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solveig

Bewertungen

Insgesamt 471 Bewertungen
Bewertung vom 03.04.2022
Das Mädchen und der Totengräber / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.2
Pötzsch, Oliver

Das Mädchen und der Totengräber / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.2


ausgezeichnet

Mord mit Lokalkolorit

Wieder einmal kreuzen sich die Wege von Inspektor Leopold von Hertzfeld und dem kauzigen Totengräber Augustin Rothmayer: während er den Tod eines mumifizierten Archäologen aufklären soll, verhilft ihm Rothmayer zu wichtigen Erkenntnissen. Als sich Leo schließlich der Lösung des Falles immer mehr nähert, kommt plötzlich der Befehl, alle Untersuchuchungen einzustellen. Stattdessen erhält er die Weisung, mit Hochdruck bei einer Reihe rätselhafter Morde an jungen Männern zu ermitteln, die sich häufen…
Auch dieser zweite Teil der Totengräber-Serie erzählt nicht nur auf packende Weise von verzwickten Mordfällen, sondern schildert auch anschaulich das Leben gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Wien mit all seinen Facetten. Erneut gelingt es dem Autor vortrefflich, seinen Roman lebendig werden zu lassen, indem er reale historische Ereignisse mit Fiktion verbindet. Politische und soziale Aspekte werden ebenso einbezogen wie wissenschaftliche und technische Fortschritte oder auch die Anfänge moderner Kriminalistik. Detaillierte Milieuschilderungen lassen den Leser in das Leben kurz vor der Jahrhundertwende eintauchen und mit den Protagonisten fühlen.
Ein spannender Roman mit einem eindrucksvollen Blick in eine vergangene Epoche!

Bewertung vom 23.03.2022
Der Erinnerungsfälscher
Khider, Abbas

Der Erinnerungsfälscher


ausgezeichnet

Minenfeld Gedächtnis

Wieviel Inhalt ein schmaler Buchband transportieren kann, beweist Abbas Khider sehr eindrucksvoll in seinem neuen Roman „Der Erinnerungsfälscher".
Sein Protagonist Said Al-Wahid hat sich gerade in Deutschland eine neue Heimat geschaffen, als sein Bruder ihn aus dem Irak anruft, um ihm mitzuteilen, dass ihre Mutter im Sterben liege und er so schnell wie möglich kommen möge. Sie und Bruder Hakim sind Saids letzte Verbindung zu seiner Familie im Irak. Während seines Fluges nach Bagdad und des kurzen Aufenthaltes in seinem ehemaligen Vaterhaus bestürmen ihn Erinnerungen an sein früheres Leben. Welche Geschehnisse davon sind tasächlich passiert, welche sind „Lückenfüller"?
Khider versteht es meisterhaft, die bruchstückhaften Erinnerungen seines (vielleicht) Alter Ego - zeitlich Stück für Stück rückwärts gehend - in Saids gegenwärtige Existenz als angehender Schriftsteller mit deutschem Pass einzubeziehen. Sein leicht wirkender Schreibstil täuscht allerdings: gerade die kurzen Sätze und die knapp und sachlich formulierten Erinnerungen stecken voll tiefer, dramatischer Bedeutung. Eindrücklich vermitteln sie dem Leser den Grund, warum viele Erinnerungen Saids „zu den Minenfeldern im Gedächtnis …“ gehören, „die er nicht gern betreten möchte", weil sie ihn zerstören könnten. Und weshalb er für sich den Begriff des „Erinnerungsfälschers" nutzt, der traumatische Erlebnisse in seinem Gedächtnis zu unterdrücken sucht.
Gewalt, Verfolgung, Flucht: einen wirklichen Schutzwall kann Saids Gedächtnis dazu nicht aufbauen. Doch der deutsche Pass, den er ständig bei sich trägt, und sein kleiner, in Berlin geborener Sohn geben ihm ein Gefühl der Sicherheit und Hoffnung.

Bewertung vom 15.03.2022
Doppelporträt
Pleijel, Agneta

Doppelporträt


sehr gut

Charakterbildnisse

Wer Bilder von Oskar Kokoschka kennt, weiß, dass der Maler mit seinen Porträts viel mehr darstellen will als nur das äußere Erscheinungsbild seines Modells. Auch, als er im Jahr 1969 den Auftrag, ein Bildnis Agatha Christies zu ihrem achtzigsten Geburtstag zu malen, annimmt, wendet er seine übliche Arbeitsweise an: Er versucht, sein Modell zum Erzählen zu bewegen, um Minenspiel und Gestik studieren zu können und so etwas von dessen Persönlichkeit bildlich einzufangen. Zu seinem Erstaunen dreht die große Dame der Kriminalliteratur den Spieß zunächst allerdings um. Der 85jährige selbst sieht sich genötigt, eine Rückschau auf sein ereignisreiches Leben preis zu geben, um anschließend Agatha zum Erzählen zu bringen…
Agneta Pleijel gibt ihrem Roman einen festen Rahmen. In sechs Mal-Sitzungen, denen eine Einführung vorangestellt wird und ein Epilog folgt, entsteht nicht nur Kokoschkas Bildnis von Agatha Christie. Gleichzeitig erschafft die Autorin ein literarisches Doppelporträt der zwei alternden Künstler, indem sie beide wechselseitig bedeutsame Ereignisse, die ihr Leben stark beeinflussten, schildern lässt. Ihr knapper Schreibstil und die kurzen Sätze entsprechen den skizzenhaften Ausschnitten aus den jeweiligen Lebensläufen; manches wird nur angerissen, anderes etwas näher ausgeführt. Eine wissenschaftliche Biografie ist hier nicht gewollt, nur ein kleiner Einblick in zwei Persönlichkeiten, ein subjektives „Doppelporträt".

Bewertung vom 03.03.2022
Vertrauen
Mishani, Dror

Vertrauen


ausgezeichnet

Hintergründig

Dror Mishani hat einen neuen Fan bekommen: "Vertrauen" ist zwar der erste Roman des israelischen Schriftstellers, den ich gelesen habe, aber seine Kunst, vordergründige Themen auf äußerst hintergründige Weise zu erzählen, hat mich fasziniert.
Eigentlich fühlt sich Inspektor Avi Avraham zu Höherem berufen. Doch während er ein Versetzungsgesuch stellt, weil ihn die Bagatellfälle seiner Abteilung langweilen, warten schon die nächsten Aufgaben auf ihn. Die Aussetzung eines Babys und das Verschwinden eines Touristen sollen geklärt werden. Auf den ersten Blick unbedeutend, entwickeln die Fälle dennoch eine Dynamik und erweisen sich als nicht leicht zu knackende Probleme. Und schließlich gerät Avraham auch noch in einen Gewissenskonflikt; denn er scheint bei seinen Ermittlungen dem israelischen Geheimdienst Mossad zu nahe gekommen zu sein.
Mishanis angenehmer, gut lesbarer Schreibstil hält den Leser in Atem. Seine ruhige Art, seine Themen zu vermitteln und sich langsam entwickeln zu lassen, überzeugt. Last but not least versteht der Autor es großartig, die im Vordergrund stehenden Probleme mit Fragen zu verknüpfen, die weit darüber hinaus weisen, und den Protagonisten - und auch den Leser - noch lange beschäftigen.

Bewertung vom 15.02.2022
Meine kleine Welt
Arenz, Ewald

Meine kleine Welt


gut

„Kindererziehung ist manchmal besser als Kino“ …

… stellt Ewald Arenz in einer seiner Kurzgeschichten fest, und jeder, der selbst Kinder hat, kann ihm da ohne Vorbehalt zustimmen. Mit viel Humor erzählt der Autor aus seinem alltäglichen Leben, in dem es (natürlich) nicht nur harmonisch zugeht. Ob in seiner Funktion als Lehrer, beim Treffen mit Freunden oder in der Kernfamilie: kleine Katastrophen und Erziehungsprobleme werden mit Ideenreichtum und Witz gemeistert. Das eine oder andere Problem kennt sicher fast jeder Leser, auch wenn so manche Situation überspitzt dargestellt wird.
Arenz´ „Kleine Welt“-Szenen sind amüsant, locker geschrieben und leicht zu lesen. Allerdings vermisse ich die Qualität, die mich in seinen beiden letzten Romanen begeistert hat. Für mein Empfinden reichen seine Kurzgeschichten atmosphärisch und sprachlich nicht an „Alte Sorten" oder "Der große Sommer" heran, die ich sehr schätze. Schade.

Bewertung vom 14.02.2022
Das Mädchen mit dem Drachen
Colombani, Laëtitia

Das Mädchen mit dem Drachen


sehr gut

Bildung als Zukunftsperspektive

Die Begegnung mit dem indischen Mädchen Lalita am Strand von Bengalen gibt Lénas Leben eine klare Richtung und einen neuen Sinn. Die französische Lehrerin, die sich eigentlich weit von ihrem gewohnten Umfeld entfernt von einem Schicksalsschlag erholen will, erlebt hier hautnah den harten Lebensalltag der Kinder aus der ärmsten und verachtetsten Kaste Indiens und beschließt, ihnen zu helfen. Mit der Unterstützung von Preeti, der mutigen Anführerin der kämpferischen Roten Brigade, treibt sie den Plan eines Dorfschulprojektes voran. Die Chance auf Bildung soll den Kindern die Möglichkeit auf eine bessere, selbst gestaltete Zukunft eröffnen.

Sehr anschaulich und mit viel Empathie schildert Laetitia Colombani Lénas unermüdlichen Kampf : gegen Behörden, gegen den Widerstand vieler Eltern, gegen Traditionen – und nicht zuletzt gegen ihre eigenen tiefsitzenden Konflikte. Die Autorin behandelt in ihrem Roman eine Fülle (sorgfältig recherchierter) gesellschaftlicher Probleme, doch bei aller Dramatik bleibt ihr Schreibstil leicht und angenehm. Sie versteht es, den Leser mitzunehmen und erleben zu lassen, wie der Wunsch Lénas, etwas zum Guten zu verändern, mit den Gepflogenheiten der indischen Dorfbevölkerung kollidiert und sie ohne Zugeständnisse an deren (oft verzweifelte) Situation nichts erreicht. Colombanis Roman und die hier thematisierten sozialen Probleme rütteln auf und wirken noch lange beim Leser nach.

Bewertung vom 14.02.2022
ministeps: Mein erstes großes Gutenacht-Buch
Grimm, Sandra

ministeps: Mein erstes großes Gutenacht-Buch


sehr gut

"Sandmann, komm doch .."

Das große „Gutenacht-Buch“ macht seinem Namen wirklich alle Ehre: sein großes quadratisches Format spricht nicht nur Kinder an. Es ist ein wunderschönes Bilderbuch zum gemeinsamen Betrachten, in dessen großzügigen, nicht zu detailreichen Illustrationen die Kleinen viele ihnen bekannte und vertraute Dinge entdecken. Katja Senners Bilder sind durchweg unkompliziert, fröhlich und farbenfroh. Harmonisch ergänzen sie Sandra Grimms kleine Gedichte und Geschichten. Kurze Episoden aus dem Kinderalltag wechseln mit gereimten Gutenacht-Versen, in denen die Kuscheltiere Emil, Frida, Butz, Locke und Pelle immer wieder auftauchen.
Ein zusätzliches Plus sind der kompakte, aber trotzdem weiche Einband, der sich zur Not auch einmal feucht abwischen lässt, und die festen Kartonseiten, die auch den neugierigsten kleinen Fingern standhalten. Ein wirklich empfehlenswertes Bilder- und Vorlesebuch für die Kleinsten!

Bewertung vom 15.12.2021
Jane Austen und die Kunst der Worte / Außergewöhnliche Frauen zwischen Aufbruch und Liebe Bd.7
Bell, Catherine

Jane Austen und die Kunst der Worte / Außergewöhnliche Frauen zwischen Aufbruch und Liebe Bd.7


sehr gut

Ein Leben für die Kunst

Wer ist Jane Austen, die Autorin solch literarisch bedeutungsvoller Werke wie "Stolz und Vorurteil" oder „Emma“?
Catherine Bell versucht ein wenig Licht in das Dunkel von Austens Leben (1775 – 1817) zu bringen. Da nur wenige belegte Einzelheiten überliefert sind, mischt sie die spärlichen Fakten mit Fiktion. Mit viel Empathie versetzt sie sich in Janes Person und ihr Zeitalter. Sie schildert Janes Leben und den mühsamen Weg bis zur anerkannten Schriftstellerin auf ihre spezielle, sensible Weise. Es ist unterhaltsam und spannend zu lesen, wie Jane als junges Mädchen bereits mit dem Schreiben beginnt und mit den Worten ringt, um ihre Gedanken zu Papier zu bringen. Austens scharfe Beobachtungsgabe und ihr feiner Humor verhelfen ihren Büchern schließlich zu Erfolg.
Doch in dem engen Korsett der Sitten ihrer Zeit gibt es für sie kaum Möglichkeiten zur Entfaltung. Sie ficht so manchen Kampf mit sich selbst (und ihrer Mutter) aus, bis sie sich gegen die konventionelle Lebensweise der Ehefrau und Mutter entscheidet, um sich ungehindert dem Verfassen ihrer Romane zu widmen.
Catherine Bell gelingt eine warmherzige, leicht zu lesende Romanbiografie, die Jane Austen auch Lesern nahebringt, die noch keines ihrer Werke kennen.

Bewertung vom 31.10.2021
Merdyns magische Missgeschicke: Zaubern will gelernt sein! / Merdyn Bd.1
Farnaby, Simon

Merdyns magische Missgeschicke: Zaubern will gelernt sein! / Merdyn Bd.1


sehr gut

Spannend und spaßig

Mittelalter trifft auf Moderne: Merdyn der Mächtige findet sich nach einem Gerichtsprozess im Jahre 511 unversehens im 21. Jahrhundert wieder und ist auf den Beistand eines Schulmädchens angewiesen, um sich zurecht zu finden. Er verspricht Rosie als Gegenleistung einen Sangeszauber, mit dem sie hofft,all ihre Probleme lösen zu können. Wie man sich denken kann, sind allerhand Missverständnisse und Missgeschicke vorprogrammiert, denn ein Zeitunterschied von mehr als tausend Jahren ist nicht so einfach zu überbrücken.
Sehr witzig und überaus spannend erzählt Simon Farnaby, wie es Merdyn bei seiner Zeitreise ergeht. Es ist köstlich, wie er Merdyns mittelalterlichen Stil der modernen Sprache gegenüberstellt und auch auf die korrekte Bedeutung von Wörtern eingeht: so etwa lernen wir auf humorvolle Weise die feinen Unterschiede der Bezeichnungen Hexenmeister, Zauberer oder Magier kennen. Vielleicht noch Unbekanntes erklärt der Autor in Fußnoten auf lockere, amüsante Art, so dass die Erläuterungen nicht „lehrerhaft“ klingen.
Die Illustratorin Claire Powell gestaltet die komischen Situationen, in die Merdyn und seine modernen Freunde geraten, bildlich. Ihre vielen schwarz-weißen Zeichnungen begleiten humoristisch den Buchtext.
Unser Fazit: Kinder, die solche lustigen Fantasiereisen lieben, werden die Geschichte des in die Gegenwart katapultierten Magiers mit viel Spaß lesen.