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La Calavera Catrina

Bewertungen

Insgesamt 654 Bewertungen
Bewertung vom 04.04.2021
Echo Mountain
Wolk, Lauren

Echo Mountain


ausgezeichnet

Berührende Geschichte mit unvergesslicher Heldin

„Echo Mountain“ ist ein wunderbares Buch über die Kraft der Natur, und dem hoffnungsvollen Glauben, dass die Dinge ihre eigene Ordnung haben.

Die Geschichte beginnt 1934 in Maine: Ellie beginnt damit zu erzählen, dass ein kleiner Welpe, das erste Lebewesen war, dessen Leben sie gerettet hat. Ellie ist ein zwölfjähriges herzensgutes Mädchen voller Tatendrang, mit einem feinen Gespür für die wilde Natur und ihre Lebewesen. Im Gegensatz zu ihrer Mutter und ihrer Schwester, scheint sie geschaffen für ein Leben in der Wildnis. Mit ihrem Vater teilt sie diese Leidenschaft. Nachdem der Vater durch einen Unfall ins Koma fällt, versucht Ellie die Familie zusammen zu halten und spürt, dass vielleicht nur sie einen Weg weiß, alle zu retten. Das Buch beginnt ruhig und geheimnisvoll, als Ellie die Holzfiguren findet, die jemand im Wald für sie hinterlassen hat. Die Handlung offenbart sich erst nach und nach und wird dann immer spannender. Dem Klappentext und den Pressestimmen kann ich nur beipflichten. Die Geschichte ist komplexer, als es zu Beginn den Anschein macht, ohne jedoch den Schauplatz zu wechseln oder zu viele Charaktere einzuführen. Gedankenreich, zutiefst anrührend und voller Liebe - die Verantwortung für die Natur und was Menschen verbindet und sie spaltet. Ellie ist dabei eine sehr starke und unglaublich sympathische Hauptfigur, die danach strebt, Mensch und Tier zu helfen und zu heilen. Man lernt ganz nebenbei etwas über einen respektvollen Umgang mit der Natur, naturnahe Behandlungsmethoden und das Überleben in der Wildnis.

Ich hatte Lauren Wolks neustes Werk sehnlichst erwartet und förmlich verschlungen. Sie schreibt so wundervoll einfühlsam davon, wie Ellie die Dinge erfühlt, statt nur zu begreifen und beschreibt Blicke und Gesten mit so treffenden Bildern, dass alles vor meinem inneren Augen erstaunlich lebendig wurde. Deshalb habe ich das Buch so genossen. Nicht nur das Ende hat mich tief bewegt. Mehrmals war ich sehr gerührt und überwältigt von so viel Willenskraft, Mut und Wohlwollen.

Fazit: Eine Geschichte, die ich so schnell nicht wieder vergessen werde, mit wunderbaren Persönlichkeiten, die mich alle überzeugen konnten. Voller inspirierender Gedanken und Botschaften und einer durchdachten und packenden Handlung. Ich würde das Buch jungen Lesern ab zwölf Jahren empfehlen, die vor schönen Geschichten mit Tiefgang und Poesie nicht zurückschrecken.

Bewertung vom 04.04.2021
Mia und die aus der 19 - Alpaka-Zirkus
Mahne, Nicole

Mia und die aus der 19 - Alpaka-Zirkus


ausgezeichnet

Tierisch-lustiger Ermittlungsfall für Kinder ab 8 Jahren

Vorweg: Es ist nicht notwendig, den ersten Teil zu kennen. Man kann sofort in die Fortsetzung einsteigen, ohne Vorwissen zu benötigen. Aber Achtung: Suchtgefahr!

„Mia und die aus der 19 - Alpaka-Zirkus“ erzählt von Mia´s tierisch kniffligem zweiten Fall: Wem gehört das Alpaka, das plötzlich in der Senioren-WG auftaucht? Mit Mia und der rüstigen Senioren-Gemeinschaft - allen voran Herr Rippel aka Mister Geheimnisvoll - wird es jedenfalls nicht langweilig. Natürlich sind wieder alle mit dabei, inklusive der Blitzblank. Nur wird es diesmal tierisch spaßig und zuckersüß.

Nicole Mahne hat es erneut geschafft, die besonderen Eigenarten und Eigenschaften, der schon aus dem ersten Band bekannten Figuren, mit viel Humor zu verpacken und so den neuen Detektivinnen-Fall wieder zu einem großen Lese-/Vorlesevergnügen zu machen. Aber auch die Reihe neuer Figuren, die das Abenteuer begleiten, bekommen ihre Momente. Wie im ersten Teil auch, sorgt die bunte Mischung, für lustigste Dialoge und Situationskomik. Die unterhalten auch den Vorleser bestens und lässt die Geschichte dann auch viel zu schnell zu Ende gehen. Im Gegensatz zum ersten Teil, liegt der Fokus nicht auf der Einführung der Charaktere, sondern auf dem Alpaka und dem Zirkus. Besonders die bildhafte Beschreibung ließ den Zirkus vor unserem inneren Auge lebendig werden - ein großes Vergnügen. So können wir uneingeschränkt auch den zweiten Band „Alpaka-Zirkus“ wieder voll und ganz empfehlen - besonders für kleine Tierliebhaber, die pfiffige Charaktere, Witz und einfache Sprache mögen.

Bewertung vom 13.03.2021
Hard Land
Wells, Benedict

Hard Land


ausgezeichnet

Coming-of-Age-Hommage an die Kulturszene der 1980-er Jahre

In „Hard Land“ erzählt Sam von dem Sommer 1985 in Missouri, in dem sich sein fünfzehnjähriges Ich das erste Mal verliebte und seine Mutter starb. So beginnt auch der erste Satz, des Buches, der sich in eine Reihe von schön geformten Sätzen einreiht, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen. Genauso wie die Ideen und Eigenheiten der Protagonisten: beispielsweise die neunundvierzig Geheimnissen der Stadt, welche, einmal eingestreut, immer wieder auftauchen. Dadurch hat man noch mehr den Eindruck, dass alles ineinandergreift und eine stimmige Geschichte ergibt. Der Klappentext gibt die Handlung exakt wieder - mehr braucht man gar nicht wissen.

„Hard Land“ ist ein klassischer Roman, über das Erwachsenwerden: Gefühlschaos - zu Tode betrübt und himmelhoch jauchzend - durch Verlust und Liebe; und lebensverändernde Begegnungen, die Sam mit den großen Fragen des Lebens konfrontieren. Sam ist damit gezwungen, sich zu verändern und seiner Kindheit zu entwachsen. Eben diesen Prozess schildert Benedict Wells so stimmig und gefühlvoll, dass ich noch stundenlang hätte weiterlesen können, weit über Sams magischen Sommer hinaus. Ich fühlte mich tatsächlich an die Filme „Breakfast Club“ und „Stand By Me“ erinnert und liebte die zahlreichen kulturellen Anspielungen, denkwürdigen Momente und klugen Gedanken. Die skurrile Szene, in der Billy Idols „Dancing With Myself“ zum Einsatz kommt, werde ich nicht mehr vergessen. Die Tatsache, das der Roman einen eigenen Soundtrack besitzt und mit einem Abspann endet, passt einfach perfekt. Ich könnte mir die Story auch als Film gut vorstellen. Das Ende hat mich begeistert: schön (nicht schnulzig), intelligent und tröstlich, mit dem nostalgischen Gefühl, das ich mir erhofft hatte.

Bewertung vom 22.02.2021
Fühlen lernen
Welding, Carlotta

Fühlen lernen


ausgezeichnet

Sind Sie genervt von ihren Mitmenschen, erschöpft oder fühlen sich über- oder unterfordert? Kennen Sie den Satz: „Ich bin mir meiner Gefühle nicht sicher?“ Warum ist das so? „Fühlen lernen“ zeigt einen Weg, diesen Signalen auf den Grund zu gehen und empfindsamer zu werden, für das, was in uns vorgeht und erklärt, warum wir oft nicht wissen, was wir fühlen. Gefühle sind schließlich mehr als „oberflächliche, esoterisch angehauchte Gefühlsduselei.“ Frei vom Selbstoptimierung zielt Dr. Carlotta Welding darauf ab, dem Leser alles Wichtige zu vermitteln: was Gefühle uns mitteilen wollen und wie man dieses Wissen nutzt. Sie geht auch darauf ein: warum „enge Kontakte und feste Bindungen einen wichtigen Schutzraum bieten, in dem Emotionen erzeugt, erlernt und eingeübt werden“, weshalb deutlich wird, warum Vereinsamung ein großes Problem darstellen könnte.

10 Prozent der Bevölkerung sind gefühlsblind. Anhand dieses Phänomens erklärt Dr. Carlotta Welding worin das Problem begründet liegt und wie man ihm begegnet. „Denn Fühlen kann man lernen.“ Zwischen den beiden Extremen, keinen Zugang zu den eigenen Gefühlen zu haben und von intensiven Gefühlen überrollt zu werden, gibt es einige Abstufungen, in denen sich jeder wiederfinden wird. Wer Aufgrund unterschiedlicher Ursachen (Genetik, Erziehung, Kindheit, Bindungen) Schwierigkeiten mit dem Fühlen hat, kann in diesem Ratgeber mehr über einen gesunden Umgang mit Gefühlen erfahren und letztlich auch das Verhalten der Mitmenschen besser nachvollziehen.

Als Erstes habe ich mittendrin angefangen und das Interview mit dem gefühlsblinden Mann gelesen (es gibt auch einen entsprechenden Test im Buch). Das fand ich so spannend, dass ich mehr erfahren wollte. Dr. Carlotta Welding schreibt wie man lernt, unangenehme Gefühle zu tolerieren und intensive Gefühle zu regulieren (emotionale Intelligenz). Ganz praktische Informationen, die man in Verbindung mit Achtsamkeit vielleicht schon mal gehört hat und täglich üben kann. Mir hat vor allem der sympathische Schreibstil gefallen, die aufgelisteten Emotionswörter und die zahlreichen Bezüge und Beispiele. Interessant fand ich auch die Einblicke, wie eine therapeutische Behandlung ablaufen könnte. Und natürlich geht es auch um das eigene Stresserleben und die Erkenntnis, dass Gefühle auch wieder vorbei gehen. Als Leser merkt man, dass Dr. Carlotta Welding das Thema am Herzen liegt und sie lange darüber geforscht hat. Zum Glück! Für mich ein sinnvolle Lektüre im Dschungel unnötiger Sachbücher, das wirklich einen Mehrwert hat. Tatsächlich ist der intuitive Umgang mit Gefühlen nicht empfehlenswert, wenn einem in der Kindheit kein gesunder Umgang beigebracht wurde. Es ist also sinnvoll, sich zu informieren. Besonders Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten und Eltern, weil die frühkindliche Entwicklung eine entscheidende Rolle spielt.

Mein Fazit: Der eigene „Umgang mit Gefühlen lässt sich nicht über Nacht ändern“ und das Lesen eines Buches, kann nur die Voraussetzungen dafür schaffen. Aber: Wer zufriedener leben möchte, kommt an der Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen einfach nicht vorbei. Anschaulich und sympathisch zeigt „Fühlen lernen“ aktuelle Erkenntnisse über ein hochkomplexes Thema und ist damit nicht nur für gefühlsblinde Menschen interessant, sondern für jeden.

Bewertung vom 22.02.2021
Warten auf Wind
Kroon, Oskar

Warten auf Wind


ausgezeichnet

In Vingas Leben gibt es große Veränderungen, vor denen sie auf die Insel, zu ihrem Großvater, flüchtet. Der wortkarge, pensionierte Seemann, mit Schiffermütze und Pfeife, ist der einzige Mensch, dessen Nähe sie gerade erträgt. Er nimmt die Dinge so, wie sie sind. Sein Lebensmotto: Man gewöhnt sich an alles. In seinem Haus, ganz in der Nähe des Leuchtturms, riecht es nach Tabak und Meer, sehnsuchtsvoller Einsamkeit und Ruhe. Vinga liebt ihren Opa und möchte selbst einmal Seemann werden. Die stille, einsame und naturverbundene Vinga hat keine Freunde in der Stadt. Manchmal fühlt sie sich einsam, aber eigentlich ist sie auch gern allein. Das harmonische und ruhige Leben auf der Insel tut ihr gut, aber während auf dem Festland die Rekordhitze wütet, tobt in ihr ein innerer Brand. Seit ihr Großvater sie mit einer selbstgemalten Schatzkarte und einem eigenen Boot überrascht hat, restauriert Vinga am Strand die Schnigge, ein kleines Boot. Dabei kommt es zu einer Begegnung, mit einem besonderen Mädchen, das mit ihrer Gegensätzlichkeit alles durcheinander bringt.

Die idyllische Kulisse und der unaufgeregt Schreibstil fügen sich einfach perfekt zusammen. Die wenigen Dialoge unterstreichen Vingas wortkargen Charakter und zeigen in ihren Beschreibungen ihre verträumte und emotionale Seite. „Aber hier draußen gibt es nur das Meer, und ich male mir aus, wo ich überall hinsegeln könnte“ (S. 14). Sie ist eine außergewöhnliche Einzelgängerin. Mit Hawaihemd, Schiffermütze, den roten Locken und dünnen Beinen wäre sie am liebsten unsichtbar, im Gegensatz zu Ruth, die gesehen werden will, viele Freunde und Interessen hat, aber trotzdem nicht so sein kann, wie sie ist. Die Beziehung zwischen Vinga und ihrem Großvater ist besonders und hat mich beim Lesen sehr fasziniert. So einfühlsam und beinahe leicht werden schmerzhafte Themen behandelt und tiefgründige Botschaften vermittelt, während man in die maritime Landschaft eintaucht und sich nur auf das konzentriert, was gerade zählt.

Mein Fazit: Einfühlsame Geschichte, mit einer großartigen Protagonistin, über den Umgang mit intensiven Gefühlen und die Abschiede und Neuanfänge des Lebens. Eins meiner Lieblingsbücher, das auch meine Tochter mochte. Vereint Anspruch, Unterhaltung, Tiefsinn, die Schönheit des Meeres und der Natur. Für Kinder und Erwachsene sehr zu empfehlen!

Bewertung vom 17.02.2021
Elfie - Einfach feenomenal
Wolff, Christina

Elfie - Einfach feenomenal


sehr gut

Die dreizehnjährige Elfie findet, an ihr sei nichts besonderes. Sie ist das mittlere von drei Kindern und hat zwei Brüder, ist hilfsbereit, witzig und ihre größte Schwäche ist der Anfang von etwas Magischem: der Momente, in dem sie nicht Nein sagen konnte. Elfie gerät durch überschlagende Ereignisse in einen Feenstrahl, woraufhin sie im Feenzirkel aufgenommen werden muss. Es geht um die ersten Schmetterlinge im Bauch und große Herausforderung, die man alleine meistern muss, auch wenn man dabei jede Menge Fehler macht. Elfie wird nämlich wirklich vom Pech verfolgt und das kann nur etwas mit der Prophezeiung der dreizehn Feen zutun haben. Ist es wirklich Elfies Schicksal, eine Fee zu sein?

Besonders gefallen haben mir, die Handlungsorte und die nerdigen Anspielungen an kultige Bücher und Filme aus dem Fantasy und Science-Fiktion Genre. Außerdem sind Elfies Sprüche absolut kreativ und witzig: „… hatte Lina mir einen riesigen Blumenkohl an Ohr gequatscht“ (S. 80). Was ich auch ziemlich gelungen fand: Die letzte Seite des Kapitels gibt einen Hinweis auf das kommende, wie beispielsweise Abschnitte aus Ratgebern für Feen oder Tagebucheinträge - das erhöht die Spannung und gibt einem mehr Einblicke in diese magische Welt. Ziemlich originell fand ich auch die kapitelweise wechselnden Symbole. Nach dem letzten Roman von Christiana Wolff ‚Die Magier von Paris' kam mir hier die magische Komponente zu kurz. Allerdings weckt der Klappentext keine falsche Erwartungen, daher: insgesamt ein luftig leichter Lesespaß, der eine Prise Romantik und Magie, aber vor allem Spannung, Freundschaft und Urlaubsflair bietet.

Bewertung vom 17.02.2021
Big Sky Country
Wink, Callan

Big Sky Country


ausgezeichnet

„Das Leben von jedem, den du kennenlernst, kann von deinen Worten aus den Angeln gehoben werden. Hast du darüber mal nachgedacht?“ S. 248

„Big Sky Country“ erzählt die Geschichte von August wie er vom Jungen zum Mann wurde; wie er mit seinem ersten Auto dem Gefühl von Freiheit ganz nahe kam und einschneidende Ereignisse sein Schicksal zeichnen. August ist einfach gestrickt. Nur Hunde scheinen eine Bedeutung für ihn zu haben. Kühen und Katzen begegnetet er mit Respektlosigkeit. Er ist stets auf der Suche und lebt einfach, während er bereit ist, hart zu arbeiten und akzeptiert, was das Schicksal für ihn bereit hält. Aber es gibt etwas, das August in die Verzweiflung stürzt: Frauen.

Trotz auktorialer Erzählperspektive habe ich mich dem Geschehen nah gefühlt. Augusts Gedanken nicht genau zu kennen, machte sogar den Reiz aus, wenn man seine Verschlossenheit bedenkt. Es lässt Interpretationsspielraum und ließ mich neugierig bleiben, wie sich August entwickeln würde. Das Ende war nicht vorherzusehen. Es kam mir vor wie eine Talfahrt: die plötzliche Flucht, die deprimierende Stimmung im zweiten Teil, die Wendung am Ende und das gefühlsaufgreifende Wetter, die Landschaft, der amerikanische Flair aus Träumen und Widersprüchen, Fast-Food, Alkohol, Rindfleisch, Rodeo und rustikalen Schimpfwörtern. Bei alledem darf man den schweigsamen August nicht unterschätzen, der, wie sein Vater von sich selbst sagt, mehr von allem versteht, als es den Anschein hat. Ich mochte vor allem die Gespräche mit seiner Mutter, die besorgt und sinnierend zugleich sein konnte, während die Dialoge mit seinem Vater eher praktischer Natur waren, wobei es August vermied, tiefgründiger zu werden.
Callan Wink ist es hervorragend gelungen, die Entwicklung eines jungen Mannes im Laufe der Jahre so fein und authentisch zu zeichnen, dass sein eigentümlicher Charakter die Geschichte trägt. Es sind die teils philosophischen Dialoge, die Begegnungen im Leben, die berührenden Momente und die stetige Weiterentwicklung von August, die mich am meisten überzeugt haben. Die erhabenen und rauen Landschaftsbilder, die Leichtigkeit und Ruhe, mit der Wink erzählt und erschreckende, realistische, wie lyrische Gebilde baut, die sich einbrennen, von augenscheinlich unbedeutenden Momenten. Es war wunderbar mit August zu reisen und seine ersten Male mitzuerleben. Dieser Roman braucht Zeit, um seine Kraft zu entfalten, aber hält am Ende soviel bereit: schmerzhafte und schöne Veränderungen in Augusts Leben, der letztlich durch sein Handeln inspiriert, weil er seine Angst ein Stück weit hinter sich lassen konnte. Die letzte Szene im Rückspiegel fand ich grandios. Für jeden, der amerikanische Literatur und Coming-of-Age-Romane mag.

Bewertung vom 11.02.2021
Kim Jiyoung, geboren 1982
Cho, Nam-joo

Kim Jiyoung, geboren 1982


ausgezeichnet

„Auch wenn sich viel in der Welt getan hatte in puncto Gleichberechtigung, all die kleinen Regeln, Selbstverständlichkeiten oder Gewohnheiten innerhalb der Gesellschaft hatten sich nicht erkennbar geändert.“ S. 156

„Kim Jiyoung, geborgen 1982“ beginnt im Herbst 2015: wie die meisten koreanischen Mütter hat sie ihren Job aufgegeben, um sich ganz ihrem Baby zu widmen. Plötzlich benimmt sie sich seltsam: verrückt, beinahe rebellisch, und verändert phasenweise ihre Persönlichkeit. Ihr besorgter Ehemann schickt sie zu einem Psychiater. Dieser erzählt chronologisch das gewöhnliche Leben seiner Klientin nach: Kim Jiyoungs Erziehung, ihre Kindheit, ihr Bildungsweg, ihr Leben als Frau und Mutter geprägt von Ungerechtigkeit, Frustration und Ohnmacht gegenüber den gesellschaftlichen Bewertungen und Erwartungen.

Die Autorin hat Interviews mit Frauen geführt und dessen Erfahrungen in ihre Geschichte einfließen lassen. Einige dieser Szenarien kommen Leserinnen bestimmt bekannt vor: wenn sich Familie und Beruf nicht mehr vereinbaren lassen, wenn nach dem Karriereabbruch ein Wiedereinstieg erfolglos bleibt, die ungerechte Lohnverteilung der Geschlechter oder anzügliche und abfällige Äußerungen von Männern am Arbeitsplatz.

„Ohne dass die jungen Mädchen sich dessen bewusst waren, führten derartige Ereignisse im Laufe der Zeit dazu, dass sie Männern gegenüber hauptsächlich Enttäuschung und Angst empfanden.“ S. 71

Beim Lesen ging es mir wie der Autorin Cho Nam-Joo beim Schreiben: ich hatte Mitleid mit Kim Jiyoung und empfand den nüchternen Schreibstil als bedrückend. Diese Einblicke in das koreanische Leben von Frauen schärfen das eigene Unrechtsbewusstsein und decken das Schicksal vieler Frauen auf, die trotz aller Bemühen den starren gesellschaftlichen Normen und Diskriminierungen hilflos gegenüberstehen.

Fazit: Anspruchsvolle Gegenwartsliteratur über die Diskrimierungen und Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen, die mehr Gleichberechtigung der Geschlechter in den Fokus rücken lässt. Ein kleines Buch das sachlich und provokant in seiner Struktur vielschichtig ist. Das Lesen lohnt sich spätestens dann, wenn man entweder tiefe Dankbarkeit für die eigenen Chancen verspürt oder den Antrieb, für eine gerechtere Welt zu kämpfen.