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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Barbara
Wohnort: 
Remscheid

Bewertungen

Insgesamt 192 Bewertungen
Bewertung vom 31.03.2024
Die Vermesserin der Worte
Seck, Katharina

Die Vermesserin der Worte


sehr gut

s war einmal eine junge Autorin mit Schreibblockade, die dringend Geld brauchte und eine alte Dame, die zunehmende Zeichen einer Demenz entwickelte und in ihrem großen Anwesen nicht mehr alleine zurecht kam. So geschah es, dass Ida als Haushälterin bei Ottilie einzog um sich um alles zu kümmern und dabei das Leben beider Frauen von Grund auf veränderte.
In diesem Roman von Katharina Seck geht es viel um Einsamkeit und um die Angst vor dem Vergessen. Und es ist nicht nur Ottilie, die auf Grund ihrer zunehmenden Demenz zurückgezogen und abgeschnitten von Freunden und Nachbarn lebt. Auch die junge Ida hat sich ganz abgekapselt, leidet unter Versagensängsten und der Ablehnung durch ihren Vater. Ihr einziger Freund und Postbote Theobald ist selber ein einsamer und unglücklicher Mensch, ihre Wohnung in der Großstadt anonym und ihr Rückzugsort, an dem sie ihre große Leidenschaft ausleben kann: das Lesen. Ihre Liebe zu Büchern verbindet sie auch als erstes mit Ottilie, der Herrin des papiernen Anwesens. Deren Geschichte zu erzählen, die von einer starken und unabhängigen Frau handelt, die in ihrem Leben viel jenseits der gängigen Erwartungen erlebt hat, lässt Ida selber zu einem völlig anderen Menschen werden.
Immer wieder geht es um die Kraft von Literatur und von Worten, aus vielen Sätzen spricht die absolute Liebe zu Büchern, zu alten und neuen. Doch darf man sich nicht ausschließlich dahinter verkriechen, sondern braucht auch den Kontakt zu Menschen. Die Autorin beschreibt, wie wichtig es ist zu verzeihen, aufeinander zu zu gehen und um Hilfe zu bitten. Zu Zeiten mit zunehmenden Demenz-Erkrankungen und einer erwarteten Überalterung der Gesellschaft ein wichtiges Fazit.
Natürlich sind auch ein paar Klischees enthalten und einige Wendungen sind recht vorhersehbar. Das tut aber dieser Wohlfühlgeschichte keinen Abbruch, die auf Grund ihrer Erzählweise für mich ein modernes Märchen darstellt.
Eine herzerwärmende Geschichte, ein Appell an mehr menschliches Miteinander und eine absolute Liebeserklärung an die Literatur: "Worte kann man nur in den Abertausenden Welten ermessen, die man mit ihnen erschafft." (S.176)

Bewertung vom 29.03.2024
Lichtjahre im Dunkel
Ani, Friedrich

Lichtjahre im Dunkel


gut

Ein verschwundener Schreibwarenladen-Besitzer, eine seltsam unbeteiligte Ehefrau, ein etwas seltsamer Privatdetektiv und eine engagierte Oberkommissarin - Friedrich Ani hat in seinem Roman "Lichtjahre im Dunkel" mehrere unglückliche Charaktere aufeinander treffen lassen. Dieser Roman hätte ein Krimi sein können, wenn nicht statt einer Mordermittlungen die Menschen und ihre Lebensumstände im Fokus stehen würden.
Da ist zum einen Leo Ahorn, zutiefst unglücklicher Besitzer eines Geschäftes, das langsam aber sicher den Berg runter geht. Mit seiner Frau Viola verbindet ihn eine lieblose Ehe, in der sich beide wenig beachtet und frustriert fühlen. Leos Ausflüge in seine Stammkneipe Blaues Eck sind seine einzigen Lichtblicke im Leben, hier trinkt er - zum Leidwesen seiner Frau - mit anderen unglücklichen Gestalten. Diesen kommt eine wichtige Rolle zu, haben sie etwas mit Leos Verschwinden zu tun? Tabor Süden ermittelt, ein Privatdetektiv mit eigenen Methoden und der spröden Art im Umgang mit anderen Menschen. Zusammen mit Oberkommissarin Nasri, die sich mit seiner umkooperativen Frau und der Schar von Leos Bekannten auseinander setzen muss.
Friedrich Ani schreibt in seinem für ihn typischen Schreibstil, der ausgefallen und eher anspruchsvoll ist. Seine beschriebenen Charaktere sind durchaus interessant, ebenso wie das Wechselspiel um das Verschwinden von Leo Ahorn.
Aber diese Buch lässt mich extrem schwermütig zurück, fast ist es eine Erleichterung, diese beklemmenden Einblicke in das Leben der verschiedenen Personen hinter mir zu lassen. Es gibt tatsächlich wenige Momente in diesem Buch, die etwas Positives oder Zufriedenheit ausdrücken. Dieser depressive Grundton macht mir die Lektüre nach einem guten Start immer schwerer, ich konnte mich mit keinem der Charaktere identifizieren oder fand sie auch nur besonders sympathisch. Daher für eine interessante Story mit einem bedrückenden Tenor zwei Sterne Abzug von mir.

Bewertung vom 24.03.2024
Die Entflammten
Meier, Simone

Die Entflammten


sehr gut

Es ist eine Liebe auf den zweiten Blick zwischen Johanna Bonger und Theo van Gogh, dem Bruder des Malers Vincent. Die große Liebe endet früh durch Theos Tod und Jo beginnt mit der Mission, ihren Schwager bekannt und schließlich berühmt zu machen. Sie verschreibt ihr Leben als Witwe ganz seinen Bildern, seine Kunst soll das Publikum überwältigen und erobern.
Jo ist eine ungewöhnliche Frau, für die sich die Bedeutung von Kunst ändert, als sie eine van Gogh wird: sie versteht Kunst nun als Prozess, nicht nur als Werk. Anders als damals üblich malte Vincent keine ästhetische Vollkommenheit sondern das Unperfekte. Mit großem Engagement, neuen Ideen und einem guten Geschäftssinn gelingt es Jo, der Welt seine Kunst nahe zu bringen.

Doch es gibt eine zweite Geschichte in diesem Buch, nämlich die der Kunstgeschichtsstudentin Gina, die sich auf die Spuren von Jo van Gogh-Bonger begibt. In ihren Recherchen über die junge Witwe und bei dem Versuch, ein gutes Buch darüber zu schreiben, verschwimmen die beiden Frauengestalten, halten Zwiesprache miteinander und bewerten gegenseitig ihr Leben. Die junge Gina war als Kind schon von van Goghs Geschichte fasziniert. Auf der Suche nach einer Aufgabe widmet sie sich dem Schreiben und tritt damit in die Fußstapfen ihres Vaters, der als Schriftsteller jedoch nur ein Buch veröffentlicht hat. Sie hadert mit sich, taucht immer tiefer ein in das Leben von Jo und erinnert dabei auch ihr eigenes Leben und ihr Verhältnis zu den Eltern, der Großmutter und der Schwester.

In einem sehr schönen Schreibstil erzählt Simone Meier die Geschichte zweier Frauen, die zwar sehr unterschiedlich sind, deren Geschichte aber miteinander verschmilzt. Ihre oftmals langen Sätze sind leidenschaftlich und voller bildhafter Beschreibungen. Viel Interessantes über die Kunst von Vincent van Gogh und die Kunstszene um 1900 erfährt man in diesem Roman, es ist ein Ausflug in die Geschichte und das Leben der Menschen um diese Zeit.
Ein schönes Buch, ungewöhnlich und interessant, nicht nur für Kunstinteressierte zu empfehlen.

Bewertung vom 18.03.2024
Wir werden jung sein
Leo, Maxim

Wir werden jung sein


ausgezeichnet

Was wäre, wenn durch Zufall ein Herzmedikament so ganz nebenbei zu ewiger Jugend verhelfen würde? Dieser Frage geht Maxim Leo am Beispiel von 4 unfreiwilligen Probanden nach und vergisst dabei auch die Position des Erfinders und eines Mitgliedes der Ethikkommission nicht. Dabei sind die 6 wichtigen Personen in diesem Buch der interessant und vielseitig ausgewählt.
Der Schüler Jakob erlebt endlich eine unbeschwerte Zeit trotz seines Herzleidens, sein Körper mutiert jedoch durch die Nebenwirkung der Verjüngung zu dem eines Kindes. Das Problem hat der alte und zum Sterben bereite Wenger nicht, allerdings wird er mit dem Verhältnis zu seiner Frau und seinen Kindern konfrontiert, denen er das Leben nicht leicht macht. Die ehemalige Leistungsschwimmerin Verena läuft zur alten Hochform auf und beginnt, ihr Leben als Hochleistungssportlerin zu hinterfragen. Jennys Wunsch schwanger zu werden erfüllt sich überraschend und anders als geplant. Der Professor und Erfinder des verjüngenden Medikaments, Martin, ist durch Selbstversuch in der gleichen Situation wie seine Probanden und ist selber überrascht von dem großen Wirbel, den er auslöst. Die taffe Miriam setzt sich als Mitarbeiterin des Bundesgesundheitsamtes mit der ethischen und gesellschaftspolitischen Seite auseinander.
Mit großartigem Humor beleuchtet Maxim Leo die Frage was passieren könnte, wenn wir mit Hilfe einer Pille jung sein werden. Mir gefällt, dass er viele verschiedenen Facetten anspricht und das Ende relativ offen bleibt.
Dieses Buch regt zum Nachdenken an und bleibt noch lange nach der spannenden Lektüre im Kopf. Dabei ist es federleicht geschrieben und packt einen so, dass man es kaum aus der Hand legen kann. Ein ernstes Thema mit hohem Unterhaltungsfaktor mitreißend verpackt - Chapeau!

Bewertung vom 22.02.2024
Geordnete Verhältnisse
Lux, Lana

Geordnete Verhältnisse


ausgezeichnet

Die Beziehung zwischen Philipp und Faina beginnt schon in der Schulzeit. Hier lernen sich das aus der Ukraine stammende Mädchen und der einzelgängerische Junge kennen, eine tiefe Freundschaft verbindet die beiden Außenseiter. Bis sich ihre Lebenswege trennen, sie sich wieder treffen und eine dramatische Abwärtsspirale aus Abhängigkeiten, Wut und Selbstbehauptung entsteht.
Abwechselnd erzählt Lana Lux die Geschichte aus der Sicht von Philipp und Faina, so dass beide Charaktere ihre Sicht auf die Dinge erzählen. Gemeinsam ist ihnen eine schwierige Kindheit, die beide sehr intensiv prägen. Bei Philipp entwickelt sich eine starke Verlustangst, bei Faina ist es ein geringes Selbstwertgefühl. Dabei hat man durchaus Mitleid mit beiden Protagonisten und erkennt das Krankhafte, das sich in ihre Beziehung schleicht.
In einer starken Sprache beschreibt Lux sehr eindringlich, wie aus einer Freundschaft ein Drama wird. Das geschieht eher langsam und ganz allmählich, steigert sich in eine furchtbare Ahnung, bis man dieses Buch wirklich nicht mehr aus der Hand legen kann um zu erfahren, was am Ende geschehen wird. Eine intensive Geschichte, die noch lange nach Ende der Lektüre im Gedächtnis bleibt.
Wenn man die Informationen über die Autorin liest dann drängt sich der Gedanke auf, dass sie auch ein paar eigene Erfahrungen mit in ihre Figur der Faina hat einfließen lassen. Zumindest ihre Herkunft und auch die Schauplätze der Handlung stimmen überein.
Ein ungewöhnliches Buch, das nicht nur mit einem tollen Cover und einem zynischen Titel punktet, sondern intensiv und mit präzisem Schreibstil den Leser*innen eine dramatische Geschichte wie einen Sog präsentiert. Eine unbedingte Leseempfehlung für Männer und Frauen, jung und alt.

Bewertung vom 22.02.2024
Trabant
Sommer, Stefan

Trabant


gut

Georg Himmel bekommt auf der Hochzeit seines besten Freundes eine SMS seines Vaters, die jedoch nur versehentlich an ihn ging. Hals über Kopf fährt er daraufhin von Slovenien nach München und denkt während der einsamen Fahrt über seine Kindheit, seine Beziehung zu den Eltern und deren Ehe nach.
Das Buch ist geprägt von seinem besonderen Schreibstil, an den man sich zunächst etwas gewöhnen muss. Sehr humorvoll, bildhaft, intensiv und manchmal fast poetisch beschreibt Stefan Sommer in seinem Debütroman das Leben von Georg und sein Verhältnis zu den Eltern. Dabei weiß man nie so genau, was ist Realität und was Fiktion, was ist tatsächlich passiert und was existiert nur in Georgs Fantasie. Der Wechsel von Rückblicken und der Gegenwart ist manchmal irritierend, manche Gedanken erscheinen bizarr, Begebenheiten in der Vergangenheit werden kindlich verzerrt.
Auf jeden Fall hat der hochsensible Junge es nicht leicht gehabt, wurde von Ängsten geplagt und ist bis in die Gegenwart hin und her gerissen zwischen seiner eigenen Welt und dem Dazugehören. Seine Liebe zur Astronomie zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch, angefangen mit seinem Spitznamen "Juri" bis hin zum Titel: für mich steht hier Georg als Trabant, der sich in der Umlaufbahn seiner Eltern befindet. Immer wieder denkt Georg in astronomischen Zusammenhängen und Bildern, seine Liebe zu den Himmelskörpern begleitet ihn von klein auf.
Ein ungewöhnliches Buch in einem außergewöhnlichen Schreibstil, das ein bisschen sperrig ist zu lesen aber trotzdem etwas Besonderes hat.

Bewertung vom 23.01.2024
Nachbarn
Oliver, Diane

Nachbarn


sehr gut

Von Diane Oliver wurden hier 14 Kurzgeschichten in ihrem Buch "Nachbarn" veröffentlicht, die alle ein gemeinsames Thema haben: das Leben von Colored People in den USA in den 60er Jahren, also mitten in den Bürgerrechtsbewegungen. Die meisten Stories handeln hauptsächlich von Frauen und überwiegend von Müttern. Auffallend ist hier, dass sie oft keinen wirklichen Anfang und Ende aufweisen, sondern eine Situation mitten aus dem Leben beschreiben. Vielfach sind es arme Menschen, die mühsam ihre Kinder beschützen und großziehen wollen. Sei es wie in der Kurzgeschichte "Nachbarn", die von einer schrecklichen Nacht vor dem Gang eines schwarzen Jungen in eine weiße Schule handelt, oder wie in "Gesundheitsdienst", wo eine Mutter verzweifelt versucht, ihr Baby untersuchen zu lassen. Aus jeder Geschichte sprechen Vorurteile und das Bemühen, als Mensch ohne weiße Hautfarbe anerkannt zu werden. Auch die Beispiele von gutsituierten Farbigen zeigen, wie mühevoll und zehrend das Leben inmitten der herrschenden weißen Bevölkerung gewesen ist. Alle Geschichten sind geprägt von Rassismus und Diskriminierung - manchmal latent, manchmal offen ausgelebt.
Erstaunlich ist, wieviel die erst 22jährige Autorin mit ihren Kurzgeschichten auszudrücken vermag. Auch die Autorin Tayari Jones ehrt Diane Oliver in ihrem Nachwort für ihre intensive Erzählweise und ihre Ausdrucksstärke.
Ein sehr empfehlenswertes Buch mit Kurzgeschichten, die zum Nachdenken anregt und hoffen lässt, dass Diskriminierung und Rassismus bewusst gemacht und bekämpft werden.

Bewertung vom 12.01.2024
Lichtungen
Wolff, Iris

Lichtungen


sehr gut

Früh beginnt die ungewöhnliche Freundschaft zwischen Lev und Kato und zieht sich über viele Jahre. Rückwärts erzählt versteht man erst nach und nach, wie es zu dieser Beziehung der zwei Außenseiter gekommen ist und wie intensiv ihre Verbindung ist. Dabei ist es Lev, den man vor allem begleitet auf seinem Lebensweg, den er eher zögernd und zaudernd beschreitet. Die Künstlerin Kato ist deutlich freiheitsliebender, möchte raus aus der Enge des rumänischen Dorfes, zieht durch die Welt.
In einem sehr poetischen Schreibstil erzählt Iris Wolff diese Geschichte einer ganz besonderen Beziehung. Es sind mehr Beschreibungen der Situation als Emotionen, fast eine Art Beobachtung der Charaktere und ihrer Reaktionen. Zugleich erfährt man viel über das Leben einfacher Menschen in Rumänien zu Zeiten Ceausescus und die harte Arbeit als Waldarbeiter oder beim Militär. Auch die Geschichte Rumäniens wird gut beleuchtet, die Grenzverschiebungen zwischen Österreich und Ungarn sowie die Zugehörigkeiten von Siebenbürgen oder die Maramuresch.
Durch die Rückwärtserzählung der Handlung stellt sich eine gewisse Spannung ein, da man immer wieder Geschehnisse erst richtig verstehen kann, wenn man ein Detail aus dem nächsten Kapitel erfährt.
Sogar die Kapitelüberschriften fordern einen heraus, da es sich jeweils um Zitate in einer anderen Sprache handelt, die zum Glück am Ende des Buches übersetzt werden.
Ein leises Buch in wunderschöner Sprache geschrieben, eindringlich und berührend. Eine Empfehlung für alle, die Sprache besonders zu schätzen wissen und die eine ungewöhnliche Erzählweise reizt.

Bewertung vom 12.01.2024
Austrian Psycho Jack Unterweger
Herwig, Malte

Austrian Psycho Jack Unterweger


sehr gut

Jack Unterweger ist der Austrian Psycho, der seine schriftstellerische Karriere als verurteilter Frauenmörder begann. Aus dem Gefängnis heraus schafft er es, sich besser lesen und schreiben anzueignen und schließlich sein erstes Buch zu verfassen, in dem er seine eigene Vergangenheit verarbeitet. Er überzeugt Gefängnisdirektoren, Politiker und bekannte Schriftsteller, sich für ihn einzusetzen, ihm Privilegien zu gewähren. Die Frauenherzen fliegen ihm zu, aber Frauen waren für Unterberger vor allem eins: nützlich. Sie helfen ihm bei seinen Ambitionen, Schriftsteller zu werden, unterstützen ihn, halten ihn nach seiner Entlassung sogar aus. Und er versteht es, sich gut zu vermarkten um bekannte Größen auf seine Seite zu ziehen. Kaum vorstellbar, da er nach seiner Entlassung lange weiter mordet, bevor man ihm auf die Schliche kommt.
Es ist erschreckend zu lesen, dass ein Serienmörder so eloquent, charmant und überzeugend sein kann, dass er viele intelligente Menschen von sich überzeugen konnte - jenseits des bekannten Phänomens, dass inhaftierte Mörder häufig liebevolle Zuschriften von Frauen bekommen.
Durch dieses Buch steht Unterweger in einer Reihe mit anderen traurigen Berühmtheiten, zum Beispiel dem Baulöwen Jürgen Schneider oder der Hochstaplerin Anna Sorokin, die es unbegreiflicher Weise alle geschafft haben, sehr vielen Menschen ein falsches Bild vorzugaukeln.
Etwas verwirrt hat mich, dass der Text offensichtlich nicht von Malte Herwig verfasst wurde, sondern von einem anonym bleibenden Autor, den er damit beauftragt hatte und der Unterweger persönlich kannte.
Ein interessantes Sachbuch über einen Psychopathen, der die Wiener Society als Schriftsteller verblendete.

Bewertung vom 30.12.2023
Der Schacherzähler
Pinnow, Judith

Der Schacherzähler


sehr gut

Wahrscheinlich ist um Weihnachten herum genau das richtige Erscheinungsdatum für ein solches Buch, das die Leser*innen zufrieden und gut unterhalten mit einem warmen Gefühl im Bauch zurück lässt.
Der 9jährige Janne mit ADHS macht es seiner alleinerziehenden Mutter Malu nicht leicht. Außerdem steht ihr Job in einem Coffe-Shop auf der Kippe, weil diesem die Insolvenz droht. Der einsame Oldman, den ein Geheimnis aus seiner Vergangenheit quält, holt Janne ungewollt wieder ins Leben zurück.
Hier finden sich alle sympathischen Charaktere und Altersgruppen wieder, ein paar Klischees dürfen natürlich auch nicht fehlen. Aber die Geschichte ist warmherzig erzählt, auch wenn sie vielleicht nicht ganz neu ist. Ich bewundere Malu für ihre Geduld mit Janne und ihre Erziehungsmethoden. So einen Chef wie Hinnerk hätte wohl jede*r gerne, ebenso wie die gute Freundin und Künstlerin Liv.
Die Perspektivwechsel in der Erzählung macht die Geschichte kurzweilig und interessant, gerade auch die Sicht von Janne ist noch einmal erfrischend. Hier stelle ich fest, dass ich versuchen möchte, mehr Verständnis für Kinder mit ADHS zu haben. Aber auch das Thema Einsamkeit im Alter ist gut angesprochen, der alte Grantler Oldman erinnert stark an "Ein Mann namens Ove". Durch den leichten Humor geht aber das ernste Thema nicht verloren.
Ein warmherziges Buch, das man befriedigt nach der letzten Zeile aus der Hand legt. "Ein wunderbares Buch über die Magie der Freundschaft", wie es auf der Rückseite des Buches steht, fasst diese Geschichte tatsächlich perfekt zusammen. Die Illustrationen von Vivien Thiessen erinnern mich eher an ein Kinderbuch, das hätte es für mich nicht unbedingt gebraucht.