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Benutzername: 
sabisteb
Wohnort: 
Freiburg

Bewertungen

Insgesamt 1375 Bewertungen
Bewertung vom 26.03.2011
Tim und das Geheimnis von Knolle Murphy / Tim Bd.1
Colfer, Eoin

Tim und das Geheimnis von Knolle Murphy / Tim Bd.1


ausgezeichnet

Tim hat vier Brüder, alles Jungen. 5 kleine Jungs, der (Alb-)Traum jeder Mutter. Tim ist der Zweitälteste, Donni, Bert und HP (halbe Portion) sind die „Kleinen“ und spielen diese Trumpfkarte auch genüsslich und bewusst aus.
In ihrer Verzweiflung beschließt ihre Mutter Tim und seinen älteren Bruder Marty drei Mal in der Woche für je zwei Stunden in der örtlichen Bücherei zu parken. Ein schauriger Ort, der von Knolle Murphy, einer fiesen und gemeinen Bibliothekarin regiert wird. Diese Knolle Murphy schießt mit einem Kartoffelknollengewehr auf kleine Kinder und wer so geknollt wurde wird hässlich wie ne Knolle. Außerdem hat sie noch weitere gefährliche Waffen: Ihre Stempel, mit denen sie zielsicher wie mit Äxten werfen kann.
Wer es wagt, den Teppich vor dem Kinderregal zu verlassen, der wird geknollt!
Irgendwann wird es den Jungen langweilig und sie beginnen zu lesen, um die Zeit tot zu schlagen. Irgendwann jedoch gehen ihnen die Bücher aus. Nun ist guter Rat teuer, werden sei es wagen den Teppich zu verlassen?

Witzig, abgedreht und skurril! So kennen und lieben wie Eoin Colfer. Seine Helden sind kluge Kinder mit einem schwarzen Humor und einer blühenden Fantasie, die die Welt auf ihre Weise sehen.
Ein Vorlesebuch, an dem auch der Vorleser seine helle Freude haben wird.
Gewürzt wird die Geschichte durch schauerlich schöne Zeichnungen von Tony Rose, die die gruselige Bibliothekatin Knolly Murphy wunderbar karikieren.
Eine durchaus interessante Idee Jungs eine Weile los zu werden, und zum Lesen zu animieren, die hier vorgestellt wird.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.03.2011
Neva
Grant, Sara

Neva


gut

Die Welt der 16-jährige Neva ist im Niedergang begriffen. Die Ressourcen werden knapp, Technik und Infrastruktur beginnen zu zerfallen, für Reparaturen fehlt es an Rohstoffen. Die Bevölkerung schrumpft, ganze Gebiete unter der riesigen Protektorkuppel, welche ihre kleine Gemeinschaft vor den Gefahren des draußen schützt, werden aufgegeben und veröden. Irgendwie sehen sich alle Menschen ähnlich, es kommt zu immer mehr Fehlgeburten und die Regierung will die jungen Leute dazu ermuntern sich möglichst bald und erfolgreich fortzupflanzen.
Was Neva jedoch wirklich beschäftigt ist, wohin verschwinden die Menschen? Erst verschwindet ihre Großmutter, dann immer mehr Menschen und keiner spricht mehr über sie, als hätten sie nie existiert. Heimlich führt sie eine Liste mit den Namen der Verschwundenen und fragt sich immer häufiger wohin diese Menschen wohl gegangen sind. Gibt es Leben außerhalb der Kuppel?

Wieder ein neues Phänomen (oder besser ein altes aus den 80er Jahren), welches den Buchmarkt überschwemmt. Nach den Vampiren nun die Dystrophien. Die desillusionierte Jugend von heute findet sich wohl wieder in diesen No Future Geschichten der 1980er.
Dieses erneute Aufflammen des Genre beutet aber zugleich, dass es nur alte Geschichten neu aufkocht. Alle 10 Jahre werden diese Geschichten leicht verändert neu veröffentlicht, so auch dieses Buch. 2003 veröffentlichte Jeanne DuPrau „Lauf gegen die Dunkelheit“ (City of Ember). Dieses Kinder- und Jugendbuch beschreibt eine Stadt in einer Höhle, eine abgeschlossene Gesellschaft, die langsam zusammenbricht und nur noch auf den Ruinen der Vorfahren lebt. Keiner weiß ob es außerhalb von Ember noch Leben gibt, aber einige sollen es geschafft haben, die Stadt zu verlassen.
Kommt einem bekannt vor? Ja, das ist der Grundplot von Neva. Während jedoch „City of Ember“ eine elegante Geschichte über eine in sich geschlossene Gesellschaft im Niedergang beschreibt, verwässert die Autorin von Neva diese durch einen gehörigen Schuss an Teenie Liebesdrama (natürlich keusch, kein Sex in dieser schrecklichen, schrecklichen Welt, denn wer will das seinen Kindern zumuten) und der üblichen Schema F-Dreiecksgeschichte, bzw. Vierecksgeschichte: Mädchen 1 wird von Junge 1 geliebt, liebt selber aber Junge 2, der mit Mädchen 2 (beste Freundin) zusammen ist. 1/3 – die Hälfte der Handlung wird also auf dieses ausgelutschte Liebesdrama verschwendet, statt sich den wirklich interessanten politischen und sozialen Folgen dieser abgeschotteten Gesellschaft zu widmen, die an ihrer eigenen Konservierung zu Grunde geht. Dieser Aspekt wird aber nur angerissen, am Rande erwähnt aber nicht annähernd ausgeschöpft und das werfe ich diesem Buch vor. Ein interessantes, zum nachdenken Anregendes Thema mit Potential wird für eine ausgelutschte Standardliebesschmonzette geopfert. Das Ganze wird gegen Ende noch mit einer gehörigen Priese The Handmaid's Tale (1985) gewürzt und Fluchthelfergeschichten wie man sie aus der DDR kennt.

Die Charakterisierung der Personen ist teils einfach Unglaubwürdig. Ich weiß nicht wie andere Eltern ticken, aber mein Vater würde mich in die Geheimnisse einweihen, die er hütet und versuchen das Wissen an mich, sein eigen Fleisch und Blut weiterzugeben. Wenn er schon seiner Tochter nicht traut, wem dann noch? Nevas Vater jedoch ist seltsam, fleischlos und ein durch und durch konstruierte Persönlichkeit, der es an Glaubwürdigkeit mangelt, was besonders bei den Wendungen zum Schluss offensichtlich wird. Auch andere Personen bleiben blass, farblos und leblos und sterben und verschwinden einfach so nebenbei.

Fazit: Schaler Aufguss von City of Ember, gewürzt mit The Handmaid's Tale und verwässert mit einer Schema- F Teenie Liebesgeschichte. Seichte Katastrophenunterhaltung für die neue No Future Generation.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.03.2011
The Wise Man's Fear
Rothfuss, Patrick

The Wise Man's Fear


ausgezeichnet

Drei Dinge fürchtet ein Weiser Mann: Das Meer bei Sturm, die mondlose Nacht und die Wut eines Gentleman.

Kvothes Zwist mit Ambrose nicht derartige Auswüchse an, die beide Kontrahenten dazu zwingen, diese vorerst zu verlassen, damit Gras über die Angelegenheit wachsen kann. Kvothe reist ans Ende der bekannten Gebiete und tritt dazu in den Dienst des Mear, lernt Kämpfen bei dem Adem und jagt wie gehabt Dennas Schatten und die Chandrian.

Hier nun die lange erwartete Fortsetzung von „Der Name des Windes“. Wie im ersten Band auch, wird die Fortsetzung auf zwei Ebenen erzählt. Da wäre zum einen der ältere Kvothe, der unter dem Namen Kote eine Gaststätte betreibt und seine Lebensgeschichte dem Chronisten diktiert. In diesem Handlungsstrang wird immer mehr ein großer Konflikt angedeutet, an welchem der junge Kvothe wohl einige Schuld mit trägt, doch noch bleibt dieser große Krieg im Schatten. Zum anderen ist da die, von ihm erzählte Lebensgeschichte, des erst siebzehnjährigen Kvothe.
Der zweite Band beginnt, wie der erste endete. Kvothe studiert an der Universität und kämpft mit seinen nicht vorhandenen finanziellen Mitteln. Es gibt abgedrehte Kurse bei Elodin und natürlich das Problem mit Ambrose, das sich immer weiter auswächst, so dass Kvothe dazu gezwungen wird den Wind jagen zu gehen, und so letztendlich mehr lernt, als er an der Universität je lernen könnte. In diesem Band beginnt die Legendenbildung, teils von Kvorthe selbst initiiert, teils tatsächlich verdient.

Dieser Band erzählt etwa ein Jahr aus Kvothes Leben. Einerseits passiert nicht viel, andererseits doch. Es ist schwer zu beschreiben. Patrick Rotfuss Art zu schreiben ist poetisch und fesselnd, er näht mit Mondlicht und Schatten einen Umhang. Man versinkt in der Geschichte, da die Handlungen in großer Detailtreue beschrieben werden und dazwischen poetische Erzählungen eingewoben werden, deren wahre Bedeutung einem erst mit Fortschreiten der Geschichte immer mehr bewusst wird, denn jede Geschichte hat mehr als eine Wahrheit. Teils sind ganze Abschnitte in Versen oder mit Versmaß geschrieben, so dass ich den Übersetzer wahrlich nicht beneide, der das ins Deutsche übersetzen muss(te). Der Autor erschafft neue, fremde Kulturen und deren komplizierte (Hof-)Rituale, die faszinierend neu und auch innovativ sind, wie das komplizierte System des Ringtauschs am Hof des Maer mit seinen eisernen, silbernen und goldenen Ringen und die teils asiatisch, teils doch noch fremder anmutende Welt der Ademre.
Daneben ist der Autor ein Meister des feinen, hintergründigen Humors und einige der Aktionen, die Kvothe ausheckt, erinnern schwer an „Die Lügen des Locke Lamorra.“

Fazit: Intelligente und poetische High Fantasy vom feinsten

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.03.2011
Die Auswahl / Cassia & Ky Bd.1
Condie, Ally

Die Auswahl / Cassia & Ky Bd.1


gut

Die siebzehnjährige Cassia lebt in einer perfekten Welt. Niemand stirbt mehr an tödlichen Krankheiten, alle werden 80 Jahre alt, alles ist perfekt organisiert bis hin zur Partnerwahl. Das System wählt im Monat nach dem siebzehnten Geburtstag für jeden paarungswilligen Menschen den perfekten Partner, mit dem man den Rest seines Lebens glücklich sein wird und perfekte, gesunde Kinder bekommt in einem alter, das für das Kinderkriegen optimal ist, also bevor man 31 ist, denn dann ist man zu alt, uralt (aus Sicht eines Teenagers) und 80 ist das perfekte Alter zum Sterben.
Bald schon bekommt Cassias perfekte kleine Welt die ersten Risse. Obwohl ihr bester Freund Xander, den sie seit Kindertagen kennt zu ihrem Partner gewählt wurde, befindet sich auf dem Chip mit den Informationen zu ihrem Zukünftigen Lebenspartner das Bild eines anderen Jungen: Ky. Ky, den sie ebenfalls seit ihrer Kindheit kennt, und den sie nun beginnt mit anderen Augen zu sehen.

Dieses Buch vor allem zuerst die Variation des üblichen Themas: Mädchen liebt zwei Jungen, und kann ich nicht zunächst nicht entscheiden, weil beide Jungen auch sie lieben. Junge Nr. 1 ist der beste Freund, der Gute, der Prinz auf dem weißen Pferd, der Traum aller weiblichen Teenies. Junge Nr. 2 ist der bad Boy mit geheimnisvoller Vergangenheit, schlimmer Gegenwart und noch schlechterer Zukunft. Für wen sie sich entscheiden wird ist schon von vorneherein klar, denn wie viele nette Männer in der Realität beklagen, verlieren die netten immer und bleiben der gute Kumpel zum ausheulen.

Zum zweiten spielt die Autorin die üblichen romantischen Klischees und Träume durch, die die Hollywood Filmindustrie den Frauen seit Jahrzehnten einimpft: Es gibt die einzig Wahre Liebe, man sollte sie früh finden und am besten schon mit siebzehn den Mann des Lebens finden und noch perfekter, einfach über den Gartenzaun heiraten. Der beste Freund als zukünftiger Ehemann oder doch lieber das Kennenlernen eines Unbekannten, das Abenteuer? Zwei Ideale, die hier miteinander im Widerstreit stehen. Die Realität jedoch ist leider anders. Liebe ist Enttäuschung, meistens zumindest. Man verlässt und wird verlassen, bricht Herzen und bekommt es gebrochen und das mehr als ein Mal. Hier wird den Teenagern ein Traum geboten: Ein perfektes System. Mit Siebzehn bekommt man den perfekten Partner mit Glücksgarantie zugewiesen. Kein Suchen, keine Einsamkeit, keine Unsicherheit. Mit diesem Wunsch spielen auch die Singlebörsen im Internet, das perfekte Matchingsystem, dumm nur, wenn zwei Männer perfekt passen, denn niemand hat zwei Partner (S. 46). Wer es mit Siebzehn nicht schafft oder sich nicht entschließen kann sich schon zu binden, bleibt ewig Single. Typisches Teenager Schwarz-Weiß Denken in Reinkultur, , wie der Glaube, dass wahre Liebe immer erst durch ein Jammertal muss und man für sie kämpfen muss, weil es auch im Märchen immer so ist.

Das ganze wird nun gewürzt mit ein wenig Sozialkritik in Stil von 1984. Ein totalitäres System hat das Wissen der Menschheit auf 100 Lieder, 100 Gemälde, 100 Gedichte und 100 Geschichtliche Personen geschrumpft. Ein System in dem man es tatsächlich noch schaffen kann Universalgelehrter zu sein, alle Bücher gelesen und alle Lieder gehört haben kann und nicht von Informationen überfrachtet und erschlagen wird: „Wie können wir irgendetwas richtig wertschätzen, wenn wie mir zu vielem überschüttet und belastet sind?“ (S. 38). Ja, simplify you Life! „Nur wenn ich an nichts mehr festhalte, kann ich die Beste sein, nur dann kann ich so sein, wie sie es von mir erwarten (S. 193).

Fazit: Nette Geschichte nach Schema F für Zwischendurch. Hier wurden viele Chancen vertan und ausgetretene Pfade noch breiter getrampelt, dazu Schwarz-Weiß Malerei und eine vorhersehbare Handlung.

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.03.2011
Der Stechlin
Fontane, Theodor

Der Stechlin


gut

Das alte Adelsgeschlecht von Stechlin, hat seinen Sitz das am Stechlinsee im Ruppiner Land. Es gibt derer nur noch zwei Stechlins, den verwitweten Vater (Dubslav) und den Sohn (Woldemar), Gardeoffizier in Berlin, 32 Jahre alt. Vater und Tante liegen Woldemar in den Ohren, doch endlich zu heiraten, damit die Stechlins nicht aussterben.

Fontane selbst beschrieb die Handlung des Romans "Zum Schluß stirbt ein Alter und zwei Junge heiraten sich; - das ist so ziemlich alles, was auf 500 Seiten geschieht."
Leider muss ich dem Autor da voll und ganz zustimmen, mehr passiert wirklich nicht, außer gepflegter Konversation in trauter Runde und bei Festessen. Es ist wie in einem Familienalbum. Man schlägt die Bilder der Jubiläen und Feste auf und die Bilder gleichen sich: Leute beim essen und Spazieren gehen.

Der Stechlin entstand 1895 bis 1897 und ist Fontanes letzter Roman und spielt in der Zeit seiner Entstehung. Er ist gepflegte, seichte Lektüre der Dame von Stand der Jahrhundertwende. Seicht, teils ein wenig pikant und vorhersehbar gespickt mit Referenzen und Querverweisen auf damalige B-Promis, die heute kaum noch einer kennt.

So karikiert sich der Autor in Kapitel 34 sogar selbst

"Es gibt eine Normalnovelle. Etwa so: tiefverschuldeter adeliger Assessor und "Sommerleutnant" liebt Gouvernante von stupender Tugend, so stupende, daß sie, wenn geprüft, selbst auf diesem schwierigsten Gebiete bestehen würde. Plötzlich aber ist ein alter Onkel da, der den halb entgleisten Neffen an eine reiche Cousine standesgemäß zu verheiraten wünscht. Höhe der Situation! Drohendster Konflikt. Aber in diesem bedrängten Moment entsagt die Cousine nicht nur, sondern vermacht ihrer Rivalin auch ihr Gesamtvermögen. Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie heute noch ..."

Nur leider, leider passiert nicht einmal so viel in diese Roman, auch wenn diese oben zitierte Wahrheit auch heute noch auf einen Großteil der Literatur zutrifft. Und falls noch jemand nicht aufgefallen sein sollte, dass Fontanes eigentliche Stärke in der Karikatur liegt und seine Personen durchweg überspitzt dargestellt sind in Kapitel 34 der Wink mit dem Zaunpfahl:

"Nur die scharfe Zeichnung, die schon die Karikatur streift, macht eine Wirkung."

Ein wirklich uneleganter und platter Hinweis wie man das auch heute in den Massenromanen findet.

Ich kann die zeitgenössische Kritik an Fontane absolut nachvollziehen.
Highlight sind Woldemar Stechlins Freunde Rex und Czako, die mich mit ihrer gelungenen Lästerei an die beiden alten aus der Muppet Show erinnerten.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.03.2011
Atemschaukel
Müller, Herta

Atemschaukel


sehr gut

Rumänien 1945: Der Zweite Weltkrieg ist endlich zu Ende. Die deutschstämmige Bevölkerung muss nun mit ihrer Arbeitskraft die Reparationen für die entstandenen Kriegsschäden bezahlen. Auf Stalins Befehl hin werden alle arbeitsfähigen Männer und Frauen von 17 bis 45 Jahren in Arbeitslager deportiert. So auch der siebzehnjährige Leopold Auberg, für den dieser Tapentenwechsel zunächst ein Abenteuer ist, eine Abwechslung im ständig gleichbleibenden Alltag. Im Lager erlebt er fünf Jahre harte Arbeit, Entbehrung und Hunger.
Für Herta Müllers Atemschaukel gab es 2009 den Nobelpreis für Literatur.
Die Geräuschkulisse sammelte der Regisseur Kai Grehn auf dem Gelände der Kokschim-Fabrik im ukrainischen Nowo Gorlowka, in welcher Oskar Pastior(rumäniendeutscher Lyriker und Übersetzer und wahrscheinlich Vorbild für die Figur des Leopold Auberg) als Zwangsarbeiter gearbeitet hat
Die Uraufführung des Hörspiels war auf 2010 NDR Kultur.
Hier nun weder ein klassisches Radiohörspiel noch eine Lesung sondern eine Mischung aus vertonter Lesung und gespielten Hörspieleszenen. Ein Balanceakt, denn einerseits möchte man dieses sprachliche Kunstwerk zu Geltung bringen, andererseits ein Hörspiel produzieren. Man entschied sich dazu einerseits zwei Erzähler, den jungen und alten Leopold Auberg, Passagen erzählerisch lesen zu lassen, und diese dann immer wieder mit gespielten Szenen zu unterbrechen.
Den Nobelpreis erhielt das Buch wohl hauptsächlich wegen seiner expressiven Sprache. Viele wunderbar deskriptive Wortneuschöpfungen sind das Markenzeichen der Autorin. Darunter leidet aber die Handlung. So schön die Sprache aus sein mag, die Handlung bleibt weit dahinter zurück. Natürlich kann man nicht erwarten, dass 5 Jahre Arbeitslager unterhaltsam sind, natürlich kann man nicht erwarten, dass in einem Arbeitslager viel passiert, vielleicht will die Autorin die Leser und Hörer durch diese Handlungsarmut auch die Perspektivlosigkeit des Arbeitslagers spüren lassen. Dennoch ist es irgendwann einfach nur noch ermüdend der Handlung zu folgen, und das Schicksal der Häftlinge berührt kaum, da sie einem fremd und fern bleiben.

Fazit: Handwerklich solides NDR Radiohörspiel aus dem Jahr 2010.

12 von 16 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.03.2011
Infinity
Hohlbein, Wolfgang

Infinity


schlecht

Arion, die Prinzessin und baldige Königin des bekannten Universums, beobachtet mit Plixx dem Mausling von einer Aussichtsplattform ihres riesigen Turmes aus die Explosion eines Planetenkillers, um anschließen mit demjenigen, der für die Explosion verantwortlich zeichnet zu Abend zu speisen. Da dieser Kriegstreiber so ungemein attraktiv ist, macht sie anschließend auch einen Abendausritt mit ihm und versucht ihn zu verführen, und mit ihm zu schlafen.
Gea, ein junges Mädchen unbekannter Herkunft, wird von einem ungemein gutaussehenden Krieger gerettet und hat nichts Besseres zu tun, als ihm einige Monate später hinterherzulaufen, und sich gefangen nehmen zu lassen.
General Mardu, einziger überlebender der unmittelbaren Explosion des Sternenkillers, flieht mit Hilfe eines kleinen Jungen, den er für seine Hilfe eigentlich nur verprügeln und maßregeln möchte, vor den Truppen des schwarzen Turmes in den Sternenbahnhof.

Klingt konfus? Ist es auch. Drei genannten Handlungsstränge laufen in diese Buch parallel. Was ich jedoch in wenigen Sätzen beschreibe, dafür braucht Herr Hohlbein über 600 Seiten. Gäbe es einen Preis für den Autor, der mit den meisten Worten die wenigste Handlung sinnfrei beschreiben kann, Hohlbein würde ihn gewinnen.
In diesem Buch wird viel geredet, aber nichts gesagt. Die Figuren bleiben leblos und steif und surreal. Keiner der Handlungsstränge wird aufgelöst.

Hinzu kommen noch erhebliche sprachliche Mängel, der Stil ist insgesamt reißerisch und grenzwertiges Groschenhefniveau.
Zum einen sind da diese aufgebauschten, reißerischen Zahlen und Mengen. Es müssen immer gleich tausend Kampftechniken sein aus tausend Millionen. Da folgt auf eine schiere Ewigkeit voll reiner Bewegung und Gewalt (S. 347) pulsierende Qual (S. 376) und an Panik grenzender Furcht (S. 376). Und natürlich sind es wieder Millionen gieriger Ameisen aus denen Milliarden werden (S. 378). Ich empfehle dringen sich mit den Dimensionen bekannt zu machen, die diese Zahlen beschreiben, bevor man sie verwendet.
Den Vogel schießen aber S. 399f diese Formulierungen ab: absurd breitschultrig, absurd große Muskelpakete, absurd großes Schwert (mehr absurdes auch auf S. 462). Abgesehen davon, dass ich das Wort absurd schon lange nicht mehr gehört habe, kommt es binnen nicht mal einer halben Seite gleich drei Mal vor. Getoppt von 3 Mal "sehr" in einem Satz auf S. 400: Statur eines sehr kräftigen Mannes hatte, der vor sehr vielen Jahren noch sehr viel kräftiger gewesen sein musste. Diese Häufung kann man in diesem Fall nicht mal auf einen Übersetzer schieben.
Zu den Lieblingsworten des Autors gehören leider Panik (S. 276: nicht Furcht sondern Panik einflößende Klauen).
Ein Satz wie aus einem Groschenroman kopiert, herrlich schrecklich (S. 540): Panik [nein nicht nur Angst, es muss gleich Panik sein] explodierte zwischen seinen Schläfen [Ja klingt sicherlich besser als nur im Kopf], und sein Herz [warum nicht seine Herzen?] begann so schnell zu hämmern [warum nicht einfach schlagen?], als versuche es, seine Rippen von innen heraus zu sprengen. Und so können Stühle nicht nur zu (S. 542) äußerst unbequemer Haltung zwingen, nein zu einer QUALVOLL unbequemen Haltung. Ja, das Lieblingswort QUALVOLL.Wie gerne würde ich nun zählen, wie oft dieses an sich in der deutschen Sprache [zu recht] seltene Wort über den Text gestreut wurde [teils recht wahllos und reißerisch].
Schon durch das Steichen des sinnlosen Füllwortes "eigentlich", das inflationär oft verwendet wird, könnte man höchstwahrscheinlich um einige Seiten kürzen.

Fazit: Was für eine Verschwendung meiner Lebenszeit. Es ist ja schon länger bekannt, dass der Autor Probleme mit dem Schluss seiner Geschichten hat, das war schon immer so, aber dieses Buch toppt wirklich alles bisher dagewesene.
Wenn die Folgebände auch so langatmig sind, na dann gute Nacht. Hätte man hier sinnvoll gekürzt, hätte man aus der Trilogie vielleicht einen vernünftigen Roman mit Tempo machen können.

12 von 14 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.