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Sikal
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Österreich

Bewertungen

Insgesamt 1155 Bewertungen
Bewertung vom 12.10.2019
Die im Dunkeln sieht man nicht / Karl Wiener Bd.1
Götz, Andreas

Die im Dunkeln sieht man nicht / Karl Wiener Bd.1


sehr gut

Kriminalfall, Zeitgeschichte, Liebesgeschichte

München 1950: Nachdem Karl Wieners viele Jahre in Berlin verbrachte, alles in seinem Leben verloren hat und an den Auswirkungen des Krieges abgestumpft ist, kehrt er wieder in seine Heimatstadt München zurück. Ein Schulfreund bietet ihm eine Stelle als Journalist an. Es gilt eine heikle Story zu recherchieren. Karl soll herausfinden, wohin die Kunstschätze aus dem Führerbunker in den letzten Kriegstagen verschwunden sind.

Unterstützt wird er von seiner Nichte Magda, die sich mit eher zweifelhaften Gestalten herumtreibt und ihr Geld auf dem Schwarzmarkt verdient. Außerdem sind die beiden einander sehr verbunden, wenngleich Karl zu Gefühlen nicht mehr fähig scheint und auch ein Problem mit der Onkel-Nichte-Verbindung hat.

In einem weiteren Handlungsstrang begegnen wir Ludwig Gruber, der als Kriminalbeamter einen Mord an einem Spediteur aufzuklären hat. Lange tappt Ludwig im Dunkeln und erkennt kein Motiv. Als noch zwei Leichen aufgefunden werden, beginnen sich die Schatten ein wenig zu lichten und Verbindungen können hergestellt werden. Außerdem muss ich Ludwig noch mit dem Kollegen Emil Brennicke herumärgern, der ihn unterstützen soll, aber Ludwig etwas suspekt erscheint. Als sich Emil im Gasthof von Karls Bruder einquartiert, kreuzen sich nicht nur deren Wege sondern auch die von Emil und Magda …

Bald sind die Vorgänge so dermaßen verstrickt, dass es scheint, die Protagonisten kommen aus dem Chaos nie mehr heraus. Wem ist noch zu trauen? Wer steckt hinter diesen Machenschaften? Und werden Karl und Magda doch noch ihr Glück finden?

Der Autor Andreas Götz hat hier einen Kriminalfall mit etwas Zeitgeschichte und einer Liebesgeschichte verbunden. Wobei für meinen Geschmack die Liebesgeschichte zu sehr im Fokus steht. Gut kann man in die Atmosphäre der Nachkriegszeit eintauchen, die verschleppten Nazi-Gedanken, der blühende Schwarzhandel, der Kampf um ein besseres Leben.

Der Schreibstil ist flüssig, die Handlung spannend – obwohl vieles vorhersehbar, ist man doch neugierig, wie der Autor dieses Labyrinth an Handlungen aufzulösen gedenkt.

Die Charaktere sind gut ausgearbeitet und man vermutet mehr hinter der Oberfläche als es anfangs den Anschein hat. Hier finde ich, dass der Autor gute Arbeit geleistet hat – man denkt über die Figuren nach.

Auch wenn für meine Begriffe die Liebesgeschichte zu sehr im Vordergrund war, habe ich das Buch gerne gelesen und vergebe dafür auch 4 Sterne.

Bewertung vom 07.10.2019
Liebling, hast du meine Zähne gesehen?
Brater, Jürgen

Liebling, hast du meine Zähne gesehen?


gut

Alt werden oder alt sein?

Hubertus Humpff ist 76 ½ Jahre alt. Seit 11 Jahren ist er mit Hulda verheiratet und die beiden wollen gemeinsam alt werden … Doch plötzlich merken sie, dass sie dies ja bereits sind.

Der Autor Jürgen Brater lässt uns hier teilhaben an lustigen, zum Teil skurrilen Alltagsgeschichten von Hubertus und Hulda. Und wie das Leben eben so spielt, bleibt auch hier manches Mal das Lachen im Hals stecken – oftmals scheint es, der Autor hat jemanden aus der unmittelbaren Umgebung beobachtet und diese Geschichten in sein Buch einfließen lassen.

Manche Anekdoten scheinen überzeichnet, andere wieder sind dermaßen vorhersehbar, dass der Witz zu kurz kommt. Doch über vieles musste ich herzhaft lachen – die kleineren oder größeren Gebrechen werden hier zum Thema gemacht, nervige Marotten oder ein Spiegeleier-Bauch aber auch ein Abend mit Freunden werden erzählt.

Auf jeden Fall wollen die beiden nicht am Abstellgleis stehen sondern noch aktiv am Leben teilhaben, auch wenn sie das vielleicht nicht mehr zu 100% können und sie in Situationen kommen, die früher nicht passiert wären. Auch die Paarbeziehung der beiden kommt nicht zu kurz und lässt uns zumindest darüber schmunzeln.

Dass man dies alles nicht zu ernst nehmen darf, versteht sich von selbst. Doch ich fühlte mich während des Lesens gut unterhalten und so gibt es von mir auch 3 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.10.2019
Von Glückssuchern und Weltentdeckern

Von Glückssuchern und Weltentdeckern


sehr gut

Was bedeutet schon Glück?

Dieses kleine Buch stellt 16 Geschichten über das Leben in den Fokus. Bekannte Persönlichkeiten erzählen vom Glück im Alltag, von Gedankenexperimenten, von Reisen ins Unbekannte oder von Heimkehr, von Freund und Feind, vom Fernen und Nahen.

Die Geschichten sind sehr vielfältig und sprechen dem ein oder anderen aus der Seele. Es sind Erzählungen aus dem Leben gegriffen, mal mehr oder weniger spannend oder humorvoll, erinnerungswürdig.

Von Autoren wie Eva Rossmann, Alfred Komarek, Vea Kaiser, Thomas Maurer, René Freund, Franzobel, Thomas Raab und viele anderen liest man. Geschichten, die man genießen kann und auf sich wirken lässt.

Das Buch ist ein perfektes Geschenk, auch der Leineneinband gibt dem Buch das gewisse Etwas. Gerne vergebe ich für dieses nette Buch 4 Sterne.

Bewertung vom 02.10.2019
Die verspielte Welt
Lendvai, Paul

Die verspielte Welt


ausgezeichnet

Ein Kosmopolit schwelgt in Erinnerungen

Ob Polen, Albanien oder Ungarn – ob Milosevic, Orban oder Soros, nichts wo er nicht wüsste was es zu berichten gäbe. Paul Lendvai ist sicherlich einer der größten Publizisten der letzten Jahrzehnte – wie er zu diesem Ruf gekommen ist, das veranschaulicht er in seinem neuen Buch auf beeindruckende Art und Weise.

Gleichgültig in welchem Land Südosteuropas sich Veränderungen abzeichneten, gleich wie groß die Krise war, ob als Journalist, Publizist oder Karikaturist – der Autor der „verspielten Welt“ war mit dabei. Und in den meisten Fällen nicht nur mit dabei sondern mittendrin. Wie sonst ließen sich so detaillierte Berichte aus Kriegsschauplätzen und Krisenherden erstellen.

Aber auch bei freudigeren Anlässen wie der Wiedervereinigung Deutschlands oder der friedlichen Spaltung der einstigen Tschechoslowakei wusste Paul Lendvai immer objektiv und sachbezogen zu berichten.

Wie er zu dieser Fülle an Wissen kam - und vor allem, wie es ihm immer wieder gelang, die vielen Hintergrundinformationen zu erlangen, welche für seine Berichterstattung von so großer Bedeutung waren und sind - wird klar, wenn man die unzähligen Begegnungen in diesem Buch Revue passieren lässt.

Kaum ein Land Südosteuropas, in dem er nicht einen führenden Politiker persönlich kennt oder kannte. Kein Land in welchem er nicht zu Kollegen aus dem Journalismus Verbindungen unterhielt.

In dreizehn Kapiteln erzählt Paul Lendvai die wichtigsten geschichtlichen Ereignisse aus jenen Teilen Europas. Und er lässt uns teilhaben an jenen Begegnungen, die es ihm ermöglichten, seine Berichte immer wieder authentisch zu gestalten.

Wer also sonst sollte nach so vielen Jahrzehnten die Geschichte Südosteuropas erzählen und diese Geschichte mit seiner eigenen so eindrucksvoll in Verbindung bringen können? Eben nur jemand der nicht nur dabei war sondern mittendrin. 5 Sterne

Bewertung vom 02.10.2019
Morphium, Mokka, Mördergeschichten / Nechyba-Saga Bd.7
Loibelsberger, Gerhard

Morphium, Mokka, Mördergeschichten / Nechyba-Saga Bd.7


ausgezeichnet

Nechyba ist Kult

Gerhard Loibelsberger hat mit seiner Figur des Joseph Maria Nechyba einen Kult-Ermittler geschaffen, der mit seiner beleibten, gemütlichen Art sehr sympathisch wirkt. In diesem Buch sind nun Kurzgeschichten gesammelt, die Nechybas Wege nachzeichnen und teilweise skurril anmuten.

Den Anfang macht die Geschichte rund um ein Gespenst vom Kadoltsberg bei der Nechyba bereits als 13-jähriger ein Gespür für Wahrheit und Kombinationsgabe vorweisen kann. Sein Instinkt lässt ihn die richtigen Fragen stellen, was der Wahrheitsfindung am Ende dient.

So begleitet man Nechyba auf etlichen Stationen seines Berufslebens, begegnet zum Teil wahren Begebenheiten. Auch die private Entwicklung Nechybas kann man verfolgen, wie auch die politischen Veränderungen.

Dem Autor gelingt es auch in diesen Kurzgeschichten das Wiener Flair des ausklingenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts einzufangen. Einen besonderen Stellenwert nehmen die kulinarischen Köstlichkeiten ein. Besonders interessant, dass Nechyba einigen bekannten Persönlichkeiten begegnet, beispielsweise Sigmund Freud. So schlendert man quer durch Wien, besucht den Naschmarkt und macht auch einen Ausflug nach Maria Taferl. Immer zugegen der Wiener Dialekt – ergänzt von Fußnoten und einem ausführlichen Glossar, sodass auch Nicht-Wiener einen Lesegenuss erleben können.

13 unterhaltsame Kurzgeschichten, die ich sehr gerne gelesen habe. Die besondere Atmosphäre dieser Nechyba-Krimis genieße ich immer wieder. Dafür gibt es natürlich 5 Sterne.

Bewertung vom 29.09.2019
Das außergewöhnliche Leben eines Dienstmädchens namens PETITE, besser bekannt als Madame Tussaud
Carey, Edward

Das außergewöhnliche Leben eines Dienstmädchens namens PETITE, besser bekannt als Madame Tussaud


sehr gut

Alle wollen Köpfe

Marie Groholtz wird 1761 im Elsass geboren. Ihre Mutter zieht mit der kleinen Marie bald nach Bern und kommt dort als Haushälterin zu Doktor Curtius. Als Maries Mutter stirbt, kümmert sich Curtius um das kleine Mädchen. Dort kommt Marie auch mit der Kunst in Berührung, verschiedenste Körperteile (hauptsächlich Organe) aus Wachs herzustellen. Diese fertigt Curtius für das Berner Krankenhaus. Doch als Curtius plötzlich fasziniert von Köpfen ist, kommt es zum Bruch mit dem Krankenhaus und Curtius muss mit Marie verschwinden. Die beiden kommen nach Paris und haben große Hoffnung in das dortige Leben. Doch bald müssen sie erkennen, dass diese Stadt erkämpft werden muss.

Der Weg führt Marie von der herrischen Witwe Picot über Versailles zurück zur französischen Revolution bis nach London, wo sie dann das Wachsfigurenkabinett eröffnet. Doch bis dahin ist es ein sperriger Weg, auf dem Marie nicht nur fasziniert von Wachsköpfen ist, sondern auch in einem Schrank leben muss, die Liebe erst spät erleben darf und viele viele Male über sich hinauswächst.

Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive erzählt und nimmt den Leser mit auf diesen Weg. Gerne bin ich Marie gefolgt und habe mit ihr gelitten, geweint, gehofft und ihre Hingabe beobachtet. Dass sie ein solch aufregendes Leben hatte, war mir nicht bewusst. Ihre Faszination für Menschen aus Wachs kommt in dem Roman gut hervor.

Der Autor Edward Carey ist selbst bildender Künstler und konnte sich vermutlich sehr gut in den Charakter der Marie hineinversetzen. Ebenfalls ausdrucksstark wurde die Witwe Picot gezeichnet, die mit ihrer herrischen, dominanten Art Marie das Leben zur Hölle machte. Curtius wird hier als weichherzig und abhängig dargestellt. Er erkennt Zeit seines Lebens nie das große Potential, welches in ihm steckte. Zum Glück hat Marie irgendwann den Schritt gesetzt, sich zu emanzipieren und gegen die Unterdrückung aufzustehen.

Der Schreibstil ist etwas ungewöhnlich, man muss sich an die Schreibweise gewöhnen bevor man in der Geschichte versinken kann.

Ich habe zwar das Wachsfigurenkabinett in London noch nie gesehen, doch nun kenne ich zumindest ein wenig die Geschichte Madame Tussauds. Gerne vergebe ich für diesen Roman 4 Sterne.

Bewertung vom 28.09.2019
Future Food - Die Zukunft der Welternährung

Future Food - Die Zukunft der Welternährung


ausgezeichnet

Wie können wir alle überleben?

Welche Möglichkeiten gibt es in Zukunft noch für die Menschen auf unserem Planeten? Wie lange können wir noch so weitermachen bis unser derzeitiges System zusammenbricht? Haben wir überhaupt noch eine Chance oder ist es bereits zu spät?

Mehrere Journalisten haben ein Jahr lang recherchiert, welche Gestaltungsmöglichkeiten sich in Zukunft bieten. Diese Reportagen werden nun hier in einem Buch vorgestellt und ich war wirklich erstaunt, welche Alternativen hier aufgezeigt werden.

Gegenübergestellt wurden beispielsweise Bauern aus Nkolemfumu und Wintersheim und welche Probleme beide trotz ungleicher Lebensentwürfe haben.

Das Buch zeigt verschiedene Probleme auf, die durch die Globalisierung auftreten. Was mir hier sehr gut gefällt, ist die sachliche Analyse. Es wird nicht mit dem Finger auf die „Bösen“ gezeigt sondern vorurteilsfrei berichtet. Außerdem werden nicht nur Probleme analysiert, sondern es werden auch Lösungen vorgestellt, wissenschaftliche Experimente erklärt, die vielleicht in Zukunft weitere Möglichkeiten bieten. Hauptsächlich führt uns die Reise nach Afrika und Indonesien.

Themen wie der globale Weizen, Maisanbau oder Soja, welche Rollen Algenfarmen oder Quallen spielen, werden beispielsweise genannt. Interessant, dass in Island die heißen Quellen für den Anbau von Obst und Gemüse genutzt werden können – wenngleich das Bananenprojekt nicht unbedingt von Erfolg gekrönt ist.

Interessant auch, dass es Methoden gibt, die in den Städten Gemüseanbau erlauben. Vieles ist erst im Versuchsstadium, doch die Wissenschaftler sind guter Dinge und schauen positiv in die Zukunft.

Der Klimawandel ist derzeit in aller Munde, doch so ganz kann ich nicht glauben, dass die Verantwortlichen erkannt haben, dass schnellstens etwas geschehen muss. Wie lange reichen unsere Ressourcen noch? Oder welche alternativen Ressourcen können wir vielleicht nutzen?

Die Autoren zeigen hier einige Bespiele, haben gut recherchiert und können dies glaubwürdig präsentieren. Zwischendurch finden sich immer wieder Fotos, die einiges noch veranschaulichen.

„…hat die Einordnung der Fragen in lokale, regionale und persönliche Kontexte gezeigt, dass es viele Antworten auf die Welternährungsfrage gibt – aber sie überzeugen oft nur, wenn die Frage auf einen konkreten Ort, ein konkretes Produkt, ein konkretes Saatgut etc. bezogen ist. Und das sollte sie sein, denn sonst bleibt sie eine abstrakte Überforderung und führt zu schlechten Ergebnissen.“

Ich finde, dieser Ansatz ist hier gut gelungen und wünsche diesem wichtigen Buch viele Leser. 5 Sterne

Bewertung vom 28.09.2019
Rebel Artists
Herbert, Kari

Rebel Artists


sehr gut

Kurze Einblicke

„Dein Geschlecht bestimmt nicht, ob du kreativ sein darfst oder nicht. In der Kunst gibt es keinen richtigen oder falschen Weg. Es gibt nur deinen Weg.“

Das Buch zeigt hier 15 Kurzportraits über Frauen, die sich ihren eigenen Weg in der Kunstwelt erkämpfen mussten. Während Frida Kahlo vermutlich den meisten Lesern ein Begriff ist, sind Namen wie Kenojuak Ashevak oder Faith Ringgold vielleicht nicht so bekannt.

Interessant finde ich die Geschichte von Emily Kame Kngwarreye, die erst spät zu malen beginnt und ihre Träume, ihr Leben, die Tradition der Aborigines und vieles mehr auf die Leinwand bringt. Über 3000 Bilder hat sie hergestellt. Oder Corita Kent, die Nonne wurde und deren Pop-Art-Kunst nicht allen gefiel. Trotzdem malte sie unermüdlich weiter und stellte sich gegen sämtliche Kritik – „Macht euch nicht kleiner, als ihr seid. Seid GROSS!“

Die Autorin Kari Herbert hat hier eine interessante Mischung zusammengefügt. Künstlerinnen aus unterschiedlichsten Ländern mit verschiedenen Hintergründen begegnen uns und lassen uns staunen. Das Buch ist sehr nett illustriert und so auch für Interessierte als Geschenk nicht zu verachten.

Dass es hier keine ausführlichen Künstlerbiographien gibt, versteht sich von selbst. Es wird wirklich immer nur ein kurzer Einblick in das Leben der Künstlerinnen gegeben. Deren Geschichten werden zum Teil poetisch erzählt, was vielleicht nicht jedermanns Sache ist. Mir haben diese Texte gut gefallen, daher gibt es auch 4 Sterne.

Bewertung vom 22.09.2019
Das Geburtstagsfest
Taschler, Judith W.

Das Geburtstagsfest


sehr gut

Eine aufrüttelnde Geschichte

„Mein Papa feiert bald seinen fünfzigsten Geburtstag. Ich möchte ihn gerne mit Ihnen überraschen. Kommen Sie am 17. Juni zu uns? Ich bitte Sie herzlich darum. Das Fest selbst findet am Tag darauf statt. Wenn Sie wollen, können Sie über das Wochenende bei uns bleiben. Oder auch länger. Ich bin sehr neugierig auf Sie!“

Mit diesen Worten lädt der jüngste Spross der Familie Mey die ihm unbekannte Tevi Gardiner ein und ahnt nicht, welche Katastrophe durch seine tolle Idee heraufbeschworen wird. Jonas ist 12 und hat seine Geschwister eingeweiht, diesen Überraschungsgast aus dem Hut gezaubert zu haben. Immerhin wollen die drei endlich etwas aus der Vergangenheit ihres Vaters Kim wissen. Sie wissen nur, dass Kim Tevi einst durch den kambodschanischen Dschungel getragen hat und ihr so das Leben rettete. Doch über Zusammenhänge oder Hintergründe hat Kim nie gesprochen, obwohl Jonas doch so neugierig wäre.

Die Autorin Judith W. Taschler gibt hier einen beeindruckenden Rückblick in eine schreckliche Zeit Kambodschas, die Herrschaft der Roten Khmer, Genozid, Kindersoldaten und Armut. Abwechselnd lässt uns die Autorin das Geburtstagsfest erleben sowie die 70er Jahre Kambodschas.

So nach und nach muss sich Kim der Vergangenheit stellen, kommen Ungereimtheiten zwischen ihm und Tevi hervor. Wunden reißen wieder auf, eine Lüge wird aufgedeckt, bevor das Leben danach wieder weitergehen muss – wenn auch in abgewandelter Form.

Taschler verknüpft gekonnt die Geschichte der Gegenwart und der Vergangenheit. Die beiden Erzählstränge verbinden sich zu einem großen Ganzen. Ihr Schreibstil ist trotz der Grausamkeiten ruhig und liest sich flüssig, ohne Wenn und Aber. Das ist mir auch bei anderen Romanen von ihr bereits aufgefallen und daher greife ich gerne zu Büchern von dieser Autorin.

Eine Geschichte, die noch länger nachhallt und ein vielleicht nicht so bekanntes Stück Geschichte zum Thema hat. Gerne gebe ich dafür 4 Sterne.

Bewertung vom 22.09.2019
Hochamt in Neapel
Lahr, Stefan von der

Hochamt in Neapel


gut

Komplexer Krimi

Der Autor Stefan von der Lahr entführt uns für seinen Kriminalfall nach Italien. Zum Großteil wechseln die Schauplätze zwischen Neapel und Rom, wenngleich man auch Ausflüge über den halben Globus macht – so scheint es mir. Doch alles der Reihe nach …

Der römische Commissario Bariello ermittelt in einem Verkehrsunfall, bei dem ein Mann anscheinend absichtlich überfahren wurde. Nach den ersten Spuren stellt sich heraus, dass der Fall verzwickter sein muss, als zuerst angenommen und auch in die Politik hineinreicht. Viele Indizien häufen sich gegen einen nach außen hin seriöse Firma, die zuvor Arbeitsplätze geschaffen und auch ein besonderes Zertifikat erhalten hat – hier kann es doch keine Ungereimtheiten geben, oder? Welche dunklen Geschäfte werden hier verschleiert?

In Neapel stößt der neue Weihbischof Montebello durch Zufall auf eine Spur, dass Alexander des Großen sterbliche Überreste in Neapel zu finden sind. So nach und nach stellt sich heraus, dass auch Mitglieder der katholischen Kirche nur Menschen sind und ein offensichtlicher Skandal aufzudecken ist. Währenddessen sterben in Neapel Kinder, ohne dass es eine Spur dafür zu geben scheint. Erst als Bariello und Montebello zusammenarbeiten, beginnen sich Zusammenhänge herauszustellen.

Die Geschichte ist durchaus spannend zu lesen, viele kunsthistorische und kirchengeschichtliche Hintergründe tun das übrige. Wenn man sich für Historisches interessiert, wird man hier gut bedient. Was mich während des Lesens zum Teil verwirrte, waren die vielen vielen Namen, die ich mir einfach nicht merken konnte. Auch wechselten häufig die Orte und der Autor spricht eine solche Themenvielfalt an, dass es mir zu viel wurde – nicht nur die Mafia spielt in großem Stil mit, auch russischen Oligarchen begegnet man, radioaktiver Abfall, Umweltschutz, Kriegsgeschehen, historische Sensation, Abhöraktionen, Pädophilie, und und und … Hier wäre definitiv weniger mehr gewesen.

Die Charaktere werden klar in Sympathieträger und Bösewichte unterteilt. Auch schwebt ein apokalyptisches Szenario wie ein Damoklesschwert über der Geschichte, was die Spannung aufrecht hält und viel Aufmerksamkeit fordert.

Für mich war es ein Sammelsurium an Namen, Orten und Themen, ein Zuviel des Guten. 3 Sterne