet. In jedem der drei Bücher steht eine andere Frau aus dem, aus dem ersten Band bekannten Freundeskreis im Mittelpunkt, sodass es beim Lesen quasi jedes Mal ein Wiedersehen mit alten Bekannten gibt, was sehr schön ist, da man bei jedem Buch zumindest auch am Rande erfährt, was aus den anderen Freunden geworden ist. Gleichzeitig ist es aber auch kein Problem, direkt mit „Mich gibt’s übrigens auch für immer“ einzusteigen, ohne dass einem das Verständnis der Geschichte schwer fällt.

Diesmal steht Tanja im Mittelpunkt, sie ist 33 und hat mittlerweile zehn verschiedene Studiengänge abgebrochen. Momentan jobbt sie in der Küche und der Cafeteria eines Altenheims. Ihr Freund Hrithik, der ursprünglich aus Indien stammt, ist dagegen äußerst erfolgreich und karrierebewusst. Er macht ihr an Weihnachten einen Heiratsantrag, auf den sie aus verschiedenen Gründen, die ich hier noch nicht verraten will, dann aber zunächst wenig begeistert reagiert. Sie beschließt erst einmal wieder zu sich selbst zu finden, indem sie sich mit ihrer Freundin Juli auf die Suche nach ihrem Vater macht, der mittlerweile ausgerechnet in Indien lebt und dort eine Art Guru ist. Vorher steht aber auch noch der Besuch von Hrithiks indischer Familie an, die zudem noch einen sehr engen Kontakt zu seiner erfolgreichen und intriganten Ex-Freundin pflegt, was erwartungsgemäß zu einigen Komplikationen führt.

Meine Meinung

Ich mag die Bücher von Jana Seidel und auch ihr lebendiger und anschaulicher Schreibstil gefällt mir gut. Der aktuelle Roman ließ sich problemlos in recht kurzer Zeit lesen und es war auch eine kurzweilige Lektüre. Im Buch fanden sich sowohl sehr sympathische Charaktere, wie die Menschen aus dem Altenheim oder die Buchhändlerin, aber auch gewollt unsympathisch dargestellte, wie Hrithiks Ex-Freundin oder mancher Campbewohner in Indien. Ich muss aber sagen, dass ich mich mit den Protagonistinnen der beiden Vorgängerbücher besser identifizieren konnte, als mit Tanja. Das mit den vielen verschiedenen abgebrochenen Studiengängen kann ich noch gut verstehen, aber diese esoterische Ader mit dem Auralesen und der Selbstfindung in Indien hat mich etwas genervt, zumal es eigentlich wenig Sinn ergibt, dass die beiden Mädels dort überhaupt Kurse im Camp von Tanjas Vater besuchen, da weder sie, noch er selbst, das alles wirklich ernst nehmen. Hier hätte es meiner Meinung nach gereicht, sich auf einige kurze und witzige Begebenheiten mit den Campbewohnern zu beschränken. Es geht Tanja ja eigentlich doch nur um das Wiedersehen und die Aussprache mit dem Vater, was ja auch sinnvoll ist. Auch mit Hrithik werde ich bis zum Ende nicht so richtig warm, er erscheint mir trotz allem sehr karrierebezogen und ich frage mich, was die beiden genau verbindet. Aber ich denke, diese Kritikpunkte sind Geschmackssache und jeder empfindet das beim Lesen anders.

Bewertung vom 26.12.2012
Dicke Hose
Morgowski, Mia

Dicke Hose


sehr gut

Infos zum Buch

„Dicke Hose“ ist bereits das vierte Buch der Hamburger Autorin Mia Morgowski, die 2008 ihren Debütroman „Kein Sex ist auch keine Lösung veröffentlichte. Wie alle ihre Romane ist auch ihr neuester im Rowohlt Taschenbuch Verlag erschienen. Das Werk umfasst ziemlich genau 350 Seiten. Bereits das Cover, bei dem Rosatöne dominieren und auf dem ein niedliches Küken zu sehen ist, weist darauf hin, dass es sich hier um einen Roman mit weiblicher Zielgruppe handelt. Wie der Titel „Dicke Hose“ aber bereits vermuten lässt, ist die Hauptperson der Geschichte, der Immobilienmakler Alex, ein Mann, noch dazu ein besonders männliches Exemplar, bestückt mit vielen Vorurteilen über Frauen und wenig Ahnung von deren Vorlieben, vor allem was Mode angeht. Mia Morgowski hat sich also entschieden, aus der männlichen Sichtweise zu schreiben, was diesen Roman etwas von vielen anderen Liebesromanen unterscheidet, die ja meist aus der Perspektive der Frau erzählen. Im Anhang findet man noch Alex‘ Modeglossar, das ich sehr amüsant fand, weil dort alle möglichen Modetrends wie Nude-Look oder UGG-Boots mit den Augen eines Mannes beurteilt werden, wobei sie natürlich nicht allzu gut abschneiden.

Inhalt

Die Geschichte beginnt mit einer sehr amüsanten, aber für den Makler Alex nicht erfolgreichen Besichtigung einer Hamburger Luxuswohnung, wie es in der vergangenen Zeit wohl einige gegeben haben muss, sodass er sich am unteren Ende der Score-Liste seines Arbeitgebers befindet, die besagt, wie erfolgreich der jeweilige Angestellte im Vermitteln von Kaufobjekten ist. Diejenigen, die am Jahresende die letzten beiden Plätze belegen, müssen dann ihren Schreibtisch räumen. Trotz seiner durchaus bedrohlichen beruflichen Situation will Alex erst einmal mit seinem Kumpel Florian in den Skiurlaub fahren. Als dieser aber spontan erkrankt und somit nichts aus dem Urlaub wird, lässt er sich aus Mitleid von ihm überreden, während seiner Urlaubstage in der Boutique für italienische Luxus-Damen-Labels von Florians Vater auszuhelfen, in der Florian normalerweise der Geschäftsführer ist. Dafür ist der „Frauenversteher“ Alex natürlich noch weniger geeignet als für seine Maklertätigkeit und dass er sich zudem als Florians Bruder und somit weiteren Sohn des Firmeninhabers ausgibt und Vorkenntnisse in der Branche erfindet, führt natürlich zu einigen Verwicklungen. Und auch in der Liebe beweist er zunächst nicht gerade ein glückliches Händchen...

Meine Meinung

Das Buch enthielt viele amüsante Szenen und mit Alex, der männlichen Hauptperson kann man als Leserin sehr gut mitfühlen, dadurch, dass man alles aus seiner Perspektive erfährt und auch seine Gedankengänge mitbekommt und sieht, wie er sich selbst immer mehr in etwas hineinreitet. Manchmal schämt man sich auch ein bisschen für ihn, wenn er sich gerade allzu tollpatschig anstellt. Dennoch kann man ihn nicht als unsympathisch abstempeln, er ist auf jeden Fall liebenswert und hat einen guten Kern, wodurch er sich sehr von seinem Kumpel Florian unterscheidet. An manchen Stellen ist mir alles aber etwas zu übertrieben dargestellt, und ich hätte mich besser hineinversetzen und darüber amüsieren können, wenn etwas weniger dick aufgetragen worden wäre. Stellenweise ist die Handlung auch vorhersehbar, aber es handelt sich hier ja schließlich nicht um einen Krimi. Sehr gut hat mir, wie in allen anderen Büchern von Mia Morgowski auch, der Schreibstil der Autorin gefallen. Sie beschreibt wirklich anschaulich und lebendig, sodass man im Kopf ein Bild von der jeweiligen Situation entwickeln kann. Zudem ließ sich das Buch sehr angenehm und zügig lesen, sodass es auf jeden Fall ein kurzweiliger und amüsanter Roman für Wintertage auf dem Sofa, für die Zugfahrt oder den Liegestuhl am Strand oder in der Therme ist.

Bewertung vom 23.12.2012
Wir sind doch Schwestern
Gesthuysen, Anne

Wir sind doch Schwestern


ausgezeichnet

„Wir sind doch Schwestern“ wurde von Anne Gesthuysen geschrieben, die auch dadurch bekannt ist, dass sie das ARD-Morgenmagazin moderiert. Sie wurde durch ihre Großtanten zu „Wir sind doch Schwestern“ inspiriert, die mit ihren Lebensgeschichten Vorbilder für die drei Romanfiguren wurden.

Die alten Damen erreichten zusammen das beeindruckende und außergewöhnliche Alter von 298 Jahren. Zum 100. Geburtstag von Gertrud, der ältesten Schwester finden sich die Frauen bei Katty, die mit 84 Jahren die Jüngste und Fitteste der Drei ist, für die Feier auf dem Tellemannshof ein, mit dem vor allem Gertrud auch unangenehme Erinnerungen verbindet. So kommt es neben lebendigen und sehr liebevollen Schilderungen der Vorbereitung und Durchführung der großen Feier und damit verbundenen rührenden und komischen Szenen auch immer wieder zu Rückblicken in die Vergangenheit und man merkt deutlich, dass es hier noch einiges aufzuarbeiten gibt. Keine der drei Schwestern kann auf ein klassisches, geradliniges Leben zurückblicken, sodass man beim Lesen immer wieder überrascht wird. Zudem wird einem ins Bewusstsein gerufen, wie anders bestimmte Moralvorstellungen im vergangenen Jahrhundert noch waren und wie sehr diese auf das Leben eines Menschen Einfluss nehmen konnten. Man erhält in dem Buch Einblicke, welche konkreten Auswirkungen bestimmte geschichtliche Ereignisse, wie die beiden Weltkriege, der damals vorherrschende Judenhass oder das geltende Scheidungsrecht hatten, indem man mit den Beteiligten mitfühlen, mitfiebern und manche Verhaltensweisen vielleicht aus heutiger Sicht auch schwer verstehen kann. Besonders beeindruckend finde ich dabei, dass es sich hier nicht um reine Fiktion handelt, sondern dass sich dies alles wirklich innerhalb einer einzigen Familie zugetragen hat, auch wenn manches im Laufe der Jahre vielleicht etwas spektakulärer weitergegeben wurde, wie es ursprünglich einmal war, wie die Verfasserin am Ende relativiert. Vieles beruht aber tatsächlich auf handfesten Fakten. Neben den Schwestern spielt auch Heinrich Hegmann eine wichtige Rolle in dem Buch, an Hand seiner Person kann man eine Politikerkarriere mit all ihren privaten Konsequenzen vor und nach dem Zweiten Weltkrieg mitverfolgen, was ich persönlich auch interessant fand. Er saß zunächst für die Zentrumspartei im preußischen Landtag und trat nach dem Krieg dann in die CDU ein, für die er dann mehrmals als Direktkanditat in den Landtag von Nordrhein-Westfalen gewählt wurde.

Mir hat die Konstruktion des Buches mit dem 100. Geburtstag als Anlass für Rückblicke in die Vergangenheit und das Ansprechen ungeklärter Konflikte zwischen den Schwestern gut gefallen. Das Buch hat mich besonders in der zweiten Hälfte in seinen Bann gezogen und mich immer wieder überrascht. Abstrakte historische Fakten wurden für mich durch die damit verbundenen persönlichen Schicksale nachvollziehbar. Auch der Schreibstil von Anne Gesthuysen hat mir gut gefallen. Er sorgt für einen guten Lesefluss und zugleich für Anschaulichkeit und Lebendigkeit. Die alten Damen wirken jede auf ihre Art sympathisch und sehr gebildet und vielseitig interessiert, auch wenn ich aus heutiger Sicht nicht alle ihre Entscheidungen nachvollziehen kann. Positiv aufgefallen sind mir auch die treffend gewählten Kapitelüberschriften, die Orientierung bieten, in welcher Zeit man sich gerade befindet und worum es ungefähr geht, die aber gleichzeitig so formuliert sind, dass sie nicht zu viel verraten. Auch der Buchtitel ist sehr gut gewählt, da das "doch" bereits aussagt, dass zwischen den Schwestern nicht immer nur "Friede, Freude, Eierkuchen" herrschte, aber sie dennoch in Notsituationen zueinander gehalten haben, wie der komplette Titel beschreibt.

15 von 19 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.12.2012
Fuchsteufelswild / Kommissar Sandner Bd.2
Krause, Roland

Fuchsteufelswild / Kommissar Sandner Bd.2


ausgezeichnet

„Fuchsteufelswild“ ist Roland Krauses zweiter Kriminalroman um den Münchner Hauptkommissar Josef Sandner und seine Kollegen. Ich kannte den ersten Band der Reihe „Sandner und die Ringgeister“ nicht und kann deshalb sagen, dass es kein Problem ist, dennoch gleich den Einstieg in das Buch zu finden. Der Autor selbst wurde am Bodensee geboren, lebt aber seit längerem in München und kennt sich daher recht gut mit den Gegebenheiten der bayerischen Landeshauptstadt aus.

„Fuchsteufelswild“ spielt halb in München und halb in Bad Kohlgrub, einem Kurort in den Ammergauer Alpen, 80 Kilometer südlich von München. Dort verbringt Josef Sandner ein Wellnesswochenende, das ihm sein Freund, der Gerichtsmediziner Doktor Aschenbrenner zum Vierundvierzigsten geschenkt hat. Zufällig ereignet sich aber zeitgleich in München ein Mord am Yoga Guru Toni Brandl, der eigentlich aus Bad Kohlgrub stammt und dessen Eltern noch dort leben. Im Münchner Fall ermittelt Sandra Wiesner, seine Stellvertreterin und Sandner wird trotz seines privaten Aufenthaltes in Bad Kohlgrub gebeten, die Eltern des Toten zu verständigen. Natürlich stellt er dann auch gleich weitere Nachforschungen über den Toten an und stößt dabei auch schnell auf den angeblichen Selbstmord dessen Exfreundin Anni. Deshalb beschließt Sandner erst einmal weiter im Kurort zu bleiben und der Sache auf seine, oft recht unkonventionelle Art, auf den Grund zu gehen, während seine Kollegen zeitgleich in München ermitteln. An beiden Orten gibt es eine Vielzahl Verdächtiger und möglicher Motive, die Spannung bleibt bis zum Ende des Krimis erhalten und es kommt immer wieder zu Überraschungen. Zwischenzeitlich geraten auch die Ermittelnden selbst in gefährliche Situationen. Durch die Perspektivwechsel zwischen München und Bad Kohlgrub wird vor allem gegen Ende zusätzliche Spannung erzeugt. Verzichten können hätte ich allerdings auf die teilweise eingefügten Erinnerungen der Kommissare an vergangene Fälle und auch das Finale am Schluss ist für meinen Geschmack etwas in die Länge gezogen.

Josef Sandner und seine Kollegin Sandra Wiesner sind beide auf ihre Art sympathisch, er hat eine eher raue Schale, aber auch einen weichen Kern, handelt sehr impulsiv und wählt häufiger auch ungewöhnliche Ermittlungsmethoden. Sandra Wiesner wirkt vor allem durch ihr Unglück, das sie mit den Männern hat, menschlich und scheint es irgendwie auch etwas zu genießen, dass ihr Chef Sandner für ein paar Tage weg ist und sie das Sagen im Team hat.

Besonders gefallen hat mir die Sprache des Krimis. Roland Krause kombiniert bayerischen Dialekt und sehr gut ausgetüftelte, anschauliche Formulierungen sehr geschickt und situationsangemessen. Durch die vielen treffenden Beschreibungen, Metaphern und Vergleiche wirkt alles sehr anschaulich auf den Leser. Viele Dialoge, die meist im authentischen bayerischen Dialekt geführt werden, sorgen für Lebendigkeit. Ich mag auch die teils ironischen Anspielungen wie "Vielleicht reicht es sogar für eine Rettungsmedaille samt Händedruck eines notorisch gerührten Staatssekretärs" oder "Highlights für die Historienliebhaber und Kunstfreaks. Pflichtprogramm für die Auswärtigen - auch Schüler aller Art werden fleißig durchgepeitscht, damit ihr Kunstsinn nicht durch den Alltagsklimbim versaut wird".
Ich denke nicht, dass die Verwendung von Dialekt für den nichtbayerischen Leser ein allzu großes Hindernis darstellt, da ich selbst auch aus dem fränkischen Teil Bayerns stamme, in dem ein ganz anderer Dialekt gesprochen wird und ich dennoch alles verstanden habe. Für kompliziertere Begriffe gibt es am Ende des Buches auch ein kurzes Wörterbuch zum Nachschlagen. Aber im Zusammenhang hat sich mir eigentlich alles auch einfach so erschlossen.

Insgesamt handelt es sich hier auf jeden Fall um einen interessanten Krimi, der sowohl Lokalkolorit, als auch Humor, einen tollen Sprachstil und viel Spannung aufweist.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.11.2012
Mittsommersehnsucht
Ligensa, Elfie

Mittsommersehnsucht


gut

Das Cover ist ansprechend und in freundlichen Farben gestaltet, lässt aber schon ahnen, dass es sich hier eher um einen klassischen Frauenschmöker à la Rosamunde Pilcher, als um ein modern-freches Frauenbuch dreht. Der Titel trägt dann sein Übriges dazu bei. Die Rahmenhandlung wurde von der in Deutschland lebenden Autorin Elfie Ligensa nach Norwegen verlegt, was der Name des Buches auch schon vermuten lässt. Die weibliche Hauptperson ist allerdings Andrea, eine deutsche Ärztin, die ihre Stelle in Düsseldorf recht überstürzt gekündigt hat, um nach Bergen zum Hotelier Jonas zu ziehen, der aber noch nichts von diesem Entschluss weiß. So landet sie unangekündigt in Bergen und erwischt ihn prompt mit einer blonden jungen Geliebten. Das klingt alles schon etwas klischeehaft, richtig unrealistisch finde ich es dann aber, dass sie sich ganz schnell von einem Taxifahrer dazu überreden lässt, diese Schifffahrt auf den Hurtigruten mitzumachen, was der Auslöser für die weitere Handlung ist.
Auf diesem Schiff lernt Andrea dann Personen kennen, die im Verlauf des Buches eine Rolle spielen und man kann an ihrer Seite auch verschiedene Orte an der Route kennenlernen. Ich hätte es aber auch nicht verkehrt gefunden, stellenweise noch mehr über die Menschen die dort leben und auch über deren Alltag zu erfahren. Durch eine Verkettung verschiedener Umstände landet Andrea schließlich in einem Ort auf den Lofoten, um dort den Landarzt zu vertreten. Auch hier ist mir die Geschichte wieder einen Tick zu unrealistisch geraten. Und auch während ihrer Arbeit als Ärztin dort, kommt es dann erstaunlich oft zu Situationen, in denen sie zufällig in der Nähe eines Menschen ist, der ihre Hilfe braucht, weil er ohne sie wahrscheinlich gestorben wäre. Das erscheint mir übertrieben und auch auf weitere eher mystische Begebenheiten, wie die Trolle oder das Fell zur Genesung hätte die Autorin meiner Meinung nach verzichten können, sondern sich lieber auf die Liebesgeschichte und die Schilderung der norwegischen Besonderheiten konzentrieren sollen. Hinzu kommt, dass als weiteres Genre auch noch der Krimi ansatzweise in diesem Buch vertreten ist, indem die junge Ärztin auch in ein Verbrechen verwickelt wird. Dieser Handlungsstrang ist aber sehr vorhersehbar und dadurch weniger spannend. Gleiches gilt auch für die weitere Entwicklung ihres Privatlebens, aber das ist bei Liebesromanen ja meist so, dass es zu Enttäuschungen und Betrug, einer neuen Liebe, aber auch Eifersuchtsattacken kommt. Dabei werden viele Klischees bedient. Von daher erwartet man das als Leser eigentlich auch. Gestört hat mich etwas, dass die Liebesszenen, vor allem zwischen Andreas Ex Jonas und seiner Geliebten, sehr detailreich beschrieben wurden, darauf hätte ich auch verzichten können und es lieber meiner Vorstellungskraft überlassen. Anderseits demonstriert es eben, wie einfach gestrickt und leicht verführbar Jonas ist.
Dadurch, dass der Roman aus einer auktorialen Erzählperspektive geschrieben ist, ist es etwas schwieriger, sich vollkommen in Andrea und ihre Gefühlswelt hineinzuversetzen. Einerseits kann ich ihre Entscheidungen schon verstehen, andererseits verhält sie sich für meinen Geschmack aber auch manchmal etwas zu naiv und ich glaube nicht, dass in der Realität so ein Neustart in Norwegen auch so leicht funktioniert. Jeglichen Kontakt zu Familie und Freunden in Deutschland scheint sie ja auch komplett abgebrochen zu haben, jedenfalls tauchen im Roman nur noch ihre neuen Bekanntschaften auf.
Den Titel des Romans finde ich gar nicht so passend gewählt, da der Begriff "Sehnsucht" natürlich schon zu einem Liebesroman passt, "Mittsommer" hier allerdings weniger zutreffend ist. Er lässt zwar erkennen, dass ein Bezug zu Skandinavien vorhanden ist, aber lässt einen eher an Sommerstimmung und lange Mittsommernächte denken, während ich beim Lesen doch meistens eher den Eindruck von verregneten, stürmischen Tagen und dem rauhen Klima auf den Lofoten hatte. Der Schreibstil ist schnell lesbar

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.11.2012
Der Boss
Netenjakob, Moritz

Der Boss


sehr gut

Das Buch „Der Boss“ von Moritz Netenjakob ist im März 2012 im Kiepenheuer & Witsch Verlag erschienen. Es handelt sich dabei um eine Fortsetzung vom „Macho-Man“, in dem es um das Kennenlernen der beiden Hauptpersonen Daniel und Aylin ging. Ich habe dieses Vorgängerbuch gelesen, aber auch ohne es zu kennen, sollte es kein Problem sein, die Zusammenhänge in „Der Boss“ zu verstehen. Dass beide Bücher zusammengehören, lässt sich aber bereits an der Covergestaltung erkennen, da das Cover von „Der Boss“ sich lediglich durch die türkisgrüne statt pinke Hintergrundfarbe und den Rosenstrauß, den der Mann in Boxershorts in der Hand hält, unterscheidet. Durch dieses Motiv und die Farbwahl ist das Buch recht auffällig.

Die beiden Hauptpersonen des Romans sind Daniel und Aylin. Daniel ist Anfang 30, arbeitet in einer Werbeagentur und stammt aus einem Alt-68er-Elternhaus. Aylin dagegen ist Türkin und legt großen Wert auf einen guten Kontakt mit ihrer unüberschaubar großen Familie. Kennengelernt haben sich beide während Daniels Türkeiurlaub, weil Aylin dort ohne das Wissen ihrer Familie in einem Ferienclub als Animateurin jobbte. In „Der Boss“ wollen beide nun heiraten, was natürlich für viele komische Situationen und auch Konfliktpotential sorgt. Schon allein das Aufeinandertreffen von Daniels Eltern, die sehr offen mit Sexualität umgehen und noch weitere unkonventionelle Freunde haben und Aylins muslimischen Eltern bietet jede Menge davon. Da Aylin aber trotzdem viel Wert darauf legt, mit beiden Familien einen guten Kontakt zu pflegen, lässt sich das oft nicht vermeiden. Und zu ihrer engsten Familie gesellen sich immer mehr entferntere Verwandte, die dem Brautpaar natürlich auch mit Rat und Tat zur Seite stehen wollen, was vor allem für Daniel zu einer großen Belastung wird. Dazu kommt die Planung der eigentlichen Feier, die so natürlich als großes türkisches Fest gefeiert werden soll, was im Laufe des Buches noch für viel Stress sorgt, mehr möchte ich aber dazu noch nicht verraten.

Mitten drin in diesem Chaos befindet sich Daniel, der sich eigentlich vorgenommen hat, sich in der Beziehung als „der Boss“ zu behaupten, wie er meint, dass es von der türkischen Familie seiner Verlobten und ihr selbst auch erwartet wird. Daher also der Buchtitel. Dass es ihm aber in den seltensten Fällen gelingt, wirklich „der Boss“ zu sein, egal ob im Umgang mit Aylin, deren Großfamilie, seinen Eltern oder in der Werbeagentur, ist keine Überraschung. Als kleine Nebenhandlung ist noch eingebaut, dass Daniel beruflich die Aufgabe bekommen hat, den untalentierten Sohn eines Kölner Brauereibesitzers zu einem Fernsehstar zu machen. Darauf hätte das Buch meiner Meinung nach aber verzichten können, da es nicht allzu viel zur eigentlichen Geschichte beiträgt und ich die Situationen um diesen Möchtegernstar auch etwas plump und weniger witzig finde. Aber das ist Geschmackssache.

Insgesamt bietet das Buch viele Übertreibungen und Klischees, sowohl was die türkische Familie angeht, aber auch die Werbeagentur und die Alt-68er-Generation. Ich konnte beim Lesen viel lachen, dennoch wird niemand total ins Lächerliche gezogen, sondern Moritz Netenjakob geht trotz allem respektvoll mit den Eigenarten der jeweils anderen Kultur um. Das mag auch daran liegen, dass er selbst mit einer Türkin verheiratet ist und somit sicher auch häufig miterlebt, wie beide Kulturen aufeinanderprallen, aber auch, dass es wichtig ist, sich gegenseitig mit seinen Eigenheiten zu respektieren. Ich kann das Buch auf jeden Fall jedem empfehlen, der nach einer amüsanten Lektüre sucht. Der Schreibstil des Autors ist leicht verständlich, aber dennoch pointenreich, sodass es sich auch gut im Zug oder am Strand lesen lässt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.11.2012
Torstraße 1
Volks, Sybil

Torstraße 1


ausgezeichnet

Zugegeben, zunächst war ich etwas skeptisch, ob das ein Buch für mich sein könnte, als ich den Klappentext gelesen hatte, doch schon die Leseprobe hat mich überzeugt.

Berlin als Ort der Handlung ist sehr reizvoll, zumal es sich schon immer um eine sehr aufregende Stadt gehandelt hat, in der zudem auch viele einschneidende historische Ereignisse stattfanden. Hinzu kommt, dass die fiktive Handlung der Geschichte mit echten historischen Begebenheiten verknüpft wird, da es dieses Haus in der Torstraße 1 wirklich gibt.

Zu Beginn des Buches kann man eine Kaufhauseröffnung miterleben und lernt gleichzeitig auch eine der Hauptpersonen, Vicky kennen, die während der Eröffnungsfeier ihre Tochter Elsa bekommt, deren Vater der Sohn der jüdischen Kaufmannsfamilie ist. Diese Tatsache darf aber niemand wissen und wird auch lange niemand außer ihrer besten Freundin Elsie erfahen. Bei der Geburt hilft Wilhelm Glaser, ein Zimmermann, dessen Sohn Bernhard dann am gleichen Tag wie Elsa geboren wird.

Das ist die Ausgangssituation der Geschichte, die dafür sorgt, dass Vickys und Wilhelms Familien über ein ganzes Jahrhundert hinweg miteinander verbunden bleiben, obwohl sie zwischenzeitlich ganz unterschiedliche Leben führen und durch die spätere Trennung Berlins auch in unterschiedlichen Ländern leben. Das Buch konzentriert sich dabei besonders auf das Verhältnis von Elsa und dem genau gleichaltrigen Bernhard, die eine besondere Beziehung zueinander aufbauen, auch wenn sie sich zwischenzeitlich lange nicht sehen können und in ganz unterschiedlichen politischen Systemen aufwachsen. Das Haus in der Torstraße 1 hat sowohl für Elsa und Bernhard, als auch für Vicky und Wilhelm ein Leben lang eine besondere Bedeutung und spielt auch immer wieder eine nicht unwichtige Rolle in ihren Leben. Gleichzeitig kann man anhand der Nutzung dieses Kaufhauses die verschiedenen Wendepunkte in der Geschichte des 20. Jahrhunderts miterleben. Diese Idee der Autorin finde ich, zumal sie ja viele Bezüge zur Realität aufweist, sehr gelungen umgesetzt. Die oft sehr schwere Zeit während des Nationalsozialismus, des Zweiten Weltkrieges und der DDR wird auch durch verschiedene Schicksalsschläge eindrücklich beschrieben, die Personen im Buch treffen. Auch die innere Zerrissenheit der Personen und die Konflikte in ihren Familien werden vor allem durch Wilhelm und Bernhard, die im Osten leben, aber auch durch Vicky, die nicht zum jüdischen Vater ihrer Tochter stehen kann, sehr deutlich. Durch die realistischen Schilderungen der Autorin kann man sich gut in die jeweiligen Personen hineinversetzen und geht mit ihnen auf eine Zeitreise durch fast ein ganzes Jahrhundert.

Etwas verwirrend fand ich zunächst, dass im Verlauf des Buches immer wieder unangekündigte Zeilensprünge stattfinden, hier wäre es für den Leser erleichternd, wenn Jahreszahlen eingefügt wären. Aber daran gewöhnt man sich mit der Zeit und dann bietet dieser besondere Schreibstil auch einen gewissen Reiz, weil man aus der Perspektive einer Familie schon erfahren hat, was mittlerweile passiert ist, anschließend aber noch einmal eine weitere und andere Perspektive sieht. Auch an die anfangs etwas verwirrende Vielzahl an teilweise auch noch recht ähnlichen Namen („Elsa“, „Elsie“, „Elisa“) konnte ich mich gewöhnen, ich weiß aber nicht, ob es für das Buch unbedingt nötig gewesen wäre, diese Ähnlichkeit der Namen bewusst zu wählen. Wäre dies nicht so gewesen, hätte es der Handlung sicher keinen Abbruch getan.

Insgesamt war der Schreibstil der Autorin angenehm zu lesen und mich hat die Handlung des Buches auch gefesselt, weil ich wissen wollte, wie das Leben von Elsa und Bernhard, aber auch der Nebenfiguren weiter geht. Der geschichtliche Hintergrund war mir zwar bekannt, die weitere Entwicklung der Beziehung der beiden und ihrer Familien und die ihres Hauses hat mich aber immer wieder zum Weiterlesen angeregt und für Spannung gesorgt. Ich kann das Buch jedem empfehlen.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.11.2012
Ghetto-Oma
Frl. Krise

Ghetto-Oma


sehr gut

Das Taschenbuch "Ghetto Oma" wurde von "Fräulein Krise" verfasst, hinter diesem Pseudonym verbirgt sich eine erfahrene Lehrerin, die manchem Leser wahrscheinlich schon aus den Büchern von "Frau Freitag" bekannt ist, da sie eine Freundin von "Frau Freitag" ist und jede auch jeweils im Buch oder in den Büchern der anderen Lehrerin auftaucht. Allzu viel kann man über "Fräulein Krise" nicht in Erfahrung bringen, nur dass sie selbst ein Lehrerkind ist, Biologie und Kunst auf Lehramt studiert hat und zunächst 20 Jahre an einer Gesamtschule in Hessen gearbeitet hat, bevor sie dann an eine sogenannte Brennpunktschule gewechselt ist. Verheiratet war sie auch lange Zeit mit einem Lehrer, das Thema Schule spielte in ihrem Leben also definitiv schon immer eine wichtige Rolle.

Nun aber zum Buch selbst. Den Titel "Ghetto Oma" finde ich ehrlich gesagt, nicht so passend gewählt, da mir hier der eindeutige Bezug zur Schule fehlt. Erst bei genauerem Hinsehen erkennt man eine Tafel im Hintergrund und den Untertitel "Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel", womit dann doch alles klar ist. Der Verfassername trägt sein Übriges dazu bei, zumindest wenn man schon die "Frau Freitag" -Bücher gelesen hat. Gegen Ende des Buches wird aber immerhin erklärt, woher die Idee zum Buchtitel stammt und dadurch erscheint er mir nun doch ganz sinnvoll. Frau Freitag verspricht sich in ihrer Klasse und gibt, verwirrt von den ganzen grammatikalisch falschen Sätzen ihrer Schüler, eine Satz von sich, bei dem sogar die Kinder merken, dass der so nicht korrekt ist. Deshalb sind sie stolz auf ihre Lehrerin und küren sie zur "Ghetto Oma".

Das gesamte Buch handelt vom Schulalltag von "Fräulein Krise", einmal von dem an ihrer heutigen Schule, der Brenntpunktschule an welchem genauen Ort auch immer. Hier erlebt man ein Schuljahr von "Fräulein Krises" Problemklasse mit, einer Neunten, für die sie sich die Klassleitung mit einem Kollegen namens Karl teilt, weil die Schüler einen erhöhten Bedarf an Aufmerksamkeit seitens der Lehrer haben. Diese Teile des Buches erinnern oft an "Frau Freitag", da sich die Schüler in ihren Ausdrucks- und Verhaltensweisen sehr ähneln. Diese werden dann auch immer ungeschönt wiedergegeben, sodass es viele Dialoge im Sprachstil der Schüler gibt, der selten Artikel oder grammatikalisch korrekte Endungen aufweist. Das macht das Buch realitätsnah und manche Begebenheiten sind dann doch auch recht lustig. Allerdings muss ich sagen, dass ich mich "Frau Freitag" und ihren Schülern doch etwas näher gefühlt habe und mich mehr amüsiert habe. "Fräulein Krise" stellt auch verschiedenste Schülercharaktere in ihren Eigenheiten und übertriebenen ("Ich werde Polizei") oder auch nicht vorhanden Zukunftsvorstellungen vor, aber mit "Frau Freitag" konnte ich mich mehr identifizieren, vielleicht auch, weil sie eher meiner Altersklasse entspricht. Was man "Ghetto Oma" stattdessen aber zugute halten muss, ist, dass man einen recht guten Einblick in das private Umfeld der Schüler bekommt und auch davon, wie sie vom muslimischen Glauben und den herrschenden Wertevorstellungen in ihren Familien geprägt werden. Das blieb bei "Frau Freitag" eher oberflächlich.
Dazu kommen, immer durch eine dickere Schriftart optisch abgehobene, Rückblicke von "Fräulein Krise", die sich thematisch immer auf das vorher beschriebene Ereignis mit ihrer aktuellen Klasse beziehen. Dabei erinnert sie sich an ihre eigene Referendarszeit und die Fehler, die sie als junge Lehrerin begangen hat, an Unterschiede, an Referendare, die sie ausgebildet hat und natürlich auch an besondere Schüler, die ihr immer im Gedächtnis geblieben sind. Durch ihr langes Lehrerdasein verfügt sie natürlich über einen immensen Erfahrungsschatz, den sie in dieses Buch einbringt, sodass sich auch hier noch einmal interessante und auch amüsante Anekdoten finden, die gleichzeitig deutlich machen, dass sich an unseren Schulen und in unserer Gesellschaft doch vieles verändert hat, worauf reagiert werden muss.

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