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Benutzername: 
Igelmanu
Wohnort: 
Mülheim

Bewertungen

Insgesamt 997 Bewertungen
Bewertung vom 18.03.2017
Nudelglück (Restauflage)

Nudelglück (Restauflage)


sehr gut

Dieses Buch ist eins von der Sorte, die ich ohne großes Überlegen gleich nach der ersten Sichtung kaufte. Dafür gab’s zwei Gründe. Erstens: Ich mag Nudeln. Sehr sogar. Sie sind lecker und mit einem Vorrat davon hat man jederzeit eine gute Grundlage für eine in der Regel schnell zubereitete Mahlzeit. Der Herausgeber „Weight Watchers“ ließ mich zudem vermuten, dass ich hier nur kaloriensparende und gesunde Rezepte vorgestellt bekommen würde, was mir sehr wichtig ist.

Gleich zu Beginn möchte ich erklären, dass ich das WW-Prinzip nicht kenne. Ich habe auch keine Ahnung, was diese SmartPoints zu bedeuten haben, die neben den Rezepten stehen. Ist aber auch nicht wichtig, das Buch funktioniert – denke ich – auch ohne WW-Hintergrundwissen. Das Prinzip wird natürlich auch beworben, aber lediglich auf einer Doppelseite. Wer mag, kann sich informieren, ansonsten blättert man einfach weiter.

Das Buch ist vernünftig aufgebaut. Einleitend gibt es eine kurze Übersicht über Nudelsorten. Die ist aber wirklich recht kurz, wer gerne Nudeln isst, findet hier nichts Neues. In anderen Büchern gibt es an dieser Stelle neben den Nudeln passende Abbildungen, dies fehlt hier leider. Wer also vorher noch nicht wusste, wie Orecchiette aussehen, ist jetzt immer noch nicht schlauer.
Weiter geht’s mit einem Grundrezept für Nudelteig. Ich bevorzuge persönlich den zeitsparenden Kauf von fertigen Nudeln, aber das ist ja Geschmackssache. Auf jeden Fall finde ich es – der Vollständigkeit halber – gut, dass es dieses Rezept hier gibt. Wer mag, kommt über einen QR-Code sogar zu einem Video dazu.
Der Rezeptteil gliedert sich in drei große Gruppen: Fleisch & Geflügel, Fisch & Meeresfrüchte und Vegetarisch. Knapp 90 Rezepte werden vorgestellt, fast zu jedem gibt es ein appetitanregendes Bild. Die Rezepte sind vernünftig und gut verständlich geschrieben, Grundkenntnisse im Kochen werden aber vorausgesetzt.
Neben den SmartPoints gibt es Kalorienangaben, außerdem Hinweise, ob ein Gericht laktosefrei, vegan oder vegetarisch ist und ob es sich gut zum Einfrieren eignet. Auch eine Angabe „fertig in“ steht bei jedem Rezept, mit einer Zusatzangabe „davon aktiv“, die angibt, wie lange man tatsächlich schnippelt und rührt.
Die vorgestellten Rezepte bieten geschmacklich eine große Vielfalt, jeder sollte etwas Leckeres für sich finden können. Ein schönes Verzeichnis „Lust auf…“ hilft dabei, gezielt etwas Mediterranes, Asiatisches, Schnelles, Überbackenes, etwas Besonderes, etwas Veganes, oder oder oder… zu finden. Achtung Veganer: Für euch gibt es lediglich vier Rezepte, Vegetariern werden immerhin 33 Rezepte angeboten.

Fürs Nudelglück ist also gesorgt, aber wie sieht es mit dem Punkt „kaloriensparend“ aus? Da darf man – denke ich – nicht zu viel erwarten. Sicher werden an vielen Stellen Kalorien gespart, wenn zum Beispiel Sahne durch fettärmere Varianten ersetzt wird, aber die angegebenen Kalorien kann ich nur als eine Art Richtschnur empfinden, da die Portionsgrößen nicht wirklich groß sind. So richtig satt bin ich nicht nach dem Essen und – vor allem die sehr schlanken – Mitglieder meiner Familie reagieren in der Art von „sehr lecker – und was gibt’s als Hauptgang?“ Ich koche also zwangsläufig größere Mengen, esse dann selber aber auch mehr und das war’s dann schon wieder mit den gesparten Kalorien. Aber lecker war’s schon ;-)

Fazit: Ein tolles Buch für Nudelfans. So richtig viel Kalorien kann ich aber damit nicht sparen.

Bewertung vom 18.03.2017
Neuschweinstein - Mit zwölf Chinesen durch Europa
Rehage, Christoph

Neuschweinstein - Mit zwölf Chinesen durch Europa


ausgezeichnet

»Sag mal, Alter Lei, … warum bist du eigentlich bei unserer Gruppe?« »Ich möchte erleben … wie es für euch als Chinesen ist, wenn ihr so durch Europa reist. Mich interessiert, wie ihr seid und wie ihr meine Heimat wahrnehmt.«

Christoph Rehage lebte nach seinem Studium der Sinologie zwei Jahre lang in Beijing. Von dort aus begab er sich auf eine große Wanderung durch China und erlebte, wie ihm das Land und die Menschen mehr und mehr ans Herz wuchsen. Um nun zu erfahren, wie reisende Chinesen Europa erleben, schloss er sich einer Reisegruppe an und fuhr „als normales Reisegruppenmitglied“ mit ihnen zusammen durch Deutschland, Italien, die Schweiz und Frankreich…

War das ein tolles Buch! Ich hatte die Thematik ja schon interessant gefunden, aber nicht damit gerechnet, einen derart fesselnden Bericht in die Hände zu bekommen.

Schon der Stil des Autors gefiel mir. Er schreibt leicht und humorvoll, lässt aber immer auch kritische Töne einfließen. Als Charakter war er mir sehr sympathisch und schon nach kurzer Zeit vertraut. Genauso übrigens wie die anderen Mitglieder seiner Reisegruppe, allesamt interessante und verschiedene Charaktere.
Dieser besondere Reisebericht punktet aber nicht nur damit, dass er zeigt, wie man in kurzer Zeit mehrere Länder bereisen und von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten eilen kann, sondern er beschäftigt sich ganz intensiv mit dem Vergleich verschiedener Kulturen. Schön zu sehen war, dass es gleichermaßen auf Seiten von Europäern und Asiaten Vorurteile und Neugierde gab – und dass neben diversen Unterschieden auch nicht wenige Gemeinsamkeiten gefunden werden konnten.
Christoph Rehage, oder „Alter Lei“, wie er genannt wird, hat anfänglich mit Skepsis und Zurückhaltung ihm gegenüber zu kämpfen, wird aber schon bald voll integriert und baut freundschaftliche Beziehungen auf, die er nach Beendigung der Europareise im letzten Teil des Buchs dadurch vertieft, dass er zurück in China die anderen Gruppenmitglieder in ihren Heimatstädten besucht. Auch dabei kann man sich als Leser über – wie im Europateil – tolle Reisebeschreibungen und vielfältige kulturelle Eindrücke freuen.
Wie weit die gelungene Integration ging, wurde auch an den Schilderungen des Autors deutlich, denn regelmäßig finden sich Formulierungen wie „wir staunten über“ oder „wir wunderten uns“. Das ließ mich immer wieder schmunzeln und hat mir einfach gut gefallen!
Dadurch, dass der Autor so ein gutes Verhältnis zu seinen chinesischen Mitreisenden aufbauen konnte, gab es zudem kaum ein Thema, über das nicht gesprochen wurde. Kunst, Politik, Zukunftspläne, Wünsche, persönliche Ansichten – es war alles dabei. Auch richtig komische Abschnitte fehlten nicht, etwa bei einzelnen Verständigungsproblemen mit daraus resultierenden skurrilen Situationen oder wenn der „Alte Lei“ einen Lakritzschock vorbereitete ;-)
Zudem gibt es einen kritischen Blick auf die Branche der Gruppenreisen, die zwar durchaus positive Aspekte hat, aber eben auch negative. Da beides gezeigt wird, kann ein potentieller Interessent vergleichen und abwägen, wo seine Prioritäten liegen und ob daher für ihn die Vor- oder die Nachteile überwiegen würden.

Fazit: Ein großartiger Reisebericht und ein humorvoll faszinierender Einblick in die chinesische Seele.

»Am Süßigkeitenregal nahm ich vorsichtshalber auch noch eine Tüte Lakritzschnecken mit. Es gab nicht viele europäische Nahrungsmittel, mit denen man Chinesen schockieren konnte. Pizza und Pasta mochten sie öde finden und die deutsche Besessenheit mit Brot schlichtweg erbärmlich, aber wirklich angewidert waren sie nur von wenigen Dingen. Schimmelkäse gehörte dazu. Mettbrötchen auch. Aber wer einmal das verzerrte Gesicht eines Chinesen beim Verkosten von Lakritze gesehen hatte, der durfte sich wirklich gerächt fühlen. Gerächt für jeden Hühnerfuß, für jedes Entengedärm und für jedes Fischauge, mit dem er in China gequält worden war. Ich beschloss, die Lakritztüte für eine passende Gelegenheit aufzuheben.«

Bewertung vom 26.02.2017
Aufbau vor laufender Kamera
Maiwald, Armin

Aufbau vor laufender Kamera


ausgezeichnet

»Damals war Köln ein »Sternpunkt« für Eurovisionssendungen. Darunter verstand man damals entweder Sendungen, die in Deutschland produziert und gleichzeitig ins Ausland übertragen wurden, oder Sendungen, die aus einem anderen Land stammten und auch bei uns gezeigt wurden. … In der obersten Etage des Hochhauses am Hansaring, da, wo heute Saturn drin ist, war die Sende- und Übertragungstechnik, und auf dem Dach standen jede Menge Parabolspiegel. Wenn nun so ein Eurovisions-Ding anstand, mussten die »Zenti-Strecken« eingerichtet werden. Und das ging so: …«

Seine Stimme kennt vermutlich jeder. Seit Jahrzehnten erklärt Armin Maiwald Kindern, Eltern und anderen Interessierten wie die Welt funktioniert. Und nach jeder kleinen Sachgeschichte ist man – auch als Erwachsener – ein bisschen schlauer geworden.
Als ich seine Autobiographie entdeckte, war ich mir sicher, dass sie großartig sein würde. Wenn jemand weiß, wie man erzählt, informiert, seine Zuhörer fesselt und unterhält, dann er. Was soll ich sagen? Meine Erwartung wurde in vollem Umfang erfüllt!

Was habe ich alles in diesem Buch erfahren! Natürlich die Eckdaten seines Lebens und vieles, was für den privaten Armin von Bedeutung war und ist. Dann jede Menge Zeitgeschichtliches, denn sein Leben begann im Januar 1940 in Köln, da kommen reichlich Erinnerungen an Kriegs- und Nachkriegszeiten, an Aufschwung und Krisenjahre zusammen. Weiter geht’s mit gefühlt allem, was es über die Entwicklung im Bereich Film- und Tontechnik zu berichten gibt, sehr detaillierten Schilderungen über die Entstehung einiger Sachgeschichten und natürlich mit so manchem Wissenswerten über die „Sendung mit der Maus“, den „Spatz vom Wallrafplatz“ und „Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt“. Fotos gibt’s natürlich auch, da kann man zum Beispiel einen langhaarigen Armin aus dem Jahr 1972 bewundern ;-)

Im Grunde kam mir das Buch wie eine große Sachgeschichte vor. Die Geschichte von Armin, gewissermaßen ;-) Beim Lesen hatte ich die ganze Zeit über seine Stimme im Ohr und war gefesselt von der ersten bis zur letzten Seite. Es gibt wirklich nichts, was ich aussetzen könnte, außer vielleicht, dass ich mir gewünscht hätte, dass das Buch noch umfangreicher gewesen wäre.
Im Jahr 1995 erhielt Armin Maiwald das Bundesverdienstkreuz. Hochverdient, wie ich finde. Wie viel Aufwand und Zeit in so manchen Sachgeschichten steckt – unglaublich! Nun, da ich auch noch so einiges über sein Leben erfahren habe, stelle ich fest, dass er schon immer und bei allem, was er tat, mit großem Einsatz, enormer Kreativität, Mut und Improvisationstalent zugange war.

Fazit: Ich würde gerne 6 Sterne vergeben. Dieses Buch bekommt einen festen Platz bei meinen Lieblingsbüchern.

»Die wichtigste Entscheidung war: Es sollten keine »Lehrfilme« werden. Man sollte nichts lernen müssen. Es sollte niemand, sozusagen mit erhobenem Zeigefinger, dozieren … Uns war von Anfang an klar, dass wir die Schule weder imitieren noch ersetzen wollten. Schließlich arbeiteten wir für ein Unterhaltungsmedium. Und es sollte Spaß machen zuzuschauen. Aber wenn man nach so einem kleinen Film etwas schlauer war als vorher, wäre das kein Fehler.«

Bewertung vom 26.02.2017
Schönes NRW, Ausgabe mit Gutscheinen

Schönes NRW, Ausgabe mit Gutscheinen


weniger gut

Ich unternehme gerne mal was in der Region und habe schon mehrfach die Erfahrung gemacht, dass man manchmal gar nicht weit fahren muss, um tolle Dinge zu entdecken oder zu unternehmen. Als ich dieses Buch sah, erhoffte ich mir weitere gute Anregungen und Tipps. Ich konnte nicht in das Buch hineinsehen, also verließ ich mich auf die Beschreibungen auf Vorder- und Rückseite. Da heißt es zum Beispiel auf dem Titel: „Freizeit aktiv für Groß und Klein“ und auf der Rückseite wird mit „zahlreichen Daten und Fakten zu Kultur, Sport und Freizeitgestaltung“ geworben. Zudem lachte mich ein dicker Hinweis „Plus Gutscheine“ an. Klingt gut, dachte ich…

Ich fange mal mit dem Positiven an, das ich zu dem Buch sagen kann: Es ist sehr übersichtlich aufgebaut. Die Aktivitäten sind in verschiedene Themengebiete gegliedert und diese wiederum unterteilt in Regionen (Bergisches Land, Niederrhein, Münsterland, Ruhrgebiet, Sauerland usw.). So erkennt man leicht, was wirklich in der Nähe liegt und was auch schon mal 3 Stunden Anfahrt in Anspruch nehmen kann. Einen kleinen Kritikpunkt habe ich aber schon hier, in mindestens einem Kapitel gibt es falsche Seitenangaben, alle hängen ein paar Seiten hinterher. Das ist nicht dramatisch und wenn ich ansonsten zufrieden gewesen wäre, würde ich es überhaupt nicht erwähnen. War ich aber leider nicht.

Freizeit aktiv – das heißt für mich, dass ich in meiner Freizeit etwas aktiv tue. Dass ich mich nicht vor dem Fernseher berieseln lasse, sondern dass ich etwas erlebe, neue Eindrücke sammeln kann. Der Hinweis auf Kultur, Sport und Freizeitgestaltung unterstützt meine Ansicht.
Um es gleich zu sagen: Kultur kommt fast gar nicht vor. Ich besichtige gerne Burgen, Schlösser, Kirchen, schöne Altstädte. Auch der Besuch von Museen steht regelmäßig auf meinem Aktivitätenplan. Im Buch gibt es leider nur ganze vier (!) Seiten mit insgesamt sechs aufgeführten Museen. Burgen, Schlösser und Kirchen tauchen überhaupt nicht auf.
Hier kommen wir zum größten Manko: Für die Macher des Buchs beschränkt sich Aktivität ausschließlich auf Sport. Erschwerend kommt noch hinzu, dass ein nicht unerheblicher Teil der vorgestellten sportlichen Aktivitäten für die Gesundheit problematisch werden kann, wenn man nicht mehr jung und nicht durchtrainiert ist. Wer fit ist und mal sehen möchte, was man im Umkreis an ausgefallenen sportlichen Dingen tun kann, der findet hier sicher Anregungen. Für mich war das Blättern eher frustrierend. Ein weiterer Faktor ist der finanzielle. Meine Tochter, jung und fit und somit eigentlich Zielgruppe, sagte beim Blick auf einige der Angebote: Das ist ja toll! Würde ich auch gerne machen – aber weißt du, was das kostet? Sportarten für Menschen mit Geld – das ist der Eindruck, der sich bei mir festsetzte. Die völlige Abwesenheit von Preisen bei den Angeboten unterstützt diese Annahme. Scheinbar hat man sich an dem Grundsatz orientiert: Wenn man fragen muss, was etwas kostet, kann man es sich nicht leisten. Gut, die Preise kann man im Internet nachsehen, die Internetadressen sind immer angegeben. Das ist auch gut, denn allgemein sind die Infos zu den einzelnen Angeboten eher sparsam. Wenn ich aber ohnehin das meiste aus dem Internet entnehmen muss, brauche ich ein solches Buch nicht, sondern kann gleich zum Beispiel "Golfplätze in der Umgebung" googeln.
Was fehlt noch? Ach, die Gutscheine. Gleich der erste trägt den Aufdruck: „Aktionszeitraum 01.05. bis 30.09.2014“. Ich habe das Kleingedruckte der anderen Gutscheine jetzt nicht mehr studiert, aber da macht man sich so seine Gedanken…

Fazit: Nur geeignet für finanziell gutgestellte Sportfans. Ich hatte viel mehr erwartet und bin schwer enttäuscht.

Bewertung vom 26.02.2017
Tage der Toten / Art Keller Bd.1
Winslow, Don

Tage der Toten / Art Keller Bd.1


ausgezeichnet

»Einer liegt allein da, an der Wand gegenüber. Ein alter Mann, das Familienoberhaupt. Wahrscheinlich als Letzter ermordet, denkt Keller. Gezwungen, der Auslöschung seiner Familie beizuwohnen, und dann ebenfalls erschossen. Aus Gnade? Aus einem pervertierten Gefühl der Barmherzigkeit? Dann sieht er die verstümmelten Hände des alten Mannes. Erst wurden ihm die Fingernägel ausgerissen, dann die Finger abgehackt. Sein Gesicht ist im Schrei erstarrt, die Finger stecken in seinem Mund.
Das bedeutet, dass die Mörder in seiner Familie einen dedo vermuteten, einen Finger, einen Zuträger.
Und ich habe sie zu dieser Annahme verführt.
Gott vergib mir.«

„Das ist mein Lieblingsbuch.“ – mit diesen Worten gab mir ein Kollege kürzlich dieses Buch. Neugierig begann ich darin zu lesen – und mochte es schon nach der ersten Seite nicht mehr aus der Hand legen.
Don Winslow hat in sein – zu Recht – preisgekröntes Werk glatte sechs Jahre Recherchearbeit gesteckt. Das spürt man auf jeder einzelnen Seite. Die Handlung platziert er mitten hinein in die Geschichte des mexikanischen Drogenkriegs, lässt seinen Protagonisten, den US-Drogenfahnder Art Keller, gegen mächtige Kartelle antreten. Allerdings merkt Keller schon nach kurzer Zeit, dass seine Gegner auch noch in ganz anderen Kreisen sitzen…

Zeitraum der Handlung sind die Jahre 1977 bis 2004, der Leser darf folglich einiges erwarten. Geschickt verknüpft der Autor reale Personen und Vorkommnisse mit fiktiven, integriert blutige Geheimdienstaktivitäten lateinamerikanischer Länder, wie die durch die Vereinigten Staaten unterstützte „Operation Condor“. Das Ergebnis wirkt in der Summe absolut realistisch, sorgt für atemlose Spannung und so manches schockierende Moment. Denn es wird hart, sehr hart. Einzelne Passagen werden mir vermutlich dauerhaft im Gedächtnis bleiben. Unter anderem auch deshalb, weil sie nicht nur real wirken, sondern so oder ähnlich geschehen sind und immer noch passieren. Laut Wikipedia hat der Drogenkrieg in Mexiko in den letzten zehn Jahren über 185.000 Opfer gefordert!

Hochinteressante Charaktere schickt der Autor an die Front. Wobei man „richtig“ gute hier vergebens sucht. Selbst Art Keller, eigentlich der Streiter für die gute Seite, kämpft mit manchmal bedenklichen Mitteln. Das Eingangszitat gibt einen Hinweis darauf. Allerdings kann man sich die Frage stellen, ob sich ein solcher Kampf mit ausschließlich legalen und fairen Mitteln überhaupt gewinnen lässt. Die berühmte Frage: „Was würde ich tun?“ drängt sich manches Mal beim Lesen auf.
Und die böse Seite? Ist stark vertreten und präsentiert ebenfalls einige eindrucksvolle und vielschichtige, manchmal regelrecht charismatische Charaktere, die sich häufig oder meist abgrundtief böse zeigen, aber an anderer Stelle auch sympathische (oder zumindest menschliche) Eigenschaften zeigen.
Dann gibt es noch die, die man gar nicht richtig einer Seite zuordnen kann und solche, die eine Entwicklung durchlaufen und sich ändern. Nicht zu vergessen auch die, die sich als „gut“ tarnen, es aber ganz und gar nicht sind. Eins kann ich verraten: In der Rangliste der bösesten Charaktere standen für mich beim Lesen nicht immer nur Drogenbosse und Auftragskiller ganz oben.

Ganz sicher kann man sagen, dass dieses Buch niemanden kalt lassen sollte. Sehr empfindsame Leser dürften allerdings an manchen Stellen schwer zu knacken haben. Wer sich aber vor der härteren Gangart nicht scheut und gerne einen packenden und realistischen Thriller liest, für den vergebe ich hier eine volle Leseempfehlung.
Die Handlung wirkt abgeschlossen, trotzdem gibt es einen Folgeroman. In „Das Kartell“ kann der Leser verfolgen, wie es mit Art Keller nach 2004 weitergeht. Dieses Buch wird sicher in Kürze bei mir einziehen.

Fazit: Bildgewaltiges Epos um die Geschichte der mexikanischen Drogenkriege. Unglaublich hart, unglaublich gut!

Bewertung vom 26.02.2017
Die Mutter des Satans
Beinert, Claudia;Beinert, Nadja

Die Mutter des Satans


sehr gut

»Aber warum eine Rebellion gegen die höchsten Herren im Reich? … Du hast deinen Platz im Leben vergessen!«

In diesem Jahr, in dem sich der Thesenanschlag durch Martin Luther zum fünfhundertsten Mal jährt, gibt es reichlich Literatur über ihn. Aber dieses Buch hier stellt seine Mutter in den Mittelpunkt der Handlung.
Welche Rolle spielte sie, spielte Luthers Elternhaus in seinem Leben? Wie stand Margarethe Luther (oder Luder, wie sie richtig hieß) zu ihrem Sohn und seinem Tun?

Die beiden Autorinnen verknüpfen auf hochinteressante Weise die historischen Persönlichkeiten und Tatsachen mit einem fiktiven Handlungsrahmen, der trotzdem realistisch erscheint. Margarethe Luder lässt sich von Lucas Cranach dem Älteren porträtieren und hängt dabei ihren Erinnerungen nach, beginnend mit Martins Geburt.
Im Wesentlichen wird also aus ihrer Sicht erzählt, lediglich in Zwischenpassagen wechselt die Erzählperspektive zu Lucas Cranach. Das sorgt natürlich dafür, dass man beim Lesen stets ganz nah bei Margarethe ist, bei ihren Gefühlen, ihren Ängsten und ihrem Glauben.

Wie immer, wenn ich über die Rolle der Frau in dieser Zeit lese, bin ich fassungslos. Diese Frauen mussten doch so stark sein, eigentlich, und ließen sich doch unterdrücken und missbrauchen. Und alles aus der Überzeugung heraus, dass dies die göttliche Ordnung sei! Margarethe war da keine Ausnahme, erst spät fand „die Mutter der Reformation“, wie sie an einer Stelle im Text bezeichnet wird, aus der Opferrolle heraus. Interessant ist dabei, ihre Entwicklung zu beobachten. Beim Lesen stellt man sich nicht nur die Frage, wie sie ihren Sohn beeinflusst hat, sondern welchen Einfluss wiederum er auf seine Mutter gehabt hat.
Natürlich wird ausführlich auf das damalige Weltbild eingegangen. Alles Denken und Streben war auf das Jenseits gerichtet, über allem stand die Angst vor einem zürnenden und strafenden Gott, der einen für die Ewigkeit in der Hölle schmoren lassen konnte. Außer – man hatte genügend Geld für Ablassbriefe… Ein unglaublicher Gedankenansatz, der ebenso wie der parallel existierende Aberglaube leicht auf dem Nährboden einer allgemein herrschenden Ungebildetheit gedeihen konnte. Wie Martin Luther hier eingegriffen hat, ist bekannt. Aber wie wurde aus ihm der bekannte Reformator? Seine Familie hatte eigentlich andere Pläne für ihn – wie mag es für sie gewesen sein, als der Sohn plötzlich so rebellierte? Wer Kinder hat, der weiß, dass man sich um sie sorgt, dass man sich für sie eine gesicherte Zukunft wünscht – und dass man, wenn das Kind erfolgreich ist, selber an Ansehen gewinnt. Umgekehrt gilt das gleiche, damals wie heute.

Martin Luthers Ansichten und die neue Lehre haben selbstverständlich auch einen Platz in Margarethes Erinnerungen. Ein Punkt, der mir immer negativ in Zusammenhang mit ihm einfällt, nämlich seine befürwortende Haltung zu den Hexenverbrennungen, wird allerdings nur kurz erwähnt. Nun ja, es sind halt die Erinnerungen seiner Mutter…

Der Stil sagte mir zu und ließ sich leicht und angenehm lesen. Schön finde ich zudem, dass auf dem Cover ein Ausschnitt aus dem fertigen Porträt Cranachs zu sehen ist. Aber auch nach dem Lesen stört mich immer noch der Titel des Buchs, ich finde ihn einfach reißerisch, auch wenn er inhaltlich begründet werden kann. Wenn ich nicht durch Empfehlungen hier auf das Buch aufmerksam geworden wäre, hätte ich es aufgrund des Titels sicher nicht beachtet.

Fazit: Kurzweiliges Porträt einer interessanten Frau und ein ungewöhnlicher Blick auf den großen Kirchenreformator.

»Ich wollte keine Rebellion, sondern war auf der Suche nach einem Weg, wie wir Gottes Gnade erhalten. … Ich habe ihn gefunden, den Weg in die ewige Seligkeit, ins Himmelreich.«

Bewertung vom 26.02.2017
Schami, Rafik

"Wie sehe ich aus?", fragte Gott


gut

»Eines Tages wollte Gott wissen, wie die Wesen seiner Schöpfung ihn sahen. Er, der alles erschaffen hatte, die Sonne und die anderen Sterne, die Erde und die anderen Planeten, wusste nicht genau, was seine Geschöpfe über ihn dachten. Und so kam Gott auf die Erde, unsichtbar wie ein Gedanke und neugierig wie ein Kind.«

Rafik Schami ist – nicht nur in meinen Augen – ein einfach begnadeter Erzähler. Er findet Formulierungen und Worte, die gleichzeitig treffend und wunderschön sind, geeignet, beim Lesen jeden einzelnen Satz zu genießen. Darüber hinaus ist er für mich ein großer Vermittler zwischen den Kulturen – ich wünschte, es gäbe mehr Menschen wie ihn.
Dieses Buch kaufte ich blind, eben weil es von ihm ist. Und schreibe nun mit sehr schwerem Herzen diese Rezi.

Gott kommt also auf die Erde, um seine Geschöpfe zu fragen, wie er für sie aussieht und was er ihnen bedeutet. Er befragt jede Menge verschiedener Tiere und Pflanzen, Atome, Wolken und einen Regenbogen. Und ganz am Schluss die Krone seiner Schöpfung. Die jeweiligen Antworten sind tiefgründig und ausdrucksstark, sie lassen den Leser nachdenken und philosophieren. Dieses Buch ist keines, das man in einem Rutsch lesen sollte. Jede einzelne Begegnung stellt neue Thesen in den Raum, die bedacht werden wollen. Und die gewählten Worte dabei sind wie erwartet wunderschön.
Aber jetzt kommt der Knackpunkt: An wen sind sie gerichtet? Wer ist die eigentliche Zielgruppe?
Nehme ich als Erwachsener das Buch zur Hand, erfreue ich mich zwar an den klug gewählten Worten, denke aber ständig, dass es nur so wenige auf jeder Seite sind. Jede Begegnung umfasst lediglich wenige Sätze, auf beinahe jeder Seite findet sich freie Fläche, die Kinder einladen soll, die vorhandenen Zeichnungen mit eigenen zu ergänzen.
Tatsächlich ist das Buch so angelegt, dass man es als Erwachsener zusammen mit seinen jüngeren Kindern lesen sollte. In kleinen Abschnitten, zum Beispiel eine Begegnung pro Abend. Dann könnte man mit dem Kind die jeweiligen Aussagen besprechen, seine Meinung dazu hören und es abschließend ein Bild malen lassen. Klingt gut, aber ob es funktioniert? Es mag Kinder geben, die über Sätze wie „Er ist die unendliche Wärme, die mich zum Leben erweckt und mitten im Frost den Sommer fühlen lässt.“ reden möchten, aber sicher nicht alle. Und auf jeden Fall muss der erwachsene Vorleser mehr tun, als nur Vorlesen – Buch zuklappen – Gute-Nacht-Sagen. Ich sehe so manche abendliche Vorleserunde misslingen!
Ein weiterer Punkt sind die Zeichnungen. Sie sind recht einfach gehalten und bestehen nur aus einfarbigen, einfachen Linien. Die meisten jüngeren Kinder würden aber eher bunte Bilder als schön empfinden und das Betrachten dieses Buchs folglich als wenig reizvoll.
Das größte Problem aber ist der Schluss. Denn während die Aussagen von Tieren, Pflanzen usw. im Grunde alle positiv und von Ehrfurcht geprägt sind, greift der Mensch, auf der letzten Seite als krönender Schluss befragt, gehörig daneben. Eine gewaltige Portion Kritik steckt darin und die ist (mit den Augen eines Erwachsenen betrachtet) sehr gerechtfertigt und gut angebracht, aber was soll ein jüngeres Kind damit anfangen? Ich halte das für eine glatte Überforderung und nicht altersgerecht.
Um welchen Gott es sich übrigens handelt, wird weder erwähnt noch kann man es ableiten, so dass das Buch in allen Religionen, die an einen Gott als Schöpfer der Welt und des Lebens glauben, gelesen werden kann.

Fazit: Philosophie mit jüngeren Kindern? Ich vermute, mit diesem Buch wird das nicht klappen, es spräche doch eher Erwachsene an.

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