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Benutzername: 
Sabine
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Köln
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Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 404 Bewertungen
Bewertung vom 17.11.2016
Tage zwischen Ebbe und Flut
Müller, Carin

Tage zwischen Ebbe und Flut


sehr gut

Eine wundervolle Geschichte voller Emotionen, die zum Nachdenken genauso anregt wie zum Schmunzeln oder Weinen – man sollte nur in der richtigen Lesestimmung sein, dann kann es wirklich überzeugen.

Mittelpunkt der Geschichte ist der 70-jährige Felix, der mit Ehefrau Ellen, Tochter Judith und Enkelin Fabienne eine Kreuzfahrt antritt – doch wer jetzt denkt, ein Idyll anzutreffen, täuscht sich, denn nicht nur ist Felix an der Alzheimer-Demenz erkrankt und wirft damit den einen oder anderen Plan schnell mal über Bord, ist seine Familie auch alles andere als einfach – so braucht es seine Zeit, bis jeder seinen Platz findet, auf dem Schiff, in der Familie und auch in seinem eigenen Leben.

Die Autorin hat sich ein schweres Thema für ihren Roman ausgesucht, trotzdem ist die Geschichte eine locker-leichte, bei der zwar zwischendurch immer mal wieder die ernsten Töne durchblicken und den Leser zum Nachdenken anregen, die aber auch voller Humor steckt und mich so auf eine Achterbahn der Gefühle mitgenommen hat. Ich habe viel geschmunzelt, aber auch viel nachgedacht – vor allem aber sind die Probleme, die sich durch die Alzheimer-Erkrankung eines Familienmitglieds ergeben können, sehr deutlich geworden. Auch wenn manche Situation eher zum Schmunzeln einlädt, waren andere doch oft auch ernst und zeigten, wie viel Gefühl und Einfühlungsvermögen notwendig sind im Zusammenleben mit einem Demenzkranken.

Die Figuren waren alle sehr gut gezeichnet und jeder wirkte wie aus dem Leben gegriffen. Felix habe ich natürlich sofort ins Herz geschlossen – obwohl er manchmal hilflos wirkt, hat er doch seinen eigenen Kopf und vor allem das Herz am rechten Fleck – schlimm waren nur die Situationen, wenn er sich seiner Krankheit bewusst wird, da hatte ich dann auch schon mal Tränen in den Augen. Seine Ehefrau Ellen wirkt leider etwas herrisch, im Laufe der Geschichte aber lernt man sie näher kennen und dann auch ihren weichen Kern – das Zusammenleben mit ihrem Mann fordert sie sehr und diese Dominanz ist einfach ihre Art, mit der Situation umzugehen. Tochter Judith dagegen muss erst lernen, wie schwer genau dieses Zusammenleben sein kann – sonst sich eher der Karriere widmend, weiß sie in manchen Situationen nicht, mit der Familie umzugehen. Gefallen an ihr hat mir aber, dass sie sich entwickelt und bald auch erkennt, was im Leben wirklich wichtig ist. Enkelin Fabienne bringt in die Geschichte noch mal jugendlichen Schwung, weil ihre Probleme einfach andere sind und sie sich wie ein typischer Teenager verhält – auch wenn sie das natürlich nicht hören mag.

Der Schreibstil ist locker und leicht, sehr lebendig und lässt mich als Leser eintauchen in die wundervolle Geschichte. Und die entführt nicht nur in eine turbulente Familie, sondern nimmt auch mit auf eine wundervolle Schiffsreise rund um den italienischen Stiefel und schafft so auch ein gewisses Urlaubsfeeling. Die Seiten fliegen rasch dahin und die Geschichte ist sehr kurzweilig, dennoch ist das Buch keins für zwischendurch, weil es noch lange nachhallt und zum Nachdenken anregt. Einziges Manko – und da kann das Buch nichts für – ich war leider nicht in der richtigen Lesestimmung; sonst hätte es volle 5 Sterne gegeben. Trotzdem würde ich das Buch auf jeden Fall empfehlen, weil es einfach eine tolle Geschichte ist, die emotional berührt, dabei voller Humor steckt und Lesefreude schenkt.

Mein Fazit
Trotz des ernsten Themas ist das Buch voller Humor und lädt zum Lachen, aber auch zum Nachdenken und Weinen ein. Die Schiffsreise der Familie Kaufmann, bei der im Mittelpunkt der demenzkranke Felix steht, entwickelt sich für jeden einzelnen zu einer Reise zu sich selbst – und trotz vieler lustiger Szenen bietet die Geschichte auch viele ernste Themen, die nachdenklich machen. Liebenswerte Charaktere und ein lockerer, sehr lebendiger Schreibstil haben mir schöne Lesestunden geschenkt. Ich kann das Buch auf jeden Fall empfehlen.

Bewertung vom 02.10.2016
Das Buch vom Meer
Strøksnes, Morten A.

Das Buch vom Meer


weniger gut

Ich sage es gleich vorweg – mich konnte das Buch nicht begeistern. Ich hatte an das Buch einfach die falschen Erwartungen. Wer eine spannende Abenteuergeschichte wie ich erwartet, der wird vermutlich genauso enttäuscht sein – denn eigentlich verbirgt sich zwischen den Buchdeckeln ein Sachbuch über das Meer und die angepriesene Abenteuergeschichte spielt nur eine sehr untergeordnete Rolle.
Dazu mochte ich den Schreibstil nicht – er war mir einfach zu ausufernd und weitschweifend, so dass ich oft gelangweilt war von all den sicherlich gut recherchierten Fakten über die Lebewesen des Meeres oder die Bewohner norwegischer Dörfer. Aber selbst die Geschichte um die zwei Freunde, die einen Eishai ziehen wollen, ist nicht sonderlich spannend – vielleicht, weil nicht wirklich viel passiert, vielleicht aber auch, weil der Autor immer wieder abschweift und so der rote Faden immer wieder verloren geht.
Hoch anrechnen muss ich dem Autor sein maritimes Wissen und wer sich dafür interessiert, für den ist dieses Buch sicherlich eine tolle Bereicherung. Meins war es leider nicht. Wer also ein Sachbuch über Meeresbewohner und über nordische Dörfer lesen will, dem kann ich dieses Buch ans Herz legen, wer aber einen spannenden Abenteuerroman sucht, dem würde ich von dieser Lektüre leider abraten.

Bewertung vom 25.09.2016
Die Nachtigall
Hannah, Kristin

Die Nachtigall


ausgezeichnet

„Die Nachtigall“ ist ein wirklich berührender und aufrüttelnder Roman über das schwierigste Kapitel deutscher Geschichte.
Im Mittelpunkt stehen die beiden Schwestern Vianne und Isabelle, die unterschiedlicher nicht sein können – während für Vianne die Familie über allem steht, fühlt sich Isabelle eher als unabhängiger Mensch. Und auch als Frankreich von den Deutschen besetzt wird, geht jede der Frauen einen eigenen Weg – aber beide kämpfen auf ihre Weise gegen die Nazidiktatur.

Auch wenn mich das Buch nicht von Anfang an packen konnte und es etwas Zeit brauchte, bis die Geschichte in Schwung kam, hat es mich letztlich doch überzeugen und fesseln können. Kristin Hannah hat mich mit ihren Beschreibungen in die furchtbare Zeit des von den Deutschen besetzten Frankreichs entführt – ich habe den Hunger der Bevölkerung genauso spüren können wie die Kälte des Winters, habe beim Schlange stehen, um etwas Essbares zu erhalten, mitgefühlt und viele schreckliche Bilder vor Augen gehabt. Dabei fand ich die Beschreibungen nie zu weitschweifend, sondern genau passend, so dass mein Kopfkino angeschaltet war. Überhaupt schafft die Autorin eine unglaubliche Atmosphäre mit ihrem Schreibstil, der gut zu lesen ist, dabei mitreißt und den Leser berührt. Einmal in der Geschichte angekommen, war ich dann auch gefesselt und gerade in der zweiten Hälfte konnte ich das Buch kaum noch aus der Hand legen. Dabei ist die Autorin nicht zimperlich mit dem, was geschieht, hier wird nichts verharmlost oder beschönigt, sondern die Zeit so dargestellt, wie sie tatsächlich war – und auch wenn es eine fiktive Geschichte ist, konnte ich mir die beiden Schwestern Vianne und Isabelle genauso in dieser Zeit vorstellen.

Beide Figuren waren sehr gut gestaltet und ich könnte gar nicht sagen, wer von beiden mir besser gefallen hat. Ich mochte Vianne mit ihrer bodenständigen Art, auch wenn sie nicht so revolutionär wie ihre Schwester war und man sie fälschlicherweise auch als untertänig oder gehorsam bezeichnen könnte – sie hat auf ihre Weise gekämpft und auch gehörigen Mut bewiesen; dass sie die Familie als höchstes Gut sieht, habe ich als sympathische Eigenschaft empfunden und daher auch mit ihr gelitten und gefiebert. Ihre kleinere Schwester Isabelle war da ganz anders – sie ist impulsiv und ein Kämpfertyp, nichts kann sie so schnell zurückschrecken. Manches Mal wirkt sie dabei ein wenig naiv, und oft hatte ich das Bedürfnis, sie einfach mal in den Arm zu nehmen in dieser von Angst und Schrecken geprägten Zeit. Sie hat sich einen anderen Weg des Widerstands ausgesucht und mich mit ihrer mutigen und anpackenden Art beeindruckt. Aber auch andere Charaktere sind gut gestaltet, besonders gefallen hat mir zum Beispiel der Vater Viannes und Isabells in seiner sehr tragischen Rolle.

Man sollte sich wohl von dem Cover nicht in die Irre leiten lassen – so hübsch ich es auch finde, passt es meiner Meinung nach leider nicht zur Geschichte und lässt einen an etwas ganz anderes denken. Man sollte also keine romantische Liebesgeschichte in Paris erwarten – vielmehr bekommt man bedrückende und sehr emotionale Einblicke in das Leben zweier starker Frauen im besetzten Frankreich. Ich gebe dieser Geschichte 4,5 von 5 Sternen, einen halben Stern ziehe ich nur wegen des doch zögerlichen Einstiegs in die Geschichte ab.

Bewertung vom 29.08.2016
Die Salbenmacherin und der Bettelknabe / Die Salbenmacherin Bd.2
Stolzenburg, Silvia

Die Salbenmacherin und der Bettelknabe / Die Salbenmacherin Bd.2


sehr gut

Es war mein erstes Buch von Silvia Stolzenburg, aber sicherlich nicht mein letztes - denn sie hat mich mit diesem zweiten Band um die Salbenmacherin Olivera sehr begeistern können.

Schon der Einstieg in die Geschichte ist spannend, denn man wird im Prolog Zeuge, wie ein kleiner Junge auf der Flucht geschnappt und hingerichtet wird. Doch auch danach bleibt es spannend, denn die Autorin schafft es, den Leser ins historische Nürnberg zu entführen und die Geschichte um Olivera und den Bettelknaben Jona sehr lebendig zu erzählen.

Zunächst gibt es zwei Erzählstränge, die dann aber im Lauf des Buches ineinandergreifen. In dem einen geht es um die Salbenmacherin Olivera, die mit ihrem Liebsten in Nürnberg ein neues Leben beginnt. Olivera hat sich bereits einen guten Ruf als Salbenmacherin gemacht, ihr Liebster Götz wartet jedoch noch auf seine Ernennung zum Apotheker. In dem anderen Erzählstrang steht der Bettlerjunge Jona im Mittelpunkt, der sich als Dieb mehr recht als schlecht durchschlägt. In Nürnberg bekommt er ein verlockendes Angebot - doch dieses erweist sich bald als böse Falle.

Es ist vor allem der Schreibstil, der mich so begeistert hat. Er hat bei mir nicht nur ein historisches Gefühl beim Lesen geschaffen, sondern mich richtig in die Geschichte hineingezogen. Er ist sehr lebendig und gut lesbar, passt dennoch aber zum 15. Jahrhundert, in dem die Geschichte spielt. Er ist bildreich, so dass ich alle Szenerien genau vor Augen hatte, und trotz der Beschreibungen wird es nie langweilig oder langatmig. Ganz im Gegenteil - ist der Prolog schon spannend, schafft es die Autorin, diese Spannung das ganze hindurch zu halten, bis es am Schluss ein großes Finale gibt, das alle Fäden zusammenführt und alle noch offenen Fragen klärt.

Auch der Plot selber hat mir gut gefallen - er war gut durchdacht, bot einige Wendungen und Überraschungen, und am Ende wird doch alles logisch und plausibel aufgelöst.

Die Charaktere sind alle sehr liebevoll gestaltet - nicht nur die Protagonistin Olivera, die ich aber sofort in mein Herz geschlossen habe. Sie ist für die damalige Zeit eine sehr selbstbewusste Frau, die zuzupacken weiß, aber auch Gefahren einschätzen kann - und die gab es seinerzeit ja nun reichlich. Dabei trägt sie ihr Herz am rechten Fleck und lässt sich so schnell nicht aus der Fassung bringen. Bei Jona hat es etwas gebraucht, bis ich auch ihn mochte, wirkt er doch zunächst hinterlistig und undankbar - aber im Laufe der Geschichte lernt man auch ihn besser kennen, und es zeigt sich sein wahrer Charakter. Auch die Nebenfiguren sind gut gezeichnet, und genau wie die Hauptfiguren machen auch sie zum Teil sehr interessante Entwicklungen durch.

Gerade für Einsteiger ins historische Genre finde ich diesen Roman bestens geeignet, da er von Anfang an zu fesseln weiß, gut lesbar ist und eine spannende Geschichte bietet. Es gibt Intrigen und Neid, Liebe und Freundschaft und vor allem ein tolles Mittelalter-Feeling. Auch wenn dieser Band der zweite Teil einer Reihe ist, kann man ihn gut ohne Kenntnis des ersten lesen. Silvia Stolzenburg erklärt notwendige Details aus dem ersten Band, die locker in die Geschichte eingestreut sind.

Ich habe mich von dieser Buch wirklich sehr gut unterhalten gefühlt und gebe gerne 4 von 5 Sternen. Einen Stern ziehe ich ab, weil ich mir auch mal ein paar ruhigere Passagen gewünscht hätte, in denen nochmal mehr in die Tiefe gegangen wird und man mehr in den damaligen Alltag abtauchen kann.

Mein Fazit
Gerade für Einsteiger in das historische Genre finde ich diesen Roman sehr gut geeignet - er hat einen angenehmen und zur Zeit passenden Schreibstil, fesselt von der ersten Seite an, bietet einen interessanten Plot mit Überraschungen und Wendungen und Charaktere, mit denen man fiebert. Ich gebe diesem Buch 4 von 5 Sternen und freue mich auf weitere Bücher aus der Feder von Silvia Stolzenburg.

Bewertung vom 24.08.2016
Ein Zimmer über dem Meer
Paul, Dana

Ein Zimmer über dem Meer


sehr gut

Als bekennender Fan von Corina Bomann war natürlich klar, dass ich auch das neue Buch von ihr lesen wollte, das sie als Dana Paul veröffentlicht – und mit den richtigen Erwartungen hat mir auch diese Geschichte wirklich gut gefallen.

Die Autorin entführt den Leser nach Cornwall – und sie hat die Stimmung und Atmosphäre dieses Landstrichs auch wunderbar einfangen können. Man begleitet die 25jährige Kim, die nach dem plötzlichen Unfalltod ihres Freundes selbst die Lust am Leben verloren hat und sich von den Klippen stürzen will – doch sie wird gerettet und lernt nach und nach das Leben von einer ganz anderen Seite kennen. Es gibt zudem noch einen zweiten Erzählstrang in Form eines Tagebuches, in diesem geht es um die stumme Leandra, die Anfang des 19. Jahrhunderts verheiratet wurde, in ihrer Ehe aber nur geduldet ist – auch sie ist unglücklich und sucht nach Auswegen.

Wie so oft bei Büchern, die auf zwei Zeitebenen spielen, hat mir auch diesmal der Erzählstrang der Vergangenheit viel besser gefallen. Leandra ist eine sympathische Frau, die ich einfach sofort ins Herz geschossen habe, die trotz aller Widrigkeiten nicht aufgibt und für sich einen Weg sucht. Ich habe diesen Tagebucheinträgen immer schon entgegengefiebert, weil ich wissen wollte, wie es mit Leandra weitergeht – aber auch, weil ich die Stimmung in diesem Abschnitt sehr mochte, auch wenn sie eher düster und bedrückend war.

Den Erzählstrang der Gegenwart fand ich leider etwas vorhersehbar – meine Lesefreude hat das aber nicht getrübt. Ich hatte schon vermutet, dass hier auch eine Liebesgeschichte eingeflochten sein wird, von daher wurde ich nicht enttäuscht, als sich da tatsächlich etwas anbahnte. Kim als Protagonistin mochte ich sehr gerne, ihre Gefühle nach dem plötzlichen Tod ihres Freundes fand ich gut und vor allem glaubhaft dargestellt. Aber auch andere Figuren waren mir sympathisch - Janet, die Kim vor dem Sturz von den Klippen rettet, ist eine praktische und lebenserfahrene ältere Frau, die mit Menschen umzugehen weiß. Ihren Enkel Dan fand ich dagegen etwas überzeichnet und leider auch unglaubwürdig, trotzdem mochte ich auch ihn. Überhaupt gibt es in diesem Erzählstrang viel Gefühl und Emotion, und auch wenn die Stimmung eher traurig-melancholisch, habe ich mich wohl gefühlt in der Geschichte – bis hin zum Ende, das – so traurig es doch war - mich doch zufrieden zurückgelassen hat.

Der Schreibstil der Autorin ist sehr angenehm. Er lässt sich flüssig und leicht lesen, schafft es aber vor allem, Stimmungen und Emotionen einzufangen. So hatte ich die ganze Landschaft mit all seinen Klippen und Felsen, mit der See und dem Strand und auch mit Wind und Wetter stets vor Augen, aber auch die Verzweiflung und Trauer Kims konnte ich beim Lesen spüren. Zu keinem Zeitpunkt aber waren die Beschreibungen langweilig, sie waren einfach eingestreut und haben eine unglaubliche Atmosphäre erzeugt.

Ich gebe dem Buch 4 von 5 Sternen, einen Stern ziehe ich nur ab wegen der Vorhersehbarkeit und der doch etwas überzogen gezeichneten Figur Dans. Wer aber eine gefühlvolle Geschichte vor den Kulissen Cornwalls lesen möchte, dem kann ich dieses Buch mit gutem Gewissen empfehlen.

Bewertung vom 21.08.2016
Schattwald
Dribbusch, Barbara

Schattwald


sehr gut

„Schattwald“ ist eine spannende Geschichte mit vielen Geheimnissen, die auf zwei Zeitebenen spielt und die mir schöne Lesestunden geschenkt hat.

Annes Großmutter Charlotte ist gestorben, in ihrem Nachlass findet Anne die Tagebücher ihrer Großmutter. In ihnen beschreibt Charlotte von ihrer Zeit in Schattwald, einem Nervensanatorium in der 1940er Jahren. Anne wusste nicht, dass ihre Großmutter dort eingeliefert war, noch weniger ahnt sie jedoch, dass die Geschichte von Schattwald bis in die heutige Zeit hineingereicht.

Wer denkt, durch dieses Buch Einblicke in die Psychiatrien der Nazizeit zu erhalten, der wird enttäuscht sein – denn darum geht es in dieser Geschichte gar nicht. Vielmehr ist es eine spannende Geschichte mit vielen Geheimnissen, die von den 1940er Jahren bis in die Gegenwart reichen und die in zwei Zeitebenen erzählt wird.

In der Gegenwart ist Anne die Protagonistin, eine sympathische Mittvierzigerin, die durch die Tagebücher ganz neue Seiten ihrer Großmutter kennenlernt. Selbst von ihrem Mann gerade verlassen, nimmt Anne die Reise zum Haus Charlottes auch als Auszeit von ihrem eigenen Leben – doch es geht turbulent zu in Innsbruck: sie lernt interessante Männer kennen, neugierige Nachbarinnen und alle scheinen Interesse an Charlottes Tagebüchern zu haben. Ich mochte Anne gleich von Anfang an, weil sie unglaublich echt und glaubhaft auf mich wirkte und sie mir mit ihren Ecken und Kanten einfach sympathisch war.

Mit Charlotte reist der Leser ins Jahr 1943, wo sie als junge Frau nach dem Tod ihres Bruders in das Nervensanatorium Schattwald gebracht wird. Doch nichts erinnert an die berüchtigten Psychiatrien, obwohl es schillernde Figuren gibt und sich einiges Merkwürdige zuträgt. Auch Charlotte, Annes Großmutter war mir gleich sympathisch mit ihrer wachsamen und zupackenden Art, und ich habe mit ihr gefiebert, das Rätsel um Schattwald zu lösen.

Die Handlungsstränge der Gegenwart und des Jahres 1943 wechseln sich immer ab. Während die Handlung in beiden Erzählsträngen zunächst eher langsam und leise voranschreitet und die Spannung eher subtil ist, ändert sich das aber im Verlauf des Buches: Es gibt immer wieder neue Geheimnisse, Fragen werden in den Raum gestellt und zunächst nicht beantwortet, so dass die Spannung steigt und ich immer weiterlesen wollte, um zu wissen, was passiert. Das Ende hätte ich so nicht erwartet, aber es werden alle Fragen geklärt und es ist schlüssig und glaubhaft.

Dass die Seiten so dahingeflogen sind, liegt auch an dem leichten und sehr flüssig zu lesenden Schreibstil, der die geheimnisvolle und manchmal mystische Stimmung gut einfangen konnte. Dass das Buch im Winter spielt, hat mich nicht gestört, wer aber im Sommer nichts mit Schneemassen und Skifahren lesen möchte, der sollte die Lektüre eher in die Wintermonate verlegen. Was mir gefehlt hat, ist ein wenig mehr Tiefgang – denn den hätte ich bei dem Thema erwartet. Leider aber ist die Geschichte doch sehr oberflächlich und der Schwerpunkt liegt mehr auf leichter Unterhaltung und den zu lösenden Geheimnissen – schöne Lesestunden hatte ich, so dass ich dem Buch knappe 4 von 5 Sternen vergebe.

Bewertung vom 17.07.2016
Kleiner Mann - was nun?
Fallada, Hans

Kleiner Mann - was nun?


sehr gut

„Kleiner Mann – was nun?“ schreibt die Geschichte eines jungen Paares in den 30er Jahren in Berlin und gibt damit ein gutes Bild der damaligen Zeit ab, die geprägt war von Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise. Dieses Buch ist die erstmals in Originalfassung erschienene Ausgabe, die um ein Drittel mehr an Seiten bietet als die bislang erschienenen Werke, und sicherlich wäre es interessant, beide Bücher zu lesen, um einen Vergleich ziehen zu können – andererseits ist dies aber nicht notwendig, denn der knapp 70seitige Anhang liefert hier einiges an Hintergrundinformationen, die auch genau diesen Vergleich mit aufgreifen. Doch nun erst mal zum Buch.

Ich muss gestehen, dass ich zu Anfang etwas Probleme hatte, in die Geschichte reinzukommen, da ich den Schreibstil Hans Falladas doch sehr eigen und ungewöhnlich finde. Ich bin über einige Formulierungen gestolpert und habe mich gefragt, ob man damals tatsächlich so geredet hat, wie hier die Dialoge angelegt sind – ich fand die Sprache ungelenk und hölzern, manchmal auch umständlich. Trotzdem wirkt der Schreibstil locker und beschwingt – eigentlich gar nicht passend zur damaligen Zeit. Und so musste ich oft schmunzeln – alleine schon bei den Kosenamen, denn Johannes nennt seine Freundin „Lämmchen“, Emma ihren Zukünftigen dagegen „Junge“. Aber einmal eingelesen, habe ich mich auch an diesen Schreibstil gewöhnt und ihn im Verlauf dann auch genießen können.

Die Geschichte selber hat mir zudem gefallen, einfach weil sie einen guten Einblick in das Berlin der 30er Jahre liefert und sie authentisch und glaubhaft wirkt. Dazu haben natürlich gerade auch die Charaktere beigetragen, die sehr gut gestaltet sind und ein Abbild der Menschen von damals mit ihren Sorgen und Ängsten, ihren Gefühlen und Gedanken darstellt. Zwar steht Johannes Pinneberg im Mittelpunkt der Geschichte, doch die eigentliche „Heldin“ ist für mich seine Frau „Lämmchen“, die mich mit ihrer herzlichen und gutmütigen, dennoch aber anpackenden Art einfach begeistert hat. Daneben wirkt Johannes, „Junge“, immer etwas rat- und hilflos – man hat den Eindruck, ohne sein Lämmchen würde er in dieser Zeit richtig untergehen. Aber trotzdem ist er in seiner unbedarften und hilflosen Art auch sympathisch, und ich habe mit den beiden in ihren Nöten richtig mitgelitten.

Auch wenn der Schreibstil eher locker und leicht, manchmal sogar beschwingt daherkommt, die Geschichte ist es nicht – sie hat mich eher traurig gemacht und zum Nachdenken angeregt. Auch das Ende, das eher offen gehalten und keinesfalls ein „Happy-end“ ist, hat mich etwas bedrückt – aber es macht die ganze Geschichte sehr authentisch. Ich habe mich beim Lesen tatsächlich in die damalige Zeit versetzt gefühlt, weil Hans Fallada nicht nur die Gefühle und Gedanken der Protagonisten gut eingefangen hat, sondern weil er mit seinen Beschreibungen und Orten, an die er den Leser entführt, ein wunderbares Bild Berlins in den 30ern gezeichnet hat.

Im Anschluss an die eigentliche Geschichte folgt der sehr ausführliche Anhang, den ich mit großem Interesse gelesen habe. Er beschreibt, was seinerzeit bei Ersterscheinung alles verändert und gekürzt wurde und beleuchtet auch die Hintergründe, warum der Text mehrfach geändert bzw. angepasst wurde. Das hat die Aussage des Buches für mich noch mal mehr verändert und mich auch nach Beenden noch lange über die Geschichte und die damalige Zeit nachdenken lassen.

Bewertung vom 09.07.2016
Wie der Atem in uns
Poliner, Elizabeth

Wie der Atem in uns


weniger gut

Das Cover des Buches finde ich wunderschön und auch der Klappentext verspricht eine interessante Geschichte – ich mag Familiensagas, deshalb war ich sehr neugierig. Aber ich muss sagen, dass ich leider sehr enttäuscht wurde.
Die Idee der Geschichte ist gut: Die jüdische Familie Leibritzky fährt jeden Sommer mehrere Wochen ans Meer, um die Ruhe und das Leben in seiner Ursprünglichkeit zu genießen. In einem Sommer kommt es zu einem tragischen Unglück und dieser Sommer bildet den roten Faden des Buches.
Schon der Einstieg in die Geschichte ist mühsam – wie selbstverständlich tauchen unzählige Figuren auf den ersten Seiten auf, die ich zunächst kaum sortiert bekam, und auch im Verlauf der Geschichte ist es mir schwer gefallen, die unterschiedlichen Figuren mit ihren Beziehungen und Erlebnissen richtig zuzuordnen. Selten habe ich mir ein Personenregister sehnlicher gewünscht als bei diesem Buch.
Doch es sind nicht nur die unzähligen Figuren, die es dem Leser schwer machen, den Überblick zu bewahren, es sind auch die vielen Erlebnisse und Erinnerungen, die beschrieben werden, egal ob sie zur Handlung unmittelbar beitragen oder nicht. Dabei gibt es zudem häufige Zeitsprünge, die meine Verwirrung nochmal mehr verstärkt haben – ich hatte wirklich meine Mühen, den roten Faden der Geschichte nicht aus den Augen zu verlieren.
Geschrieben ist die Geschichte meist aus Sicht Mollys – sie ist eines der Kinder des Leibritzkys, sie erzählt, was in jenem tragischen Sommer geschah, blickt aber auch zurück in die Vergangenheit und erzählt, was einzelnen Mitglieder der großen Familie geschehen ist. Aber es ist nicht nur Molly , die erzählt, auch hier gibt es Wechsel – nicht nur der Zeiten, von denen erzählt wird, sondern auch der Erzählperspektiven, was mich noch mal mehr verwirrt hat. Hier den Durchblick zu behalten, war wirklich eine Kunst.
Der Schreibstil selber hat mir eigentlich gefallen, ihn habe ich als warm und emotional empfunden, auch wenn er an manchen Stellen etwas ausufernd war – trotzdem lässt sich das Buch durch die ständigen Wechsel der Personen und die Zeitsprünge einfach nicht flüssig lesen.
Mich konnte diese Familiensaga leider nicht begeistern – zu verwirrend fand ich die Geschichte, die leider an manchen Stellen auch nicht vorwärts gekommen ist. Von mir gibt es leider nur knappe 2 von 5 Sternen.