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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2024 Bewertungen
Bewertung vom 11.04.2022
Tage in Rebibbia
Sapienza, Goliarda

Tage in Rebibbia


ausgezeichnet

Die Universität

Dieses Buch von 1983 (L’Università di Rebibbia), erstmals in Deutsch vorliegend, bietet die Möglichkeit eine bedeutende Schriftstellerin aus Italien wieder zu entdecken.

Ein gutes Vorwort, aus dem die Liebe zur Literatur hervorgeht, macht eine sinnige Vorstellung und Einführung in das Buch.

Die damals als Schriftstellerin noch unbekannte Goliarda Sapienza berichtet in diesem Buch von ihren Gefängniserfahrungen. 3 Monate war sie wegen Diebstahl eingesperrt.
Mit ihr gemeinsam lernen wir die Abläufe und die anderen inhaftierten Frauen n Rebibbba kennen.

Ein autofiktionaler Text, der den Leser durch die intime Erzählstimme sofort ins geschehen zieht. Das ist durchaus beeindruckend.

Bewertung vom 10.04.2022
Auf der Zunge
Clement, Jennifer

Auf der Zunge


sehr gut

Kein klassischer Roman

Jennifer Clement ist eine amerikanische Schriftstellerin, die mit Auf der Zunge ein ungewöhnliches Buch vorgelegt hat. Es hat etwas traumhaftes, ein Sprachexperiment.
Es wurde von Nicolai von Schweder-Schreiner aus dem amerikanischen Englisch übersetzt.

Eine Frau streift durch Manhattan. Damit ist das Buch ein klassischer New York-Roman. Manhattan spielt hier die Hauptrolle.
Allerdings ist er sprachlich auf einem hohen Ton gehalten. Das muss man erst einmal aushalten können.
Die namenlose Frau ist Bibliothekarin. Kein Wunder, dass sie im Verlaufe des Buches auch in der antiquarischen Buchhandlung The Strand landet. Ein Erlebnis an Büchervielfalt, dass jeder der mal da war, wohl nicht mehr vergisst.

Es gibt in den Kapitel jeweils kurze Passagen hoher Intensität, in dem die Frau wie in einem Traum verschiedenen Männern begegnet. Es begleitet sie der Verlust ihrer Ehe.
Vielleicht ist auch das der Grund für die Fantasien der Frau, die sich verschiedenes mit den Männern erträumt. Sie begegnet den verschiedensten Männern: Dem Arzt, dem Dichter, dem Polizisten usw.
Begegnungen können Risiken sein, aber die Frau hat keine Angst und lässt sich auf alles ein. Das wirkt schließlich wie ein Reigen und sie imaginiert sogar eine Zeit des 19.,Jahrhunderts.

Zwar ist Auf der Zunge kein Roman, der eine geradlinige Geschichte erzählt, aber es gibt viele poetische Passagen und ich schätze die Risikobereitschaft des Romans.

Das Buch bleibt bis zum Schluss eigenwillig und gibt keine einfachen Antworten auf unbekannte Fragen.

Bewertung vom 10.04.2022
Die Knochenleser
Ross, Jacob

Die Knochenleser


ausgezeichnet

Karibische Momente

Die Knochenleser ist vom Aufbau her alles andere als ein konventioneller Krimi.
Das ungewöhnliche und reizvolle des Romans ist der Schauplatz auf einer Insel der Kleinen Antillen, die an Grenada erinnert.
Außerdem ist das Buch für mich in erster Linie ein Entwicklungsroman.
Michael »Digger« Digson hat Fähigkeiten, ist aber zunächst arbeitslos und alleine, bis ihn ein Detective namens Chilman entdeckt und ihn in seine Truppe integriert und ausbildet.
Das Verhältnis zwischen Chilman und Digger ist rau aber herzlich, wenn auch manchmal zynisch. Es ist das eines großen Talents und seines Förderers. Digger erhält eine Ausbildung zum Forensiker. Nach seiner Rückkehr übernimmt er einen Fall eines jungen Mannes, der vermisst wird. Weitere Fälle folgen und dann gibt es noch seine persönliche Suche nach der Mutter, die verschwunden war, als er noch ein Kind war.
Der dann eigentlich zentrale Fall um den Tod eines Diakon hat so einige Geheimnisse, die auch in die Vergangenheit führen und wirklich dunkle Motive beinhaltet.

Beeindruckend, wie der in Grenada geborene Schriftsteller Jacob Ross Diggers Entwicklung zum guten Polizisten als Prozess zeigt.
Dem Autor gelingt es außerdem eine Reihe origineller „Typen“ zu entwerfen, dabei ist nach guter hardboiled-Manier eine ordentliche
Portion Ironie bei den Dialogen dabei.

Ich kann Die Knochenleser uneingeschränkt empfehlen.

Bewertung vom 08.04.2022
A Song of Wraiths and Ruin. Die Spiele von Solstasia / Das Reich von Sonande Bd.1
Brown, Roseanne A.

A Song of Wraiths and Ruin. Die Spiele von Solstasia / Das Reich von Sonande Bd.1


gut

Malik und Karina

Roseanne A. Brown hat mit A Song of Wraiths and Ruin einen farbenprächtigen Fantasyroman mit gutem Worldbuilding vorgelegt Das Buch ist mit zwei tragenden Hauptfiguren ausgestattet: Malik und Karina, die jeweils in abwechselnden Kapiteln im Mittelpunkt stehen. Sie begegnen sich anfangs noch nicht, werden aber bald auf unheilvolle Art miteinander verbunden sein. Malik soll Prinzessin Karina töten, um seine entführte kleine Schwester zu retten. Ehrlich gesagt fand ich diesen Aspekt zu konstruiert. Das hätte ich mir raffinierter gewünscht.
Malik und Karina sind keine schlechten Figuren, tragen aber deutliche Young Adult-Züge und sind etwas zu unterkomplex.
Vielleicht ist auch die ganze Handlung nicht wichtig genug, das mich das Buch wirklich fesseln konnte. Dennoch gibt es natürlich viele sehr gut verfasste Passagen, die für sich genommen überzeugen können und der Roman entwickelt sich mit der Zeit.
Aber den nächsten Teil werde ich wahrscheinlich nicht lesen.

Bewertung vom 08.04.2022
Chopinhof-Blues
Silber, Anna

Chopinhof-Blues


sehr gut

3 Paare

Der Roman hat eine ganze Reihe von ungefähr gleich wichtigen Figuren, als da sind:
Katja und Tilo
Adam und Aniko
Esra und Magda

Es werden jeweils in Kapitel wechselnd die Geschichten dieser Personen erzählt bis sie am Ende zusammenkommen. Schauplätze sind Wien und Berlin.
Die Form des regelmäßigen Wechsel lässt die unterschiedlichen Geschichten gleichwertig werden.
Mich interessierte dennoch zunächst die Geschichte um die türkisch-deutsche Journalistin Esra am meisten, die in Honduras schlechte Erfahrungen machte und Gewalt durch die kriminelle Vereinigung der Maras erfuhr.
Aber auch der Ungarn stammende Ádám und seine Beziehung zu seiner Frau Aniko sind gut geschildert.
Die Handlung um Katja und Tilo, deren Probleme aus einer schweren Kindheit stammen, brauchte ein wenig, um sich zu entfalten.
In Wien treffen die Figuren sich dann, aber richtig verbunden werden die Storys dadurch nicht. Aber das muss ja auch nicht sein.

Anna Silbers Debütroman ist gut lesbar.

Bewertung vom 06.04.2022
Wovon wir träumen (eBook, ePUB)
Hierse, Lin

Wovon wir träumen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die Protagonistin ist in Deutschland geboren, doch ihre Mutter wanderte einst aus China aus. Jetzt kehren sie zur Beerdigung der Großmutter für kurze Zeit nach Shaoxing in China zurück.
Für ich ist das Buch in erster Linie eine Mutter-Tochter-Geschichte, die von der Migrationserfahrung der Mutter geprägt ist.
Sie sind stark und liebevoll miteinander verbunden, aber es gibt auch Auseinandersetzungen. Das Gefühl zwischen den Wurzeln aus China und dem Leben in Berlin zerrieben zu werden, beschäftigt die Hauptfigur und Lin Hierse drückt das auch durch Traumbeschreibungen aus. Die Träume prägen die Form des Romans stark mit, aber natürlich gibt es auch viele reale Kapitel.
Es ist sprachlich sorgfältig gestaltet.
Es gibt überhaupt viele gute Beschreibungen und der emotionale Zustand der Protagonistin wird deutlich. Es ist auch ein großes Porträt der Mutter aus Sicht der Tochter.
Ein guter Debütroman einer vielversprechenden Autorin mit bemerkenswerter Erzählstimme.

Bewertung vom 05.04.2022
Wenn unsere Welt zerspringt (eBook, ePUB)
Sedira, Samira

Wenn unsere Welt zerspringt (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Gerichtsdrama

Eine furchtbare Gewalttat, bei der eine ganze Familie, darunter drei Kinder, ermordet wurde.
Das Buch folgt der Frage, wie es dazu kommen konnte.
Erzählt wird die Geschichte von Anna, der Frau des Mörders, die ebenfalls fassungslos von der Tat ist. Sie bleibt aber durchgehend sachlich und analysierend.
Die Handlung spielt lange Zeit vor Gericht mit vielen Rückblicken, die im französische Bergdorf handeln. Der Stil von Samira Sedira ist faszinierend gemacht und inhaltlich wirklich packend.

Ein Zitat von Leila Slimani über dieses Buch weckt Assoziationen zu ihrem Roman „Dann schlaf auch du“. Kein schlechter Vergleich und die Leserschaft dieses Buches könnte sich auch für „Wenn unserer Welt zerspringt“ interessieren.

Bewertung vom 04.04.2022
Die Wächterinnen von New York
Jemisin, N. K.

Die Wächterinnen von New York


sehr gut

N. K. Jemisin ist zur Zeit eine der erfolgreichsten und vielfach preisausgezeichnete SF-Autorin.
Ihr hier vorliegender Roman The City We Became hat auch schon einen Preis gewonnen, heißt auf deutsch „Die Wächterinnen von New York“ und ist von Anfang an sprachlich furios. Assoziationen zu dem SF-Klassiker City come a-walkin von John Shirley (dt. Rebellion der Stadt) werden geweckt.

Auch dieses Buch hat aufsehenerregende Ideen. Die Stadt New York manifestiert sich durch Avatare an 5 verschiedenen Orten: Manhattan, Brooklyn, Queens, Bronx, Staten Island. Also die fünf Stadteile von New York.
Das sind Manny, Brooklyn, Padmnini, Bronca und Aislyn.
Ihre Charaktereigenschaften scheinen in Ansätzen zum Teil repräsentativ für das jeweilige Stadtteil.

Sie haben die Aufgabe eine drohende Gefahr abzuwehren.
Für Fans von New York bietet der einfallsreiche Roman viel. Schon das Cover des Buches lockte mich als Leser an.

Die 5 Protagonisten sind alle außergewöhnlich und sehr verschieden. Das gilt auch für die zusätzlichen Nebenfiguren wie Paulo und die Frau in Weiß.
Das zeigt die Vielfalt von New York.

Bewertung vom 01.04.2022
Vielleicht habe ich dich nur erfunden
Scheel, Tatjana

Vielleicht habe ich dich nur erfunden


sehr gut

Alex und Sheela

Der Roman erzählt von der Beziehung zwischen zwei Frauen, Alex und Sheela, die schon bei ihren ersten Treffen voneinander angezogen waren, sich dann nach 11 Jahren wieder treffen. Die Beziehung ist intensiv, hat aber auch etwas toxisches.Final gibt es ein Wiedersehen der beiden noch einmal 7 Jahre später in Island.
Als Leser ist man konsequent bei den inneren Gedanken und Emotionen von Alex. Das ist gut gemacht. Der Stil der Berliner Autorin Tatjana Scheel ist so emotional wie packend und frisch.