Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Sikal
Wohnort: 
Österreich

Bewertungen

Insgesamt 1155 Bewertungen
Bewertung vom 17.09.2019
Hier sind Löwen
Poladjan, Katerina

Hier sind Löwen


sehr gut

Wunderbare Sprache

Helen Mazavian arbeitet als Restauratorin und reist nach Armenien um die dortige Buchbinderei zu erlernen. Sie hat einen starken Bezug zu dem Land, wohnten doch einst ihre Vorfahren dort. Ihre Mutter Sara hat ihr ein Familienfoto mit auf den Weg gegeben und so sucht Helen nicht nur nach den Geheimnissen der Buchbinderei, sondern auch nach verborgenen Familienbanden.

Mit ihrer Chefin Evelina verbindet sie bald so etwas wie Freundschaft, Helen gehört beinahe zur Familie und wird auch zu Festen gerne eingeladen. Evelina vertraut Helen als Versuchsobjekt eine alte Familienbibel an. Als Helen darin Notizen über Anahid und Hrant findet, taucht sie immer tiefer in die Geschichte ein und beginnt zu recherchieren, was sie unter anderem auch zum Berg Ararat führt.

In einem zweiten Erzählstrang erfährt man über die beiden Kinder Anahid und Hrant, die beide dem Genozid entkommen und als einzigen persönlichen Gegenstand die Familienbibel mit auf die Flucht nehmen. Man begleitet die beiden auf ihrer Flucht und verfolgt so aus einer anderen Perspektive die Geschichte rund um diese besondere Bibel.

Die Autorin Katerina Poladjan gibt uns hier Einblicke in ein für mich eher unbekanntes Land. Mit einer wunderbaren Sprache hat sie mich von Anfang an fesseln können. Manches Mal waren mir die Ausführungen über Buchbinderei und die genauen Handgriffe etwas zu detailliert. Dafür waren die Dialoge kurz und prägnant, sehr eindrücklich.

Interessant der Einblick in ein krisengebeuteltes Land, auch die gegenwärtigen Probleme mit geflüchteten Syrern werden angesprochen. Doch auch für Helen hat sich enorm viel auf der Reise ereignet, was sie wohl erst nach und nach verarbeiten wird.

Von mir gibt es 4 Sterne für dieses interessante Buch, das leider einige Schwächen verzeichnet aber durchaus lesenswert ist.

Bewertung vom 15.09.2019
Wie Kinder denken lernen
Spitzer, Manfred;Herschkowitz, Norbert

Wie Kinder denken lernen


gut

Für eine Erstinformation ausreichend

Mit der Geburt des (ersten) Kindes beginnen die vielen Fragen der Eltern. Was passiert wann? Soll ich mein Baby fördern? Lernt mein Kind früher krabbeln/sitzen/laufen als das der anderen? Warum gewinnt immer mein Kind beim Memory? Wie lernt mein Kind soziales Denken? Und vermutlich viele viele Fragen mehr beschäftigen Eltern.

Der Autor Manfred Spitzer ist Leiter der psychiatrischen Universitätsklinik in Ulm, schreibt viele Sachbücher rund um das Thema Lernen, kognitive Entwicklung, gilt als bedeutendster Gehirnforscher Deutschlands. Wer seine Bücher kennt, weiß, dass ihm immer wieder gelingt, schwierige Themen in einfachen Worten auch für den Laien verständlich aufzubereiten. Dass „Spitzer-Leser“ natürlich immer wieder über Wiederholungen stolpern, versteht sich von selbst. Und genau so erging es mir mit diesem Buch – es scheint, dass ich alle diese Erkenntnisse bereits irgendwo gelesen habe. Ich konnte für mich nicht viel Neues entdecken. Und trotzdem können vermutlich Leser, die Spitzer noch nicht kennen, viel Interessantes für sich mitnehmen.

Das Buch ist gut strukturiert und beschreibt die Entwicklungsschritte von Babys erstem Jahr über die Entwicklung der Sprache, Erziehungsstile, den Wert der eigenen Erfahrungen, bilinguale Entwicklung, Persönlichkeitsentwicklung, Hirnforschung und Schule, aufmerksames Lernen, den Dschungel der Synapsen, uvm.

Wie gesagt, für alle, die sich noch nicht intensiv mit Spitzer (oder Gehirnforschung generell) beschäftigt haben, liest sich das Buch sehr interessant. Es gibt einen Einblick in die einzelnen Entwicklungsphasen. Kurze Kapitel lassen die Informationen schnell verarbeiten, Fallbeispiele veranschaulichen die Thematik.

Für meine Begriffe war es zu oberflächlich – ich hätte mir weniger und dafür ausführlichere Themen gewünscht. Daher gibt es von mir 3 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.09.2019
Über allem der Berg
Schimke, Helma

Über allem der Berg


gut

Eine Hommage an die Berge

1964 bringt Helma Schminke das Buch „Über Allem der Berg“ heraus. Darin spricht sie über ihren Mann und über die Umstände, wie es zu seinem tragischen Unfall kam.

Die Lebensgeschichte der Helma Schminke, die 2018 mit über neunzig Jahren verstorben ist und bis zu ihrem letzten Lebensjahr noch in den Bergen unterwegs war, hat Annette Mäser zu einer Neuauflage dieses Werkes inspiriert.

Im ersten Teil erzählt die begeisterte Bergsteigerin und Architektin Helma Schminke, wie sie ihre Liebe zu den Bergen fand und mit welcher Begeisterung sich sie und ihr Mann immer wieder zu neuen Touren aufmachten. In diesem Teil wird aber auch die kurze Lebensgeschichte ihres Mannes beleuchtet, welcher am Watzmann tödlich verunglückte.

In dieser Zeit kommt es für Helma zu einer Wände – alleine mit den Kindern stellt sie sich die Frage, ob es wirklich zu verantworten wäre, weiter in die Berge zu gehen, während sie den Schmerz ihres Verlusts zu überwinden versucht. Schließlich sind es aber genau die Kinder, welche ihr wieder den Mut machen, den sie braucht um ihre Bergtouren wieder aufzunehmen – oft auch dann, wenn sie dadurch von anderen angefeindet, als rücksichtslos oder verantwortungslos bezeichnet wurde.

Die Leistungen der Alpinistin waren zu dieser Zeit alles andere als selbstverständlich. Als Frau in den Bergen hatte man höchstens ein wenig zu wandern – aber Bergsteigen, nein, das sollte doch besser den Männern vorbehalten bleiben. Aus Liebe zu den Bergen ließ Helma aber alle diese Vorbehalte außen vor. Immer wieder in Seilschaften (die fast nur aus Männern bestanden) unterwegs, gelingen ihr Touren, die bis dahin nur Männern nur von Männern bewältigt wurden. Die Alpinistin schreibt Alpingeschichte.

Das Buch lässt den Leser tief in die Geschichte der Alpinistin blicken, ist aber alles andere als leicht zu lesen. Immer wieder steht der Leser vor der Aufgabe einen Zeitsprung zu durchschauen, oder über Personen zu lesen, die nicht eingeführt werden. Das ganze resultiert daraus, dass die Autorin dieses Buch eher im Stil eines Tagebuches verfasst hat und somit dem Leser oftmals Gedankensprünge der Autorin entgehen.

Dennoch ist die Geschichte lesenswert und zeigt, was alles möglich ist, wenn man nur fest daran glaubt und sich nicht von seinem Weg abbringen lässt. 3 Sterne

Bewertung vom 14.09.2019
4000ERLEBEN
Czerny, Marlies

4000ERLEBEN


gut

Als erste Österreicherin auf allen Viertausendern der Alpen

Geplant hat Marlies Czerny ihren Rekord nicht, gelungen ist er ihr dennoch. Als erste Österreicherin hat sie es geschafft, alle Viertausender der Alpen zu besteigen – und das in rekordverdächtiger Zeit.

„Du musst unbedingt ein Buch darüber schreiben“, ermuntert die bekannte österreichische Bergsteigerin, Gerlinde Kaltenbrunner, die Autorin zu diesem Werk. Zu diesem Zeitpunkt war Marlies Czerny noch nicht einmal wirklich bewusst wie nahe sie bereits am Ziel war, immerhin hatte sie anfangs nicht mitgezählt und doch war sie bereits bei 78 der höchsten Gipfel der Alpen angelangt. Es fehlten nur noch vier!

Wie die Autorin zu dieser Leistung inspiriert wurde, beschreibt sie auf den ersten Seiten des Buches und der Titel des Kapitels „Der Zauber des Anfangs“ gibt bereits wider, dass sie von den ersten alpinen Leistungen „verzaubert“ wurde.

Immer wieder zweigt die hauptberufliche Journalistin ihrer kargen Zeit einige Stunden ab, um sich aufzumachen – wieder ein Viertausender weniger auf ihrer nicht vorhandenen Liste. Im Buch beschreibt sie nach ihrem „zauberhaften Einstieg“ in die Bergwelt einige ihrer Begehungen und wie sich ihr Leben nach und nach veränderte – die Berge nahmen nicht nur auf ihren Lebensstil und ihren Köper mehr und mehr Einfluss, sondern auch ihre geistige Haltung beginnt sich zu ändern, am Anfang langsam und mit jedem Gipfel mehr und schneller.

Aber nicht nur positive Veränderungen bringt der neue Lebensstil mit sich – auch ein anderer Umgang mit dem Tod ist in den Bergen nötig – vor ihren Augen stürzen Menschen in den Tod und immer wieder einmal ereilt sie die Botschaft von abgestürzten Kameraden.

Erzählt sind die Besteigungen in einem Stil, der es „Nicht-Alpinisten“ nicht ganz leicht macht, sich durch die Touren zu kämpfen. Man merkt, dass die Autorin aus dem journalistischen Umfeld kommt. Eher sachlich und nüchtern werden die Routen beschrieben. Ein wirklicher Lesefluss mag nicht so recht aufkommen. Macht aber nichts – man muss das Buch ja auch nicht auf einmal verschlingen, da jedes Kapitel beinahe für sich steht.

Der bergsteigerischen Leistung tut das allerdings keinen Abbruch und kann so manch einen „Couchpotato“ vielleicht als Inspiration dienen. 3 Sterne

Bewertung vom 14.09.2019
Free Solo im Yosemite
Synnott, Mark

Free Solo im Yosemite


ausgezeichnet

Beeindruckend oder verrückt?

Am Fuße einer 1000 Meter hohen Wand aus purem Granit zu stehen, kann schon beeindrucken. Hat man vor, diese Wand zu besteigen, so kommt sofort zusätzlich ein gewisser Respekt auf. Und hört man dann von jemandem, der diese Wand ohne Seilsicherung und Solo durchsteigen möchte, stellt man sich schnell die Frage ob diese Idee nicht doch ein wenig an Wahnsinn grenzt.

Wenn man die Geschichte von Alex Honnold im Buch von Mark Synnott liest, lässt es an so mancher Stelle an der Leitungsfähigkeit des Menschen zweifeln – gibt es für manche Menschen gar keine Grenzen? Kein Berg ist zu hoch, keine Felswand zu eben und glatt, um nicht doch durchstiegen zu werden. Und dann gibt es Alex Honnold…

Mark Synnott, ebenfalls Bergsteiger, Kletterer und leidenschaftlicher Bergführer, hat sich der Geschichte des Free-Solo Kletterers Alex Honnold angenommen. Die Idee des jungen Mannes, die höchste Wand des El Capitan alleine und ohne Kletterhilfen zu durchsteigen, inspirierte den Autor zu diesem Buch.

Herausgekommen ist ein Buch über das Klettern wie es spannender kaum sein kann. Von den ersten Versuchen des Autors, sich alleine in den Bergen durchzuschlagen, über die Geschichte des Alpinsports bis zu Alex‘ Idee – man ist ab den ersten Seiten gefangen. Wie ein Krimi lesen sich die Seiten und bis zuletzt darf der Leser gespannt sein, ob Synnott’s Protagonist seine Idee umsetzen kann.

Aber in diesem Buch findet sich mehr als ein Krimi über die Besteigung einer, lange Zeit unbezwingbar erscheinenden Wand, das Buch vermittelt auf wunderbare Weise die Geschichte der Kletterei und zollt damit auch einigen ganz Großen des Alpinismus Tribut. Wenngleich sich die Dramen der Hauptgeschichte im Yosemite Nationalpark abspielen, so wird auch auf die europäischen Wurzeln der Kletterei eingegangen, was dieses Buch fast zu einem Who-is-Who des Klettersports macht.


Wie weit die Leistung von Alex Honnold als verrückt oder gar als Gefährdung anderer Personen (die bei einem Unglück die Bergung übernehmen müssten …) angesehen werden kann, wird aber nicht außer Acht gelassen. Immer wieder werden die Zweifel angesprochen – von Alex selbst, vom Autor oder auch von dritten Personen.

Über die schier übermenschlichen Leistungen zu urteilen obliegt meines Erachtens aber nur Menschen, die ähnliches vollbracht haben – die meisten von uns können darüber nur staunen und dieses Buch als Anreiz verwenden, die Berge mit anderen Augen zu betrachten. 5 Sterne sind hier verdient.

Bewertung vom 14.09.2019
Eskimoland
Tinbergen, Niko

Eskimoland


ausgezeichnet

Interessante Einblicke

Verhaltensforscher und Nobelpreisträger Niko Tinbergen (1907 – 1988) gehörte zu den Pionieren der Grönland-Forscher. Gemeinsam mit seiner Frau kam er Anfang der 1930er Jahre nach Grönland, um eigentlich arktische Vögel zu studieren. Seine Beobachtungen erstreckten sich nicht nur auf die Vogelwelt, sondern vor allem auf das Leben der Ureinwohner. Er verbrachte ein Jahr mitten unter ihnen, wurde bewundert, belächelt, lernte deren Sprache, fand Freunde und beschrieb vor allem detailliert seine Erlebnisse, die Gepflogenheiten und auch die zum Teil schwierigen Verhältnisse, die ein Überleben zur Herausforderung machen.

„Ein Europäer ist anfänglich ein Nichtsnutz, der durch die weitgehende Spezialisierung in seiner Gesellschaft die eigene Unabhängigkeit verloren hat. Versucht er nicht, diese wenigstens teilweise wiederzuerlangen, bleibt er in den Augen der Universalisten, die die Eskimos sind, ein unbeholfener Tölpel.“

Oft wurde Tinbergen mit der Frage konfrontiert „Hast du das selbst gemacht?“ – und wenn er die Frage verneinte, wurden diverse Dinge schnell uninteressant, bevor sie mit einem mitleidigen Schulterzucken ihrer Verwunderung Ausdruck verliehen. Die Menschen dort lernten, sich der Kälte anzupassen, stellten ihre Handwerkzeuge selbst her. Kajaks, Schlitten, Kleidung, Zelte, Harpunen – alles was sie für ein Leben brauchten. Tinbergen lernte schnell zu schätzen, welche Vorteile beispielsweise Kleidung aus Robbenfell mit sich bringt.

Interessant finde ich, mit welcher Herzlichkeit Tinbergen aufgenommen wurde. Die Menschen teilten mit ihm und seiner Frau, zeigten den beiden ihre überschaubare Welt und worauf es bei einem Leben in der Natur ankommt. Was mich etwas verwundert hat, war, dass sehr wenig auf Vorräte geschaut wird, obwohl es reichlich Nahrungsangebot gibt. Die Menschen teilen untereinander die vorhandenen Lebensmittel, wobei bei Nahrungsmittelknappheit diese Organisation sofort versagt. Da wird dann nur mehr auf das Überleben der eigenen Familie Rücksicht genommen und was rundherum geschieht wird ausgeblendet.

Auch interessant, mit welch ausgeklügelten Jagdmethoden die Eskimos arbeiten, wie raffiniert sie sich an Robben oder Eisbären heranschleichen, um diese zu erlegen. Bei der Aufteilung des Tieres wird nach einer genauen Ordnung vorgegangen, so erlangen auch Kinder zum Teil große Fleischteile.

Dieser Reisebericht wurde erst 2017 wieder entdeckt und ins Deutsche übersetzt. Zum Glück muss man sagen, denn es handelt sich wirklich um ein aufschlussreiches Zeitdokument – die Eskimos leben längst nicht mehr so, wie Tinbergen es schildert. Der 2. Weltkrieg hat ziemliche Veränderungen nach Grönland und zu den Menschen dort gebracht. Lesenswert! Gerne vergebe ich 5 Sterne für dieses interessante Reisedokument.

Bewertung vom 07.09.2019
Hannah und ihre Brüder
Balson, Ronald H.

Hannah und ihre Brüder


sehr gut

Ist Elliot Rosenzweig der Schlächter von Zamsosc?

Ben Solomon macht sich bereit für seinen großen Auftritt. Bei einer Opernpremiere bedroht er den reichen und angesehenen Chicagoer Bürger Elliot Rosenzweig mit einer Waffe und behauptet, dass dieser früher als SS-Scherge Otto Piontek für die Tötung von zig Juden verantwortlich war. Otto wird als kleiner Junge von seinen Eltern vernachlässigt und wächste im Polen der 30er Jahr bei den Solomons auf - als Bens Ziehbruder und zugleich bester Freund. Doch plötzlich beginnt sich Otto zu verändern und so trennen sich ihre Wege, bis Ben durch Zufall Elliot bzw. Otto in Chicago wiederentdeckt. Doch ist Elliot Rosenzweig tatsächlich der Schlächter von Zamosc oder handelt es sich um eine Verwechslung, wie alle meinen?

Damit Ben nicht ins Gefängnis muss, bemühen sich die Anwältin Catherine Lockart und deren Freund, Liam Taggart, ein Gerichtsverfahren abzuwenden. Obwohl Catherine anfangs von Bens Fall nichts hält und außerdem große Firmen und keine Privatpersonen vertritt, kann Liam sie überzeugen, sich Bens Geschichte zumindest mal anzuhören. Und so driftet sie immer weiter in die Vergangenheit ab und bemüht sich entgegen aller Ratschläge, Ben zu helfen.

Die Geschichte wechselt ständig zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, wobei mir die Vergangenheit eindeutig lesenswerter erschien. Die Gegenwart finde ich zu konstruiert und Catherine sowie Liam sind auch nicht sonderlich sympathisch. Als intelligente Anwältin müsste Catherine doch einiges Wissen vom 2. Weltkrieg mitbringen, auch wenn sie jung ist – so dermaßen unbedarft geht niemand durchs Leben. So passieren schon etliche Patzer und für den Leser ersichtliche Zusammenhänge werden von den Ermittlern nicht erkannt. Aber ich weiß auch zu wenig über das Geschichtsverständnis der Amerikaner über Europa.

Durch den Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart wird eine ziemliche Spannung erzeugt und man möchte endlich wissen, ob Ben mit seiner Beschuldigung Recht hat. Trotzdem konnte mich der Roman nicht zur Gänze überzeugen, mit Catherine und Liam wurde ich einfach nicht so recht warm. Die Geschichte rund um Ben und den Holocaust fand ich hingegen großartig erzählt. Somit gibt es von mir 4 Sterne.

Bewertung vom 07.09.2019
Der Würger von Triest
Stanzl, Werner

Der Würger von Triest


ausgezeichnet

Gefährliches Leben an der Adriaküste

Innerhalb weniger Tage werden zwei junge Frauen ermordet aufgefunden. Erst Mia, die in einem Frisörsalon arbeitet und einem strengen Elternhaus entfliehen will. Ist sie das Opfer ihrer Familie geworden? Und dann noch eine Physiotherapeutin, die ohnehin bereits an einem schweren Schicksal zu tragen hat. Beide Opfer scheinen nichts miteinander zu tun zu haben und doch vermutet Commissario Vossi einen Zusammenhang. Erst als auffällt, dass an jedem Tatort ein ungewöhnlicher Duft liegt, kommt er dem Täter einen Schritt näher …

Doch Vossi kann sich nicht zu 100% auf seinen Fall konzentrieren, denn auch im Arbeitsleben muss er einiges hinnehmen. Die Dienststellen Triest und Gorizia werden zusammengelegt, was ihm natürlich gar nicht gefällt und auch das Arbeitsklima erstmal gehörig vergiftet. Außerdem muss er erstmal ein vernünftiges Café in Triest finden, wo er seine Gedanken sortieren kann und vernünftig zum Nachdenken kommt, was gar nicht so einfach scheint. Doch auch hierbei kommt ihm ein Zufall zu Hilfe.

Der Autor Werner Stanzl hat einen angenehm ruhigen Krimi geschrieben, der das Flair der oberen Adriaküste einfängt und die Menschen in diesem Grenzgebiet Slowenien-Italien-Österreich sehr authentisch charakterisiert. Die längst vergangene Donaumonarchie ist noch nicht vergessen und hat die Region immer schon geprägt.

Commissario Vossi ist ein sympathischer Ermittler, der mit beiden Beinen im Berufsleben steht und dem trotzdem das Herz noch nicht abhandengekommen ist. Besonders gefällt mit der Schlagabtausch mit seiner Angetrauten Jelena, die beiden arrangieren ihre unterschiedlichen Interessen manches Mal auf eher ungewöhnliche Art und Weise.

Der Fall ist ziemlich verzwickt und Vossi landet mehrmals in einer Sackgasse. Doch so nach und nach findet er sämtliche Puzzleteile, die ein Gesamtbild ergeben.

Ein lesenswerter Krimi, den ich sehr gerne gelesen habe. Die Auflösung des Falles war sehr überraschend, ein greifbarer Täter hat mir auch lange Zeit gefehlt – ebenso wie dem Commissario. Gerne vergebe ich für dieses Ratespiel 5 Sterne.

Bewertung vom 07.09.2019
Winterbienen
Scheuer, Norbert

Winterbienen


ausgezeichnet

Zu Recht auf der Longlist

Ich finde, das Buch ist zu Recht auf der Longlist des Deuschen Buchpreises und war ein richtiges Highlight. Der Schreibstil ist eher ungewöhnlich und wie ein Tagebuch geschrieben.

Protagonist Egidius Arimond kämpft sich durch die letzten Kriegsmonate in einem kleinen Bergarbeiterstädtchen, während britische und amerikanische Bomber über der Landschaft kreisen. Vor dem Krieg war Egidius Gymnasiallehrer für Geschichte und Latein, doch aufgrund seiner Epilepsie wurde ihm ein Berufsverbot durch die Nazis auferlegt. Neben seiner Leidenschaft für diese beiden Fächer widmet er sich ebenfalls mit Begeisterung der Imkerei, die er von seinem Vater übernommen hat. Aufrecht hält ihn während dieser schrecklichen Kriegsmonate nicht nur seine Liebe zu den Bienen, sondern auch seine Studien in der noch vorhandenen öffentlichen Bibliothek – nicht nur wegen der beiden Bibliothekarinnen sondern auch wegen geheimer Botschaften einer Organisation, die jüdischen Flüchtlingen über die Grenze hilft, stöbert er enorm viel in den alten Schriften. Immer auch auf der Spur seines Vorfahren Ambrosius, der bereits im 15. Jahrhundert von der Imkerei besessen war.

Egidius erzählt in seinem Tagebuch mal mehr mal weniger vom Kriegsverlauf, von seinen Ängsten, dass der Apotheker ihm seine Medikamente verweigert, von seinen Frauengeschichten, von Schrecklichkeiten, die zum Kriegsalltag gehören, von seiner Familie und seiner Mithilfe beim Widerstand. Vieles erfahren wir auch über Bienenhaltung, Winter- und Sommerbienen und den Status der Königinnen.

Zwischendurch finden sich immer wieder Flugzeugskizzen sowie eine genaue Beschreibung diverser Typen. Besonders berührend finde ich die Danksagung in diesem Buch, in dem man auch erfährt wie der Autor zu dieser Geschichte kam und welche Bedeutung Bienenstöcke haben können.

Der Autor Norbert Scheuer erzählt mit einem außergewöhnlichen Stil und enormer Empathie von den Schrecklichkeiten der letzten Kriegsmonate und vom schmalen Grat zwischen Leben und Tod.
Gerne vergebe ich für diesen großartigen Roman 5 Sterne.

0 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.09.2019
Herr Groll und die ungarische Tragödie
Riess, Erwin

Herr Groll und die ungarische Tragödie


gut

Eine unheimliche Geschichte

Herr Groll sitzt im Rollstuhl und ermittelt schwierige Fälle. Als er den Auftrag bekommt, nach Ungarn zu reisen, um für eine Reportage zu recherchieren, zögert er nicht. Dass er dabei auf einen Pornoring stößt und selbst in große Gefahr gerät, kann ihn nicht von seinen Ermittlungen abhalten.

Herr Groll reist mit seinem Rollstuhl Josef und einem Dozenten-Freund (der auch im Gegensatz zu Groll einen Computer bedienen kann) in ein abgeschiedenes Dorf in Ungarn, wo die beiden auf eigenartige Vorgänge in einem Behindertenheim stoßen. Sie erhalten eine Führung und bekommen von den Ärzten eine heile Welt präsentiert, doch Groll lässt sich nicht täuschen. So nach und nach findet er Ungereimtheiten, muss dazu auch in eine Peep-Show und in einen zwielichtigen Keller. Behindert wird er nicht nur von Treppen sondern auch von mächtigen Hintermännern, denen Groll wohl zu sehr auf die Füße tritt. Nach einer spektakulären Flucht muss Groll von Ungarn und Josef Abschied nehmen, um wieder zu seiner Haushälterin nach Wien zurückzukehren.

Der Autor Erwin Riess hat hier ein äußerst schwieriges Thema gewählt und somit ist das Buch an manchen Stellen auch nur schwer auszuhalten. Trotz der Spannung habe ich das Buch nicht so sonderlich gerne gelesen, weil ich hier keinen Sympathieträger unter den Charakteren fand – Groll ist mir unsympathisch und sein eigenartiger Freund war jetzt auch nicht so ganz mein Fall.

Für Herrn Groll gibt es von mir somit 3 Sterne.