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Janine2610
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Großmugl

Bewertungen

Insgesamt 141 Bewertungen
Bewertung vom 27.07.2016
Süden und der glückliche Winkel / Tabor Süden Bd.11
Ani, Friedrich

Süden und der glückliche Winkel / Tabor Süden Bd.11


ausgezeichnet

Von Anfang an macht Süden ein Geheimnis daraus: er könne es niemandem erzählen, warum Cölestin Korbinian tagelang unauffindbar war. Diese Geheimniskrämerei macht den Leser natürlich erst mal sehr neugierig auf die Motive des untergetauchten Postangestellten. Eigenartig ist auch, dass Korbinian Süden nach seinem Auftauchen gesagt hat, »er sei nicht dazu gekommen«, sich in dem einen Monat bei seiner Frau, die ihn vermisst gemeldet hat, zu melden, dann aber auch nicht damit gerechnet hat, dass diese die Polizei informieren könnte, und dann vor Süden zusätzlich noch auf »alles okay und ganz normal« tut. - Eine sehr rätselhafte Einleitung jedenfalls!

So erzählt Süden nun also nach und nach, wie seine Ermittlungen verlaufen sind, mit wem er gesprochen hat und was er alles ausprobiert hat, um auf eine Spur von Cölestin zu kommen. Vor allem erfahren wir währenddessen viel über das Wesen von Cölestin, um uns besser in ihn hineinversetzen zu können. Wenn ich ihn kurz mit ein paar Worten beschreiben müsste, würde das so ausfallen: Er war wie immer. - Sein bisheriges Leben wirkte auf mich so langweilig, sein Alltag so belanglos. Ein ganz und gar unaufgeregter Typ Mann, der alles wie immer gemacht hat. Sein plötzliches Verschwinden wirkte wie ein Ausbrechen und war für Cölestin so abnormal, dass es als wirklich besorgniserregend galt. Dann fand Süden Tatsachen heraus, die man von dem Postler niemals erwartet hätte: unter anderem hat das mit zwei Frauen zu tun, einem alten blinden Hund, den Süden sogar spontan in die Ermittlungen miteinbezogen hat und nicht zuletzt spielt noch eine Kunstausstellung, genauer gesagt die Gemälde von Spitzweg eine tragende Rolle in der ganzen Geschichte.

~ »Der Cölestin braucht immer ewig, bis der was verändert.« ~
(S. 40)

Das Innenleben von Süden und seinem besten Freund und Kollegen Martin Heuer nehmen in diesem Buch auch wieder einen wesentlichen Raum ein. Ganz besonders Martin fällt hier auf: seine zunehmende Veränderung ins Negative. Man merkt deutlich seine depressiven Anwandlungen, sein verwahrlostes Aussehen, seinen schlechten körperlichen Zustand, seinen Alkoholkonsum. Man sorgt sich um ihn - nicht nur ich, sondern auch Süden tut das. Aber Martin ist ein harter Brocken ...

Süden und Martin sind sich eigentlich recht ähnlich: Zwei Männer jenseits der 40, wortkarg und ein eigensinniges Verhalten an den Tag legend. Je mehr man die beiden von Buch zu Buch kennenlernt, wird einem klar, dass sie eigentlich voller Sehnsucht sind. Einer Sehnsucht nach einem freien, einmaligen Leben, in dem sie nichts tun müssen, was von ihnen erwartet wird, in dem sie leibhaftige und lebhafte Wesen sein können, die sich nicht einfangen, einengen und am Ende töten lassen.
Irgendwann in jungen Jahren hatten sie den Zeitpunkt verpasst, sich für das »wirkliche« Leben zu entscheiden und sind Polizeibeamte geworden ... Und Süden, der kommt scheinbar besser damit klar, als sein bester Freund Martin ...

~ »Für einen Polizisten sind Sie auf jeden Fall reichlich normal.«
»Ich bin nicht normal«, sagte ich. »Fragen Sie meinen Vorgesetzten.« ~
(S. 147)

Ani schreibt seine Geschichten immer recht melancholisch und trüb. Süden ist Einzelgänger, ein Beobachter, jemand, der nicht wertet und lieber zu verstehen versucht. In gewisser Weise hat er auch Ähnlichkeit mit dem verschwundenen Cölestin, der ebenso sehr von einem Alleinsein erfasst ist, wie unser einfühlsamer Vermisstenfahnder.

Besonders spektakulär ist und endet dieser Fall zwar nicht, aber er erzählt eine teilweise sehr schöne poetische Geschichte von Stille, Einsamkeit und Anderssein, die es für aufmerksame Leser herauszulesen gilt.
Ich mochte das Ende sehr gerne. Auch wenn man nicht mehr explizit erfährt, warum Süden über das Verschwinden Cölestins nichts verraten kann, wusste ich dennoch irgendwie, warum: möglicherweise, weil es niemand nachvollziehen hätte können, warum Cölestin in seinem Winkel der Einsamkeit glücklich ist.

Bewertung vom 16.07.2016
Anne Frank Tagebuch
Frank, Anne

Anne Frank Tagebuch


sehr gut

Das Tagebuch der Anne Frank zählt zur Weltliteratur und wird als eines der eindringlichsten Dokumente über die Judenverfolgung während des 2. Weltkrieges beschrieben. Alleine durch diese Beschreibung wollte ich zu dem Buch greifen und mir selbst ein Bild von den Gedanken eines jungen jüdischen Mädchens über ihr Leben im Amsterdamer Hinterhaus-Versteck machen. Gelesen habe ich das Buch schlussendlich mit zwei Bloggerinnen in einer gemeinsamen Leserunde, denn dass es zu der Thematik viel zu besprechen gibt, davon war auszugehen ...

Das Schicksal der Anne Frank dürfte vielen wahrscheinlich schon bekannt sein: Sie starb im Frühjahr 1945 im KZ Bergen-Belsen, nachdem das Versteck, in dem sie und die anderen sieben Untergetauchten lebten, im Jahr davor von einem Lagerarbeiter an die Nazis verraten wurde. Diese Tatsache, die mir während dem Lesen natürlich ständig bewusst war, macht es schwer zu lesen, dass sich Anne Gedanken über die Zeit nach dem Krieg macht, Hoffnung hat und versucht, das beste aus der Situation im Hinterhaus zu machen. Wenn man weiß, dass sie nicht überleben wird, hinterlässt das einen trüben und traurigen Beigeschmack ...

Jedoch muss man sagen, dass derartige Gedanken nicht vorherrschend sind. Anne schreibt zwar hin und wieder in ihr Tagebuch, dass sie alle Angst haben und besorgt sind wegen dem, was draußen vor sich geht, aber die grundsätzlichen Themen sind eher die alltäglichen Probleme eines 13 bis 15-jährigen Mädchens mit ihrer Mutter, ihrer Schwester Margot oder den anderen im Hinterhaus lebenden Menschen. Anne verwendet auch viel Raum, um den ewig ähnlichen Tagesablauf zu beschreiben, über ihre Helfer zu sprechen, oder dass sie oft still sein mussten, wenig abwechslungsreiches Essen zur Verfügung hatten und dergleichen. Das habe ich so nicht ganz erwartet und fand ich manchmal etwas trocken zu lesen. Generell hätte es mich mehr interessiert, wenn Anne mehr über die derzeitige politische Lage, die derzeitige Kriegssituation bzw. das, was das in ihr ausgelöst hat, geschrieben hätte.

Anne ist ein charakterstarkes, lebensmutiges Mädchen mit ausgedehnter Energie. Sie kann ihren Willen durchsetzen und ist unbeeinflussbar, weswegen sie im Hinterhaus auch immer wieder angeeckt hat. Und da genau das das war, was sie am meisten beschäftigt hat, wurde es auch lang und breit thematisiert.
In meiner Taschenbuchausgabe kam durch die vielen Fotos, die immer wieder zwischendrin abgebildet waren, aber glücklicherweise etwas Abwechslung zustande. Und dann gab es von Zeit zu Zeit auch mal Situationen, in denen es für Anne und ihre Familie brenzlig wurde, weil sie beispielsweise unvorsichtig im Hinblick auf die Lautstärke waren - also, es war auch Spannung und Aufregung beim Lesen vorhanden, keine Frage!

Es ist am Ende des Buches erschreckend, dass die Tagebucheinträge so plötzlich aufhören, ohne Vorwarnung. Man weiß zwar, dass die acht Hinterhäusler nun gefasst wurden, aber es lässt einen doch irgendwie fassungslos zurück, weil es von Anne ja nun keine Einträge mehr gibt und von ihr nicht mehr erfährt, wie es ihr weiterhin ergangen ist, was sie persönlich noch alles bis zu ihrem Tod durchstehen musste ... Ich war aber trotzdem sehr dankbar für das Nachwort in dieser Ausgabe, das zwei Seiten umfasst und die Schicksale von den acht Untergetauchten thematisiert - die wirklich alles andere als rosig sind! Besonders lesenswert empfand ich im Anschluss darauf dann noch Mirjam Presslers Text über Anne Franks Leben und die Geschichte der Familie von Anne Frank, der insgesamt etwa 24 Seiten lang war. Ein äußerst interessanter Abschluss, wie ich finde!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.07.2016
Das Mädchen auf den Klippen
Riley, Lucinda

Das Mädchen auf den Klippen


ausgezeichnet

»Das Mädchen auf den Klippen« ist ein Roman, in dem die irische Protagonistin Grania Ryan dem einen oder anderen familiären Geheimnis auf die Schliche kommt, das von ihrer Mutter jahrelang unter Verschluss gehalten wurde.
Eigentlich strotzt die Geschichte nur so vor Ungereimtheiten und auftauchenden Fragen. Angefangen hat die Problematik schon bei Granias Urgroßmutter Mary und erstreckte sich bis in die Generation von Granias Mutter, in der die eigentliche Katastrophe geschehen ist.
Granias Abhängen mit Aurora bringt ihre Mutter also dazu, ihr von ihrer unangenehmen Vergangenheit zu erzählen, die immer noch eine Menge Wut und Traurigkeit hochkommen lässt.

~ »Manchmal kann das Leben der Erwachsenen ziemlich kompliziert sein.« ~
(S. 401)

Dass die Mutter Grania all das nie erzählt hat, fand ich zwar nicht so schlimm, da es Grania nicht wirklich betrifft, aber was wäre denn schon falsch daran gewesen, offen über die Geschehnisse der Vergangenheit zu sprechen? Die diesbezügliche Sturheit der Mutter hat Grania für sich im Laufe ihres Lebens wohl auch angenommen. Granias dummer, lächerlicher, zerstörerischer Stolz und ihre Unsicherheit sind der Grund, weswegen sie sogar einige Zeit blind für die Liebe war und beinahe den Mann ihres Lebens für immer verloren hätte ...

~ Heutzutage sagen viele Frauen, sie brauchen nicht unbedingt einen Mann, aber sind wir nicht auf der Welt, um einen Partner zu finden? Jagen wir nicht den größten Teil unseres Lebens der Liebe hinterher? ~
(S. 422)

Hätte es da nicht Aurora gegeben ... dieses ungewöhnliche Mädchen verblüffte mich beim Lesen immer wieder mit ihrer intelligenten und starken Wesensart und hat Dinge getan und gesagt, für die man sie nur lieben und bewundern konnte.
Ich war also ein großer Fan von der kleinen Aurora, diesem Engel auf zwei Beinen! Grania mochte ich eigentlich auch ganz gerne, ihre andauernde Sturheit und Abwehr, wenn es darum ging, dass Matt mit ihr reden will, hat mir die Sympathie zu ihr aber manchmal etwas zunichte gemacht.

~ Ich habe einen großen Teil meiner Kindheit in Gesellschaft Erwachsener verbracht und wundere mich immer noch darüber, dass sie so oft nicht sagen, was sie meinen. Dass keine Kommunikation stattfindet, selbst wenn es um Liebe geht. Dass Stolz, Wut und Unsicherheit das Glück unmöglich machen. ~
(S. 421)

Lucinda Riley hat auch diesen Roman wieder sehr fesselnd und fragenaufwerfend geschrieben. Es ist spannend, all die Familiengeheimnisse und Begebenheiten der Vergangenheit nach und nach, sowohl von Auroras Familie, als auch von den Ryans, zu erfahren. Auch der eine oder andere tragische Tod oder Schicksalsschlag in der Geschichte hat mich als Leserin tief bewegt. Alles in allem also ein Buch, das exzellente Unterhaltung und Spannung bietet und zu fesseln weiß. Ich empfehle es gerne weiter!

Bewertung vom 29.06.2016
Beim Leben meiner Schwester
Picoult, Jodi

Beim Leben meiner Schwester


sehr gut

Die Thematik des Buches ist ziemlich bedrückend, aber auch brisant: Ein wenig erfährt man davon ja schon aus dem Klappentext, aber ich versuche es noch einmal kurz in meinen eigenen Worten zusammenzufassen: es geht um Anna, ein 13-jähriges Mädchen, das sich entweder für sich und somit für den Tod ihrer Schwester Kate, oder aber gegen sich selbst und damit automatisch für das Weiterleben ihrer Schwester entscheiden muss.

Ich kann in dem Fall den Wunsch der Eltern, dass Anna weiterhin für Kate lebensrettende Flüssigkeiten spenden soll, sehr gut verstehen, schließlich geht es für Kate um Leben und Tod, aber auch Annas Seite verstehe ich mehr als gut. Für die jüngere Schwester ist ein Leben, in dem sie ständig für ihre Schwester zur Verfügung stehen und als Ersatzteillager herhalten muss, auch kein leichtes Los. Ich wüsste nicht wirklich, wie ich mich an Annas Stelle entscheiden würde, das ist schon echt hart und ich bin sehr froh darüber, dass ich nicht in so einer Situation stecke.

~ Dieses Mädchen verliert entweder seine Schwester, denke ich, oder es verliert sich selbst. ~
(S. 134)

Ich "musste" das alles also nur lesen und durfte die Gedanken und Handlungen der Protagonisten gebannt mitverfolgen, und musste nicht selbst in so einer prekären Lage Entscheidungen treffen.
Die Kernfrage in diesem Buch lautet hier: Was ist moralisch richtig und was falsch? Es steht unter anderem eine Gerichtsanhörung im Mittelpunkt, in der darüber entschieden werden soll, ob die 13-jährige Anna ab nun selbst über ihren Körper in medizinischen Belangen entscheiden darf.

Ich konnte Annas Entscheidung, dieses Gerichtsverfahren anzustrengen, gut verstehen, denn die Autorin lässt auch immer wieder Gespräche und Szenen in dem Buch auftauchen, in denen Anna sich in Gegenwart ihrer Eltern wie Luft gefühlt hat, ... aber ich habe trotzdem nie daran gezweifelt, dass Anna von ihren Eltern genauso sehr geliebt wird, wie die todkranke Kate. Ich denke, das hat die Autorin schon bewusst so anklingen lassen, damit man nicht auf den wahren Grund kommt, weswegen Anna all das geplant hat ...

~ Denn anders als der Rest der freien Welt bin ich kein Zufallsprodukt. Und wenn eure Eltern euch aus einem bestimmten Grund bekommen haben, dann ist zu hoffen, dass es den Grund noch gibt. Denn sobald er sich erledigt hat, seid ihr es auch. ~
(S. 12)

Wie gesagt: Es ist keine leichte Thematik, es geht um eine seltene Form der Leukämie, es geht ums Sterben, ums Überleben, um Rettung und um Selbstbestimmtheit. - Es geht vor allem darum, was all das in einer Familie anrichten kann.

Es wird kapitelweise abwechselnd aus der Sicht eines anderen Fitzgerald-Familienmitglieds und zusätzlich aus der Sicht von Annas Anwalt Campbell und der Verfahrenspflegerin Julia erzählt. Zwischendrin gab es auch manchmal Zeitsprünge in die Vergangenheit. - Ich fand diesen dauernden Charaktere-Sichtwechsel und die Zeitsprünge erst noch schwierig bzw. störend beim Lesen, habe mich aber glücklicherweise schnell daran gewöhnt und dann keine Probleme mehr gehabt.

~ In meiner Familie ist es eine traurige Gewohnheit, dass wir nicht das sagen, was wir sagen sollten, und das, was wir sagen, nicht so meinen. ~
(S. 108)

Abschließend möchte ich noch sagen, dass mich das Buch, gerade zum Ende hin, ziemlich mitgenommen hat, denn da passiert etwas, womit ich so gar nicht mehr gerechnet habe und die Anhörung, die Anna die ganze Zeit unbedingt wollte, im Grunde überflüssig gemacht hat. Aber mehr möchte ich an dieser Stelle nicht mehr verraten ... Es ist auf jeden Fall eine Geschichte, die zum Nachdenken über das eigene Dasein anregt und die wegen seiner Dramatik und den Gewissenskonflikten darin auf jeden Fall noch lange in meinem Kopf bleiben wird!

Bewertung vom 27.06.2016
Ho'oponopono
Duprée, Ulrich E.

Ho'oponopono


sehr gut

Ho’oponopono - ein auf den ersten Blick unaussprechlicher hawaiianischer Titel, der auf Deutsch soviel bedeutet wie »Richtig richtig machen«.
Der erste Satz des Buches sagt es auch schon: Es geht hierin vorrangig um Vergebung und all die positiven seelischen und körperlichen Resultate, die damit einhergehen, wenn man die Übung(en) wirklich ernst nimmt und dauerhaft anwendet.

Der Inhalt des Buches ist nach dem Motto »Heile dich selbst und heile die Welt« aufgebaut. Es wird davon ausgegangen, dass zu verzeihen - sich selbst, aber auch allen anderen Menschen - sich auf sich selbst heilsam auswirkt. Vergebung muss aber auf jeden Fall Hand in Hand mit bedingungsloser Liebe für sich selbst, für alle anderen Lebewesen, sowie für alles, was man sonst auf irgendeine Art und Weise wahrnehmen kann, einhergehen. Dabei soll es völlig egal sein, ob das, was man liebt, negativer Natur ist. Denn: Hass kann niemals mit Hass vertrieben werden. Nur Liebe vermag das. Und auf diesem Weg soll sich auch langsam Krankheit und das Negative in seiner Welt langsam zum Guten umkehren.

~ Vergebung befreit. Sie befreit uns von einer Last, die wir weder tragen können noch tragen wollen. [...] Vergebung heilt und macht das Leben leichter. ~
(S. 26)

Das Buchformat von Ho’oponopono ist nicht nur kleiner als das von "herkömmlichen" Büchern, es hat auch nur 95 Seiten und theoretisch wäre man mit dem Buch schnell fertig, es aber in einem Rutsch durchzulesen, finde ich nicht sehr sinnvoll, denn es ist so voll von wertvollem Wissen, das man kapitelweise erst mal auf sich wirken lassen und gegebenenfalls auch damit arbeiten sollte, ansonsten, so denke ich, hat man den Inhalt bald wieder vergessen, und dann hätte man sich die Lektüre auch gleich ganz sparen können ...

~ Es ist nicht möglich, andere Menschen zu ändern, aber jeder kann bei sich beginnen und auf diese Weise als Vorbild für andere wirken. ~
(S. 55)

Für mich persönlich war/ist die Ho’oponopono-Übung oder das Mantra bzw. die Affirmation (wie auch immer man es nennen mag) ganz besonders wertvoll: »Es tut mir leid. Bitte verzeihe mir. Ich liebe dich. Danke.« - Diese Affirmation sollte/kann man sich ständig in Gedanken (oder gerne auch ausgesprochen) vor sich hin sagen. Auch, wenn es sich erst total falsch oder eigenartig anfühlt, sich selbst oder anderen Menschen (gedanklich) zu sagen, dass man sie liebt und ihnen verzeiht (für alles, was sie gefühlsmäßig in dir auslösen), irgendwann soll das Unterbewusstsein diese Sätze angenommen haben und dann ... merkt man (vorausgesetzt man ist ein aufmerksames menschliches Wesen), wie das eigene Leben schöner und erfüllter wird, weil man mit der Zeit eben immer positivere Dinge anzieht.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.06.2016
Splitterfasernackt
Lindner, Lilly

Splitterfasernackt


ausgezeichnet

Lilly Lindner erzählt in ihrer Autobiografie »Splitterfasernackt« über einen sehr negativ prägenden Teil in ihrem Leben, der mich als Leser alles andere als kalt gelassen hat. Der Autorin sind Gewalt und sexueller Missbrauch schon im Kleinkindalter über mehrere Jahre hinweg angetan worden und später im Alter von 17 gab es dann erneut ein fürchterlich einschneidendes Erlebnis, das Lilly völlig aus der Bahn geworfen und seither ihr weiteres Dasein bestimmt hat.

~ Einmal in diesem Leben möchte ich morgens aufwachen und verstehen, warum ein Mann eine Frau vergewaltigt. Ich möchte begreifen, warum Männer kleine Kinder ficken. ~
(S. 242)

Man will es gar nicht glauben, dass das, was Lilly widerfahren ist, tatsächlich passiert ist. Zu grausam und unfair erscheint es einem. Man fragt sich: Wieso geschehen einem solche Dinge? - Das kann doch nicht einfach Pech oder Zufall sein!? Und vor allem - und habe ich erst gar nicht verstanden: Warum entschließt sich Lilly in Anbetracht der Geschehnisse dann dazu, als Prostituierte zu arbeiten? - Aber darauf gibt die Autorin uns in ihrem Buch eine Antwort, die ich, so irre sie auch klingt, doch sehr einleuchtend finde und verstehen kann.

Wer Lilly Lindner bereits kennt, weiß, dass sie eine Begabung für die Aneinanderreihung von Worten hat, die man so noch nie erlebt hat. Aber nicht nur das Geschriebene fasziniert und ist einzigartig, nein, ich finde, dass die Autorin genauso fesselnd spricht, wie sie schreibt.
Für Lilly Lindner war das Schreiben und der Umgang mit Worten die einzig richtige Entscheidung in so einer schwierigen Lebenssituation, in der sogar die Eltern versagt haben. Mit dem Schreiben will sie der Stille in ihrem Kopf entkommen, die da und einfach nicht aushaltbar ist, seitdem sie diese schrecklichen Erfahrungen machen musste.
Mutig, sehr mutig fand ich dann vor allem, dass sie ihr Buch zu einem Verlag getragen und veröffentlicht hat. Denn, wer weiß schon, wie vielen von uns Derartiges vielleicht auch passiert ist und darüber jahrelang eisern geschwiegen hat? Möglicherweise macht diese Autobiografie Betroffenen Mut, mit der Wahrheit herauszurücken?

~ Es ist merkwürdig zu sterben, ohne danach tot zu sein. Man fühlt sich leer und verloren, man weiß nicht so richtig, wohin man gehört. ~
(S. 25)

Autobiografien habe ich bisher noch nicht viele gelesen, aber von den wenigen, die ich bereits gelesen habe, ist Lilly Lindners »Splitterfasernackt« eine, die wegen all der Schicksalsschläge und anschließender Selbstgeißelung so emotional zu lesen ist und durch die unglaublich faszinierenden Wortkonstellationen in meinen Augen deswegen wirklich ein Lesehighlight war.

Bewertung vom 04.06.2016
Morgen kommt ein neuer Himmel
Spielman, Lori Nelson

Morgen kommt ein neuer Himmel


sehr gut

Das würden vermutlich nicht viele von uns behaupten: dass die eigene Mutter einen besser kennt, als man sich selbst. In der Geschichte von Brett Bohlinger scheint dies aber so zu sein ...
Als ich gelesen habe, dass sich die kürzlich verstorbene Elizabeth von ihrer Tochter Brett wünscht, dass diese eine Liste voller Lebensziele, die sie vor 20 Jahren (mit 14) verfasst hat, abarbeiten soll, damit sie an ihr Erbe kommt, ist mir gleich mal die Spucke weggeblieben. Ich habe mir gedacht: »Wie kann man denn von seiner Tochter nur erwarten, irgendwelche Wünsche, die vor 20 Jahren mal aktuell waren, heute abzuarbeiten?« Und das Ganze dann auch noch innerhalb nur eines Jahres!
Auf dieser Liste stand zum Beispiel: ein Pferd und ein Haus kaufen, einen Hund haben, sich in den Richtigen verlieben, ein Kind bekommen, usw. - In meinen Augen sind das Wünsche, die Zeit brauchen und nicht so mir nichts dir nichts aus dem Ärmel gezaubert sind. Ich war ja sehr skeptisch, ob das alles innerhalb eines Jahres (ohne Druck!) zu bewerkstelligen ist. Hinzu kommt meiner Meinung nach, dass man als 14-jähriges Mädchen andere Träume und Wünsche hat, als mit 34, es sei denn, man verändert sich in 20 Jahren überhaupt nicht, dann würde das natürlich schon noch passen. Und erst empfand ich Elizabeths Bedingungen wirklich als Frechheit, na gut, auch Brett war ja dementsprechend sauer, dass sich Elizabeth so in ihr Leben drängt und es scheinbar auf eine merkwürdige Art und Weise zerstören will. Akzeptabel wäre das für mich nur, wenn annehmbar gewesen wäre, dass Elizabeth ihre Tochter besser kennt, als die sich selbst.

~ Wer soll jetzt mein Selbstbewusstsein stärken, da meine Mutter nicht mehr ist? ~
(S. 13)

Ich muss gestehen, dass ich ziemlich lang empört über die Abarbeitung der Lebensziel-Liste war und mir auch Bretts Mutter Elizabeth mit ihrer fast schon unheimlichen Fähigkeit, ihre Tochter so gut zu kennen, dass sie beinahe schon ihre Gedanken lesen kann, nicht ganz geheuer war. Aber wie die Handlung dann so vorangeschritten ist, habe ich mehr und mehr Freude beim Mitfiebern mit Brett gehabt, wie sie nach und nach (oft auch durch Zufall oder im Zuge eines anderen Ziels) ihre alten Träume wahrgemacht hat.

Den Schreibstil der Autorin fand ich von Anfang an fantastisch: schön flüssig zu lesen, einfach zum Eintauchen und sehr angenehm, ohne zu stolpern.
Ganz zu Beginn, als ich zum ersten Mal die Zielliste gesehen habe und darauf ja doch sehr (viele) einschneidende Lebensereignisse zu finden sind, habe ich schon befürchtet, dass das nicht sehr in die Tiefe gehen kann. Die Taschenbuchausgabe hat 363 Seiten und es hat natürlich auch ein paar Seiten gedauert, bis Brett überhaupt erst von dieser Liste erfahren hat, weswegen dann noch weniger Seiten zur Verfügung waren, um die Erfüllung von Lebenszielen, die einen derartigen Stellenwert haben, ausreichend, in die Tiefe gehend und für den Leser zufriedenstellend darzustellen.

~ Werde ich je damit leben können, den Menschen in meinem Leben zu vermissen, der mich bedingungslos geliebt hat? ~
(S. 15)

Also die Oberflächlichkeit habe ich leider etwas zu bekritteln, hinzu kommt, dass die Geschichte an manchen Stellen schon absehbar war und das Ende war mir einen Touch zu kitschig und auch zu schnell abgehandelt.
Mein Gesamteindruck ist trotzdem nicht so schlecht, wie man jetzt vielleicht vermuten würde. Aufgrund des herrlichen Schreibstils, der wirklich viel wieder gut gemacht hat, weil mir die Charaktere unheimlich gefallen haben und weil ich das eine oder andere Mal doch sehr gebannt und gerührt von den Geschehnissen war, fällt meine Bewertung doch noch überdurchschnittlich aus.

Bewertung vom 30.05.2016
Gottes Tochter
Ani, Friedrich

Gottes Tochter


gut

»Romeo und Julia im heutigen Deutschland« verspricht gleich der erste Satz des Klappentextes von »Gottes Tochter« und war auch der Grund, weswegen ich sehr neugierig auf diesen Roman war. Die genaue Geschichte von »Romeo und Julia« kenne ich noch gar nicht und ich dachte mir, dass ich so vielleicht schon mal einen kleinen Vorgeschmack darauf bekomme. Und dass mein Lieblings-Vermisstenfahnder Tabor Süden darin auch eine tragende Rolle spielt, war noch ein zusätzlicher Anreiz, um zum Buch zu greifen.

Der Handlung, obwohl sie irgendwo zu beginnen scheint, konnte ich von Anfang an gut folgen, ich bin schnell in der Geschichte gelandet, war froh darüber, die altbekannten Buchfiguren Tabor Süden und seine Kollegin Sonja Feyerabend wieder zu treffen und habe auch die anderen Hauptcharaktere schnell erfasst.

~ »Manchmal glaub ich, du lebst gar nicht in der Wirklichkeit.«
»Wo denn sonst?«
»Irgendwo daneben. Wo es nur dich gibt.« ~
(S. 152/153)

Man merkt ganz schnell wieder diesen ganz eigenen melancholischen Ton im Geschriebenen, der schon fast gang und gäbe in Anis Büchern ist.
Auch eine gewisse Verzweiflung und Angst, aber irgendwie auch Apathie und Hoffnungslosigkeit, vor allem die jungen Protagonisten Julika und Rico betreffend, findet man hier zur Genüge.

Der Schreibstil, wenn nicht gerade Konversation geführt wurde, kam mir sehr poetisch vor. Zu den Charakteren selbst habe ich leider gar keinen Zugang gefunden und auch kein Mitleid mit ihnen gehabt. Warum? - Weil sie mir gefühllos erschienen sind. Der Fokus lag mehr auf ihren (sehr melancholischen) Gedanken und Handlungen. Und der Umgang zwischen Julika und Rico ist mir auch nicht sehr liebevoll vorgekommen - was ich persönlich eigentlich schon voraussetzen würde, wenn man gemeinsam vorhat, seine Familien zu verlassen und sich irgendwo ein neues Leben aufzubauen ...

~ »Was willst du?«, stieß er hervor.
»Nicht mehr dort sein, wo ich herkomm«, sagte sie. »Nie mehr wieder.« ~
(S. 31)

Tabor Süden ist mir diesmal leider nicht immer sehr sympathisch gewesen, manchmal sogar etwas nervig. Normalerweise schätze ich seine Ermittlungsmethoden und seine wortkarge Art, aber hier habe ich einfach nicht verstanden, warum er sich unbedingt in den Fall der verschwundenen Julika einmischen will, wenn er eh schon weiß, dass sie aus freien Stücken heraus von ihren Eltern am Tag ihrer Volljährigkeit abgehauen ist. Ich habe bis zum Schluss nicht genau verstanden, warum er Julika unbedingt finden wollte.
Auch die Konversationen mit Süden, aber auch die zwischen Julika und Rico, fand ich sehr mühsam zu lesen. Oftmals wurde schlicht und einfach nur mit »Ja.« oder »Nein.« geantwortet und dann kam irgendwie nichts mehr oder nur mehr Gedanken. So richtig weitergebracht hat das gewisse Gespräche nicht.

~ Ich bilde mir das selbstbestimmte, unzerstörbare Leben ein. Und in diesem Leben gibt es einen Menschen, mit dem ich aus meiner Einbildung hinaus in die Welt trete, und zwar in Schönheit. Gerade habe ich wieder einen Schritt geschafft. Von unserem Anfang kann uns niemand vertreiben. ~
(S. 206)

Band 9 der Tabor Süden - Reihe war in meinen Augen leider der schwächste, weil langweiligste, Teil der bisher 20-bändigen Reihe. Die durchgehende Melancholie fand ich diesmal etwas deprimierend und die Art so mancher Charaktere einfach nur herz- bzw. gefühllos, weswegen ich zu keiner Figur einen positiven Zugang gefunden habe. Was mich auch genervt oder gelangweilt hat, waren unter anderem die vielen einsilbigen Gespräche.
So recht weiterempfehlen will ich »Gottes Tochter« an dieser Stelle also nicht. Wer allerdings kein Problem mit meinen Kritikpunkten hat und einem poetischen Schreibstil nicht widerstehen kann, der könnte bestimmt seine Freude mit diesem Buch haben.