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Havers
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Insgesamt 1378 Bewertungen
Bewertung vom 04.11.2018
Klugen Appetit!
Wilms, Dennis

Klugen Appetit!


ausgezeichnet

Dass unser Essen Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat, dürfte mittlerweile ja hinlänglich bekannt sein. Wer sich ausschließlich von Fastfood und industriell hergestellten Nahrungsmitteln ernährt, spielt mit seiner Gesundheit und muss sich nicht wundern, wenn im Laufe der Jahre ernährungsindizierte Krankheiten auftreten. Es bilden sich Plaques in den Arterien, die zu Minderdurchblutung führen und Infarkte auslösen können. Diabetes, die neue Volkskrankheit, breitet sich immer weiter aus. Demenz und Alzheimer nehmen zu.

Dennis Wilms, Wissenschaftsjournalist, Autor und „Lehrling“ bei der Sterneköchin Cornelia Poletto, hat sich mit diesen Phänomenen auseinandergesetzt, nachdem seine Mutter an Alzheimer erkrankte. Sein Ausgangspunkt ist die Frage danach, was jeder einzelne von uns aktiv dafür tun kann, um kognitive Degenerationen zu verhindern. Daraus entstand sein Buch „Klugen Appetit. Kochen für mehr Power im Kopf“, ein Kompendium aus Informationen und Rezepten für Besser-Esser. Wilms räumt mit Ernährungsmythen auf und gibt Tipps, mit denen wir den geistigen Verfall aufhalten und die Neurogenese (d.h. die Bildung neuer Nervenzellen im Gehirn) mit dem, was auf unsere Teller kommt, fördern können.

Eiweiß, Körner, Gemüse und Kräuter, Hülsenfrüchte, Fisch und Meeresfrüchte, Geflügel und mageres Fleisch – das ist die Unterteilung, mit der er arbeitet. Die jeweiligen Abschnitte leitet er mit einem Theorieteil ein, es folgt pro Doppelseite ein Rezept, wobei er sich den jeweiligen „Brain-Factor“ der Zutaten anschaut. Die Rezepte sind klar strukturiert, die Zubereitung detailliert beschrieben, so dass sie auch von Ungeübten realisiert werden können. Informationen zur Nährstoffzusammensetzung sind selbstverständlich, ebenso ein schönes Foto des vorgestellten Gerichts. Die Zutaten sollten überall erhältlich sein, lediglich bei Frischfisch könnte es Probleme mit der Beschaffung geben, aber dann kann man ja immer noch auf TK-Ware ausweichen.

Ein Minuspunkt sind für mich allerdings die industriell hergestellten Milchprodukte, die er als Alternative in einigen der Eiweißrezepte verwendet. Hier verwende ich dann doch lieber Herkömmliches (Buttermilch, Magerjoghurt) mit geringerem Fettanteil.

Wer sich mit gesunder Ernährung, die auch einen prophylaktischen Nutzen hat, auseinandersetzt, ist mit diesem Wissenskochbuch bestens bedient. Ich habe es auf Herz und Nieren getestet und kann es trotz der oben genannten kleinen Einschränkung jedenfalls empfehlen.

Bewertung vom 03.11.2018
Mittagsstunde
Hansen, Dörte

Mittagsstunde


sehr gut

„Mittagsstunde“ ist ein Heimatroman. Wer allerdings idyllischen Kitsch à la Förster-im-Silberwald erwartet, wird enttäuscht sein. Ihr geht es eher darum zu zeigen, was das dörfliche Leben ausmacht und wie es sich im Lauf der Jahre verändert hat.

Brinkebüll, in kleines Dorf in Nordfriesland. Ingwer Feddersen ist dort geboren, aufgewachsen und weggegangen, hat studiert, lebt jetzt in einer Dreier-WG in Kiel und kommt an den Wochenenden zurück, um seine mittlerweile tütteligen Großeltern zu versorgen. Mit seinen Augen sehen wir auf die Veränderungen, den Wandel, der auch vor Brinkebüll nicht Halt gemacht hat. Er ist ein Wanderer zwischen zwei Welten, der sich in keiner der beiden richtig heimisch fühlt. Da ist einerseits das großstädtische Leben, in dem jeder für sich ist, andererseits aber auch der dörfliche Kokon, in dem jeder von jedem alles weiß. Wer Frau und Kinder schlägt oder nicht ganz richtig im Kopf ist. Wo man die Eigenheiten des anderen kennt und toleriert. Ein Ort der Sicherheit, Beständigkeit.

Aber nichts währt ewig, es ist die große Flurbereinigung in den sechziger Jahren, die die Moderne einläutet. Äcker werden begradigt, neu verteilt, zusammengelegt, um die Bewirtschaftung zu optimieren. Ein Schlag mit der Axt, der alte Strukturen aufbricht, Vertrautes verschwinden lässt, das Leben im Geestdorf nachhaltig verändert.

Ein Roman über Verwurzelung, über Kindheit und Erwachsenwerden, über Weggehen und Heimkommen. Nie sentimental, aber immer mit einem melancholischen Blick auf das, was verloren ist. Um mit Joni Mitchell zu sprechen: „Du weißt nicht, was du hattest, bis es verschwunden ist…sie haben das Paradies gepflastert und einen Parkplatz daraus gemacht“ (übersetzte Textzeile aus: Big yellow taxi).

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.10.2018
Black Hand
Talty, Stephan

Black Hand


ausgezeichnet

Joseph Petrosino ist ein Pionier. Der erste Polizist, der sich dem organisierten Verbrechen in New York in den Weg stellt. Unter Police Commissioner Theodore Roosevelt, später 26. Präsident der Vereinigten Staaten, kämpft er nicht nur gegen die italienische Mafia sondern auch gegen die Korruption in den eigenen Reihen. Zahlreiche Bücher und Filme widmen sich diesem Ausnahmepolizisten, und "Black Hand", das neueste Werk aus der Feder des Journalisten Stephan Talty erzählt dieses Stück amerikanischer Kriminalgeschichte:

New York, Anfang 20. Jahrhundert. Die erste Welle der italienischen Einwanderer hat sich in ihrem Leben in der Fremde eingerichtet. Die einen arbeiten hart, um sich ihren Traum vom Leben in Freiheit und Wohlstand zu erfüllen, die anderen schließen sich zu kriminellen Vereinigungen zusammen und erpressen von ihren Landsleuten Gelder im großen Stil. Und dabei ist ihnen jedes Mittel recht. Selbst vor Kindern machen sie nicht halt, ein Leben zählt nichts für sie. Die am meisten gefürchtete Organisation der italienischen Mafia ist die "Black Hand".

Talty startet seinen Rückblick mit einem Fall, der den Leser mitten in deren skrupelloses Treiben katapultiert: Willi Labarbera, der fünfjährige Sohn italienischer Einwanderer, verschwindet spurlos. Doch dann kommt eine Lösegeldforderung, 5.000 Dollar wollen die Entführer, alles, was die Familie besitzt. Unterzeichnet ist der Brief mit dem Siegel der "Black Hand", der berüchtigten mafiösen Geheimgesellschaft. Die Labarberas wissen sich nicht zu helfen, kontaktieren die Polizei, und Joseph Petrosino nimmt sich des Falls an.

Petrosino, ebenfalls Kind einer italienischen Einwandererfamilie, will mehr von seinem Leben als seinen Unterhalt mit Schuhputzen zu verdienen. Er muss früh erfahren, dass die Italiener ganz unten auf der Skala stehen, was die gesellschaftliche Akzeptanz angeht. Nicht nur die Amerikaner verachten sie, nein, auch die irischen Immigranten, die sich speziell an der Ostküste und auch in New York bereits gemütlich eingerichtet haben, blicken verächtlich auf sie herab und machen ihnen das Leben schwer. Aber Petrosino lässt sich davon nicht abhalten und versucht das menschenmögliche, um die Lebensbedingungen seiner Landsleute zu verbessern, ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Und dazu gehört es für ihn, die "Black Hand" Mobster unschädlich zu machen. Diesem Ziel widmet er mit einer wahren Besessenheit sein Leben. Und er ist äußerst gut in dem, was er tut. Auch wenn es ihm schlussendlich nicht gelungen ist, den Sumpf trockenzulegen.

Manchmal schreibt dann doch das Leben die spannenderen Geschichten als die Fiktion. Talty schildert sehr anschaulich zum einen die Lebensbedingungen der italienischen Einwanderer, die Widerstände, gegen die sie ankämpfen müssen, zum anderen lässt er seine Leser äußerst präzise an der Polizeiarbeit Petrosinos und dessen Truppe teilhaben.

Amerikanische Kriminalgeschichte gepaart mit True Crime. Äußerst informativ. Spannend erzählt, vollgepackt mit Informationen, ermöglicht der Autor dem Leser den Blick in eine Zeit, in der die Mafia in New York noch in den Kinderschuhen steckt.

Bewertung vom 25.10.2018
Gun Love
Clement, Jennifer

Gun Love


gut

Ein Szenario, das in den Vereinigten Staaten gang und gäbe ist. Vierzehn Jahre leben Mutter und Tochter in ihrem Auto, abgestellt auf dem Parkplatz eines heruntergekommenen Trailerparks in Florida, eine Zwei-Zimmer-Wohnung sozusagen. Pearl, der mittlerweile vierzehnjährigen Tochter, sind die Vordersitze zugeteilt, die Mutter macht es sich nach Feierabend auf der Rückbank bequem. Im Kofferraum lagern die Schätze für schlechte Zeiten, kostbare Porzellanteller und Familienschmuck.

So, jetzt habe ich mich natürlich gefragt, was das für eine Familie ist, vor der Pearls Mutter kurz nach deren Geburt davongelaufen ist. Sie scheinen wohlhabend zu sein, haben ihrer Tochter eine was man so „gute“ Erziehung nennt angedeihen lassen, kümmern sich aber ansonsten wohl nicht weiter um sie. Denn wie lässt es sich sonst erklären, dass die Schwangerschaft sowie die Geburt im Badezimmer nicht bemerkt werden? Einzig der Vater fällt aus dem Rahmen, der auf Kleingetier mit einer Fliegenklatsche einschlägt, was schlussendlich den Anlass für die Flucht der hypersensiblen Tochter aus dem Elternhaus bietet. Aber welche Eltern setzen nicht Himmel und Hölle in Bewegung, wenn ihre Tochter spurlos verschwindet? Sehr seltsam, aber sei’s drum. Jetzt zieht sie also ihr Kind mit Unterstützung der Freunde aus dem Trailerpark groß, redet ihr dieses White Trash-Leben mit romantisierenden Phrasen schön, die doch nur den Zweck haben, den allgegenwärtigen Mangel zu kaschieren.

Waffen sind allgegenwärtig, mal nur eine, dann wieder ein ganzes Arsenal. Sie werden gereinigt, benutzt, um ein missgebildetes Alligatorjunges zu erschießen oder von dem geschäftstüchtigen Priester eingesammelt und über die mexikanische Grenze verschoben. Und sie killen, töten Pearls Mutter und katapultieren diese schlagartig in die reale Welt der Waisen.

„Gun Love“ ist ein Buch, mit dem ich hadere. Keine Frage, die Sprache ist brillant, poetisch (wunderbare Übersetzung von Nicolai von Schweder-Schreiner) verklärt aber letztlich damit nur dieses Leben in einer Parallelwelt, das dem Mädchen Pearl keinerlei Perspektive für die Zukunft bietet. Und das geht mir wirklich nicht nur an die Nieren sondern auch auf die Nerven.

Bewertung vom 19.10.2018
Das dunkle Herz der Stadt
Pelecanos, George P.

Das dunkle Herz der Stadt


ausgezeichnet

George Pelecanos, amerikanischer Autor mit griechischen Wurzeln, ist in Washington D.C. aufgewachsen. Und es ist das Leben in dieser Metropole, die sein Schreiben geprägt hat, die in seinen Romanen immer wieder in den Vordergrund drängt. So auch in „Das dunkle Herz der Stadt“, dem Abschlussband der Nick Stefanos-Trilogie, erstmals 1995 erschienen, nun endlich auch von Karen Witthuhn sehr stimmig ins Deutsche übersetzt und in dem fränkischen Verlag ars vivendi erschienen. Bleibt zu hoffen, dass der Roman viele Leser findet – verdient hätte er es allemal, auch wenn die Hauptfigur Nick Stefanos nicht der typische Sympathieträger ist. Ex, das ist das vorherrschende Persönlichkeitsmerkmal von Stefanos. Ex-Cop und Ex-Privatdetektiv, ein Säufer, der die Spirituosen auf Ex kippt, zu denen er durch seinen Job als Barkeeper unbeschränkten Zugang hat.

Als er nach einem seiner Alkoholexzesse völlig derangiert am Flussufer erwacht, erinnert er sich vage daran, dass er in der vergangenen Nacht den gedämpften Knall eines Schalldämpfers gehört haben könnte. Gehört haben könnte, wie jemand ermordet wurde. Er hat sich nicht getäuscht, die Leiche eines Jugendlichen wird im Wasser gefunden. Aber interessiert sich jemand für die Aufklärung? Für die Polizei ist es nur ein Fall unter vielen. Ein ermordeter schwarzer Teenager? Schnell erledigt, ganz klar eine Gang-Geschichte, ein Junkie, Drogen - kann man ad acta legen. Nicht so Nick, der Zweifel an dieser Theorie hegt, vor allem, weil auch ein Freund des Mordopfers von der Bildfläche verschwunden ist. Da ist er wieder, sein Schnüfflerinstinkt, der ihm keine Ruhe lässt. Und der so heftig an ihm nagt, dass er die Nachforschungen selbst in die Hand nimmt, unterstützt von Jack LaDuke, der Auftrag hat, den vermissten Freund des Opfers zu finden.

Es gibt zwei Protagonisten in diesem Kriminalroman. Einerseits natürlich Nick Stefanos, der uns aus der Ich-Perspektive an den Ermittlungen in diesem Fall sowie auch äußerst ausführlich an seinem Leben teilnehmen lässt. Zum anderen die Unterwelt von Washington, Hauptstadt am Potomac, nicht glitzernd und glänzend sondern trostlos, dunkel und dreckig und kalt, deren Darstellung über die Jahre sich der Autor verschrieben hat. Er nimmt uns mit in die verrufenen Viertel, in die Sozialbauten, die „Projects“, wo die Verlierer des amerikanischen Traums hausen. Es ist eine Reise in die Finsternis, authentisch gestaltet durch Filmtitel, Automarken und natürlich die allgegenwärtige Musik aus dem Autoradio.

Nix für Zartbesaitete, aber für Freunde des Hardboiled-Genres ein absolutes Muss!

Bewertung vom 12.10.2018
Mein Ein und Alles
Tallent, Gabriel

Mein Ein und Alles


ausgezeichnet

Gabriel Tallent ist mit „Mein Ein und Alles“ ein Roman gelungen, der keinen Leser unberührt lassen wird, und ich kann mich der Meinung Stephen Kings anschließen, der dieses Debüt als ein Meisterwerk bezeichnet und es mit den großen Klassikern der amerikanischen Literatur vergleicht. Für mich ist es eine Mischung aus Thoreaus „Walden“ und Woodrells „Winter’s Knochen“. Thoreau wegen der ausufernd detaillierten Beschreibungen einer ungebändigten Natur, Woodrell wegen Turtle, dem Mädchen, das allerdings erst im Laufe der Handlung zu dieser Stärke gelangt, die Ree Dolly von Beginn eigen ist. Außerdem ist ein wichtiges Thema - und zutiefst amerikanisch - die Bedeutung der Waffen, deren Gebrauch und Pflege eine zentrale Rolle in diesem Roman einnimmt.

Tallent beschreibt eine Vater/Tochter-Story, die von Obsession, Dominanz und Missbrauch erzählt, aber gleichzeitig ist es auch die Geschichte der Befreiung aus einer zerstörenden Beziehung. Seit dem Tod der Mutter lebt Turtle mit ihrem Vater in den nordkalifornischen Wäldern. Es ist ein dreckiges, rohes Leben für das Mädchen, geprägt von physischen und psychischen Misshandlungen durch den obsessiven, in Waffen vernarrten Vater, der schöngeistmäßig einerseits die Werke der großen Philosophen liest, andererseits seine Tochter regelmäßig vergewaltigt. Die Gefühle des Mädchens sind widersprüchlich, sie hasst ihn und sie liebt ihn, ist er doch ihre einzige Bezugsperson. Aber dann lernt sie Jacob kennen, einen gleichaltrigen Jungen, der ihr zeigt, dass Beziehungen auch anders funktionieren können. Und das ist der Auftakt für Turtles schmerzhafte Befreiung von ihrem Vater.

Es ist ein eindringliches Leseerlebnis. Der Autor verlangt uns einiges ab. Manchmal muss man das Buch einfach zur Seite legen und das Gelesene sacken lassen, weil man die Brutalität in dieser Vater/Tochter-Beziehung kaum noch aushalten kann. Im Gegensatz dazu steht die Sprache, so poetisch und federleicht, die ein Gegengewicht schafft. Absolut beeindruckend, mit einer Protagonistin, die man so schnell nicht vergessen wird. Keine Frage, ein Roman für meine Jahresbestenliste!

Bewertung vom 10.10.2018
Die Suche / Polizistin Kate Linville Bd.2
Link, Charlotte

Die Suche / Polizistin Kate Linville Bd.2


sehr gut

Scarborough, North Yorkshire, an der englischen Ostküste. Auf der einen Seite die Nordsee, auf der anderen Seite die Hochmoore des North York Moors Nationalparks. Mädchen verschwinden, spurlos, und als nach einem Jahr vergeblicher Suche endlich eine Leiche auftaucht, macht schnell die Rede vom Hochmoor-Killer die Runde. Von außen betrachtet sind die betroffenen Familien intakt, schaut man aber genauer hin erkennt man deren Dysfunktionalität.

Aber Scarborough ist auch die Heimat von Kate Linville, DS bei Scotland Yard, die momentan vor Ort ist, um ihr total verwüstetes Elternhaus für den geplanten Verkauf auf Vordermann bringen zu lassen. Da sich auch die Tochter ihrer Bed & Breakfast Vermieter unter den Verschwundenen befindet, bitten diese um ihre Hilfe, obwohl für den Fall eigentlich DCI Caleb Hale von der hiesigen Polizei zuständig ist. Link-Lesern sind die beiden bereits aus dem 2015 erschienenen Kriminalroman „Die Betrogene“ bekannt, an den die Autorin in „Die Suche“ lose anknüpft. Was diese beiden angeht, ist noch alles beim Alten: Linville, die talentierte Ermittlerin, ist noch immer das graue Mäuschen ohne Selbstbewusstsein auf der Suche nach Akzeptanz und einer Beziehung, Hale ist ein Abhängiger und ist sich dessen auch bewusst, kämpft jeden Tag mit seiner Alkoholsucht. Mir war das etwas zu leblos und holzschnittartig, ich hätte mir etwas mehr Tiefgang gewünscht.

Auf 656 Seiten breitet Charlotte Link diesen Fall aus, wobei der Story eine Straffung sicherlich gut getan hätte. Die erste Hälfte erschöpft sich in endlosen Wiederholungen, es sind keinerlei Fortschritte im Handlungsverlauf zu erkennen. Alles ist klein klein, jedes Detail wird bis zum Äußersten ausgereizt, weshalb die Lektüre in diesem Stadium äußerst ermüdend für den Leser ist. In der zweiten Hälfte nimmt die Geschichte dann aber glücklicherweise Fahrt auf, entwickelt Spannung und weckt das fast erloschene Interesse des Lesers.

Was man Link zugutehalten muss, sie verliert nie den Überblick und schafft es, die verschiedenen Perspektiven – Linville, Hale, Opfer, Familien und Entführer – schlüssig weiterzuentwickeln, das große Ganze im Auge zu behalten und schlussendlich zu einem befriedigenden Ende zu bringen.

Fazit: Ein gefälliger Schmöker für dunkle Herbsttage, der Durchhaltevermögen erfordert und keine großen Ansprüche an den Leser stellt.

Bei der Bewertung habe ich zwischen drei und vier Sternen geschwankt und mich letztlich für vier entschieden, da die Autorin das geliefert hat, was man von ihr erwartet.

Bewertung vom 07.10.2018
Escape Room - Nur drei Stunden
McGeorge, Chris

Escape Room - Nur drei Stunden


weniger gut

Neu erfunden hat Chris McGeorge das Genre mit "Escape Room" nun wirklich nicht. Es ist eher eine Hommage an die Klassiker des Genres, von denen jeder mindestens ein Locked Room Mystery in seinem Oeuvre hat. Handwerklich ist dieser Thriller in Ordnung, und dennoch konnte er mich nicht packen. Die Figuren sind übersichtlich, allerdings fehlt mir in ihrer Charakterisierung dann doch die Tiefe. Sie bleiben blass, können keine Sympathien wecken. Die Story an sich wirkt konstruiert, woran auch die Rückblenden nichts ändern. Spannung und Interesse meinerseits am Fortgang der Handlung kam leider zu keinem Zeitpunkt auf. Eine typisch "akademisch" Arbeit, die er für seinen Abschluss in Creative Writing vorgelegt hat. Bitte, liebe Verleger, verschont uns zukünftig mit den Schreibversuchen dieser Möchtegern-Autoren!

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.10.2018
Redemption Point
Fox, Candice

Redemption Point


weniger gut

Mit „Redemption Point“, dem zweiten Band der Crimson Lake-Reihe, schreibt die australische Autorin Candice Fox die Geschichte um die beiden Außenseiter Ted Conkaffey und Amanda Pharrell fort. Die sich nicht gesucht, aber gefunden haben, weil sie beide erleben mussten, wie es ist, misstrauisch beäugt zu werden und ihr altes Leben zu verlieren. Ted, Ex-Cop und des Mordes an einer Dreizehnjährigen beschuldigt, und Amanda, die verurteilte Mörderin. Deren Wege sich an ihrem Rückzugsort in einer australischen Kleinstadt kreuzen und die nun gemeinsam als Privatdetektive arbeiten.

Es sind zwei Fälle, die die beiden zu bearbeiten haben. Da ist zum einen der noch immer ungeklärte Fall aus Teds Vergangenheit, der nun, unterstützt von dem Vater des Mädchens und einem Drogenboss, der schützend seine Hand über ihn hält, alles daran setzt, den wahren Täter dingfest zu machen. Amanda kümmert sich währenddessen mit Hilfe von DI Pip Sweeney um einen vermutlichen Raubmord, der sich in einer dubiosen Hinterhofkneipe ereignet hat.

Tja, was bin ich mit großen Erwartungen an diesen Nachfolgeband von "Crimson Lake" herangegangen. Umso größer war die Enttäuschung, hat sich dieser doch relativ schnell als das typische "Mittelbuch" einer Trilogie entpuppt. Absolut keine Fortschritte in den Entwicklungen der Personen und ihrer Backstorys, endlose Wiederholungen von Conkaffeys Geschichte, den falschen Beschuldigungen, seiner zerrüttenden Ehe und so weiter. Amanda hingegen nervt nur noch mit ihrem albernen, kindischen Getue. Und die "Liebes Tagebuch" Einträge des wahren Vergewaltigers setzen dem ganzen dann noch die Krone auf. Ich habe mich immer wieder gefragt, wie alt denn die Protagonisten sind. Zehn oder zwölf Jahre?

Vielleicht hätte sich die Autorin eingehender von ihrem Mentor James Patterson beraten lassen sollen. Aber wahrscheinlich wäre auch er auf die Marketingtricks der Branche ausgewichen, die bei Reihen einen garantierten Umsatz wittern. Ich werde mir jedenfalls den abschließenden Band der Trilogie sparen.

Bewertung vom 20.09.2018
Der Outsider
King, Stephen

Der Outsider


sehr gut

Ein elfjähriger Junge wird geschändet und ermordet aufgefunden, und alle Zeugenaussagen deuten auf Terry Maitland, den allseits beliebten Trainer des Jugend-Baseball Teams als Täter hin, der schließlich vor den Augen des vollbesetzten Stadions verhaftet und abgeführt wird. Nicht nur der zuständige Detective sowie der Staatsanwalt sind sich ihrer Sache völlig sicher, auch die Einwohner von Flint City wollen Maitland hängen sehen. Die Indizien sind eindeutig, oder etwa doch nicht? Denn im Laufe der Untersuchung stellt sich heraus, dass es unumstößliche Beweise dafür gibt, dass der Verhaftete zum Tatzeitpunkt an einer Veranstaltung für Englisch-Lehrer teilgenommen hat. Erst als Holly Gibney, King-Lesern bekannt aus der Mercedes-Trilogie und bekennende Cineastin, den entscheidenden Hinweis gibt, stellen die Verantwortlichen fest, dass es offenbar doch Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die sich nicht so einfach erklären lassen. Aber für Terry Maitland und die Familie des Opfers kommt diese Einsicht leider zu spät.

Diesmal also nicht Derry, Maine sondern Flint City in Oklahoma, Mittlerer Westen (65,3 % für Trump, 28,9 % für Clinton), später nahe Austin, Texas, beides traditionell konservative Staaten. Ich gehe davon aus, dass sich Stephen King etwas dabei gedacht hat, als er die Kleinstadt Flint als Handlungsort für seinen neuen Roman „Der Outsider“ auserkoren hat. In Ansätzen mag er hier eine Bestandsaufnahme des heutigen Amerika unter Trump gemacht haben, aber die Belege dafür sind mir dann doch etwas zu mager. „Make America great again“-Mützen, ein paar Trump-Schilder und ein Autoaufkleber „Ich bin für Hillary“ – das war’s dann aber auch schon. Der Hass gegen den pädophilen Mörder, der aus den Einwohnern von Flint einen Lynchmob macht, ist nicht typisch amerikanisch. Das könnte in der Tat überall passieren. Und auch die Verbreitung „offizieller“ Informationen/Nachrichten, ganz gleich ob Fake oder nicht, ist mittlerweile durch die Konzentration im Pressebereich und die schnelle Verbreitung via Social Media weltweit gesichert. Am ehesten geht hier für mich noch die Zuckermelone voller Maden als Anspielung auf das heutige Amerika durch: außen hui und innen pfui.

„Der Outsider“ kommt in typischer King-Manier daher. Allerdings gilt es gerade zu Beginn eine längere Durststrecke (ca. 150 Seiten) zu überwinden, in der die diversen Zeugenaussagen protokolliert werden. Erst danach kommen die bekannten Zutaten zum Einsatz und der Krimi wechselt das Gewand in Richtung Horrorthriller, wobei die Schlusssequenz meiner Meinung nach etwas zu versöhnlich ausfällt. Aber vielleicht wird Stephen King langsam auch altersmilde…