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Benutzername: 
Igelmanu
Wohnort: 
Mülheim

Bewertungen

Insgesamt 997 Bewertungen
Bewertung vom 11.11.2016
Harry Potter: Harry Potter und das verwunschene Kind. Teil eins und zwei (Special Rehearsal Edition Script)
Thorne, Jack;Rowling, J. K.;Tiffany, John

Harry Potter: Harry Potter und das verwunschene Kind. Teil eins und zwei (Special Rehearsal Edition Script)


sehr gut

»In Hogwarts werden sie was aus dir machen, Albus. Dort gibt es nichts, wovor man Angst haben müsste, das verspreche ich dir.«

19 Jahre sind vergangen, seit Harry Potter und seine Freunde die Dunkelheit aus der Welt vertrieben haben. Er ist nun ein Mann von 37 Jahren, verheiratet mit Ginny und Vater von James, Albus Severus und Lily.
Albus ist nun 11 Jahre alt und das bedeutet, dass sein erstes Jahr in Hogwarts beginnt. Aber das Leben als Sohn einer lebenden Legende ist nicht immer einfach und Albus hadert mit dem gewaltigen Schatten, in dem er steht.
Harry Potter, der sich ohnehin auf seinem Posten im Zaubereiministerium nicht über mangelnde Arbeit beklagen kann, muss sich regelmäßigen Vater-Sohn-Konflikten stellen. Und darüber hinaus feststellen, dass sein Kampf gegen dunkle Mächte scheinbar nie zu Ende geht…

Endlich ein neuer Harry Potter! Ich hatte mich sehr auf die Rückkehr nach Hogwarts gefreut, und ich wurde nicht enttäuscht. Bekannte Schauplätze, bekannte Charaktere – ich war sofort wieder in der Geschichte, freute mich über die typischen Verhaltensweisen der Personen, sah sie gleich wieder vor meinem inneren Auge. Gut, sie waren ein paar Jahre älter geworden, aber das war ja nun nichts Neues, machten sie doch auch schon während der sieben vorausgehenden Geschichten eine Entwicklung vom Kind zum jungen Erwachsenen durch.
Auch die neuen Charaktere, in erster Linie die Nachfolgegeneration, wuchsen mir gleich ans Herz und gerne verfolgte ich, wie sich um sie herum die Handlung entwickelte.
Die war nun nicht soo überraschend. Generationenkonflikte sind etwas völlig Normales und machen auch vor magischen Familien nicht halt. Und wo Harry Potter ist, ist die Dunkelheit nicht weit. Als erfahrener Harry-Potter-Leser merkt man schnell, von welcher Seite Böses droht, aber das minderte mein Lesevergnügen nicht. Und auf bewährte Art und Weise steigerte sich die Spannung, so dass ich speziell zum Ende hin das Buch nicht mehr aus der Hand legen mochte.

Der Stil ist natürlich anders als bei den Vorgängerbänden, schließlich handelt es sich hier um ein Theaterstück. Aber anders bedeutet nicht schlechter, ich hab mich jedenfalls mit dem Buch sehr wohl gefühlt. Für Theater-Fans gibt es im Anhang übrigens die komplette Besetzungsliste und auch das gesamte Kreativ- und Produktionsteam wird namentlich aufgeführt.

Fazit: Harry Potter mag älter geworden sein, aber ich hab mich beim Lesen wieder jünger gefühlt ;-)

Ginny: Es wird ihnen doch gut gehen, nicht wahr?
Hermine: Hogwarts ist groß.
Ron: Groß. Wunderbar. Und es gibt dort jede Menge zu essen. Ich würd alles dafür geben, wenn ich noch einmal zurückkönnte.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.11.2016
Altdrachenstein
Möller, Günter-Christian

Altdrachenstein


sehr gut

»Seit über 400 Jahren treffen sich die Magier des Ordens der Portalmaurer und die Magier der Zauberstabzunft jeden Monat einmal, um über die Zukunft unserer Enklave Cerninia zu beraten. Morgen wird nun er, den wir erwarten, hier erscheinen: Ein junger Magier aus der Enklave Altdrachenstein wird auf Einladung unserer Universität hier bei uns nach magischen Geheimnissen forschen. Er ist ein Bote des Lichts, dazu befähigt magische Tore zu öffnen, die sonst kein anderer Magier öffnen kann. Leider kommt er nicht allein, was für uns und unsere Pläne besser wäre. Eine Elfe wird ihn begleiten. Ich frage deshalb …: Was gedenken Sie in dieser Angelegenheit zu unternehmen?«

Nach dieser Einleitung ahnt der Leser schon, dass auf den jungen Boten des Lichts gewaltige Probleme zukommen werden. Zum Glück muss er diesen nicht allein begegnen, denn zu seinen Freunden zählen eine junge Elfe und ein Drache, alle bestens ausgestattet mit magischen Fähigkeiten.

Eine interessante Welt voller Magier, Elfen, Drachen und anderer magischer Geschöpfe begegnet dem Leser hier. Bei einigen witzigen Stellen konnte ich herzhaft lachen, mich an anderen über interessante Einfälle und spannende Entwicklungen freuen.
Gut und Böse sind klassisch verteilt und sehr schön wird deutlich, dass es erstrebenswert ist, sich nicht von Vorurteilen leiten zu lassen und die eigene Art nicht als anderen überlegen anzusehen.

Leider blieb mir der Hauptcharakter ziemlich fremd. Der Grund dafür ist vermutlich, dass ich die Vorgängerbände nicht gelesen habe. Ich wollte einfach mehr über diesen Jungen wissen und hätte mich über ein paar Rückblenden sehr gefreut.

Das Buch liest sich leicht und schnell, auch junge Leser sollten damit keine Schwierigkeiten haben. Mir persönlich hat aber der Stil an manchen Stellen nicht gefallen – auch das ist, wie mein voriger Kritikpunkt – eine höchst subjektive Angelegenheit.

Fazit: Ich hätte besser zunächst die Vorgängerbände gelesen. Genau das wäre somit meine Empfehlung für Neu-Altdrachensteiner. Denn die magische Welt dort hat zweifellos viel Interessantes zu bieten.

Bewertung vom 05.11.2016
Wintergewitter / Kommissär Reitmeyer Bd.2
Felenda, Angelika

Wintergewitter / Kommissär Reitmeyer Bd.2


ausgezeichnet

»Dann wäre es also … Mord gewesen?«
Caroline blickte zu Riedl hinüber, bevor sie antwortete. »Zu dem Schluss muss man wahrscheinlich kommen.«
Reitmeyer starrte einen Moment zu Boden. Er sah die Szenerie in der Brennnessel wieder vor sich. »Ich hab Angst«, hatte sie gesagt. Und er hatte sie abgewehrt und ihr geraten, Anzeige zu machen, wenn sie sich bedroht fühle. Ein Brennen stieg in ihm auf und breitete sich wie eine ätzende Flüssigkeit aus.

München, 1920. Kommissär Reitmeyer ist aus dem Krieg zurück. Im Gegensatz zu diversen seiner Kollegen wurde er nicht schwer verwundet, leidet aber aufgrund erlittener Traumata unter Panikattacken, die er verzweifelt versucht, vor seiner Umgebung zu verbergen. Über mangelnde Arbeit kann er sich auch nicht beklagen, denn die allgemeine Not der Bevölkerung hat zu einer wahren „Diebstahlseuche“ geführt. Und nun noch kurz hintereinander zwei ermordete junge Frauen! Die Ermittlungen führen Reitmeyer quer durch das boomende Filmmilieu, in illegale Spielclubs und ebensolche Bordelle. Dabei kreuzen sich immer wieder seine Wege mit denen der jungen Gerti Blumfeld, die nach ihrer verschwundenen Schwester sucht und dabei selbst in Lebensgefahr gerät…

Seit ich vor zwei Jahren „Der eiserne Sommer“, Reitmeyers ersten Fall, gelesen hatte, wartete ich auf den Folgeband. Was soll ich sagen? Das Warten hat sich gelohnt!
Spannend und fesselnd geschrieben bettet die Autorin die Krimihandlung in den nicht weniger spannenden zeitgeschichtlichen Rahmen ein. Deutlich werden gegenübergestellt die große Not der Bevölkerung auf der einen Seite und das Luxusleben der Bessergestellten und Privilegierten auf der anderen. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nach den furchtbaren Kriegsjahren und die immer stärker werdende Macht von rechts…

Sebastian Reitmeyer ist ein Charakter, mit dem ich gerne mitfiebre. Es ist nicht alles perfekt an ihm, er hat menschliche Schwächen und seine psychischen Probleme können durchaus mal zum Problem für andere werden. Aber in einer Welt, die immer mehr nach rechts rückt, schlägt sein Herz links und in einer Behörde, die immer mehr nach politischen Richtlinien agiert, versucht er im Rahmen seiner Möglichkeiten für das Recht zu kämpfen. Dass es bei dieser Ausgangssituation schwerlich ein gutes Ende geben kann, liegt auf der Hand – alles andere wäre unrealistisch. Und genau so wirkt das Buch nicht, im Gegenteil erscheint es mir von vorne bis hinten sehr wirklichkeitsnah.
Im Anhang finden sich Anmerkungen, die höchst interessant im Buch vorkommende Ereignisse und Personen geschichtlich einordnen. Reitmeyer ist eine fiktive Gestalt, doch hoffe ich sehr, dass es Polizisten wie ihn gegeben hat.

Fazit: Der zeitgeschichtliche Rahmen wird immer brisanter, trotzdem hoffe ich auf noch mindestens einen weiteren Fall für Kommissär Reitmeyer.

»Reitmeyer lagen durchaus ein paar Ausdrücke auf der Zunge. Aber er beherrschte sich … Dieser Anwalt Gadmann war ihm natürlich nicht unbekannt. Der trat seit Längerem auf den Plan, wenn es galt, Verdächtige aus dem rechten Spektrum rauszuhauen. Und dabei stieß er kaum auf Widerstand, dank seiner ausgezeichneten Vernetzung mit »vaterländischen« Kreisen, denen auch der Polizeipräsident, der Staatsanwalt und der Justizminister angehörten. … Wenn sich ein Polizeikommissär hier einmischte, hätte er schlechte Karten. Sehr schlechte.«

Bewertung vom 30.10.2016
Geschichten aus Nian - Lindenreiter
Belt, Paul M.

Geschichten aus Nian - Lindenreiter


ausgezeichnet

»Ach Papa, denk doch nur, wie man auf einem solchen Blatt über das Meer fahren oder es an einem Mast als Segel benutzen könnte! Einen Sonnenschirm könnte man daraus bauen oder … ja, man könnte sich daran festhalten, wenn es abfällt, und mit ihm wie ein Winddrachen durch die Lüfte fliegen!«

Nian – ein Land, in dem Menschen und Tiere winzig klein sind, Pflanzen und Bäume aber ihre normale Größe haben und dadurch zwangsläufig riesig erscheinen. Ein Land, in dem eine vom Baum fallende Eichel eine tödliche Bedrohung darstellt und man den Kindern daher beibringt, zu Bäumen einen gehörigen Sicherheitsabstand einzuhalten. Ein Land, in dem die Küstenbewohner sich nur mit größter Vorsicht dem Meer nähern, kann doch eine einzige Welle ihr Ende bedeuten. Und trotzdem auch ein Land, das große Träumer hervorbringt – und was die bewirken können, wird in den hier vorliegenden ersten Geschichten aus Nian wunderschön beschrieben.

Die drei Geschichten sind in sich abgeschlossen und fügen sich doch zu einer großen Geschichte zusammen. In jeder durfte ich junge Träumer und Träumerinnen kennenlernen, die es schaffen, in ihnen verborgene besondere Begabungen zu entdecken und zu nutzen.
Von der ersten Seite her zog mich das Buch in seinen Bann. Fasziniert las ich von dem Jungen, der davon träumte, auf einem Blatt zu fliegen. Das war so schön, so intensiv beschrieben, dass ich mir sicher war: Hätte ich das Buch als junges Mädchen gelesen, ich hätte sehnsüchtig auf den nächsten Baum und seine Blätter gestarrt ;-)
Aber nicht nur die phantastischen Schilderungen sind es, die den besonderen Reiz des Buchs ausmachen. Da ist diese große Verbundenheit mit der Natur, die sich durch die ganze Handlung zieht. Der Respekt vor dem „Anderssein“, denn alle Träumer im Buch sind vor dem Entdecken ihrer jeweiligen Begabungen zunächst dadurch aufgefallen, dass sie in irgendeiner Art „anders“ sind als die Masse. Und nicht zuletzt wird es auch spannend, denn eine gewaltige Macht bedroht Nian, die Lage scheint aussichtslos. Ob die Träumer ihr Land retten können?

Der Stil gefiel mir sehr, alles ließ sich leicht lesen. Auch witzige Elemente fehlten nicht, beispielsweise habe ich mich über die verschiedenen Arten, in denen Bäume, Pflanzen oder Elemente sprechen, sehr amüsiert. Meiner Meinung nach eignet sich das Buch für alle Altersklassen, dafür spricht auch die Widmung:
»Für alle großen und kleinen, inneren und äußeren Kinder, Träumer und all diejenigen, die hierin einen Teil von sich wiederentdecken.«

Fazit: Ein wunderschönes Buch über eine faszinierende Welt, von der ich noch viel mehr lesen möchte!

10 von 11 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.10.2016
Letzte Begegnungen unter dem Galgen
Townsend, Tim

Letzte Begegnungen unter dem Galgen


sehr gut

In den ersten Stunden des 16. Oktober 1946 wurden in Nürnberg elf Menschen hingerichtet, deren Namen sich durch unzählige begangene Gräueltaten einen festen Platz in den Geschichtsbüchern gesichert und sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hatten.
Henry Gerecke, ein amerikanischer Militärgeistlicher, betreute die Hauptverantwortlichen des Dritten Reichs während der Dauer der Nürnberger Prozesse seelsorgerlich – bis zu ihrer Hinrichtung.

Dieses Buch verhalf mir zu einigen neuen und interessanten Denkansätzen. Natürlich kannte ich die zugrundeliegenden Verbrechen (wer nicht?), aber die Hauptverantwortlichen dafür waren für mich schlichtweg Monster, die sich teils selber töteten, teils – zum Beispiel in den Nürnberger Prozessen – für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen wurden. Und nun begegnet mir hier ein Geistlicher, der auch um all die furchtbaren Verbrechen weiß. Der vor Antritt seiner Aufgabe das Lager in Dachau besucht hatte, sich fassungslos gefragt hatte, wie Menschen zu so etwas in der Lage sein konnten. Und der trotzdem bereit war, den Menschen in Göring, Hess, Keitel usw. zu suchen, weil er es als seine Aufgabe ansah, ihnen ihre Schuld bewusst zu machen, Reue zu erwecken. Weil er hoffte, dass sie zu Gott fänden, ihre Seelen vielleicht gerettet werden könnten.

Vergebung der Sünden ist ein wesentlicher Punkt des christlichen Glaubens. Aber kann es auch Vergebung geben für Menschen, die eine solch große Schuld auf sich geladen haben? Kann millionenfacher Mord vergeben werden? Mit dieser Frage im Hinterkopf begann ich die Lektüre des Buchs. Der Autor widmet sich recht neutral dem Thema. Er stellt zunächst die Person des Henry Gerecke näher vor, berichtet über seine Herkunft, seinen Werdegang. Dabei wird deutlich, dass Gerecke die Mission als seine spezielle Aufgabe ansah. Dass er ein Mensch war, der – obwohl er Familie hatte – seinem Glauben und seiner Berufung folgend eine sichere Pfarrstelle aufgab zugunsten einer unsicheren und schlecht bezahlten Missionstätigkeit. Gerecke nahm daher auch seinen Auftrag als Seelsorger von Göring, Hess usw. sehr ernst.
Ich habe mich gefragt, ob er wohl ernsthaft an einen Erfolg seiner Mission geglaubt hat, schließlich wusste er genau um die begangenen Verbrechen seiner „Schäfchen“. Auch dem Leser werden diese in einigen Rückblicken noch mal vor Augen geführt, wobei speziell auf die Beteiligungen der jeweiligen Angeklagten eingegangen wird. Nichts wird beschönigt oder versuchsweise entschuldigt und wenn eine Nazigröße zum Gebet niedersinkt, wird das zwar sachlich beschrieben, wie ehrlich dieses Gebet aber gemeint war, kann lediglich der beurteilen, an den es gerichtet war.

Für dieses Sachbuch hat der Autor umfangreiche Recherchen betrieben, vielfältige historische Aufzeichnungen zugrunde gelegt, unter anderem solche von Gerecke selbst und Interviews geführt, beispielsweise mit Gereckes Sohn. Er wollte ein umfassendes Bild von Gerecke und von dem ebenfalls in Nürnberg aktiven katholischen Geistlichen zeigen, die bekannten Sachverhalte um eine neue menschliche Dimension erweitern. Das ist absolut gelungen. Ich war fasziniert von dem, was ich las und habe wirklich sehr viel nachgedacht. Ob es göttliche Vergebung für einige der Verurteilten geben kann, weiß ich allerdings nicht. Und ich bin auch froh, dass ich es nicht entscheiden muss ;-)

Einen Kritikpunkt habe ich vorzubringen, der mich zum Punktabzug veranlasst hat. Meines Erachtens neigt der Autor zu Ausschweifungen, zum Beispiel, wenn es um Gereckes Herkunft geht. Da hätte man einiges kürzen können, ohne dass Inhalt oder Zusammenhänge gelitten hätten.

Fazit: Hochinteressantes Thema aus einem neuen Blickwinkel beleuchtet. Ein Buch, das nachdenklich macht.

Bewertung vom 16.10.2016
In ohnmächtiger Wut
Weiss, K. J.

In ohnmächtiger Wut


sehr gut

»Sie können das nicht verstehen. … Früher dachte ich ähnlich wie Sie. Gegenseitige Achtung, ein geordnetes Miteinander, keine Gewalt, das waren meine Ziele, die ich durchsetzen wollte. Doch ich wurde eines Besseren belehrt.«

Jens Baumgard, Lehrer an einer Gesamtschule, kann es nicht fassen: Einige seiner Schüler zeigen sich offen aggressiv, aber keinem seiner Kollegen scheint das aufzufallen. Eines Tages wird ein ausländischer Schüler brutal zusammengeschlagen und Jens kann die einzige Zeugin der Tat zu einer Aussage überreden.
Bei seinem Gang zur Polizei ist Jens überzeugt, das Richtige zu tun. Tatsächlich erkennt er erst nach und nach, worauf er sich da eingelassen hat. Denn seine Gegner gehören zu einer Gruppe von Neonazis und schon bald müssen er und seine Familie erfahren, dass es in ihrem Leben keine Sicherheit mehr gibt…

Die hier erzählte Geschichte dürfte niemanden kalt lassen. Themen wie das dargestellte gehen leider immer wieder durch die Medien, manch einer kennt sie sogar aus eigener Erfahrung oder durch Betroffene im Bekanntenkreis.
Die Autorin schafft es von der ersten Seite an, den Leser zu fesseln. Ich jedenfalls mochte das Buch nicht aus der Hand legen, so intensiv waren die Schilderungen, so brennend der Wunsch zu lesen, wie es weitergeht. Beim Lesen kochten immer wieder die Gefühle hoch. Fassungslosigkeit, Wut, Angst – emotional keine leichte Lektüre. Durch wechselnde Erzählperspektiven wird die Handlung mal aus der Sicht des Lehrers, mal aus der seiner Frau oder seiner Kinder erlebt. Diese vier weisen zudem verschiedene Charaktere und Ansichten auf, was den Leser stetig zum Nachdenken anregt. Was würde ich tun? Ein Gedanke, der mich durch das ganze Buch begleitet hat.

Bei dem Wort Neonazis denkt man zunächst an Ausländerhass, aber in diesem Buch stehen im Grunde andere Themen im Vordergrund. Da geht es um Zivilcourage, um Gerechtigkeit, um die Sorge um die eigene Familie und um die Frage, wie weit man bereit ist, sich für Dinge oder Menschen, die einem wichtig sind, einzusetzen. Deutlich (und meines Erachtens nach zu recht) wird angeprangert, wie sehr der Staat leider immer wieder versagt, was den Schutz seiner Bürger angeht. Wie sehr sich so mancher dadurch im Stich gelassen und auf sich selbst gestellt fühlt!
Hier setzt mein Kritikpunkt an. Denn eben diese Aussagen sind doch auch die Argumente derer, die „Flüchtlinge raus!“ brüllen. Auch die fühlen sich im Stich gelassen, glauben, dass der Staat sich nicht um sie kümmert und dass dies ihre Gewalt als reinen Selbstschutz legitimiert. In keiner Weise will ich das in Schutz nehmen, jegliche rechte Ansichten sind mir zuwider. Aber ich fürchte, dass ein Leser, der ohnehin schon „besorgt“ ist, sich durch die Deutlichkeit, in der die Ohnmacht des Staates und der Polizei dargestellt wird, bestärkt fühlen könnte.

Eine Woche nach Beenden des Buchs weiß ich immer noch nicht, was ich an der Stelle des Protagonisten Jens tun würde. Aber ich weiß, dass ich mir wünsche, dass in dieser Welt mehr und gründlicher nachgedacht wird. Dazu regt das Buch an. Ich wünsche mir allerdings auch mehr Mut zur Zivilcourage und ein stärkeres Verurteilen von gewalttätigen Lösungen. Und was das angeht, könnte das Buch womöglich den gegenteiligen Effekt haben.

Fazit: Viel Stoff zum Nachdenken. Schwierige Themen, für die es keine einfachen Lösungen gibt.

»Sie wissen, auf was Sie sich einlassen, nehme ich an?«

Bewertung vom 16.10.2016
Die schreckliche deutsche Sprache /The Awful German Language
Twain, Mark

Die schreckliche deutsche Sprache /The Awful German Language


ausgezeichnet

»Some German words are so long that they have a perspective.«

Schon häufig habe ich mir überlegt, wie schwer es sein müsste, die deutsche Sprache zu erlernen, wenn man sie nicht ganz kinderleicht als Muttersprache aufnehmen konnte.
Mark Twain schildert in diesem Buch seinen Kampf mit dem Erlernen der deutschen Sprache. Zusammengesetzte Hauptwörter, trennbare Verben, „der, die, das“ statt einfach „the“ – die Liste von Dingen, über die er stolpert, ist lang. Und höchst amüsant ist die Art und Weise, in der er dies darbringt.
Zum Beispiel überträgt er einige dieser sprachlichen/grammatikalischen Besonderheiten auf die englische Sprache, baut sie in englische Texte ein. Das Ergebnis ist herrlich unterhaltsam und ich vermute, dass er beim Schreiben selbst ziemlich viel Spaß hatte.

In diesem Buch findet sich übrigens sowohl das englische Original als auch eine deutsche Übersetzung. Man sollte aber unbedingt das Original lesen, denn nur so kann man wirklich wahrnehmen und genießen, wie skurril ein englischer Text wirkt, in den man deutsche Grammatik eingebaut hat.
Als Krönung findet sich im Anschluss die Rede Twains, die er bei einem Bankett des Anglo-Amerikanischen Studentenclubs in annähernd deutscher Sprache gehalten hat. Ein unglaubliches Deutsch-Englisch-Konstrukt, bei dessen Vortrag vermutlich kein Auge trocken blieb.

Überzeugte Fans der deutschen Sprache brauchen meines Erachtens nach keine Kränkung zu fürchten. Twain übertreibt so stark, dass auch einem Sprachpuristen (so er Humor hat) dieses Buch gefallen sollte.

Fazit: Augenzwinkernde Abrechnung mit der deutschen Sprache. Sehr unterhaltsam!

»My philological studies have satisfied me that a gifted person ought to learn English (barring spelling and pronouncing) in thirty hours, French in thirty days, and German in thirty years. … If it is to remain as it is, it ought to be gently and reverently set aside among the dead languages, for only the dead have time to learn it.«

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.