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Raumzeitreisender
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 743 Bewertungen
Bewertung vom 18.07.2016
Der nackte Affe
Morris, Desmond

Der nackte Affe


ausgezeichnet

Was ist der Mensch?

Wenn ein Mensch aus dem Blickwinkel eines Zoologen und Verhaltensforschers beobachtet wird, sind amüsante Antworten zu erwarten. Aus zoologischer Sicht ist der Mensch die einzige von 193 Affenarten, die nackt ist. Aber das ist nicht die einzige Besonderheit. Neben diesem ins Auge stechenden Detail gibt es Gemeinsamkeiten mit den Primaten, die verblüffend sind.

Desmond Morris untersucht in seinem Buch „Der nackte Affe“ die Herkunft und die Verhaltensweisen der Gattung Mensch. Er schlägt Brücken zur Tierwelt, wo sie aus dem Blickwinkel der Evolution geboten sind. So vergleicht er die Menschen mit seinen nächsten Verwandten, den Menschenaffen. Bei den Untersuchungen wird deutlich: Die gleichen biologischen Grundlagen führen zu ähnlichen Verhaltensweisen.

Autor Morris ist seiner Zeit weit voraus, so schreckte er 1967 nicht davor zurück, die menschliche Sexualität aus zoologischer Sicht emotionslos zu analysieren. Nicht nur, aber auch durch diesen Tabubruch wurde das Buch bekannt. Es ist längst zu einem Klassiker geworden. Morris' Einsichten führen auch bei aufgeklärten Menschen unweigerlich zu einer anderen Wahrnehmung.

Ernüchternd auch die Erkenntnis, wie die Religionen aus evolutionärer Sicht entstanden sind. Als Folge des Übergangs von einer absoluten Autokratie eines Führers einer Gruppe (Affenhorde) hin zu einer beschränkten Herrschaft, musste Ersatz geschaffen werden. Diese Lebensweise lässt eine Lücke offen, die durch die Erfindung eines Überwesens geschlossen wurde. Die Religion wurde geboren und zu einer wertvollen Hilfe für den sozialen Zusammenhalt einer Gruppe.

Desmond Morris bringt auf den Punkt, was den Menschen ausmacht. Er besticht durch eine sachliche aber auch unterhaltsame Analyse der Verhaltensweisen des Menschen aus dem Blickwinkel der Evolution. Morris muss nicht mit allem was er schreibt recht haben, dennoch muss er erst einmal widerlegt werden. „Der nackte Affe“ ist auch heute noch sehr zu empfehlen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.07.2016
Die Tochter des Buchhändlers (eBook, ePUB)
Schenk, Sylvie

Die Tochter des Buchhändlers (eBook, ePUB)


gut

Die Suche nach sich selbst

Buchhändler Christoph Stamm ist gestorben. Seine Tochter Alice ist unschlüssig, ob sie den verschuldeten Buchladen übernehmen soll. Auf der Beerdigung trifft sie die Menschen, die ihrem Vater nahe gestanden haben und auch ihr selbst nahe stehen. Die Beziehungen dieser Menschen zueinander und zum Buchhändler bilden den Kern der Geschichte.

Es sind die Gedanken, Erinnerungen und Dialoge der Personen im Umfeld des Buchhändlers, die dem Roman Leben einhauchen. Aus diesen Beschreibungen lassen sich die Charaktere der Protagonisten rekonstruieren. Deutlich wird, dass der Buchhändler eine wichtige Integrationsfigur war. Sein Tod verursacht bei einigen seiner Freunde Unsicherheiten und Lebensängste.

Alice ist eine zentrale Figur in dieser Geschichte. Aus Andeutungen geht hervor, dass sie einen Roman verfasst. In einer Art Selbstinszenierung ist „Die Tochter des Buchhändlers“ quasi ihre eigene Geschichte im Spiegel ihre Umgebung. Dabei verschwimmen Roman und Geschichte im Roman ohne erkennbare Grenzen.

Sylvie Schenk setzt sich mit dem Thema Selbstfindung auseinander. Sie beschreibt ein komplexes Beziehungsgeflecht sinnsuchender Menschen. Das Gemeinsame der Protagonisten ist ihre Liebe zur Literatur. Diese Liebe generiert eine Scheinwelt, in deren Mittelpunkt der Buchhändler stand. Sein Tod löst eine Sinnkrise aus. Auch deshalb soll Alice den Buchladen weiterführen.

Es gibt in diesem Roman keinen roten Faden. So offen wie die Frage nach dem Lebenssinn ist auch der Roman.

Bewertung vom 18.07.2016
Erklärt Pereira, Großdruck
Tabucchi, Antonio

Erklärt Pereira, Großdruck


sehr gut

Pereira erklärt ... erklärt Pereira

Der Tod eines Journalisten, der zur Zeit der Salazar-Diktatur in Portugal einen kritischen Artikel gegen die Regierung veröffentlichte und danach ins Exil nach Frankreich gehen musste, inspirierte Tabucchi, diesen Roman zu schreiben. Die Geschichte spielt in Lissabon im Jahr 1938. Sie beschreibt einen Ausschnitt aus dem Leben des portugiesischen Journalisten Pereira, der den Kulturteil einer Lissaboner Zeitung redigiert. Pereira ist ein gebildeter älterer Herr. Er übersetzt mit Vorliebe Bücher französischer Autoren ins Portugiesische. Die aktuelle Politik interessiert ihn nicht. Seine Zeitung ist ein regimetreues Blatt, aber das nimmt er nicht wahr. Eines Tages lernt er den jungen Monteiro Rossi kennen, der dringend Geld benötigt und Arbeit sucht. Pereira stellt ihn als Praktikanten ein. Rossi schreibt ein paar Artikel, die Pereira allesamt für zu revolutionär hält und daher nicht veröffentlicht. Statt sich von ihm zu trennen, entwickelt er eine gewisse Sympathie für den jungen Mann und gibt ihm immer wieder eine neue Chance. Im Laufe der Zeit wird Pereira allmählich klar, dass Rossi ein Regimegegner ist, der ihn in Schwierigkeiten bringen kann. Aber Pereira hilft ihm und seiner Freundin und macht dabei einen persönlichen Wandel durch. Seine inneren Konflikte diskutiert er mit Doktor Cardoso, einem Arzt der Klinik, in der er sich zeitweilig aufhält und Pater Antonio, einem Franziskaner, den er manchmal aufsucht. Eines Tages muss Rossi sich bei Pereira verstecken. Er bekommt Besuch von der Geheimpolizei. Die Situation spitzt sich zu.

Auffallend ist der stilistische Aufbau des Romans. Passend zum faschistischen Umfeld im Portugal unter Salazar hat Antonio Tabucchi seinen Roman in Form einer Erklärung, wie sie für ein Verhör typisch wäre, abgefasst. Eindrucksvoll, wie die Atmosphäre zunehmend beklemmender wird. Als Erkenntnis aus diesem Roman kann der Leser mitnehmen, dass ein totalitäres Regime erst dann spürbar wird, wenn man seine freie Meinung zum Ausdruck bringen will. Unkritische Zeitgenossen, so auch anfänglich Pereira, sind sich dieser Situation nicht bewusst. Von diesem Roman, dessen Spannungskurve langsam wächst, geht eine gewisse Faszination aus.

Bewertung vom 17.07.2016
Ausgebrannt
Eschbach, Andreas

Ausgebrannt


ausgezeichnet

Das Ende des Erdölzeitalters

Wie wird die Weltwirtschaft reagieren, wenn die Erdölreserven zur Neige gehen? Diese Frage greift Andreas Eschbach in seinem Thriller „Ausgebrannt“ auf. Der Roman gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil entwickelt Autor Eschbach die Charaktere der wichtigsten Romanfiguren und zeichnet durch Retrospektiven deren Lebenswege nach. Die Energiekrise bahnt sich an. Im zweiten Teil geht es um das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben nach dem Zusammenbruch der Wirtschaft und um Alternativen für die Energieversorgung.

Die Handlungsorte liegen in den USA, in Deutschland und in Saudi-Arabien. Eschbach beleuchtet ein weit verzweigtes Beziehungsgeflecht. Die Hauptrolle spielt der ehrgeizige und zielstrebige junge Wirtschaftswissenschaftler Markus Westermann, der zusammen mit anderen jungen Leuten aus verschiedenen europäischen Ländern nach New York fliegt, um bei einer Softwarefirma einen zeitlich befristeten Auftrag zu erledigen.

Eschbach erzählt parallel mehrere Handlungsabläufe, zwischen denen es Abhängigkeiten und Verbindungen gibt. Unter anderem geht es um eine bedeutende Erfindung, die Markus Westermanns Vater einst gemacht hat. Musste er dafür sterben? Zusammen mit seinen Geschwistern versucht Markus die Umstände des Todes zu klären und das Rätsel um die Erfindung zu lösen. Für wichtige Erfindungen interessiert sich auch der amerikanische Geheimdienst. Taggard, Mitarbeiter des CIA, beobachtet das Treiben von Westermann und seinem Partner. Seine Motive sind vielschichtig und bleiben nebulös.

Die Ölgeschäfte und den Expansionstrieb der Macht beschreibt Eschbach glaubwürdig. Wer große Geschäfte machen will, darf keine Hemmungen haben. Es ist faszinierend anzusehen, wie die Gier nach Geld und Macht Menschen verändern kann. Aber es geht nicht nur um windige internationale Geschäfte. Eschbach beleuchtet auch die Auswirkungen der Ölkrise auf Menschen, die auf dem Land leben. Hier ist Kreativität gefragt. Auf einmal wird es wichtig zu wissen, wie man Gemüse im eigenen Garten anbaut.

Der Roman ist angereichert mit Fachwissen aus der Ölindustrie. Die Leser erfahren einiges über die Entstehung und Verteilung der Ölvorkommen der Erde, über Methoden der Förderung und über die wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeiten der Ölwirtschaft. Die politische Situation von Saudi-Arabien wird ausführlich erläutert. Ein flüssiger Schreibstil und eine verständliche Sprache sorgen dafür, dass der rote Faden erkennbar bleibt. Für gelungen halte ich, wie Eschbach die Auswirkungen der Krise aus verschiedenen Perspektiven darstellt. Neben globalen Szenarien betrachtet er auch Einzelschicksale. Die Entwicklung der Charaktere wirkt glaubwürdig. Eschbach bringt zahlreiche Facetten menschlicher Verhaltensweisen ins Spiel. Da fossile Energieträger nur in begrenztem Umfang vorhanden sind, ist eine Ölkrise im realen Leben nicht nur möglich, sondern auch wahrscheinlich. Der Roman wirkt erschreckend real.

Bewertung vom 17.07.2016
Lustigs Flucht
Mensching, Steffen

Lustigs Flucht


gut

Satire auf die Medien- und Konsumwelt

Ernst Lustig, promovierter Germanist und Literaturhistoriker, kommt mit seinem letzten Auftrag, einer Schillerbiographie, nicht voran. Auch sonst hat er Probleme. Seine Freundin hat sich von ihm getrennt, seine Lektorin wartet ungeduldig auf sein neues Buch und seine Freunde und Verwandten nerven ihn. So schließt er sich in seiner Berliner Wohnung mit dem Vorsatz ein, sie nicht zu verlassen, bevor sein Buch vollendet ist.

Die Abkopplung von der Gesellschaft erweist sich als schwierig. Unentwegt suchen Familienmitglieder, Auftraggeber und Freunde den Kontakt zu ihm. Protagonist Lustig zimmert sich eine Scheinwelt zusammen, um seine Abwesenheit von der Gesellschaft plausibel erklären zu können. Sein Rückzug bewirkt, dass er spleenig wird. Seine Ausreden werden zunehmend abenteuerlicher. Wann bricht das Kartenhaus in sich zusammen?

Protagonist Ernst Lustig (sein Name kann als Metapher für seine eigene Widersprüchlichkeit gedeutet werden) ist der tragische Anti-Held der Geschichte. Die Trennung von der Welt, gemeint ist die verlogenen Konsum- und Medienwelt, kann ihm nur gelingen, wenn er sich eine eigene verlogene Scheinwelt aufbaut. Somit lauern „Jenseits der Illusionen“ neue Illusionen. Menschings Roman ist eine Satire auf „Schein und Sein“ unserer Medien- und Konsumwelt.

Der Autor versteht es, seinen Roman mit zahlreichen Querverweisen zur Literatur anzureichern. Dennoch handelt es sich um zähen Stoff. Die Wende kommt mit der Figur des vietnamesischen Fahrradboten, Restaurantbesitzers und Händlers Minh. Dieser sorgt für Unterhaltung und dient als Quelle der Inspiration. Auch wenn der Plot ungewöhnlich klingt und neugierig macht, hat mich die Umsetzung nicht wirklich überzeugt.

Bewertung vom 17.07.2016
Kabarett der Täuschungen
Gardner, Martin

Kabarett der Täuschungen


ausgezeichnet

Ein Aufklärungsbuch

Das Buch ist mittlerweile über 30 Jahre alt und wird von vielen Lesern nicht mehr entdeckt oder beachtet. Dabei ist die behandelte Thematik aktuell, zumal der Büchermarkt mit Literatur über Esoterik überschwemmt wird. Dagegen gibt es nur wenige Bücher, die aufklären, die die Spreu vom Weizen trennen und Pseudowissenschaften als solche entlarven. Martin Gardner hat ein solches Buch geschrieben.

Auch wenn heute niemand mehr von Velikovskys Buch „Welten im Zusammenbruch“ spricht, in dem eine hanebüchene kosmische Theorie die orthodoxe jüdische Interpretation der Geschichten des alten Testaments verteidigen soll, so ist Kreationismus, also die Lehre von einer 6000 Jahre alten Erde, heute (vor allem in den USA) ein aktuelles Thema.

Gleiches gilt für den Löffelbieger Uri Geller. Bereits vor über 30 Jahren wurden seine Tricks entlarvt; keine Spur von Psi-Kräften. Trotzdem tritt er heute wieder mit dem gleichen Programm im Fernsehen auf. Wenn er als Zauberer auftreten würde, gäb es kein Problem mit seinen Shows, dann würde es sich um reine Unterhaltung handeln. Aber so zu tun, als ob hier Psi-Kräfte wirken würden, ist Scharlatanerie.

Weil Einstein einst das Vorwort zu der deutschen Ausgabe des Werks „Mental Radio“ von Upton Sinclair (ein Freund von Einstein) geschrieben hat (ein Buch über Telepathie), wurde ihm von manchen Zeitgenossen unterstellt, er glaube an Parapsychologie. In dem Buch sind mehrere Briefe von Einstein abgedruckt, die diese Auffassung revidieren.

Andere Themen, die Gardner aufarbeitet, sind Hautsehen, Begegnungen der dritten Art, sprechende Affen und diverse Katastrophentheorien. Auch der Interpretation der Quantentheorie ist ein Kapitel gewidmet.

Nach eigenem Bekunden im Vorwort glaubt Gardner nicht, dass wertlose Hypothesen der Gesellschaft großen Schaden zufügen. Für die Gebiete Medizin, Gesundheit und Anthropologie gelte dies allerdings nicht. Bevor man Geistheilern auf den Philippinen vertraut (deren Methoden hat schon Hoimar von Ditfurth in der legendären Sendereihe Querschnitte analysiert), sollte man lieber den Hausarzt aufsuchen.

Vielleicht trägt diese kleine Rezension dazu bei, dass Martin Gardners Buch „Kabarett der Täuschungen“ nicht in Vergessenheit gerät.

Bewertung vom 17.07.2016
Rattenjagd
Terechow, Alexander

Rattenjagd


weniger gut

Groteske Satire auf die russische Gesellschaft

In einem russischen Provinznest herrscht eine Rattenplage. Der Bürgermeister beauftragt zwei Moskauer Rattenfänger, den Saal des örtlichen Hotels von diesen lästigen Nagern zu befreien, denn hoher Besuch kündigt sich an. Der russische Präsident und wichtige ausländische Repräsentanten wollen den Ort besuchen und damit besteht die Aussicht auf staatliche Fördermittel. Das Dorf soll sich von seiner besten Seite zeigen und um dieses Ziel zu erreichen, wird in potemkinscher Manier ein riesiges Kartenhaus errichtet.

In dem Roman werden die letzten siebzehn Tage vor dem Besuch des Präsidenten in chronologischer Reihenfolge beschrieben. Die Ausführungen nehmen manchmal groteske Züge an. Nonsensverhöre finden statt und das allgemeine Durcheinander wächst. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Das Volk wird teilweise durch Militär ersetzt, um Störenfriede loszuwerden. Gegen Ende des Romans werden die Handlungen zunehmend surrealistisch.

Der Roman liest sich nicht leicht. Er besteht aus einer Vielzahl aneinander gereihter Fragmente, deren Verbindungen fehlen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Autor auf Charakterstudien verzichtet hat. Trotz einfach strukturierter Sprache, erfordert das Lesen ein hohes Maß an Konzentration. Einzelne bildhafte Beschreibungen lockern die Erzählung zwar auf, jedoch fehlt der rote Faden. Es handelt sich um einen nur mäßig geglückten Versuch einer Satire auf die russische Zeitgeschichte.

Bewertung vom 16.07.2016
Die Datenfresser
Kurz, Constanze;Rieger, Frank

Die Datenfresser


sehr gut

Balanceakt zwischen Transparenz und Privatsphäre

Die Autoren Constanze Kurz und Frank Rieger, beides IT-Sicherheitsexperten, erläutern, was kostenlos im Internet bedeutet. Bezahlt wird nicht mit Euro, sondern mit Daten. Im Informationszeitalter haben Daten einen Wert, der in die Milliarden geht, wie an Verkäufen von IT-Unternehmen deutlich wird.

Mit dem Thema des Buches haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Autoren beschäftigt. Gerald Reischl [1], Stephen Baker [2] und Dave Eggers [3] seien als Beispiele genannt. Im Kern geht es um den leichtfertigen Umgang mit persönlichen Daten und den Nutzungsmöglichkeiten dieser Daten auch gegen die Interessen der betroffenen Personen.

Das Buch gliedert sich in neun Kapitel, in denen die Autoren die Motivation der Datensammler beschreiben, Algorithmen und Auswertemöglichkeiten erläutern, das „digitale Gedächtnis“ thematisieren und Überwachungsmethoden auf Basis biometrischer Daten vorstellen.

Smartphones i.V.m. WLAN-Netzen und GPS ermöglichen es, Bewegungsprofile von Personen zu erstellen. Mehrwerte entstehen durch die parallele Auswertung vieler Datenquellen. Bewegungsprofile i.V.m. Kontakten aus E-Mail-Diensten, sozialen Netzwerken, Blogs und Foren lassen den Bürger transparent werden.

Die Mechanismen beim Umgang mit Daten erläutern die Autoren anhand eines jungen Internetunternehmens. Selbst wenn der Datenschutz (zunächst) garantiert wird, ist diese Garantie nach einem Konkurs nichts mehr wert. Die Daten werden mit anderen Beständen verknüpft bzw. in einen größeren Datenbestand eingegliedert und vermarktet.

Die Abschaffung der Privatsphäre wird von denen gefordert, die einen Nutzen davon haben. Auffallend ist die Asymmetrie bei der Transparenz. Es sind nicht die IT-Firmen oder die Chefs der großen sozialen Netzwerke, die auf Geheimniskrämerei verzichten. Digitale Transparenz gilt nur für den Bürger.

Im letzten Kapitel zeigen die Autoren Wege auf, wie Bürger sich besser schützen können. Dieser wichtige Teil des Buches kommt zu kurz. Im heutigen digitalen Zeitalter sind Bücher erforderlich, die ihren Schwerpunkt beim praktischen Datenschutz setzen. Davon abgesehen sind die Ausführungen verständlich und hinsichtlich des von vielen unterschätzten Themas auch wichtig.

[1] Gerald Reischl: Die Google Falle, 2008
[2] Stephen Baker: Die Numerati, 2008
[3] Dave Eggers: Der Circle, 2014

Bewertung vom 16.07.2016
Broken Music
Sting

Broken Music


ausgezeichnet

Every Breath You Take

Selbstfindung ist ein großes Thema für Sting. Gleich im ersten Kapitel seiner Autobiographie berichtet er über ein Experiment mit bewusstseinsverändernden Drogen in einer religiösen Gemeinschaft. Ist eine transzendente Wirkung erreichbar? Seine Visionen beziehen sich auf die Kraft der Liebe, die – analog der Energieerhaltung in der Physik – ständig transformiert wird, aber niemals verloren geht.

Die Zeit bei „Police“, die Sting zu einem Weltstar katapultiert hat, spielt in diesem Buch nur eine untergeordnete Rolle. Spannend wie ein Roman ist die Entwicklung des jungen Musikers Sting bis zur Etablierung von „Police“. Wer in gesicherten Verhältnissen lebt, bekommt Respekt vor einem Menschen wie Sting, der für eine Idee einen sicheren Beruf aufgibt, um in der unsteten Musikerszene seinen Weg zu gehen.

Sting beleuchtet ausführlich seine Kindheit und Jugend. Sein Verhältnis zu seinen Eltern war angespannt, fast zerbrochen und die Aufarbeitung dieser Beziehung macht einen wesentlichen Teil des Buches aus. Auf manche Menschen wirkt Sting arrogant. In der Autobiographie wird deutlich, dass sich hinter einer Fassade vordergründiger Arroganz, ein selbstkritischer Mensch verbirgt.

Wer dieses Buch liest, wird Sting mit anderen Augen sehen. Er ist nicht als Musiker geboren, sondern hat sich allmählich zu dem entwickelt, was er heute ist. Sein Wandel von einem durchschnittlichen Provinzmusiker zu einer Musikerpersönlichkeit vollzog sich langsam. Er ist ein Kind seiner Zeit, beeinflusst von den Beatles, die aus einem ähnlichen Milieu stammten wie er selbst und der Gruppe Cream, die als Trio Musikgeschichte geschrieben hat.

Seine Maxime lautet: „Weniger ist mehr“. Er hat frühzeitig angefangen, seine Qualitäten als Sänger zu verbessern und selbst Musikstücke zu schreiben. Diese kreative Arbeit und der Entschluss, nach Jahren in verschiedenen Bands, mit den Musikern Copeland und Summers eine Band zu gründen, führten zum Erfolg.

Wer Stings Musik kennt und seine Ambitionen für humanitäre Organisationen, erwartet einen tiefsinnigen Autor. Dieser Eindruck wird bestätigt. Sting besitzt zudem schriftstellerische Qualitäten und seine offenherzige Art überrascht.

Bewertung vom 16.07.2016
Virtualisierung für Einsteiger
Portnoy, Matthew

Virtualisierung für Einsteiger


gut

Grundkonzepte der Virtualisierung verstehen

In der Informatik bedeutet Virtualisierung die Abstraktion einer physischen Komponente in ein logisches Software-Objekt. Für das Rechenzentrum bieten sich Einsparungen bei den Hardwarekosten, bei der Energie und bei der Administration der Systeme. Für den Anwender, dem eine virtuelle Maschine bereitgestellt wird, ist kein Unterschied erkennbar.

Autor Matthew Portnoy ist als IT-Experte bei VMware beschäftigt, insofern wundert es nicht, das sein Fokus auf Lösungen von VMware liegt. Neben VMware ESX erläutert Portnoy auch die Konzepte und die Entstehung der alternativen Lösungen Citrix Xen und MS Hyper-V.

Das Buch besteht aus 14 Kapiteln, in denen der Autor die Grundlagen der Virtualisierung auf verständliche Weise erläutert. Dabei lernen die Leser nicht nur, was Hypervisoren und virtuelle Maschinen sind, sondern auch wie diese eingerichtet, verwaltet und verfügbar gemacht werden.

Der Autor stellt zwar drei Lösungen für Virtualisierungen vor, beschreibt aber die Unterschiede nicht systematisch. Eine Systemauswahl ist auf dieser Basis nicht möglich. Hilfreich wäre zum Beispiel eine tabellarische Gegenüberstellung der Merkmale gewesen. Bei den beschriebenen Funktionen bzw. Methoden ist nicht immer klar, auf welche Systemlösung sie sich beziehen.

Für ein Buch, das einen generellen Überblick über das Thema geben will, sind zu viele spezielle Masken und Arbeitsanleitungen enthalten, für ein Buch, das einen speziellen Überblick geben will, sind die Beschreibungen zu allgemein gehalten. Insofern stellt sich die Frage nach der Zielgruppe.

Die Fragen am Ende der jeweiligen Kapitel sind hilfreich, da sie dazu führen inne zuhalten und den Stoff zu reflektieren. Dabei zielen sie nicht darauf ab, Wissen abzufragen, sondern darauf, das Verständnis zu fördern. Auch das Glossar ist übersichtlich und prägnant.

Das Buch werden eher diejenigen lesen, die einen Überblick über das Thema erhalten möchten und weniger diejenigen, die sich mit einer speziellen Virtualisierungslösung auseinandersetzen müssen. Erstere können auf die vielen Masken und Konfigurationsbeschreibungen verzichten, Zweitere werden auf ein spezielles Fachbuch zurückgreifen, welches genau ihre Lösung beschreibt.