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Buecherundschokolade

Bewertungen

Insgesamt 136 Bewertungen
Bewertung vom 22.09.2023
Die weite Wildnis
Groff, Lauren

Die weite Wildnis


ausgezeichnet

Lauren Groff vermag es wie keine andere Autorin in vermeintlich historischen Romanen die Rolle und auch die nach wie vor prekäre Stellung von Frauen weltweit zu sezieren. Schon ihr vorheriger Roman Matrix über die Nonne Marie de France, die ein mittelalterliches, feministisches Utopia schafft, das ständig von Zerstörung bedroht ist, zeigte dies eindrucksvoll.

In ihrem neuen Roman Die weite Wildnis folgen wir Lamentatio Venal (welch demütigender Name), die im England des frühen 17. Jahrhunderts als vermeintliches „Hurenkind“ in einem brutalen Waisenhaus aufwächst und schließlich als Kindermagd in reichem Hause landet. Die Lady nennt sie nach ihrem kürzlich verstorbenen Haustier, einem Zwergaffen, und ungefähr so viel ist ihr Leben als Leibeigene auch wert.

Als ihre Herrschaften beschließen an der Kolonisierung Virginias teilzunehmen, muss sie mit ihnen den Atlantik überqueren und findet sich bald in elenden Verhältnissen wieder, als die Siedlung an Hunger und Seuchen zu Grunde zu gehen droht. Als sie ein scheußliches Unrecht beobachtet, begeht sie eine folgenschwere Tat und flieht in die Wildnis der Wälder Nordamerikas.

Die folgende Selbstbefreiung und Selbstermächtigung dieses Mädchens macht diesen Roman für mich zu einem der stärksten Bücher diesen Jahres. Auf ihre unnachahmliche Weise schafft es Groff mit ihrer distanzierten Sprache (nur indirekte Rede, keine direkten Dialoge) eindrucksvoll das Leid einer Frau in einer Welt zu schildern, die von sexualisierter Gewalt, Ausbeutung, Verelendung und Rassismus geprägt ist. Damit schreibt sie einen Roman, wie er gegenwärtiger nicht sein könnte.

Und auch eine anderer Aspekt in diesem Buch erwischt einen eiskalt: Die große Gefahr geht hier von Menschen aus, nicht von einer (zugegebenermaßen) unwirtlichen, winterlichen Landschaft voller Bären und Wölfe.

Ein überzeugender Roman, der nicht nur wegen seiner Unerbittlichkeit und der sprachlichen Qualität lange nachhallt und in dem Freiheit am Ende vielleicht Freisein (Unabhängigkeit) von anderen Menschen bedeutet.

Bewertung vom 20.09.2023
Die Superkartoffel - Das Mini-Zeitportal
Laperla, Artur

Die Superkartoffel - Das Mini-Zeitportal


sehr gut

Eine Kartoffel als Superheld? Kann das funktionieren? Na, klar! Band 1 hat den neuen Superhelden mit Stärke eingeführt. Auch das Titel Ulf ist wieder sehr gelungen Bilderbuchheld Supermax stark, smart und gutaussehend. Seine Nemesis Dr. Megafies, ein optischer Wiedergänger Nosferatus, macht er spielend fertig. Bis dieser ihn austrickst und in eine Kartoffel verwandelt. Aber auch die hat es in sich… Auch im zweiten Band der Reihe ist es ihm noch nicht gelungen sich zurückzuverwandeln, allerdings keimt Hoffnung auf, als sich ihm die Möglichkeit in die Vergangenheit zu reisen bietet. Nun wittert er die Chance auf Rettung. Artur Laperla gelingt erneut eine ganz andere Comichelden-Geschichte als bei Marvel und Co., die mir viel Spaß macht und Lust auf weitere Folgen macht. Wieder sehr lustig geschriebene Texte zusammen mit originellen Zeichnungen machen dieses Buch zu einem Vergnügen. Eine klare Leseempfehlung für Comic-Fans jenseits des Mainstreams

Bewertung vom 20.09.2023
Wieso? Weshalb? Warum? Meine Schulfreunde
Kienle, Dela

Wieso? Weshalb? Warum? Meine Schulfreunde


ausgezeichnet

Dieses Freundebuch aus dem Ravensburger Verlag, genauer aus der Reihe Wieso? Weshalb? Warum? ist etwas ganz Besonderes. Im typischen Stil der Reihe wird auch viel Wissenswertes vermittelt, ohne dass der Spaß zu kurz kommt. So gibt es für jeden Freund und jede Freundin eine tolle Doppelseite in Themenlook, z.B. Weltraum, Dinosaurier, Wilde Tiere und vieles Mehr. Dementsprechend kann jeder sein Lieblingsthema wählen und die Seite dann um persönliche Informationen ergänzen. Neben Name und Geburtstag kann man etwas Augen- und Haarfarbe mit dem
Buntstift eintragen. Weitere Fragen zielen auf Lieblingsfächer, Tiere, Essen oder Hobbys. Sehr gelungen fand ich auch die Möglichkeit durch Ankreuzen Präferenzen zu äußern zu Charakter und in der Kategorie „Was mag ich lieber“. Insgesamt ein sehr gelungenes Freundebuch, das ausgefüllt eine tolle Erinnerung sein wird.

Bewertung vom 16.09.2023
Eigentum
Haas, Wolf

Eigentum


ausgezeichnet

Wolf Haas ist berühmt geworden als Autor der launig-sarkastisch-österreichischen Krimis um den Ermittler Brenner.

Der Roman „Eigentum“ gehört nicht in dieses Genre, sondern ist vielmehr ein Buch des Autors über seine Mutter. Als diese 2015 92-jährig im Sterben liegt, will Haas sich vorher noch alle Geschichten von der Seele schreiben, die sie ihm immer wieder erzählt hat.

Geschichten, die er nicht mehr hören kann. Wie die Inflation das Leben der Mutter von ihrer Geburt im Rekordinflationsjahr über den 2. Weltkrieg bis in Nachkriegsösterreich bestimmt hat. Sie, die immer ein eigenes Haus ihr Eigen nennen wollte, musste feststellen, dass sie nicht schnell genug sparen konnte:

Immer wenn sie vermeintlich genug zusammen hatte, verdoppelten sich die Hauspreise. Da ist es für sie ein finaler Trost, dass sie sich zwei Quadratmeter in bester Lage inklusive Aufzug gesichert hat - die sie allerdings erst post mortem beziehen wird - genau, das vorausbezahlte Grab ist gemeint.

Gekonnt erzählt Haas auf seine typische flapsig-humorvolle Art und Weise vom harten Leben einer Frau, die „nicht mit den Menschen konnte“, der man aber irgendwie doch nahekommt als Leser. Man weiß von Anfang an, dass man auf ihren Tod zuliest. Alt ist sie geworden, einfach war sie nie, hatte es aber auch nie einfach. Erzählte eigentlich meist die gleichen Geschichten, wie viele Menschen das Gerne tun. Berührt hat mich das Buch sehr. Es gilt: Das Leben schleicht zwar aus, aber es bleibt etwas zu erzählen.

Mal eine andere Seite von Wolf Haas, die man hier entdecken kann. Sonst würde man etwas verpassen.

Bewertung vom 06.09.2023
Die Lügnerin
Karig, Friedemann

Die Lügnerin


ausgezeichnet

Eine Frau, die sich Clara Konrad nennt, aber tatsächlich anders heißt, sitzt in einem noblen Sanatorium und erzählt der Psychiaterin ihr Leben. Das Besondere: Sie ist eine begnadete Lügnerin, kann den Menschen immer das Richtige sagen, egal ob bei ihrem Job als Telefonastrologin oder im Alltag. Und sie behauptet, dass all ihre Lügen wahr werden… Es entfaltet sich ein Spiel aus Licht und Schatten, bei dem man sich fragt, was ist wahr, was Lüge?

Friedemann Karig ist ein fulminanter Roman gelungen. Voller Wendungen und sprachlich einnehmend verarbeitet er die zentralen Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens und schenkt den Leserinnen und Lesern eine fantastische Hauptfigur, die einen in ihren Bann zu ziehen weiß. Ein humorvolles, geistreiches und originelles Buch, das nicht nur Denis Scheck sondern auch mich sehr begeistert hat.

Bewertung vom 05.09.2023
Die Burg / Stadt der bösen Tiere Bd.1
Mayer, Gina

Die Burg / Stadt der bösen Tiere Bd.1


ausgezeichnet

Ein spannendes und originelles Jugendbuch zu schreiben ist in unserer multimedialen Welt eine riesige Herausforderung und man fragt sich, wie man die Fantasie junger Menschen noch bereichern kann. Gina Mayer hat eine derart bereichernde Fantasywelt kreiert. In die Stadt der bösen Tiere begegnen wir der mutigen Boxerin Lizard in einem apokalyptischen Detroit. Sie wird vom weißen Tiger Raj in sein Team aufgenommen und soll ausgebildet werden, um für das Gute zu kämpfen. Doch schon bald gerät sie in große Gefahr…

Der Stil der Autorin hat mir sehr gut gefallen, es ist ein sehr altersgerechtes Spannungsbuch mit tollen Details, Schilderungen und tollen Wendungen. Auch die Figuren sind super gezeichnet und stimmig. Insgesamt macht der erste Band dieser Reihe viel Lust auf das, was noch kommen wird. Die Gestaltung des Covers ist sehr hochwertig und hat mir super gefallen. Ein empfehlenswertes Buch

Bewertung vom 29.08.2023
Die Akte Madrid / Lennard Lomberg Bd.2
Storm, Andreas

Die Akte Madrid / Lennard Lomberg Bd.2


sehr gut

Andreas Storms neuer Krimi Die Akte Madrid ist schon der zweite Band aus der Reihe um den Kunstexperten Lennard Lomberg, der zu Rate gezogen wird, wenn Beutekunst gesucht wird.

Sein neuester Auftrag: Der deutsche Verteidigungsminister und Nato-Generalsekretär in spe steckt in einem Schlamassel; ein surrealistisches Gemälde, das seinem Vater gehörte und seit dem 2. Weltkrieg als verschwunden galt, ist in Granada gestohlen worden, wo es im Geheimen seit 70 Jahren hing. Das Vorleben seines Vaters? Mindestens dubios.

Lomberg soll das Bild finden und einen Skandal vermeiden. Doch bald wird es immer verwickelter, gut, dass Lomberg bei seinem Ermittlungen in Granada auf die Unterstützung seiner Tochter Julie und seiner Freundin Sina Röhm vom BKA zählen kann. Denn gemeinsam tauchen sie ein in die Untiefen der deutsch-spanischen Geschichte vom Spanischen Bürgerkrieg bis zu den Verflechtungen der jungen Bundesrepublik mit Francos Regime.

Der Autor schreibt wiederum sehr kenntnisreich über Geschichte und Kunst, ein Glossar lässt erkennen, wo Fiktion auf Realität trifft. Das Buch liest sich sehr flüssig und schnell. Spannung kam durchaus auf, wobei mir das Ende etwas „zu glatt“ lief.

Zwei Fehler haben mich noch gestört, die Fakten sollten stimmen: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sitzt in Straßburg und nicht in Den Haag und Honorarkonsule haben gerade keine diplomatische Immunität, die sie umfassend vor Strafverfolgung schützt.

Ansonsten war es aber eine schöne Urlaubslektüre, die mich gut unterhalten hat und für Krimifans einen näheren Blick wert ist.

Bewertung vom 27.08.2023
Das Geheimnis des Wanderplaneten / Der kleine Perry Bd.1
Brill, Olaf

Das Geheimnis des Wanderplaneten / Der kleine Perry Bd.1


sehr gut

Perry Rhodan ist ein deutscher Sci-Fi Dauerbrenner, der seit 1961 auf 190.000+ Seiten für Unterhaltung sorgt und eine große Fangemeinde hat, in der viele die bisher erschienen 3.200 Hefte auch gesammelt haben durften. Der vorliegende Band erschließt das Perryversum nunmehr auch Kindern, deren Eltern z.B. langjährige Fans sind.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Der kleine Junge Perry wünscht sich nichts sehnlicher als ins Weltall zu fliegen. Auf mysteriöse Weise wird er beim Start eines Raumschiffes, den er nur beobachten will, in das Fluggerät und fliegt ins Universum. Die Abenteuer lassen nicht lange auf sich warten…

Ein sehr gelungener Comic, mit schönen Bildern und knappen Texten, die beide für Kinder sehr gut geeignet sind und haben auch mir als Erwachsenem sehr viel Spaß gemacht und den ich daher empfehlen kann.

Bewertung vom 27.08.2023
Paradise Garden
Fischer, Elena

Paradise Garden


ausgezeichnet

„Meine Mutter starb diesen Sommer.“ Ein Buch, das einen derartigen Schlag in die Magengrube als ersten Satz hat, kann nur traurig sein, oder?

Doch Paradise Garden von Elena Fischer ist so viel mehr als eine berührende Coming-of-Age-Geschichte eines ziemlichen coolen Mädchens.

Die 14-jährige Billie lebt mit ihrer Mutter in einer Hochhaussiedlung. Die beiden sind arm, vor allem am Monatsende, trotz zweier Jobs, denen die Mutter nachgeht (Putzen, Kellnern). Doch Billies Mutter ist witzig und originell. Sie bringt Licht in den Alltag ihrer Tochter. Als die beiden einen kleinen Gewinn machen, wollen sie endlich das Meer sehen. Doch bevor sie den Plan in die Tat umsetzen können, taucht die herrische, ungarische Großmutter von Billie auf und löst eine Verkettung tragischer Umstände aus.

Verzweifelt und verlassen, beschließt Billie ihren unbekannten Vater zu suchen, schnappt sich den klapprigen Nissan ihrer Mutter und fährt nach Norden Richtung Meer…

Elena Fischer ist ein wunderschöner Roman gelungen, der mich ein ums andere mal zu Tränen gerührt hat. Gleichzeitig hat das Buch auch einen ganz eigenen Humor, der mir sehr gut gefallen hat. Ich musste des öfteren an Tschick denken, aber Paradise Garden hat mir sogar besser gefallen. Ein tolles Debüt, das mir große Lesefreude bereitet hat.

Ich kann dieses Buch, das völlig zu recht für den Deutschen Buchpreis nominiert wurde, nur wärmstens empfehlen, es war mein Lesehighlight im August.

Bewertung vom 13.08.2023
Das Pferd im Brunnen
Tscheplanowa, Valery

Das Pferd im Brunnen


ausgezeichnet

Die deutsche Theaterschauspielerin Valery Tscheplanowa hat mit Das Pferd im Brunnen ihren Debütroman vorgelegt. Darin erzählt sie die Geschichte von vier Frauen zwischen Sowjetrussland und der norddeutschen Provinz. Wir begegnen Tanja, der Urgroßmutter, die statt den Ersatzgöttern Lenin und Stalin weiter an der Jungfrau von Kasan festgehalten hat und ihre Ur-Enkelin heimlich taufen ließ. Im Alter wird sie nunmehr wieder zum Kind, dement und in ein Zimmer der Wohnung ihrer Tochter gesperrt. Die Tochter, Nina, könnte als Musterbeispiel für emotionale Kälte durchgehen, zumindest würden ihre Kinder das wohl unterschreiben, doch der geneigte Leser begegnet ihr auch als junger, leidenschaftlicher Frau, noch nicht vom Leben gezeichnet. Ihre Tochter Lena sucht ihr Glück im Westen und landet bei einem norddeutschen (Kreuzfahrt)Alleinunterhalter, der sich wie alle Männer im Buch als Totalausfall entpuppt (die anderen sterben im Krieg oder hauen ab und fressen sich zu Tode). Und ganz am Ende der Kette haben wir natürlich noch Walja, die Urenkelin Tanjas, Ninas Enkelin und Lenas Tochter. Walja kehrt nach dem Tod ihrer Oma nach Kasan zurück und erinnert sich an Nina, mit der sie eine besondere Freundschaft verband, die in dem Kompliment gipfelte: „Auch wenn du nicht meine Enkelin wärst, sondern eine Fremde, ich würde dich mögen.“

Der Autorin, die selbst als Achtjährige aus Kasan nach Deutschland kam, ist ein poetisches und trotz aller Traurigkeiten federleichtes Buch gelungen, in dem sie viel Autobiografisches verarbeitet hat. Die Figuren begleiten einen noch eine Weile und die Komik einzelner Momente fand ich sehr gelungen.

Insgesamt eine schöne (kurzweilige) Lektüre mit Tiefgang