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Mikka Liest
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⇢ Ich bin: Ex-Buchhändlerin, Leseratte, seit 2012 Buchbloggerin, vielseitig interessiert und chronisch neugierig. Bevorzugt lese ich das Genre Gegenwartsliteratur, bin aber auch in anderen Genres unterwegs. ⇢ 2020 und 2021: Teil der Jury des Buchpreises "Das Debüt" ⇢ 2022: Offizielle Buchpreisbloggerin des Deutschen Buchpreises

Bewertungen

Insgesamt 735 Bewertungen
Bewertung vom 26.08.2013
Stärker als der Tod / Herzblut Bd.2
Darnell, Melissa

Stärker als der Tod / Herzblut Bd.2


sehr gut

Pro:
Die beiden Protagonisten, Savannah und Tristan, sind mir auch im zweiten Band sympathisch und bleiben trotz aller ungewöhnlicher Begabungen glaubwürdig geschilderte Teenager, die fast so sehr mit ihren Gefühlen zu kämpfen haben wie mit allen übersinnlichen Gefahren. Besonders Tristan hat mich sehr berührt mit seiner Entschlossenheit, für seine Liebe zu kämpfen.

In diesem Band spielen auch vermehrt andere Charaktere wichtige Rollen, wie z.B. Savannahs willensstarke Freundin Anne, die sich manchmal schwer damit tut, ihre sanftere Seite zu zeigen, oder Tristans kluge und talentierte Schwester Emily. Auch Savannahs geheimnisvollen Vater lernt man besser kennen, sozusagen von seiner menschlichen Seite, was ihn direkt in einem viel freundlicheren Licht erscheinen lässt. Seine Tochter ist ihm doch nicht so egal, wie man bisher hätte glauben können!

Einer meiner Lieblingscharaktere kommt in diesem Band ums Leben, was ich einerseits sehr schade fand, aber andererseits viel Spannung in die Geschichte bringt.

Ich weiß nicht genau, woran es liegt, aber der Schreibstil konnte mich im zweiten Band weit mehr überzeugen als im ersten - was erstaunlich ist, denn den ersten habe ich im englischen Original gelesen und den zweiten in der deutschen Übersetzung! Jedenfalls habe ich das Buch in einem Schwung an einem freien Nachmittag runtergelesen und fand den Schreibstil dabei durchgehend angenehm und unterhaltsam.

In diesem Band kam für mich auch mehr Spannung auf als im ersten. Abgesehen von der schwierigen, scheinbar hoffnungslosen Beziehung zwischen Tristan und Savannah gab es diesmal auch einige andere Konflikte: Savannahs Kampf mit ihrer vampirischen Natur, die steigenden Feindseligkeiten zwischen Nachfahren und Vampiren, ein überraschendes Geheimnis, dass Anne vor ihrer Freundin verbirgt... Auch Tristans Schwester Emily verbirgt ein verblüffendes, potentiell gefährliches Geheimnis.

Hatte ich bei "Herzblut - Gegen alle Regeln" noch meist das Gefühl, eine Fantasy-Variante von Romeo und Julia zu lesen, wartete die Autorin hier mit ein paar überraschenden Wendungen auf.

Kontra:
Obwohl ich, wie schon oben erwähnt, dem zweiten Band deutlich mehr abgewinnen konnte als dem ersten, kam für mich vor Allem in den ersten Kapiteln und dann erst in etwa den letzten 150 Seiten so richtig Spannung auf. Dazwischen empfand ich einige Passagen als eher träge und langatmig, in denen es wieder mal um das ständige Hin und Her zwischen Tristan und Savannah ging.

Missverständnisse, die in einem einfachen Gespräch geklärt werden könnten, werden sehr lange herausgezögert und sorgen für etwas bemühte Spannung àla "Er liebt mich nicht mehr / Sie liebt mich nicht mehr, mein Leben ist sinnlos!" Das schien mir nicht immer glaubwürdig, denn so begriffsstutzig und passiv werden eigentlich beide Protagonisten generell nicht dargestellt.

Auch in der Szene, in der Savannah das große Geheimnis eines neuen Freundes erfährt, handelt sie geradezu schmerzhaft schwer von Begriff. Die Szene soll dadurch wohl witzig sein, aber... Bei mir hat sie nur ein Kopfschütteln hervorgerufen, denn ich konnte einfach nicht glauben, dass Savannah auf einmal etwas so Offensichtliches nicht erkennen sollte.

Das Cover diesen Bandes gefällt mir etwas besser als das des ersten. Zwar ist immer noch das gleiche Mädchen zu sehen, im gleichen weißen Kleid, aber die Pose ist dynamischer. Trotzdem ist es nichts, was mich in einer Buchhandlung dazu verleitet hätte, das Buch in die Hand zu nehmen.

Zusammenfassung:
Wer den ersten Band mochte, wird sicher auch vom zweiten nicht enttäuscht werden! Man lernt endlich mehr über die Fähigkeiten der Vampire und Nachfahren und die politischen Beziehungen zwischen den beiden Gruppen, und einige Charaktere rücken in diesem Band mehr ins Rampenlicht und werden deutlich farbiger geschildert als im ersten Band.

Bewertung vom 24.08.2013
Gegen alle Regeln / Herzblut Bd.1
Darnell, Melissa

Gegen alle Regeln / Herzblut Bd.1


gut

Pro:
Meist ist es in der Romantasy ja so, dass die Protagonistin ein Mensch ist, und der unwiderstehliche Protagonist ein Vampir. Hier wird diese Rollenverteilung mal auf den Kopf gestellt, was ich eine interessante Idee fand!

Savannah war mir direkt sympathisch und sie hat mir oft richtig leid getan. Sie will doch einfach nur glücklich sein und etwas tun, was sie liebt und gut kann, nämlich tanzen! ...und sich mit dem Jungen treffen, den sie liebt, das möchte sie auch. Das ist ja wohl nicht zu viel verlangt? Stattdessen wird sie ständig überwacht, muss die Dinge aufgeben, die ihr am meisten bedeuten, darf nicht mit den Menschen befreundet sein, die ihr mal am wichtigsten waren - nur weil die zum Clann gehören... Ihre eigenen Eltern misstrauen ihrer Fähigkeit, ihre wachsenden Kräfte zu beherrschen. Savannah hält sich tapfer und tut ihr Bestes, mit der Situation klarzukommen und es allen recht zu machen, obwohl die meisten Teenager ihre Eltern schon längst zum Teufel gewünscht hätten.

Auch Tristan konnte ich (meist) gut leiden: er hat echte, tiefe Gefühle für Savannah und hat genauso mit den Ver- und Geboten seiner Familie zu kämpfen wie sie. (Ok, manchmal ist er ein kleiner Macho, der glaubt, er als starker Mann müsse das schwache, zerbrechliche Mädchen beschützen, aber auch das ist ja gut gemeint.) Seine Probleme damit, seine Energie zu kontrollieren, haben mich oft zum Grinsen gebracht!
Den Perspektivenwechsel zwischen Tristan und Savannah fand ich eine gute Idee. So hat der Leser die Möglichkeit, die Geschichte von beiden Seiten aus zu erleben und sich ein vollständiges Bild zu machen.

Der Schreibstil ist für mich irgendwo zwischen Pro und Kontra angesiedelt: er plätschert angenehm vor sich hin und gibt in glaubwürdigem Tonfall die Gedanken der beiden Jugendlichen wieder, aber das war es eben auch schon... Richtig mitgerissen hat er mich nicht, und ich war öfters versucht, die weniger aufregenden Passagen nur zu überfliegen.

Kontra:
In dem Buch passiert fast nichts außer dem ständigen Hin und Her zwischen Tristan und Savannah. Dauernd geht es um irgendwelche Missverständnisse (warum reden die beiden nicht einfach mal über sowas?), wobei sie sich manchmal auch noch unglaublich begriffsstutzig angstellen, oder um ihre ach-so-verbotene Liebe... Dazwischen gibt es endlose Schilderungen des Schulalltags und besonders der Pflichten, die Savannah als Managerin der Tanzgruppe hat. Wehwehchen verbinden, Eis holen, Tonanlage durch die Gegend schleppen, und wieder von vorn.

Ich hätte mir gewünscht, statt dessen viel mehr über die Vampire und den Clann zu erfahren, und anstelle von Savannah hätte ich auch direkt damit angefangen, alles darüber zu lernen! Erst im letzten Viertel des Buches kam für mich richtige Spannung auf, die sich dann aber zu einem ziemlichen Cliffhanger steigerte.

Savannahs Verwandlung hätte für meinen Geschmack viel ausführlicher und tiefgehender beschrieben werden können - so erfahren wir als Erstes, dass Savannahs Oberweite über Nacht anderthalb Körbchengrößen angewachsen ist, was ich jetzt nicht so interessant finde...

Abgesehen von der ungewöhnlichen Rollenverteilung ist die Geschichte nicht herrausragend originell: eine typische Romeo-und-Julie-Geschichte, die allerdings solide und ansprechend erzählt wird. Wie so oft bei Liebesgeschichten in Büchern für Teenager und junge Erwachsene zählt für Savannah schnell nur noch Tristan, und ihre besten Freundinnen sind fast schon vergessen. Auch Tristan überwirft sich direkt mit seinem besten Freund, so dass er und Savannah nur noch total auf sich fixiert sind. Dadurch bleiben die meisten Charaktere um das Liebespärchen herum eher blass, was ich sehr schade fand.

Zusammenfassung:
Das Buch ist unterhaltsam geschrieben und gut zu lesen, wenn es auch nicht viel Spannung aufbaut oder herausragend Neues bietet. Wer paranormale Romanzen ohne großartigen Tiefgang mag, sollte auf seine Kosten kommen!

Bewertung vom 19.08.2013
Das geheime Vermächtnis des Pan / Pan-Trilogie Bd.1 (eBook, ePUB)
Regnier, Sandra

Das geheime Vermächtnis des Pan / Pan-Trilogie Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Für mich lebt dieses Buch hauptsächlich von seiner Protagonistin: Felicity Morgan, die so gar nicht zum Klischee der typischen Fantasy-Heldin passt. Sie ist rundlich, hat strähniges Haar, kann sich nur alte, abgetragene Kleidung leisten und stinkt des Öfteren nach Alkohol, wenn sie mal wieder im Pub ihrer Mutter schuften musste. Ihre Familie belächelt ihre Versuche, sich etwas Besseres zu erarbeiten, und tut ihr Bestes, sie zu untergraben. Sie kam mir vor wie ein modernes Aschenputtel! Von den beliebten Mädchen der Schule, die quasi die Rolle der hochnäsigen Stiefschwestern übernehmen, wird sie abfällig "City" genannt.

Dabei ist sie durchaus intelligent und schlagfertig und hat das Zeug dazu, zu studieren und was was ihrem Leben zu machen! Dumm nur, dass es ihr am Selbstbewusstsein mangelt, das auch stolz zu zeigen... So nach und nach gewann ich jedoch den Eindruck, dass sie sich immer mehr aus der oberflächlichen Denkweise, dir ihr von den beliebten Mädchen vorgelebt wurde, befreite - anderen und sich selber gegenüber. Leider fiel sie bis zum Schluss zwischendurch dann doch immer mal wieder in extreme Selbstzweifel und fast schon Selbsthass zurück, was mir dann doch irgendwann etwas zuviel wurde. Egal, wieviel Lob und Aufmerksamkeit sie bekommt, sie sieht sich selber als die fette, doofe "City". Aber vielleicht ist das nur realistisch - sie wird an ihrer Schule schon seit Jahren gnadenlos gemobbt, und sowas kann das eigene Selbstbild grotesk verzerren.

Ihr männlicher Gegenpart, Lee, ist auf den ersten Blick ihr krasses Gegenteil. Er ist geradezu unverschämt attraktiv und weibliche Wesen jeden Alters fressen ihm praktisch aus der Hand. Er kam in seiner ersten Szene so eingebildet und arrogant rüber, dass ich gejubelt habe, als er den verdienten Dämpfer bekam! Er hat sich das Mädchen, dass ihm versprochen ist, nämlich schlank, wunderschön und beliebt vorgestellt und hat für die "Moppelige", wie er Felicity abschätzig in Gedanken nennt, nur eine Art herablassendes Mitleid über.

Er tut im Verlaufe des Buches alles, um diesen ersten Eindruck wieder auszubügeln, aber ich war mir nie sicher, wieviel davon ich im abkaufen sollte und wieviel nur gespielt war. Ich wurde nie so richtig warm mit ihm. Vielleicht kann mich Lee im nächsten Band mehr überzeugen! Noch nimmt die Romantik eher einen kleinen Teil des Buches ein.

Ich möchte hier nicht zu viel von der Handlung verraten, deswegen sei hier nur soviel gesagt: die Grundidee hinter der Geschichte ist wirklich originell und interessant! Da hätte ich nicht mit gerechnet. Allerdings kommt der Fantasy-Aspekt nur recht schleppend in Gang; ein Großteil des Buches beschäftigt sich mit Felicities Selbstzweifeln, ihrem schwierigen Leben, ihren Freunden und Feinden... Zwar gibt es zwischendurch ein paar unerklärliche Geschehnisse, die Felicity selber aber eher verdrängt oder als Fantasie abtut. Bis zu einem gewissen Punkt ist das Buch vor Allem die Geschichte eines Aschenputtels, das die Prinzessin in sich entdeckt, und dann nimmt das Ganze auf einmal in eine unerwartete Richtung Fahrt auf und bleibt danach spannend bis zum (etwas abrupten) Ende!

Ich habe den Verdacht, dass Vieles, was in diesem Band nur angedeutet wurde, in den folgenden Bänden erst erklärt werden und dann auch eine größere Rolle spielen wird, man kann also gespannt sein.

Der Schreibstil ist einfach, aber für die Altersgruppe, an die sich der Roman wahrscheinlich richtet, passend locker und oft witzig. Nur die Dialoge waren mir manchmal ein bisschen zu platt... Aber im Großen und Ganzen fand ich das Buch angenehm und flüssig zu lesen.

Das Cover gefällt mir richtig gut, ich bin nur etwas verwirrt - denn ein Mädchen mit Flügeln kommt gar nicht vor. Aber vielleicht ist das ja auch sinnbildlich zu verstehen?

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.08.2013
Retra - Insel der Schatten (eBook, ePUB)
Pierres, Marianne de

Retra - Insel der Schatten (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die Geschichte ist wahnsinnig originell: von Dystopien wird der Markt zur Zeit überschwemmt, aber ich habe noch nie eine Dystopie mit einer vergleichbaren Grundidee gelesen. Für die Jugendlichen auf Ixion scheint es zunächst eher eine Utopie zu sein, schließlich wird ihnen jeder Wunsch von den Augen abgelesen. In den Kritiken zur englischen Originalausgabe habe ich ab und an gelesen, es sei unrealistisch, dass sich die Kids keine Gedanken darüber machen, dass das Ganze einen Haken haben MUSS.

Schauen wir uns mal unsere Realität an: Anscheinend gibt es genug Jugendliche, denen man nur vorgaukeln muss, man würde ihnen einen Party-Urlaub finanzieren, und schon kann man sie zu den strengsten Eltern der Welt schicken oder sie 24 Stunden am Tag bei zutiefst peinlichem Verhalten filmen. Mehr und mehr wird uns in unserer heutigen Welt suggeriert, dass nur das eigene Vergnügen zählt und dass einem ein supertolles Leben quasi zusteht - dass da bei manchen Menschen (und nicht nur Jugendlichen!) jedes Gefühl abhanden kommt, dass jemand dafür zahlen muss, wundert mich nicht.

Genug abgeschweift! Ich hatte das Gefühl, dass dieser Roman unserer heutigen Gesellschaft den Spiegel entgegenhält. Dass wir die Geschichte ausgerechnet durch Retras Augen sehen, die den krassen Gegensatz verkörpert, machte das Ganze für mich umso interessanter. Dabei ist auch ihr Lebensstil ein ungesundes Extrem, am anderen Ende des Pegels: sie wurde von Geburt an darauf abgerichtet, die eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu verleugnen. Dadurch dauert es ein wenig, bis man als Leser ein Gefühl dafür bekommt, wer sie wirklich ist - denn auch Retra entdeckt sich gerade erst selbst. Aber ich habe schnell mit ihr mitgefiebert und ihr die Daumen gedrückt. Mehr und mehr entwickelte sich das schüchterne Mädchen zu einer starken jungen Frau, wobei es eine spannende, unerwartete Wendung gibt.

Die anderen Charaktere wurden für mich schnell lebendig und viele von ihnen habe ich richtig ins Herz geschlossen. Was für mich ein deutliches Zeichen ist, wie ansprechend und eindringlich die Autorin ihre Figuren schildert: obwohl es viele, viele Charaktere sind, konnte ich sie ohne Probleme auseinanderhalten und jederzeit geradezu vor mir sehen! Mein Lieblingscharakter ist Lenoir: er ist einer der Ripers, die die Insel kontrollieren, und er lässt sich nicht in die Schubladen "gut" oder "böse" stecken... Ich hoffe, dass er in den nächsten beiden Bänden auch eine zentrale Rolle spielen wird!

Es gibt eine Art Liebesgeschichte, die ich faszinierend fand - ich sage "eine Art", weil sie mit Romantik und zärtlichen Gefühlen erstmal wenig zu tun hat! Aber sie hat mich direkt in ihren Bann gezogen und war ein Grund dafür, warum ich einfach wissen musste, wie es in Band 2 weitergeht.

Apropros in den Bann gezogen: die Spannung baut sich von Anfang an schnell auf. Als Leser hat man direkt das Gefühl: hier muss was faul sein, das ist zu schön, um wahr zu sein. Was habe ich für wilde Theorien aufgestellt!
Ich wäre NIE darauf gekommen, um was es wirklich geht!

Der Schreibstil ist sehr dicht und spannungsgeladen und hat bei mir ein richtiges Kopfkino ausgelöst - ich würde dieses Buch wahnsinnig gerne verfilmt sehen!

Das Cover der englischen Version gefällt mir ein kleines bisschen besser als das deutsche: es passt besser zu der düsteren, abgründigen Atmosphäre, die sich im Laufe des Buches aufbaut. Aber auch das deutsche finde ich nicht schlecht: der halb schüchterne, halb herausfordernde Blick des Mädchens passt zu dem, wie ich mir Retra vorstelle.

Wer Dystopien mag, sollte dieser ungewöhnlichen Variante davon wirklich eine Chance geben - mich hat sie unterhalten, gefesselt, berührt und wollte mich nicht mehr los lassen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.08.2013
Mitternachtssonne am Fjord
Ligensa, Elfie

Mitternachtssonne am Fjord


gut

Andrea, die junge Ärztin aus Deutschland, lebt schon seit ein paar Jahren auf den idyllischen Lofoten, wo sie eine kleine Praxis leitet. Noch trauert sie heftig um ihren geliebten Mann Magnus, der vor anderthalb Jahren bei einem Segelunfall ums Leben kam; nur ihr kleiner Sohn Lars gibt ihr einen Grund, weiterzuleben. Doch da treten direkt zwei Männer in ihr Leben. Jacob, der erfolgreiche Geschäftsmann: kultiviert, interessant, spendabel. Kristian, der Schriftsteller: herzlich, naturverbunden, liebenswert - nur ist er ausgerechnet Magnus' Vetter und sieht ihm sehr ähnlich, und Andrea ist sich nicht sicher, ob sie sich wirklich von ihm angezogen fühlt oder unterbewusst nur Magnus wiederhaben will.

Ihre beste Freundin Carina beschäftigen ganz andere Dinge: ein Menschenhändlerring und Drogenschmuggler scheinen in der Gegend ihr Unwesen zu treiben, und schnell gerät auch Carinas Familie in Gefahr...

Pro:
Die große Stärke dieses Romans ist der ansprechende Schreibstil, der mühelos Szenen und Bilder vor dem Auge des Lesers entstehen lässt. Besonders die detaillierten Beschreibungen von Land und Leuten der Lofoten (und später auch Grönlands) können richtiges Fernweh hervorrufen! Ganz nebenher erfährt man viel über Landschaft, Tierwelt und Kultur... Wer das Glück hat, die Lofoten schon einmal besucht zu haben, kann in den Erinnerungen schwelgen, die dadurch erweckt werden - wer noch nicht dort war, wird vielleicht eine leise Sehnsucht in sich entdecken, das nachzuholen!

Andrea ist eine Hauptfigur, mit der man leicht mitfühlen kann, da man viel über ihr Seelenleben erfährt: die Trauer um ihren Mann Magnus, die Liebe zu ihrem Sohn Lars, die Freundschaft zu den diversen, zum Teil schrulligen Menschen, die im Einzugsgebiet der Praxis leben... Die Unsicherheit, was ihre Gefühle für Jacob und Christian betrifft. Auch viele der Nebencharaktere, wie z.B. der alte Arzt, von dem sie die Praxis übernommen hat, sind liebenswert und ich habe gerne über sie gelesen.

Kontra:
Cover und Klappentext könnten zu verschiedenen Büchern gehören. Das Cover verspricht leichte Sommerlektüre, dagegen der Klappentext... Der Klappentext verrät einerseits leider schon viel zu viel und ist andererseits irreführend. Von abgründigen Seiten und großer Gefahr ist da die Rede... Dadurch gewinnt man leicht den Eindruck, es handle sich hier um einen Krimi oder Thriller. Und - stimmt das? Ein klares Jein. Damit kommen wir auch schon zu meinem größten Problem mit diesem Buch: es kann sich nicht so recht für ein Genre entscheiden. Ein bisschen Liebesgeschichte, ein bisschen Krimi, ein Hauch Übersinnliches... Dabei hatte ich immer das Gefühl, dass alle Genres nur oberflächlich und kraftlos bedient wurden - so fehlt der Krimihandlung leider völlig die Spannung, was nur zum Teil daran liegt, dass der Klappentext einem den "Bösen" quasi auf dem Tablett serviert. Auch im Buch wird schnell klar, was hinter den Kulissen vor sich geht, und danach wartet man eigentlich nur noch darauf, dass auch Andrea und Carina herausfinden, was man als Leser schon lange weiß. Spannende Ansätze - wie eine Kindesentführung -, verlaufen einfach im Sand.

Dieser Genremix hätte eine originelle, kraftvolle Mischung ergeben können, das Potential wurde meiner Meinung nach aber größtenteils verschenkt.

Obwohl ich Andrea als Charakter sehr gerne mochte, fand ich ihr Verhalten gegenüber Jacob merkwürdig unentschlossen und passiv, was zu ihrem Wesen nicht so recht zu passen scheint. Mir schien es so, dass das nur dazu diente, einen Strang der Handlung, der ohnehin sein Leben schon ausgehaucht hatte, noch weiter auszudehnen.

Zusammenfassung:
Wer einen spannenden Krimi oder einen abgründigen Thriller lesen möchte, sollte lieber zu einem anderen Buch greifen. Wer sich dagegen ein bisschen Appetit aufs Reisen machen möchte, per Kopfkino in die Ferne schweifen, ist hier wahrscheinlich gut bedient. Auch die Liebesgeschichte ist ansprechend.