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MaWiOr
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Halle

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Insgesamt 3488 Bewertungen
Bewertung vom 16.04.2024
'Mir fällt gerade ein...'
Krug, Manfred

'Mir fällt gerade ein...'


ausgezeichnet

Der Schauspieler und Sänger Manfred Krug war nicht nur ein fleißiger Tagebuchschreiber; stets notierte er auch Gedankenblitze, Tagesbeobachtungen, Weisheiten oder kurze Urteile zu Nachrichten, Fernsehsendungen oder Filmen. Die Lektorin Krista Maria Schädlich hat mit „Mir fällt gerade ein …“ ein wunderbares Sammelsurium dieser Notizen, Geschichtchen und Anekdoten von „Manne“ Krug zusammengestellt.

Es ist erstaunlich, was Krug alles bewegt und für aufschreibenswert hielt – von der Einladung zu einem Essen über lästige Autogrammsammler, die neue Anti-Fett-Pille, den Kauf von zwei bunten Porzellankatzen oder einen Boxkampf im Fernsehen bis hin zum Gemüsekisten-Tag oder die Bratkartoffeln mit Sülze. Dazwischen immer wieder erstaunliches Wissenswertes aus aller Welt, das er in Zeitungen oder Lexika aufgeschnappt hat. Als passionierter Flohmarkt-Besucher (selbst bei klirrendem Frost oder strömendem Regen) notiert er natürlich stets seine neuen Errungenschaften von einer alten Kamera bis zum bleischweren Lederkoffer. Ergänzt wird das Sammelsurium durch einige kurze Korrespondenzen mit seinem langjährigen Freund Jurek Becker.

Der bekannte hallesche Künstler Moritz Götze, der schon Krug’s Lyrikband „66 Gedichte – Was soll das?“ (1999) mit Buntstiftzeichnungen illustrierte, hat dieses Mal extra Radierungen angefertigt, die das Büchlein zu einem bibliophilen Kleinod machen. Ein Muss für alle Fans von Manfred Krug und Moritz Götze.

Bewertung vom 12.04.2024
Joachim Ringelnatz
Annel, Ulf

Joachim Ringelnatz


ausgezeichnet

Joachim Ringelnatz (eigentlich Hans Bötticher, 1883-1934) wurde als Schriftsteller, Kabarettist und Maler vor allem mit seinen humoristischen Gedichten um die Kunstfigur, den Seemann Kuttel Daddeldu, bekannt. Sie fehlen noch heute in keiner deutschen Lyrikanthologie.

Auch Ringelnatz‘ Biografie ist eine abenteuerliche Geschichte, die der Journalist und Kabarettist Ulf Annel anhand von Anekdoten nachzuzeichnen versucht. Die Anekdoten und Geschichtchen hat Annel in den Erinnerungen von Ringelnatz aber auch in Archiven, Zeitschriften und anderen Veröffentlichungen aufgespürt. Es sind wahrhaftig wahre und höchstwahrscheinlich wahre Geschichten aus dem gut halben Jahrhundert Leben des Joachim Ringelnatz.

„Ich bin etwas schief ins Leben gebaut“, hat Ringelnatz einmal von sich selbst gesagt, und so sind die anekdotischen Begebenheiten etwas schief und humorvoll, aber auch durchaus mit ernstem Hintergrund. So packte Ringelnatz häufig das Fernweh – ob als Seemann oder als wandernder Musikant, wo er über Holland per Dampfer weiter wollte. Bei einem Parisbesuch wollte er sich auf Französisch bei einem Passanten nach der Mona Lisa erkundigen. Völlig erstaunt antwortete ihm dieser im sächsischen Dialekt. Als Ringelnatz von einem Schweizer Bewunderer ein goldenes Hundertfrankenstück geschenkt bekam, schwor er, die Münze als Andenken zu behalten. Doch bereits am nächsten Tag verflüssigte er das Andenken. Fazit: eine sehr interessante, humorvolle und lesenswerte Anekdotensammlung, die uns Joachim Ringelnatz näherbringt.

Bewertung vom 07.04.2024
Hochschwarzwald
Feil, Doris

Hochschwarzwald


ausgezeichnet

Die Naturreihe „European Essays on Nature and Landscape" versammelt AutorInnentexte über Landschaften und Naturphänomene. Dabei lässt jeder Band die eigene Handschrift der Autor*innen erkennen. Die Autorin Doris Feil, die im Hochschwarzwald aufgewachsen ist, aber jetzt in Hamburg lebt, unternimmt in ihrem Text eine Reise in ihre ehemalige Heimat – von Freiburg geht es nach Todtnauberg, nach St. Blasien und ins Horbacher Moor. Ob Berge, Weideflächen, Schluchten, Quellen oder Seen, in dieser Landschaft gibt es zahlreiche Naturschönheiten zu entdecken. Feil nähert sich mit ihren Naturbeobachtungen ihren Kindheitserinnerungen.

Im Mittelpunkt der Darstellung steht jedoch das Treffen des jüdischen Lyrikers Paul Celan, der seine Familie im Holocaust verlor, und des Philosophen Martin Heidegger, der während des Krieges der NS-Ideologie nachhing. Celan bewunderte den Philosophen, allerdings nur in seinen Werken. Auch während ihrer gemeinsamen Rundreise im Juli 1967 durch den Hochschwarzwald und dem Treffen in Heideggers Hütte kam von Heidegger kein klärendes Wort über sein NS-Engagement in den 1930er-Jahren. Drei Mal begegneten sich Paul Celan und Martin Heidegger, zu Spaziergängen, zum Kaffee, zu Gesprächen, doch das Eis zwischen ihnen wollte nicht brechen.

Neben der Beschreibung der Naturschönheiten und der Begegnung der beiden Geistesgrößen ist die Neuerscheinung mit zahlreichen Fotos, Karten und Hinweisen sowie einigen Celan-Gedichten ausgestattet.

Bewertung vom 06.04.2024
Abbey Road
Hepworth, David

Abbey Road


ausgezeichnet

Am 12. November 1931 eröffneten die legendären Abbey Road Aufnahmestudios. Seitdem wurden dort atemberaubende Musikstücke eingespielt, die rund um den Erdball bekannt sind. Die Beatles spielten dort die meisten Songs ein und benannten ihr letztes Album nach den weltberühmten Studios. Durch die vier Liverpooler wurden die Studios mit den legendären Zebrastreifen weltberühmt. Aber auch andere Popgrößen wie Queen, Pink Floyd Kate Bush oder Elton John oder Größen aus dem Klassikbereich waren hier Stammgäste – u.a. Daniel Barenboim oder Yehudi Menuhin.

Der britische Musikjournalist David Hepworth beschreibt die bewegte und ereignisreiche Geschichte der Studios, in der sich auch die weltweite Musikgeschichte widerspiegelt. In 22 ausführlichen Kapiteln dokumentiert er wichtige Etappen der Geschichte und gewährt damit einen Einblick, was dort seit über neunzig Jahren wirklich hinter den Türen des berühmtesten Aufnahmestudios der Welt passiert.

Mit bisher unveröffentlichtem Material sowie Interviews mit Künstlern, Produzenten und Toningenieuren, Transkripten, historischen Fotos und vielem mehr ist dies die Geschichte, wie das erste eigens dafür errichtete Aufnahmestudio zu einem Phänomen wurde. Ergänzt wird die Neuerscheinung durch ein Vorwort von Paul McCartney.

Bewertung vom 05.04.2024
Hanna Bekker vom Rath

Hanna Bekker vom Rath


ausgezeichnet

Die Kunstsammlerin, Mäzenin und Vermittlerin Hanna Bekker vom Rath (1893-1983) war eine Wegbereiterin der künstlerischen Avantgarde. In ihrem Blauen Haus in Hofheim am Taunus wirkte sie aber auch über sechzig Jahre als Malerin. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden dieses Domizil und später ihre Berliner Wohnung zu einer heimlichen Begegnungsstätte für einige „entartete“ Künstler und deren Unterstützer. Nach dem Krieg war es ihr ehrgeiziges Ziel, die deutsche Avantgardekunst wieder international zu rehabilitieren.

Das Brücke-Museum Berlin würdigt mit der Ausstellung „Hanna Bekker vom Rath. Eine Aufständische für die Moderne“ (24. Febr.-16. Juni 2024) ihr langjähriges Wirken. Neben eigenen Werken präsentiert die Ausstellung zahlreiche Werke (Gemälde, Plastiken, Holzschnitte, Textilarbeiten usw.) von anderen, ehemals verfemten Künstler*innen. Die Palette reicht dabei von Ida Kerkovius über Wilhelm Lehmbruck, Willi Baumeister, Alexej von Jawlensky oder August Macke bis hin zu Karl Schmidt-Rottluff.

Im Hirmer Verlag ist der zweisprachige (dt./engl.) und reich illustrierte Begleitkatalog erschienen, der sich neben den abgebildeten Ausstellungswerken auch ausführlich dem Leben und Wirken von Hanna Bekker vom Rath widmet – auch mit einigen historischen Abbildungen. Die sechs Essays von renommierten Kunsthistoriker*innen beleuchten dabei besondere Aspekte. So gibt Marian Stein-Steinfeld einen Einblick in das Blaue Haus in Hofheim, Roman Zieglgänseberger widmet sich den „heimlichen“ Jawlensky-Ausstellungen in Berlin oder Sabine Maria Schmidt beschäftigt sich mit den Künstler*innennetzwerken von Hanna Bekker vom Rath. Neben Bibliografie und Verzeichnis der ausgestellten Werke wird der äußerst informative Katalog noch durch eine Biografie.

Bewertung vom 04.04.2024
Der rote Schirm
Eiermann, Wolf;Fromm, Andrea

Der rote Schirm


ausgezeichnet

Carl Spitzweg (1808-1885) war einer der bedeutendsten Künstler des Biedermeier. Er schuf zahlreiche Bilder, Ölstudien, Zeichnungen und Aquarelle, deren eigenartiger, skurril-versponnener Reiz ihn zu einem gefragten Vertreter der bürgerlichen Genre- und Landschaftsmalerei gemacht hat. Seine meist kleinformatigen Gemälde sind auch heute noch sehr beliebt.

Auf vielen Gemälden ist ein besonderes Motiv, ein roter Schirm zu entdecken. Das Mu-seum Georg Schäfer in Schweinfurt widmet sich nun in der Ausstellung „Der rote Schirm“ (17.3.-16.6. 2024, danach Kunsthaus Apolda Avantgarde) diesem bislang übersehenen, aber durchaus wichtigen Detail in der Bilderwelt Spitzwegs. Die Ausstellung und der im Hirmer Verlag erschienene Begleitkatalog gehen der Bedeutung dieses besonderen Motivs nach. Zu Zeiten Spitzwegs war der rote Schirm in einigen Regionen Deutschlands das Requisit des Hochzeitsladers, dem Zeremonienmeister der bäuerlichen Hochzeit.

In ihrem umfangreichen Essay beleuchtet die Kuratorin Andrea Fromm das außergewöhnliche Utensil, das in fast allen Schaffensperioden Spitzwegs auftaucht. Wie sein „armer Poet“ hinterließ der rote Schirm bleibende Spuren in der Kunstwelt, z.B. bei Honoré Daumier oder Theodor Lane. Der Katalog ist neben den zahlreichen Spitzweg-Gemälden auch mit Abbildungen dieser Künstler ausgestattet. Abschließend widmet sich der Kunsthistoriker Wolf Eiermann noch ausführlich Spitzwegs bekanntestem Gemälde „Der arme Poet“, das einen Schriftsteller in seiner ärmlichen Dachstube zeigt. Neben ausgewählten Literaturhinweisen wird der Katalog durch eine mehrseitige Biografie von Carl Spitzweg ergänzt.

Bewertung vom 04.04.2024
Kafka
Kafka, Franz

Kafka


sehr gut

Die bekannte Hamburger Künstlerin und Illustratorin Stefanie Harjes bindet in ihre Kunstwerke gern literarische, autobiografische Elemente ein. Da sie ihr Studium u.a. in Prag absolviert hat, ist ihr natürlich das Werk von Franz Kafka vertraut. Und so hat sie bereits 2010 den Bild-Text-Band „Kafka“ vorgelegt, in dem sie Kafka-Texte nicht nur illustriert hat, sondern mit ihnen in einen „wilden Tanz“ getreten ist, wie sie es in ihrem Nachwort formuliert.

Zum bevorstehenden 100. Todestag von Franz Kafka ist bereits 2019 eine Neuausgabe erschien, die die zahlreichen Jubiläumsausgaben in diesem Jahr bereichert. Die außergewöhnlichen Illustrationen überraschen und vermitteln einen anderen Blick auf die Kafka-Texte. Kafka selbst zeichnet sich ja durch eine lebhafte Bildsprache aus und so entsteht ein Zwiegespräch zwischen Text und Illustration. So werden die Leser*innen nicht nur zum Betrachten und Entdecken eingeladen sondern auch zur Lektüre des einen oder anderen Kafka-Textes. Besonders für Kafka-Anfänger geeignet.

Bewertung vom 02.04.2024
Herr Kafka und die verlorene Puppe
Theule, Larissa

Herr Kafka und die verlorene Puppe


ausgezeichnet

Mit ihrem neuen Buch will die amerikanische Autorin Larissa Theule Kindern Franz Kafka näherbringen. Dabei schildert sie eine Begebenheit aus dem Leben des Schriftstellers und verlässlichen Briefeschreibers. Eines Tages traf er mit Dora Diamant in einem Park ein kleines weinendes Mädchen, deren Puppe verschwunden war. Kafka tröstete sie, dass die Puppe nicht verschwunden sondern auf Reisen war.

Drei Wochen lang schrieb er Briefe von der Puppe an das Mädchen und half ihr so über den Verlust hinweg. Theule änderte die Anekdote etwas, um für das Mädchen neue Zukunftsmöglichkeiten zu eröffnen. Die bekannte Illustratorin Rebecca Green hat die berührende Geschichte mit zauberhaften Abbildungen ausgestattet. Fazit: Ein außergewöhnliches Kinderbuch zum diesjährigen Kafka-Jubiläum.

Bewertung vom 21.03.2024
Und dann gab's keines mehr
Christie, Agatha

Und dann gab's keines mehr


ausgezeichnet

Zehn Männer und Frauen werden aus ganz unterschiedlichen Gründen von einem besagten Mr. Owen in ein Herrenhaus auf Soldier Island eingeladen oder sollte man lieber sagen: auf die einsame Insel gelockt. Als alle auf der Insel angekommen sind, werden sie von der Nachricht überrascht, dass sich die Gastgeber entschuldigen lassen. Nach dem gemeinsamen Abendessen werden sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Jeder von ihnen hat ein düsteres Geheimnis, sie haben sich eines Verbrechens schuldig gemacht, das bisher ungesühnt blieb. Der mysteriöse Mr. Owen hat davon Kenntnis und will Gerechtigkeit herbeiführen.

Da es für die „Gäste“ keine Fluchtmöglichkeit gibt, durchsuchen sie die Insel nach ihrem Gastgeber. Als dieser nicht auffindbar ist, dämmert ihnen die Wahrheit: Mr. Owen muss einer von ihnen sein. Doch wer? Fortan belauert und verdächtigt man einander, dabei kommt ein Gast nach dem anderen zu Tode, während die Verbleibenden verzweifelt versuchen, den Mörder zu enttarnen ...

Einer der verblüffendsten und meistverkauften Kriminalromane aller Zeiten, der jetzt als Hörbuch mit dem Sprecher Matthias Matschke vorliegt. Ein Hörvergnügen mit einer Dauer von fast sieben Stunden. Ein echter Agatha Christie-Thriller.

Bewertung vom 21.03.2024
Marseille 1940
Wittstock, Uwe

Marseille 1940


ausgezeichnet

Als die deutsche Wehrmacht im Juni 1940 Frankreich besiegt hatte und in der französischen Hauptstadt Paris einmarschierte, waren viele Emigranten, die ab 1933 nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten nach Frankreich geflohen waren, in höchster Gefahr, denn im Waffenstillstandsvertrag war ein Passus verankert, dass Deutsche auf Verlangen ausgeliefert werden mussten. Um nun aus Frankreich herauszukommen, brauchten die Bedrohten Pässe, Transit- und Einreisevisa, Tickets für die Passage nach Amerika. Oder einen Fluchtweg zu Fuß über die Pyrenäen nach Spanien oder Portugal.

Um wenigstens einige von ihnen zu retten, gründet der junge Amerikaner Varian Fry die Hilfsorganisation Emergency Rescue Committee. Mit nur einigen handverlesenen Mitarbeitern beschafft er Unterkünfte, Geld, Bürgschaften und Ausreisevisa. Mit Hilfe seiner Mitarbeiter gelingt es Fry rund 2000 Emigranten zu retten. Es ging ums nackte Überleben. Fry ist auf Unterstützung aus New York angewiesen, denn die Fluchthilfe verschlingt enorme Summen. Einmal kaufen sie ein ganzes Schiff, doch auf dem Seeweg scheitern sie. Mehr Erfolg haben sie auf verborgenen Schmugglerpfaden durch die Pyrenäen.

Der Schriftsteller und Journalist Uwe Wittstock schildert in seinem Buch „Marseille 1940“ die dramatischen Ereignisse, die tödliche Gefahr und die Ängste der jüdischen und politischen Flüchtlinge – besonders an den aufwühlenden Schicksalen von Anna Seghers, Franz Werfel, Hannah Arendt, Lion Feuchtwanger und Golo Mann. Wittstock (und natürlich die Leser*innen) ist verwundert, dass diese Geschichte bisher so wenig bekannt ist und Fry, der sich selbst ständig in Gefahr begab, bisher kaum gewürdigt wurde. Die erstaunliche Neuerscheinung ist ein erster und wichtiger Schritt. Eine absolute Leseempfehlung, nicht nur für Literatur-Kenner !