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Juti
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Insgesamt 632 Bewertungen
Bewertung vom 07.12.2016
Der Mensch Martin Luther
Roper, Lyndal

Der Mensch Martin Luther


ausgezeichnet

Die Biographie zum Reformationsjahr.
Auch wenn mir von Luther einiges bekannt war, so habe ich dennoch Neues erfahren. Ich wusste nicht, dass Luther in Mansfeld in einem Bergbaugebiet aufgewachsen ist. Überhaupt kann ich mir den Rohstoffabbau im Mittelalter nur schwer vorstellen, doch gerade die Entdeckung Amerika brachten diesen Wirtschaftszweig zum Erliegen.
Weiter neu war mir, wie tief Luthers Denken mit dem Teufel verwurzelt war. Die Geschichte mit dem Tintenfass kannte ich, aber das selbst Melancholie, heute würden wir sagen Depression; von Luther als ein Werk des Teufels angesehen wurde, wusste ich nicht. Übrigens hatte Luther ein großes Netz von Bekanntschaften, die er durch Briefe pflegte und die bei ihm auch psychologischen Rat suchten.
Gut dargestellt wird auch der Wandel vom asketischen Mönch zum lebensfreudigen Ehemann, der ein lockeres und witziges Verhältnis zur Sexualität hatte. Der alte Luther erinnert mich etwas an Helmut Kohl. Er verkrachte sich mit allen. Melanchthon konnte zum Glück einiges abwenden.
Theologisch wichtig und ausführlich beschrieben wird der Streit zwischen den Lutheranern und den Sakramentierern, die an der Anwesenheit Christi im Abendmahl zweifeln. Hier wird deutlich, dass Luthers Einstellung auf die Universität Wittenberg und aufdas Kurfürstentum Sachsen abfärbte, für ganz Deutschland aber blieben die Lutheraner eine Regionalreligion.
Natürlich hörte ich bereits von Luthers Entführung auf die Wartburg, doch unbekannt war mir, wie sehr er von seinen guten Beziehungen zum Landesherrn dank Spalatin abhing. Radikalere Reformen, die die Stellung der Fürsten und die Ordnung im Reich in Frage stellten, lehnte er ab.
Diese Biographie ist keine Lobhudelei, Luther wird als Judenfeind dargestellt, der sie schärfer beschimpfte, als es zu damaliger Zeit üblich war, was leider auch Auswirkungen auf das Verhältnis der evangelischen Kirche mit dem Nationalsozialismus hatte.
Als persönliche Bemerkung möchte ich hinzufügen, dass ich nun auch verstehe, warum die evangelische Kirche an der Kirchensteuer festhält, die ich so gern in eine Kultursteuer umwandeln würde, aber auf mich hört ja keiner und eine poltische Strömung in diese Richtung ist nicht in Sicht.
Fazit: sehr empfehlenswert

Bewertung vom 04.12.2016
Nora Webster
Tóibín, Colm

Nora Webster


sehr gut

Ein trauriges Buch, was aber sofort fesselt. Maurice, Nora Websters Mann, ist vor Beginn des Buches gestorben, an Krebs, und dieses Buch behandelt die traurigen Gedanken der jungen Witwe, wie sie ihre 4 Kinder, 2 große Töchter, 2 kleinere Söhne, ohne Vater eine gute Zukunft geben kann. Von Geldsorgen bis Schulproblemen ist alles dabei.
So zeitlos dieses Thema ist, so wird es dennoch nicht zeitlos behandelt, denn es kommt auch der Nordirlandkonflikt zur Sprache, wie die Gelehrten sagen, Anfang der 70er Jahre. Leider fehlt mir hier mitunter der Bezug zur Familie Webster, auch wenn sich später herausstellt, dass die Tochter Aine in Dublin mit demonstriert hat und kurzzeitig vermisst wird. Auch die klassische Musik, das neue Hobby der Mutter ist mir etwas zu ausführlich.
Mehr erhofft und bis zum Ende nicht wirklich aufgeklärt wird die Ursache für das Stottern des älteren Sohnes Donal. Anfangs dachte ich hier könnte ein Missbrauch vorliegen, aber das wird im Buch nicht thematisiert.
Selbst wenn behauptet wird, dass dieses Buch autobiographische Züge habe, so hätte ich mir eine etwas allgemeinere Behandlung des Themas Überleben einer Familie nach dem frühen Tod des Vaters gewünscht. Es ist aber wohl nicht zuviel verraten, dass der Leser am Ende denkt, dass Nora Webster (und ihre Kinder) ihren Weg schon machen werden.

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Bewertung vom 27.11.2016
Als unser Deutsch erfunden wurde
Preisendörfer, Bruno

Als unser Deutsch erfunden wurde


gut

Aus dem Wissen des Autors hätte ein ganz großes Buch werden können. Er gewährt uns einen schönen Einblick in die Lutherzeit und auch Herr Dürer kommt nicht zu kurz. Mir gefällt auch der Anhang mit den verschiedenen Gruppenbildern seiner Zeit.
Die FAZ hat aber recht, der Titel „ Als unser Deutsch erfunden wurde“ ist irreführend. Dafür reicht S.45: „Zu den Worten, die ... Luther ... zum Allgemeingut gemacht hat, gehört .. die Lippe ..., Almosen, Hügel und Kahn. Zu seinen Eigenprägungen ... Lückenbüßer, Feuereifer, Herzenslust,
die Adjektive friedfertig, kleingläubig Gottselig, die Verben überschatten, beben, erregen...“
Und dieses Zitat zeigt noch etwas: Das Buch ist mitunter umständlich geschrieben. Es fehlt die für ein Sachbuch notwendige Kürze. Zwar wird mit * immer markiert, wo der Leser zum gleichen Thema in ein anderes Kapitel wechseln kann, doch mir fehlte stets das Bedürfnis, ja gegen Ende war ich erschrocken, wieviel ich vom Anfang vergessen habe. Mich würde interssieren, ob es Leser gibt, die die Anmerkungen nützlich fanden.
In der FAZ vom 17.11. 2016 stand sinngemäß, dass eine Biographie von Freud zwangsläufig von einem Psychologen geschrieben werden muss, während eine Biographie von Luther offensichtlich auch von Kulturwissenschaftlern geschrieben werden kann.
Ich weiß nicht, ob dieses Buch gemeint war. Luthers 2,5 Sakramente wie auf S.218 kamen mir jedenfalls auffällig vor und ich weiß nicht, ob das Allgemeingut ist.
Was ich aber weiß, das ins Buch ein Hinweis gehört hätte, dass der Limbus (S.332) von Papst Benedikt XVI. 2007 aus der Lehre der Kirche gestrichen wurde. Und ein Hinweis auf das Konzil von Trient, wenigstens im Gruppenbild der Päpste hätte ebensowenig geschadet.
Abschließend möchte ich nochmal positiv erwähnen, dass ich mich nicht gelangweilt habe.
Also volle Punktzahl wegen des umfangreichen Wissens, 1* Abzug wegen der umständlichen Sprache und 1* Abzug wegen des falschen Titels und der fehlenden Hinweise.

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Bewertung vom 11.11.2016
Weshalb die Herren Seesterne tragen
Weidenholzer, Anna

Weshalb die Herren Seesterne tragen


schlecht

Eigentlich mag ich Geschichten in denen es um Glückssuche geht. Aber diesem Buch fehlt schlicht die Handlung. Ein Karl quartiert sich in ein Hotel an der Autobahn, befragt hin und wieder Leute mit dem Glücksfragebogen aus Bhutan und denkt dauernd an seine Margit. Bis S.95 habe ich durchgehalten, länger nicht.

Bewertung vom 06.11.2016
Der katholische Luther
Blum, Daniela

Der katholische Luther


sehr gut

Neu für mich war, dass Luther Professor an der Uni in Wittenberg war. Und dass sich die Themen von der Ablassfrage zur Stellung des Papstes und der Konzilien wandelte. Dazu passt das Zitat von S.136, „dass alles nicht so weit hätte kommen müsse, hätte Rom nicht ihn [Luther], sondern Tetzel gemaßregelt“. Schön ist auch das letzte Kapitel, wie das „katholische“ Bild von Luther entstanden sind. Einladung und Schluss sind dagegen nicht sehr erbauuend, da die Frage, ob Luther katholisch war, ohnehin nicht mit ja oder nein beantwortet werden kann.
Die Frage, warum die Autorin gerade die Personen ausgesucht hat, die dargestellt werden, hätte ich gerne noch beantwortet. Anfangs ist es noch plausibel erklärt, gegen Ende erscheint es ein wenig willkürlich.

Bewertung vom 04.11.2016
Der Pfau
Bogdan, Isabel

Der Pfau


gut

Ein abgelegenes Hotel, eine Gruppe Banker auf Arbeitstagung mit Erlebnispädagogik, ein Pfau der das blaue Auto der Chefin angreift und deswegen vom Hausherrn erschossen wird, eine Köchin, die ihn als Fasan der Gruppe verkaufen will und ihn dann zu Gänsecurry verarbeitet, und dann fehlt auch noch die Gans des Hifes, der Inhalt der Geschichte ist vorhersehbar, aber spannend, jedenfalls wenn die Einleitung geschafft ist.
Dieses Buch ist ein, ja das Beispiel für Konstruktivismus, das jeder seine Wirklichkeit selbst entwirft. Mitunter entstehen so Geheimnisse, mitunter erscheint es den Personen einfach nicht notwendig das Gesehene zu kommunizieren. So entstehen witzige Gedanken. Einige der Gruppe denken gleich und leider wird das von der Autorin zu oft wiederholt. Wohlmöglich so oft, dass es lustig sein soll, aber mich hat es nur gestört. So beginnt auf S.227 ein Kapitel, dessen Inhalt der aufmerksame Leser schon weitgehend kennt. Dafür entschädigen Sätze wie „Ein Pfau ist doch keine Amsel.“ „Ein Hund ist doch kein Wolf.“ und viele andere.

Bewertung vom 28.10.2016
Drehtür
Lange-Müller, Katja

Drehtür


gut

„Blitzgewitter, denkt Asta, das ist mir lange nicht mehr, jetzt aber blitzartig eingefallen.“ In der Liste der ersten Sätze ist dieser vorne mit dabei und danach geht es einige Seiten im Bastian Sick Stil weiter bis man denkt, es reicht langsam.
„Tschick“ war Buch welches ich vorher gelesen hatte. Dort schrieb ich, dass es auch schöne Kurzgeschichten enthält. „Drehtür“ ist zwar ein Roman, aber die Rahmenhandlung ist so nebensächlich, dass das Buch als Sammlung von Kurzgeschichten besser gewesen wäre.
Denis Schecks Bewertung der Bestsellerliste mag ich, doch seine Gäste kommen zu gut weg. In diesem Buch geht es um das Thema helfen, aber es ist nicht aktuell. Auch das biblische Gleichnis vom barmherzigen Samariter behandelt bereits diese Thema. Sagen wir, helfen ist immer aktuell.
Einige Geschichten sind gelungen, wobei die von Scheck zitierte Wespenepisode ganze 2 Seiten lang ist. Besser gefällt mir die Geschichte des Paares, dass sich wegen einer Katze im Urlaub auseinander lebt oder die eines Malers, dessen Bilder bei der Vernissage geklaut werden. Der schönste Satz ist aber das indische Sprichwort auf S.83: „Eine Tochter großzuziehen [...] ist, als bewässere man den Garten des Nachbarn.“

Bewertung vom 24.10.2016
Tschick
Herrndorf, Wolfgang

Tschick


sehr gut

Ich dachte gerade dieses Buch würde auch als Sammlung von Kurzgeschichten durchgehen. Die Episode mit dem Hochsprung im Sportunterricht ist wunderbar. Und dann diese Dialoge über die Walachei, was genauso ausgedacht klingt wie Dingenskirchen oder das man den Schlauch beim Benzinabfüllen unter den Wasserspiegel halten muss.
Aber es sind keine Kurzgeschichten, es nennt sich Roman, spielt im Sommer 2010 und handelt vom Ich-Erzähler in der Schule ohne und mit seinem „Freund“ Tschick und seine Reise im „ausgeliehen“ Lada und seine wenig erfolgreiche Rückkehr. Spannend und lustig, einzig das Ende an dem die Mutter die Möbel in den Pool schmeißt, erscheint mir sinnlos. Der Brief von Isa hätte gereicht.