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Benutzername: 
dorli
Wohnort: 
Berlin
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 878 Bewertungen
Bewertung vom 23.09.2014
Constable & Toop
Jones, Gareth P.

Constable & Toop


ausgezeichnet

London, spätes 19. Jahrhundert. Immer mehr Hausgeister verschwinden auf unerklärliche Weise aus ihren Häusern. Während Bürogeist Lapsewood sich auf die Suche nach der Ursache macht, hat Sam Toop ganz andere Probleme. Nicht nur, dass Geister ihn ständig für Botengänge engagieren, plötzlich taucht auch sein von der Polizei gesuchter Onkel Jack auf…

Angelockt von dem wundervoll gestalteten Cover und den Empfehlungen namhafter Geister (Mary Shelly, Edgar Allan Poe, Sir Arthur Conan Doyle u.a. :-)) war ich sehr neugierig auf „Constable & Toop“ - und wurde durchweg prima unterhalten. Gareth P. Jones wartet hier mit einer fesselnden Geschichte und einer Reihe ganz außergewöhnlicher Figuren auf.

Da ist zunächst einmal der 13-jährige Sam Toop. Sam arbeitet bei seinem Vater in einem Bestattungsunternehmen. Er ist ein „Sprechender“, das heißt, er kann Geister sehen und hören. Diese Gabe ist für Sam eine große Last, denn es gibt viele Geister, die ihn mit Botschaften zu ihren Hinterbliebenen schicken möchten. Sam war mir schnell sympathisch und hat mir dabei auch mächtig Leid getan, denn die Geister, die ihn um Hilfe bitten, waren meist sehr aufdringlich und nervig.
Auch die 15-jährige Clara habe ich schnell in mein Herz geschlossen. Clara hat ihren eigenen Kopf, ist neugierig und wissensdurstig. Sie möchte Artikel für die Zeitung schreiben, daher beobachtet sie ihre Umgebung sehr genau. Clara kann die Geister in ihrem Haus spüren.
Tanner ist ein ehemaliger Gassenjunge, der jetzt als Schurkengeist (das ist ein Geist ohne Papiere bzw. Lizenz) durch London streift und dabei eine Menge Spaß hat. Tanner ist pfiffig und gewieft – mein absoluter Liebling in diesem Buch.
Und dann ist da noch Bürogeist Lapsewood. Ein einfacher, überaus korrekter Angestellter im Geisteramt. Lapsewood wird gegen seinen Willen in eine neue Abteilung versetzt und mit einer für ihn sehr unangenehmen Aufgabe betraut. Lapsewood muss zwar ein paar Rückschläge einstecken, wächst aber im Laufe der Geschichte über sich hinaus und hat mich mit seiner liebenswerten, höflichen Art begeistert.
Natürlich gibt es auch allerlei finstere Gestalten und ein paar Bösewichte in dieser Geschichte. So treibt zum Beispiel Sams Onkel Jack, ein Dieb und Mörder, sein Unwesen in der Stadt und mit Pastor Fallowfield tingelt ein erbarmungsloser Mann, der Geister exorziert, durch Londons Häuser.

Gareth P. Jones erzählt die Geschichte sehr spannend, die Figuren sind ausdrucksstark gezeichnet und glänzen alle durch ihre besonderen Eigenarten. Der Autor lässt seine Helden in unterschiedlichen Handlungssträngen auftreten und konfrontiert jeden auf eine andere Weise mit den merkwürdigen Geschehnissen in London. Jeder der vier erlebt seine eigene Geschichte, wobei manche von ihnen sich in der einen oder anderen Szene begegnen. Erst zum großen Showdown betreten dann alle gleichzeitig die Bühne.

Besonders die düstere Atmosphäre Londons im viktorianischen Zeitalter wird toll vermittelt. In den dunklen Ecken und verwinkelten Gassen geht es schaurig zu. Manchmal auch recht brutal. Eine Brutalität, die in einigen Szenen deutlich beschrieben wird, so dass ich es für unbedingt ratsam halte, dass empfohlene Lesealter nicht zu unterschreiten.

Mir hat dieser Ausflug in die Geisterwelt sehr gut gefallen. Eine fesselnde Geschichte, die auch erwachsene Leser zu begeistern vermag.

Bewertung vom 17.09.2014
Der Klang der blauen Muschel
Mannel, Beatrix

Der Klang der blauen Muschel


ausgezeichnet

Samoa 1905. Die junge Henriette Mayberg ist mit ihrer Familie in die deutsche Südseekolonie Samoa ausgewandert. Henriette fühlt sich sehr einsam, denn ihre über alles geliebte Zwillingsschwester Sophie musste in München zurückbleiben, weil sie an Tuberkulose erkrankt ist. Bei einem nächtlichen Strandspaziergang lernt Henriette den Samoaner Tamatoa kennen und verliebt sich wenig später in ihn. Währenddessen planen Henriettes Eltern bereits die Hochzeit ihrer Tochter mit dem angeblichen Vogelforscher Ernst-Otto Hofmann. Doch bevor es zu der Vermählung kommt, geschieht eine Katastrophe…

Beatrix Mannel wartet in ihrem Roman „Der Klang der blauen Muschel“ mit einer tollen Mischung aus Abenteuer, Spannung und Romantik auf und zeichnet ein umfassendes, vielschichtiges Bild von Samoa und San Francisco im frühen 20. Jahrhundert.

Es gelingt Beatrix Mannel ausgezeichnet, dem Leser den Zauber der Südseeinseln zu vermitteln. Die Autorin erzählt facettenreich vom Leben in Samoa während der deutschen Kolonialzeit. Sie gibt Einblicke sowohl in die Lebensweise, die Mythologie, die Legenden und die Traditionen der Einheimischen, wie auch in das unangepasste und überhebliche Gehabe der Kolonisten.

Auch San Francisco wird hervorragend in Szene gesetzt. Die Hektik der Stadt, die gesellschaftlichen Geflogenheiten, ein Spukhaus, ein Besuch in Chinatown – die vielfältigen Ansichten der Stadt waren für mich sogar noch einen Tick interessanter, als die faszinierende Welt Samoas.

Beatrix Mannel hat das Zeitgeschehen eindrucksvoll mit ihrer Geschichte verwoben. Der Goldrausch am Klondike spielt eine wichtige Rolle und auch das große Erdbeben von 1906 ist in die Handlung eingeflochten.

Gut gefallen hat mir auch, dass das Geschehen mit einigen übernatürlichen Phänomenen gespickt ist. Zuallererst ist da die blaue Muschel, die sowohl real als Geschenk von Tamatoa an Henriette existiert, als auch eine rätselhafte Verbindung zwischen den Protagonisten darstellt und in Träumen und auf Bildern auftaucht. Außerdem wird Henriette mehrfach vom „automatischen Schreiben“ überrumpelt und Fotograf Julius von Sommerfeld beschäftigt sich mit der Ektoplasma-Fotografie.

Die Akteure werden von Beatrix Mannel allesamt lebendig und bildhaft dargestellt, besonders Henriette ist mir schnell ans Herz gewachsen. Die liebenswürdige, aufgeschlossene junge Frau balanciert durchs Leben und versucht, die Forderungen ihrer Familie zu erfüllen und gleichzeitig ihre Interessen und Wünsche zu verwirklichen. Sie hat sich in den Samoaner Tamatoa verliebt, wird jedoch dazu verdonnert, einen Mann zu heiraten, den sie nicht mag. Mit dieser Ehe soll die Familie vor dem Ruin gerettet werden. Der Auserkorene Ernst-Otto Hofmann wirkt auf den ersten Blick sympathisch. Schnell zeigt sich aber, dass er nicht der Gentleman ist, für den ihn alle halten. Es gibt einige Ungereimtheiten in seiner Vergangenheit, denen Henriette im Verlauf der Handlung auf den Grund zu gehen versucht.
Auch die zahlreichen Nebenfiguren bereichern die Handlung außerordentlich, jeder Einzelne spielt die ihm zugedachte Rolle hervorragend. Besonders fasziniert hat mich Nian. Das chinesische Hausmädchen gibt sich demütig, verfügt aber über mehr Verstand und Übersicht, als so manch anderer.
Neben den fiktiven Figuren bevölkern auch einige historische Persönlichkeiten diesen Roman, unter ihnen zum Beispiel Jack London und dessen zweite Ehefrau Charmian Kittredge oder auch Eugene Schmitz, der damalige Bürgermeister von San Francisco.

„Der Klang der blauen Muschel“ lässt sich angenehm zügig lesen und hat mir nicht nur spannende, unterhaltsame Lesestunden beschert, sondern mir auch interessante Einblicke in die Historie Samoas und San Franciscos ermöglicht.

Bewertung vom 15.09.2014
Unter Umständen verliebt
Winter, Leonie

Unter Umständen verliebt


ausgezeichnet

Hamburg. Die 35-jährige Flugbegleiterin Nora Bergmann ist schwanger und freut sich sehr auf das Baby. Als sie ihren Freund Mirko mit dieser wunderbaren Nachricht überraschen will, hat dieser gerade einen Arm fest um Susan gelegt – seine bereits einjährige Zweitbeziehung, wie sich später herausstellt. Da Mirko mit Susan nach Australien auswandern will, macht Nora sich auf die Suche nach einem neuen Vater für ihr ungeborenes Baby und einer neuen großen Liebe für sich selbst…

Leonie Winter lässt Ich-Erzählerin Nora diese Geschichte mit einem Freudenschrei beginnen. Einfach herrlich, Noras Begeisterung über ihre Schwangerschaft. Ich habe sie richtig vor mir gesehen, wie sie durch ihre Wohnung saust, ganz ungestüm vor Glück. Die Autorin lässt Nora dann sehr schnell auf den Boden der Tatsachen plumpsen, denn Lebensgefährte Mirko erweist sich als Mistkerl.
Nach diesen zwei heftigen Loopings geht es rasant weiter auf Noras Gefühlsachterbahn. Immer auf und ab. Begleitet von heftigen Hormon-Attacken macht sich Nora auf die Suche nach einem neuen Mann. Unterstützt wird sie dabei von ihrem Kollegen und besten Freund Oskar und dessen Frau Bettina. Zwei ganz liebe Menschen, die Nora ein ums andere Mal auffangen, wenn es wieder allzu chaotisch in ihrem Leben zugeht.

Nora erlebt einige Pleiten und auch ganz wunderbare Momente, verstrickt sich in einer dicken Lüge und findet am Ende zum Glück den Richtigen - ein Mann, von dem ich nicht gedacht hätte, dass er letztendlich an Noras Seite stehen würde. Leonie Winter hat hier ganz geschickt einige Überraschungen und Wendungen eingebaut, so dass es bis zum Schluss weder für Nora noch für den Leser langweilig wird.

Als Clou in diesem Buch kommt am Ende eines jeden Kapitels eine Randfigur zur Wort, die sich zu dem vorangegangenem Geschehen äußert – sehr gelungene Einschübe, die für eine Extraportion Witz sorgen.

„Unter Umständen verliebt“ ist ein spaßiger, romantischer Frauenroman, der mit viel Schwung und Wortwitz erzählt wird. Ich habe mit Nora gelacht und gelitten und über so manches kuriose Erlebnis schmunzelnd den Kopf geschüttelt. Ein rundum tolles Lesevergnügen.

Bewertung vom 11.09.2014
Das Haus am Alsterufer
Jary, Micaela

Das Haus am Alsterufer


ausgezeichnet

Hamburg 1911. Das Familienleben des Reeders Victor Dornhain droht aus seinen geregelten Bahnen zu kippen. Nicht nur, dass seine illegitime Tochter Klara plötzlich vor seiner Tür steht, seine Tochter Lavinia möchte unbedingt den Architekten Konrad Michaelis heiraten. Victor stimmt diesem Wunsch letztendlich zu, da er hofft, dass der gewissenhafte, ehrgeizige junge Mann der verwöhnten Livinia zu einem bodenständigen Leben verhilft. Zu diesem Zeitpunkt ahnt Victor bereits, dass auch Lavinias in München studierende Schwester Nele Konrad liebt. Um die Familie vor einem Skandal zu schützen, macht er der mittlerweile schwer erkrankten Nele klar, dass sie auf Konrad zu verzichten hat. Dann bricht der Erste Weltkrieg aus und das gewohnte Leben der Dornhains wird auf den Kopf gestellt…

In „Das Haus am Alsterufer“ nimmt Micaela Jary den Leser mit auf eine Zeitreise in das frühe 20. Jahrhundert. Die Autorin erzählt die Geschichte der Dornhains sehr umfassend und intensiv und vermittelt ganz ausgezeichnet, was den Menschen damals wichtig war und was sie bewegt hat.
Es ist einfach klasse, wie es Micaela Jary gelingt, Ort und Zeit in Szene zu setzen. Durch die hervorragenden Beschreibungen bin ich von der ersten Seite an mitten im Geschehen, kann die herrschaftliche Atmosphäre am Alsterufer schnuppern und mir dabei sehr gut vorstellen, wie es so war im Hause Dornhain.

Die Autorin präsentiert viele unterschiedliche Facetten des gutbürgerlichen Lebens der damaligen Zeit, indem sie die Dornhain-Töchter mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften und Vorlieben ausgestattet hat.
Ellinor ist äußerst zuverlässig, sie sieht ihre Bestimmung in der Arbeit im väterlichen Kontor und engagiert sich für soziale Projekte.
Helene/Nele ist sehr zielstrebig, sie studiert an der Kunstschule in München und möchte Grafikerin werden. Durch sie erhält man Einblick in die Kunstgeschichte, die Münchner Boheme und erfährt auch einiges über die Frauenbewegung.
Lavinia ist eigensinnig und oberflächlich, sie lebt in den Tag hinein, will Spaß haben und interessiert sich hauptsächlich für die neueste Mode.
Klara ist Victors uneheliche Tochter. Sie wird Hausmädchen bei den Dornhains. Durch Klara lernt man auch das Leben abseits der herrschaftlichen Räume kennen.
Über alle wacht Großmutter Charlotte, die dafür verantwortlich ist, dass der Anstand gewahrt und gute Manieren eingehalten werden.

Auch wenn die familiären Verwicklungen und Verstrickungen im Vordergrund stehen, spielt das Zeitgeschehen in diesem Roman eine große Rolle. Neben gesellschaftlichen Ereignissen wie dem Deutschen Derby oder der Eröffnung des Elbtunnels wird besonders die politische Entwicklung mit dem herannahenden 1. Weltkrieg hervorgehoben. Es hat mir sehr gut gefallen, wie Micaela Jary die Veränderungen im Leben der Familie Dornhain darstellt, als der Krieg ausbricht. Der gewohnte Alltag ändert sich mit zunehmender Intensität und das Schicksal aller schlägt ganz neue Richtungen ein.

Es ist für mich immer wieder erschreckend zu lesen, dass es damals völlig normal und selbstverständlich war, dass das persönliche Glück weitaus weniger wichtig war, als das gesellschaftliche Ansehen. Obwohl Victor Dornhain selbst unter diesen Zwängen gelitten hat, behält er diese Einstellung bei und gibt sie auch an seine Töchter weiter – es zählt nur, was die Leute sagen. Aber so war sie wohl, die „gute, alte Zeit“.

Micaela Jary hat mich mit „Das Haus am Alsterufer“ nicht nur bestens unterhalten, sondern mich auch lebensnah an einem Stückchen deutscher Geschichte teilhaben lassen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.09.2014
Heilbronn 37°
Spohr, Henrike

Heilbronn 37°


ausgezeichnet

Heilbronn. Die Malerin Tamara Deile arbeitet eifrig an ihren Bildern - sie steht kurz vor ihrer ersten Ausstellung! Doch die Vorfreude wird durch das Gefühl getrübt, beobachtet zu werden. Die 29-Jährige wurde als Teenager entführt und zwei Wochen lang gefangen gehalten. Ihre Angst, dass der Entführer es nach 15 Jahren erneut auf sie abgesehen hat, wächst…

Henrike Spohr hat mich mit ihrem Debüt „Heilbronn 37°“ von der ersten bis zur letzten Seite fest im Griff gehabt. Die Geschichte wird flüssig und spannend erzählt und der gesamte Handlungsverlauf ist wahnsinnig gut durchdacht. Es gelingt der Autorin hervorragend, den Leser in einen Strudel aus unterschiedlichen Gefühlen und rätselhaften Ereignissen hineinzuziehen.

Vier ganz unterschiedliche Hauptfiguren betreten die Bühne:
Tamara scheint von der Last der damaligen Ereignisse auch heute noch schier erdrückt zu werden. Sie fühlt sich verfolgt. Ihre Emotionen steckt sie in die Malerei, versucht sich auf diese Weise von ihren Ängsten zu befreien. Langsam erwacht Hass in ihr, sie will nicht mehr Opfer sein.
Paul sorgt sich sehr um Tamara. Er versucht ihr zu helfen, doch ihre wechselnde Stimmung macht es ihm nicht leicht, Tamara droht ihm zu entgleiten, er wirkt verzweifelt.
Andreas ist schwer zu durchschauen. Der erfolgreiche Jurist arbeitet viel, scheint jedoch momentan Probleme zu haben. Er liebt Anna, verschweigt ihr aber einiges.
Anna leidet darunter, dass sie oft allein zuhause ist. Es sind Kleinigkeiten, die sie vermuten lassen, dass Andreas ein Geheimnis hat. Womöglich eine Affäre? Der Gedanke lässt ihr keine Ruhe, sie spioniert ihm nach.

Henrike Spohr beschreibt die Emotionen ihrer Protagonisten ausgezeichnet. Man kann nachfühlen, was in jedem Einzelnen vorgeht, kann Tamaras Ängste, Pauls Verzweiflung, Annas Einsamkeit und auch Andreas Unruhe verstehen.
Als Leser lebt und leidet man mit den Vieren. Ständig habe ich gegrübelt, wie die Dinge zusammenhängen und darüber nachgedacht, was wohl hinter allem stecken mag. Schnell ist klar, dass es zwischen allen eine in der Vergangenheit liegende Verbindung geben muss. Eine Verbindung, die der Schlüssel für alles zu sein scheint. Eine Verbindung, die die Autorin ganz geschickt erst zum Ende des Buches für den Leser greifbar werden lässt.
Es gibt locker eingestreut einige Rückblenden zu den Vorkommnissen vor 15 Jahren, die Tamaras Furcht verständlich machen, die aber auch neue Rätsel mit sich bringen. Über der ganzen Geschichte schwebt laufend die Frage nach der Identität des Entführers: Wer ist Jo?
Auch ein Privatdetektiv ist Teil des Geschehens. Wer ist er? Wer hat ihn engagiert? Warum beobachtet er Tamara? Sein Erscheinen macht die Geschichte noch rätselhafter und kurbelt die Spekulationen über die Hintergründe immer weiter an.

Zu den schon dramatischen Ereignissen gesellt sich auch ein Hauch Übersinnliches. Unerklärbare Geräusche, merkwürdige Träume und eine immer wieder auftauchende Katze bringen mich ins Grübeln: Was ist hier überhaupt wirklich? Was nur Einbildung? Oder ist es einfach die Hitze über der Stadt, die die Akteure nicht mehr klar denken lässt?

„Heilbronn 37°“ ist ein rundum gelungenes Debüt. Eine ausgeklügelte Geschichte voller Spannung und mysteriöser Ereignisse. Ich bin begeistert.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.09.2014
Himmelfahrt / Kommissar Bernward Bd.2
Dübell, Richard

Himmelfahrt / Kommissar Bernward Bd.2


ausgezeichnet

Landshut. Nach starken Regenfällen ist die Isar zu einem reißenden Strom geworden, ein Damm ist gebrochen. Während die Hauptkommissare Flora Sander und Peter Bernward ihrem Freund Connor Lamont helfen, das noch zu rettende Inventar aus seinem überschwemmten Keller zu bergen, wird im „Tiger’s Girl’s die Leiche von Hannes Waltz gefunden.
Privat stehen die Zeichen zwischen Peter und Flora auf Sturm. Ein Zwist, der auch berufliche Auswirkungen hat, denn Polizeichef Maier übergibt zu Peters Ärger den Fall an Flora und teilt ihr einen neuen Partner zu….

„Himmelfahrt“ ist nach „Allerheiligen“ der zweite Fall für das Ermittlerduo Bernward und Sander. Auch mit diesem Krimi hat mich Richard Dübell wieder rundum begeistert.

Dankt der hervorragenden Beschreibungen kann man sich die schwierige Lage der in Wasser und Chaos versinkenden Stadt bestens vorstellen und sehr gut nachvollziehen, dass unter diesen Umständen eine umfassende Spurensuche so gut wie unmöglich ist.

Die äußeren Bedingungen sind nicht das einzige Hindernis, dass der Autor seinen Protagonisten bei ihrer Suche nach dem Mörder von Hannes Waltz in den Weg legt. Flora hat sich im Streit von Peter getrennt und hat bereits einen neuen Mann kennengelernt, der Peter natürlich ein Dorn im Auge ist. Eine herrscht eine explosive Stimmung zwischen Flora und Peter, die von dem Autor prima vermittelt wird. Diese privaten Probleme der beiden fügen sich nicht nur sehr gut in die Handlung ein, sie beeinflussen diesmal sogar die Ermittlungen – Peter wird von dem Mordfall abgezogen und bekommt andere Aufgaben zugewiesen. Man kann seinen Ärger über diese Entscheidung deutlich spüren, nur widerwillig fügt er sich der Anweisung, ermittelt aber im Hintergrund auf eigene Faust.

Der Kriminalfall erweist sich als knifflig, ist mit einigen Wendungen gespickt und lädt zum Miträtseln ein. Besonders verzwickt wird der Fall, als Peter bei seinen Nachforschungen Verbindungen zu einem viele Jahre zurückliegenden Skandal findet.

Außerdem schwingt durchweg der typische Dübellsche Humor mit – besonders die lebhaften Dialoge zwischen Peter und seinem Vater oder zwischen Peter und seinem Freund Connor haben mich immer wieder schmunzeln lassen.

Das Lesen hat mir großen Spaß gemacht - „Himmelfahrt“ ist ein spannender, sehr unterhaltsamer Krimi mit zwei äußerst sympathischen Ermittlern – bitte mehr davon.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.09.2014
Die Tochter von Rungholt
Jasmund, Birgit

Die Tochter von Rungholt


sehr gut

Rungholt/Nordfriesland 1361. Iven Levensen und seine Schwester Laefke bewirtschaften gemeinsam den Levensenhof, nachdem ihr Vater Leve und Laefkes Mann Hark von den Wogensmannen, einer die nordfriesische Küste unsicher machende Räuberbande, ermordet wurden. Als das Hardesgericht Iven das ihn zustehende Recht auf Genugtuung und Entschädigung verwehrt, will er persönlich Rache nehmen. Währenddessen drängt Laefke ihren Bruder, sich endlich zu verheiraten und hat mit der jungen Beke von Gröde auch schon eine mögliche Ehefrau für Iven gefunden. Doch Iven hat sich in die Kaufmannstochter Silja verliebt - eine Verbindung, die von Siljas Vater nicht gutgeheißen wird, denn der in finanzielle Schwierigkeiten geratene Kaufmann hat ganz andere Pläne für seine Tochter…

Birgit Jasmund stellt den sagenumwobenen Marktort Rungholt, der vor der nordfriesischen Festlandsküste gelegen haben soll, in den Mittelpunkt ihres Romans.

Die Autorin erzählt die Geschichte sehr ausführlich und lebendig und bietet dem Leser eine Vielfalt von Einsichten in das Leben der Rungholter.
Es geht um alles, was die Menschen damals in den Uthlanden bewegt hat, all die großen und kleinen Probleme, mit denen sie zu kämpfen hatten – um Alltägliches genauso wie um Außergewöhnliches.
Viele einzelne Geschichten zu den unterschiedlichsten Bereichen werden sehr gekonnt miteinander verwoben: die Arbeit der Bauern, Handel, Marktrecht, Salzgewinnung, Gerichtsbarkeit, Hexereivorwürfe, Piraterie, Deichbau, eine Heiligenstatue samt zugehörigem Wunder, die Eigenarten der Einheimischen und natürlich die immerwährende Bedrohung durch Stürme und Fluten. Darin eingeflochten die Liebesgeschichte von Iven und Silja.

„Die Tochter von Rungholt“ hat mich von der ersten Seite an fasziniert. Es hat mir großen Spaß gemacht, die vielen Begebenheiten zu verfolgen. Es geht in Rungholt sehr lebhaft zu, ständig lernt man neue Leute kennen, überall passiert etwas; dennoch schafft es die Autorin, dass alle Ereignisse ineinander greifen, so dass man den Überblick über die gesamte Szenerie behält und die Haupthandlung nie aus den Augen verliert.

Genauso abrupt, wie die verheerende Sturmflut im Januar 1362 die Existenz von Rungholt beendet, endet auch der Roman. Irgendwie viel zu schnell und überstürzt, wo doch vorher alles so wunderbar ausführlich war. Aber vielleicht wird es ja eine Fortsetzung geben, in der Birgit Jasmund die losen Fäden dieser Geschichte wieder aufnimmt und eine neue Geschichte über das Leben im mittelalterlichen Nordfriesland erzählt.

Eine kleine Anmerkung noch: Auch wenn die sehr zahlreichen Figuren die Bühne nach und nach betreten und die Akteure gut und detailliert beschrieben werden, wäre für die bessere Übersicht ein Personenregister von Vorteil gewesen. Und eine Karte bzw. Skizze mit den einzelnen Schauplätzen in und um Rungholt hätte mir auch sehr gut gefallen.

Bewertung vom 28.08.2014
Die Lügen der Anderen
Billingham, Mark

Die Lügen der Anderen


sehr gut

Florida. Drei Paare aus England lernen sich während ihres Urlaubs in Sarasota kennen. Sie freunden sich an, die Stimmung ist gut. Als am letzten Tag ein junges Mädchen aus dem Hotel verschwindet, sind alle schockiert, fliegen aber nach einer kurzer Befragung durch die Polizei wie geplant zurück nach London.
Um die lockere Urlaubsbekanntschaft zu festigen, laden sie sich reihum zum Abendessen ein. Als auch in England ein Mädchen verschwindet und die Umstände dem Fall der mittlerweile in Florida tot aufgefundenen Amber-Marie gleichen, geraten die Paare in das Visier der Polizei. Die bereits auf wackeligen Füßen stehende Freundschaft der „Sarasota-Six“ gerät daraufhin mehr und mehr ins Schwanken…

Eine knisternde, atemberaubende Spannung sucht man in „Die Lügen der Anderen“ vergeblich. Mark Billingham versteht es, auf eine andere Art zu fesseln. Er stellt die drei Paare und ihre Beziehungen zueinander in den Mittelpunkt seiner Geschichte und lässt den Leser das Zusammenspiel dieser sechs ganz unterschiedlichen Menschen beobachten. Man erfährt, wie jeder Einzelne tickt, lernt die Eigenarten und Macken, die Interessen und Vorlieben, die Probleme und Geheimnisse kennen.
Dem Autor gelingt die Darstellung der verschiedenen Charaktere ausgesprochen gut. Jeder ist auf seine ganz eigene Art unsympathisch, jeder hat irgendwie eine andere negative Ausstrahlung, jeder macht sich durch sein Gehabe verdächtig.
Schnell wird klar, dass sie sich bei ihren Verabredungen gegenseitig etwas vorgaukeln. Mit jedem weiteren Treffen bröckelt die mühsam aufrecht erhaltene Fassade stärker, die Gruppe driftet auseinander, Argwohn und Misstrauen gewinnen die Oberhand, sie werden streitsüchtig und gehen aufeinander los.

Mark Billingham spielt mit dem Leser, versucht ihn mit den Eskapaden und Querelen seiner Akteure zu verwirren. Der Autor hat mich lange Zeit grübeln lassen, welcher seiner Protagonisten der Täter sein könnte. Er legt falsche Fährten und kommt mit einigen Überraschungen daher.
Im letzten Drittel wird das Verwirrspiel des Autors schwächer, ich hatte immer mehr das Gefühl, Billingham will mich zu sehr in eine bestimmte Richtung drängen.
Es waren Kleinigkeiten, die mich schon vor der eigentlichen Auflösung auf die richtige Spur gebracht haben, so dass die Identität des Mörders am Ende keine große Überraschung für mich war - auch wenn der Autor die Geschichte kurz vor Schluss noch einmal sehr geschickt dreht.

Ein psychologisch ausgefeilter Roman, bei dem die polizeilichen Ermittlungen zum größten Teil im Hintergrund bleiben – eine Geschichte, die mich mit ihrer interessanten Spurensuche gut unterhalten hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.