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bolie
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Langscheid

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Insgesamt 883 Bewertungen
Bewertung vom 30.08.2020
Westwall
Gollhardt, Benedikt

Westwall


ausgezeichnet

Julia wächst in einer Siedlung auf, die aus Bauwagen besteht. Wer jetzt denkt, dass es für sie keine schöne Kindheit gab, der irrt. Sie lebte mit ihrem Vater zusammen und der hatte stets Zeit für sie. Auch als sie Polizistin werden wollte und bis nach Brühl zog, ihr Vater folgte ihr. Er wollte auf sie achten und sie vor Gefahren schützen. Die Mutter wird immer nur am Rande erwähnt und der Leser denkt sich, dass sie kein Interesse an ihrem Kind hatte. Julia begann also ihre Ausbildung in Brühl und lernt rein „zufällig“ einen Jungen kennen, der ein sehr großes Hakenkreuz auf seinem Rücken tätowieren ließ und zudem einen außergewöhnlichen Ring trägt. Das berichtet sie ihrem Vater und der ist elektrisiert. Nur er weiß, welche Aussage hinter dem „Schmuckstück“ steht und dass Julia sich in großer Gefahr befindet.

„Westwall“ ist das Debüt von Benedikt Gollhardt und das ist ihm vortrefflich gelungen. Das Buch beschreibt unter anderem, wie sich negativer Einfluss auf das Leben von Kindern und Jugendlichen auswirkt. Und nein, selbst ein großes Hakenkreuz macht niemanden zu einem Rechtsextremisten. „Westwall“ punktet mit seiner langsam aber stetig aufgebauten Spannung. Es zeigt auch, dass die Vorurteile gegenüber den Mitarbeitern des Verfassungsschutzes eigentlich keine sind. Es gibt leider immer wieder die sogenannten „Schwarzen Schafe“, die vor vielen Jahren noch als „Doppelagenten“ bezeichnet wurden. Das Finale des Buches ist vor Spannung kaum zu überbieten und die Orte des Geschehens gibt es tatsächlich. Das Hörbuch wird von Uve Teschner gelesen. Er versteht es wie kaum ein anderer, mich in seinen Bann zu ziehen. Den zahlreichen Akteuren immer wieder eine andere Stimme zu geben, das zeugt von gutem Feeling für das hier gelesene Buch. Fünf Sterne sind eigentlich zu wenig für dieses tolle Hörbuch.

Bewertung vom 30.08.2020
Fleisch ist mir nicht Wurst (eBook, ePUB)
Reichert, Klaus

Fleisch ist mir nicht Wurst (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Klaus Reichert ist der Sohn eines Metzgers und sein Bruder schon in dritter Generation als Metzgermeister tätig. „Fleisch ist mir nicht Wurst“ trägt den markanten Untertitel: „Kein Fleisch ist auch keine Lösung.“ Der Autor schreibt über seine Kindheit im Haus des Metzgers und wie das Wursten und Schlachten zum Alltag gehörte. Er ist der Meinung, dass mindestens ein Termin im Schlachthaus auf jedem Stundenplan der 9. Klasse stehen sollte. Wie sonst erfahren die jungen Leute, wo das Fleisch herkommt und wie es ist, wenn Tiere dafür sterben? Nein, der Autor stellt sich keineswegs gegen die Genießer von Fleisch. Er denkt nur, dass sie ein wenig mehr auf die Herkunft achten sollten. Er schreibt von den größten Fleischverarbeitern in Deutschland und dass die letzten Skandale vorauszusehen waren. Ja und Lebensmittelskandale sind stets ein gefundenes Fressen für die Journalisten. (Er darf das schreiben, er ist selbst einer.) Es gibt viele Klicks und die wiederum sorgen dafür, dass die Kasse klingelt.

Oh ja, ich kann mich noch lebhaft an diesen Satz erinnern: „Fleisch ist ein Stück Lebenskraft.“ Was hat sich seitdem geändert? Damals war es Luxus, wenn Fleisch auf den Tisch kam und wenn es so war, dann gab es einen Feier- oder Festtag. Es ist also ein Zeichen von Wohlstand, dass sich jeder Deutsche Fleisch leisten kann. Warum werden wir dann von Veganern angefeindet und Metzger als Mörder bezeichnet? Leider gibt es immer weniger Metzgereien in den Städten und ich selbst muss 25 km fahren, um in einer einkaufen zu können. Traurig. Das Buch hat mich gefesselt. Es ist in ansprechendem Stil und mit viel Humor geschrieben. Viele Fakten konnte ich zum Thema lesen und dass das künstlich hergestellte Steak für mich keinen Fleischersatz darstellen kann, habe ich jetzt endlich auch in Schriftform zum immer wieder lesen.

„Fleisch ist mir nicht Wurst“ ist mit einigen Fotos ausgestattet, die das Lesen noch einmal mehr und fröhlich auflockern. Ich vergebe fünf Sterne mit vielen Pluszeichen und eine dringende Empfehlung, es zu lesen. Und liebe Veganer, den Shitstorm dürft Ihr gerne behalten.

Bewertung vom 28.08.2020
Allegro Pastell (eBook, ePUB)
Randt, Leif

Allegro Pastell (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein Ritual der Liebenden: „Erst Sex, dann grüner Tee mit drei Aufgüssen. In 30 Minuten aus echten japanischen Schalen trinken.“ Wow, extrem spannend. So zelebrieren die beiden Hauptpersonen in Allegro Pastell immer mal wieder ihr Wiedersehen. Tanja Arnheim und Jerome Daimler wohnen weit auseinander und sehen sich daher nicht sehr häufig. Umso mehr freuen sie sich jedes Mal, wenn sie Zeit miteinander verbringen können. Nein, nur Tee gibt es dann nicht. Auch Ecstasy, Gras und Hochprozentiges gefällt den beiden auch. Die Story beginnt im Jahr 2018 und die depressive Schwester, auf die im Klappentext hingewiesen wird, erscheint nur am Rande.

Tja, ich weiß nicht so recht. Das Buch schaffte es auf die Longlist zum Deutschen Buchpreis 2020. Nicht nur das gilt es zu beachten, es ist auch das Romandebüt des Autors. Seine Sprache gefiel mir meistens, allerdings frage ich mich ob es üblich ist, ständig mit englischen Vokabeln zu agieren. Der Schwerpunkt der Story richtet sich auf das Miteinander eines nicht mehr jungen Paares. Sie wird 30, er ist fünf Jahre älter. Ihr Verhalten befremdete mich oft. Beide kommen mir egoistisch und sehr auf sich selbst fixiert vor. Sex ist ein Akt für sie, der nicht immer etwas mit Liebe zu tun hat und es gibt auch Abenteuer auf fremden Terrain.

Sind die heutigen Paare tatsächlich so oberflächlich? Muss der Dialog mit Fremdwörtern gespickt sein damit das Gegenüber merkt, wie intelligent man ist? Sie merken, dass mich Allegro Pastell zwiespältig zurücklässt. Vielleicht lese ich es irgendwann noch einmal und gewinne dann grundlegende Erkenntnisse. Vier Sterne gebe ich dafür, weil es immerhin ein bemerkenswertes Debüt ist.

Bewertung vom 27.08.2020
Oktoberfest 1900 - Träume und Wagnis (eBook, ePUB)
Grill, Petra

Oktoberfest 1900 - Träume und Wagnis (eBook, ePUB)


sehr gut

Zwei junge Frauen, Colina und Clara, möchten ausbrechen. Die eine aus dem Alltag in einer Kneipe, die andere aus dem Haus ihres Vaters. Beide sind die Hauptpersonen in dem Buch „Oktoberfest 1900 Träume und Wagnis“. Durch einen humorvollen Plan lernen die beiden sich kennen, obwohl sie aus sehr unterschiedlichen Verhältnissen kommen. Das Oktoberfest steht an und Claras Vater möchte hier das große Geld machen. Auch für Colina beginnt damit eine stressige Zeit.

Mit viel Humor und einer lebendigen und ausführlichen Sprache, schrieb die Autorin das Buch. Es zeigt, wie die Kämpfe um den Bierausschank das Leben rund um das Fest bestimmten. Es wird mit allen Bandagen gekämpft und ich frage mich ernsthaft, ob das heute auch noch so ist. Spannend wurde das Buch ebenfalls immer mal wieder aber hauptsächlich geht es um das große Volksfest. Bezeichnend, wie die „Biermädchen“ damals entlohnt wurden und was sie sich häufig gefallen lassen mussten. Frau Grill hat ausführlich recherchiert und ich konnte mich sehr gut in die damalige Zeit hineinversetzen. Ihr stiller Humor hat mir mal wieder bestens gefallen.

Es gibt viel Lokales zu lesen und das entspricht wohl eher dem Geschmack von Einheimischen oder jenen, die das Oktoberfest mögen. Bald folgt auch der Film, welcher in mehreren Folgen in der ARD gezeigt wird. In diesem Jahr 2020 musste es ausfallen und da denke ich, dass der Roman eine gute Entschädigung dafür ist. Ich gebe vier Sterne für dieses empfehlenswerte Buch.

Bewertung vom 26.08.2020
Die Tochter des Zauberers / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.14 (eBook, ePUB)
Rehn, Heidi

Die Tochter des Zauberers / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.14 (eBook, ePUB)


sehr gut

Erika Mann war die älteste Tochter von Thomas Mann, dem Nobelpreisträger für sein Buch „Die Buddenbrooks“. Wie viele ihrer Kollegen musste sie nach Amerika emigrieren. Dort wollte sie den Menschen die Augen über die Faschisten öffnen, welche Europa mit ihrer Propaganda überfluteten. Das war nicht einfach, da viele nicht an den Machenschaften Hitlers und Konsorten interessiert waren. Neben diesem Wunsch gab es noch Männer, die ihr Herz erobern wollten. Sie musste sich zwischen Erfolg und Liebe entscheiden.

„Wer das laute Knallen schwerer Schaftstiefel auf Steinböden und das heisere Brüllen dumpfer Parolen vor verblendeten Massen für Kultur hält, scheint selbst nie über das Niveau von steinzeitlichen Höhlenmenschen hinausgekommen zu sein.“ (Zitat aus dem Buch)
Das Buch zeigt, wie die Künstler aus Europa in New York zurechtkamen. Wo sie sich trafen und wie sie versuchten, die Kollegen in der Heimat zu unterstützen. Viele von ihnen mussten fliehen, weil ihre Werke in den Augen der Nazis „entartet“ waren. Auch der Vater von Erika, Thomas Mann, emigrierte mit seiner Frau und den Kindern in die Schweiz.

Die Autorin brachte mir mit dem Buch #DieTochterdesZauberersErikaMannundihreFluchtinsLeben die Tochter des berühmten Mannes sehr nah. Ihre Bücher werde ich auf jeden Fall noch lesen und auch jene, die ihr jüngerer Bruder schrieb. Bewundernswert, wie die junge Frau ihr Vorhaben umsetzte und in Amerika gegen Hitler agierte. Und das, obwohl auch dort die Anhänger der Faschisten lauerten. Am Schluss des Buches gibt es noch eine Auswahl an Literatur, die als Grundlage für das Buch dienten sowie Bücher, die noch mehr über die Familie Mann berichten. Vier Sterne gebe ich, da mir am Ende doch noch einige Fragen offen blieben.

Bewertung vom 26.08.2020
Die Sommer
Othmann, Ronya

Die Sommer


sehr gut

Leylas Mutter ist Krankenschwester und war häufig in den arabischen Ländern unterwegs. Der Vater, ein jesidischer Kurde, flüchtete aus seiner Heimat. Beide verliebten sich, sie heirateten und Leyla ist ihr erstes und einziges Kind. Sie besucht ein Gymnasium in München und verlebt sämtliche Sommerferien in der Heimat ihres Vaters. Bei den Großeltern und im Kreis der großen Verwandtschaft. Hautnah erfährt sie, wie der Krieg begann und welche Verwüstung er anrichtete. Die Sorge um die Großeltern lässt sie kaum zur Ruhe kommen, zumal sie nicht mehr zu ihnen Reisen kann.

Nicht nur der Gedanke an ihre Großeltern in Syrien machen Leyla das Leben schwer. Sie hört die Erlebnisse des Vaters als er ein Junge war und sieht im Fernsehen, welchen Druck die Jesiden bis heute ertragen müssen. Ungerechtigkeit, Flucht und die Suche nach dem Warum bestimmen die Erzählungen im Buch. Die Autorin öffnete mir die Augen über die Situation von Minderheiten in Syrien. Welche Position Assad in dem Wirrwarr innehat und was der IS mit den vielen Toten zu tun hat. Aber auch die Situation der Flüchtlinge macht sie deutlich. Wie schwierig es für alle ist, das Kriegsgebiet zu verlassen, welche Rolle die Türkei dabei spielt und auch den alltäglichen Rassismus lässt sich nicht unkommentiert.

Auffallend ist, dass die Autorin keine Anführungszeichen verwendet. Das war anfangs für mich gewöhnungsbedürftig. Aber die gravierenden Unterschiede der Kulturen erfasste sie völlig. Ein Beispiel: „Stimmt es wirklich, dass es in Almanya Häuser gibt, in die ihr eure Eltern bringt, wenn sie alt und krank werden?“ In der Heimat von Leylas Vater undenkbar. Trotzdem, die Jesiden haben ein schweres Leben in Syrien. Sie dürfen nicht heiraten, kein Land kaufen und nicht in die Stadt ziehen. Sie werden nicht anerkannt, bleiben immer „Ausländer“.

„Die Sommer“ ist eine Mischung aus Tagebuch und Roman. Nicht immer war es für mich einfach, dem Geschehen zu folgen. Aber es ist ein Debüt und ich bin davon überzeugt, dass wir von der jungen Autorin noch viel Lesen werden.

Bewertung vom 26.08.2020
Zugvögel (eBook, ePUB)
McConaghy, Charlotte

Zugvögel (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Fanny ist die Hauptperson in „Zugvögel“. Sie liebt das Meer und die Vögel, welche hier leben. Sie beobachtet die Küstenseeschwalben in Grönland und beringt sie. Aus Sorge um die Tiere macht sie sich auf den Weg zu den Brutplätzen. Sie möchte sehen, ob diese Vögel tatsächlich vom Aussterben bedroht sind. Das ist ein waghalsiges Unterfangen, da sie auf ein Boot muss, das ihr kaum Sicherheit oder Komfort zu bieten hat. Gleichzeitig ist es aber auch ein Flucht. Fanny will nicht mehr denken und die Vergangenheit hinter sich lassen. Ob ihr das gelingt und wie sie die Gefahren der See meistert, das ist spannend und in lebendiger Sprache erzählt.

Am Anfang tat ich mich schwer mit dem Lesen von „Zugvögel“. Die Autorin wechselte immer wieder die Zeiten und Orte und das machte das lesen anstrengend. Aber ich blieb dabei und es lohnte sich. Je weiter ich las desto gefälliger wurde für mich das Buch. Ich lernte etwas über die Intelligenz von Krähen, dem Kipppunkt des Artensterbens und der Arbeit von Ornithologen. Aber auch die realistische Darstellung einer großen Liebe, die in keiner Weise das Ihre suchte, gefiel mir ausgesprochen gut.

Die Autorin Charlotte McConaghy wuchs in Australien auf und „Zugvögel“ ist ihr Debüt. Sie beobachtet die Auswirkungen des Klimawandels auf die Tierwelt und sieht mit Sorge, wie viele Arten vom Erdball verschwinden. Das gibt sie auch als Begründung für das Schreiben dieses Buches an. Diesem beeindruckenden und mitreißenden Werk gebe ich gerne fünf Sterne. Wer gute Literatur mag, der wird es gerne lesen.

Bewertung vom 21.08.2020
Brüste und Eier (eBook, ePUB)
Kawakami, Mieko

Brüste und Eier (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Japanische Autoren haben einen eigenwilligen Stil, das stellte ich schon häufiger fest. Und so ist es auch bei Mieko Kawakami. Schon der Titel des Buches „Brüste und Eier“, erschienen im dumontbuchverlag lässt darauf schließen. Da ich gerne solche Werke lese, war ich gespannt, was mich erwartet.

Midoriko ist die Tochter von Makiko und 12 Jahre alt. Sie schreibt ein Tagebuch und einige Passagen werden in „Brüste und Eier“ wiedergegeben. Sie schämt sich, wenn sie ihre Tage bekommt und mag es nicht, dass ihre Mutter unbedingt eine Brustvergrößerung haben möchte. Sie denkt, dass es ihre Schuld sei, dass der Körper Makikos nicht mehr so ist, wie vor 20 Jahren. Midorikos Tante ist die Hauptperson und ihr Name Natsuko. Sie hat keine Kinder und noch nicht einmal einen Mann.

Das Buch besteht zwei langen Hauptkapiteln. Das erste dreht sich hauptsächlich um den Besuch von Mutter und Tochter bei Tante und Schwester. Viele Erinnerungen aus der Vergangenheit kommen vor. Im zweiten Kapitel geht es um das Buch, welches Natsuko schon seit einiger Zeit schreibt. Auch das Privatleben Natsukos ist hier Hauptthema und ihre Wünsche und Ziele.

Für mich galt es beim Lesen, mich nicht ablenken zu lassen und mit allen Sinnen zu genießen. Es war nicht leicht aber es lohnte sich. Der Alltag in Japan ist so ganz anders als hier und auch die Einstellung der Menschen unterscheidet sich von uns. Das alleine macht das Werk der jungen Autorin so fesselnd und ich gebe gerne vier Sterne und Leseempfehlung.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.08.2020
Das Leben ist ein wilder Garten
Buti, Roland

Das Leben ist ein wilder Garten


sehr gut

Carlo ist Landschaftsgärtner und das mit Leib und Seele. Ja, er liebt die Pflanzen und freut sich, wenn er Kunden hat, die seine Arbeit zu würdigen wissen. Doch so richtig läuft es im Moment nicht. Seine Frau hat ihn nach 16 Jahren Ehe verlassen. Einfach so. Und sein Mitarbeiter wurde zusammengeschlagen. Er liegt schwer verletzt im Krankenhaus. Nein, der Grund war nicht aktuell. Irgendwann im Krieg damals, da benahm er sich nicht so, wie die anderen es haben wollten. Und jetzt, 20 Jahre später rächten sie sich. Da ja, wenn etwas schief läuft, immer noch mehr Unangenehmes dazu kommt: Seine Mutter floh aus dem Seniorenheim. Was also tun? Wichtig ist erst mal, dass die Mutter gefunden und wieder ins Heim gebracht wird. Oder?

Die Sprache ist einzigartig und so bildhaft, dass ich die Akteure vor mir sah. Die Handlung suchte ich allerdings. Es gab nämlich keine zusammenhängende. Welchen Weg die Mutter während des Zweiten Weltkrieg ging und warum sie eine glamouröse Vergangenheit hatte? Keine Ahnung. Es ist ein munteres Hin und Her aus Gegenwart und Vergangenheit wobei der Zeitpunkt des Geschehens für mich nicht immer eindeutig war.

Mir gefiel aber nicht nur die Sprache. Auch der Umgang Carlos mit seiner Mutter, war rührend. Welcher Sohn nimmt sich so viel Zeit für eine alte Frau und geht so sehr auf ihre Wünsche ein? Es fällt mir schwer, das Buch zu bewerten. Trotzdem, ich gebe vier Sterne und hoffe, dass es viele Leser findet. Verdient hätte es die.

Bewertung vom 20.08.2020
Modehaus der Träume / Das Lichtenstein Bd.1 (eBook, ePUB)
Averbeck, Marlene

Modehaus der Träume / Das Lichtenstein Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Auf den ersten Seiten begrüßt uns die Autorin von „Das Lichtenstein“ mit einem ausführlichen Personenregister. Das ist auch nötig, da es etliche Akteure gibt, die uns in dem Buch begleiten.

Es beginnt im Jahr 1913 in Berlin. Schauplatz ist ein großes Kaufhaus, welches vornehmlich Damenoberbekleidung anbietet. Es wird die Familie der Inhaber sowie einige der Angestellten beschrieben. Deren Alltag, ihre Sorgen und ihre Freuden. Ein Brand macht viele Pläne zunichte und es zeigt sich, wer genug Mut und Kraft hat, trotzdem die Zukunft zu gestalten. Ist es Jacob, der flexibel und seinen Mitarbeitern zugewandt agiert? Oder doch Ludwig, der eher konservativ ist und sich nur schwer für neue Wege begeistern kann?

Es müssen nicht immer Bücher sein, die von einigen Lesern als „anspruchsvolle Literatur“ bezeichnet werden. „Das Lichtenstein“ gehört zu den Unterhaltungsromanen und hat durchaus auch einen Mehrwert. Es wird die Zeit vor und während des Ersten Weltkriegs beleuchtet. Welche Ängste hatten die Menschen und wie kamen die Soldaten zurück? Wie wurde mit Traumen umgegangen? Aber auch die Situation der „gefallenen Mädchen“ beschreibt die Autorin. Dabei fand ich die Frage spannend, warum die im Krieg getöteten ebenfalls als „Gefallene“ tituliert wurden. Welche Verbindung gibt es zwischen den beiden Lebensumständen? Wie oft werden Worte gedankenlos daher gesprochen und deren Sinn nicht hinterfragt.

Leichte Kost für heiße Tage, so sehe ich „Das Lichtenstein“. Klar, es werden nicht alle Rätsel gelöst, es gibt ja noch zwei Bände. Vier Sterne und eine Leseempfehlung für alle, die sich über das Leben während des Ersten Weltkriegs informieren möchten. Aber auch für Leser, die sich für Mode und deren Geschichte interessieren, ist es gewiss das Lesen wert.