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sommerlese
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Zu meinen Hobbies gehört Lesen einfach dazu. Meine Rezensionen erscheinen auch auf meinem Blog. Schaut doch bei Interesse mal rein! https://sommerlese.blogspot.com/
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Insgesamt 2519 Bewertungen
Bewertung vom 14.09.2021
Ein neuer Morgen / Die Schwestern vom Ku'damm Bd.4
Riebe, Brigitte

Ein neuer Morgen / Die Schwestern vom Ku'damm Bd.4


ausgezeichnet

Wunderbares Buch über die Swinging Sixties

Berlin 1966: Der wirtschaftliche Aufschwung weckt einen neuen Zeitge. Das macht sich auch im geteilten Berlin bemerkbar, die Gesellschaft verändert sich, die Jugend geht auf die Straße, der Musikstil und die Mode ändern sich gewaltig, es gibt laute Beats und kurze Miniröcke in knallbunten Farben. Auch die Schwestern Thalheim möchten diesen Mode-Trend anbieten, jetzt gilt es, ihren rückständigen Vater zu überzeugen. Wie schon ihre Mutter Ruth ist nun auch Miriam Feldmann Chefdesignerin im Modekaufhaus. Ihrer kleine Familie bekommt unerwarteten Zuwachs, wie wird Adoptivtochter Jenny darauf reagieren?


Die Töchter von Friedrich Thalheim heißen Silvie, Rike, Flori und Miri und halten seit Jahren dem Modehaus der Familie die Treue. Dabei wünschte sich der Patriarch Friedrich eigentlich einen Sohn. Im vierten Band der Reihe stellt Brigitte Riebe nun Miriam Feldmann in den Mittelpunkt, sie wurde als uneheliche Tochter von Friedrich Thalheim in der Familie aufgenommen und arbeitet nun als Chefdesignerin im Kaufhaus. Sie kennt die neuen Modetrends, nun muss sie Friedrich davon überzeugen, die Wünsche der Frauen nach Minikleidern und schreienden Farben auch anzubieten. Sie ist glücklich mit ihrem Mann und ihrer adoptierten Tochter Jenny, als sie mit über 40 ihr erstes leibliches Kind erwartet, stellt das ihr Leben auf den Kopf. Und sie trifft nach langer Zeit auf einen Mann, den sie aus der Kriegszeit kennt.

Auf diesen Band habe ich schon hingefiebert, als ich erfuhr, das sich ein weiterer Teil der geplanten Trilogie anschließen würde.

Der Roman spielt zwischen 1966 - 1971. Im Prolog blicken wir zurück ins Jahr 1933, Miriam wuchs als Kind einer jüdischen Angestellten der Thalheims auf, 33 Jahre später ist sie anerkanntes Mitglied der Familie. Sie arbeitet im Modehaus und hat mit dem Restaurantbesitzer Schani und Adoptivtochter Jenny ihr großes Glück gefunden. Doch es ziehen auch dunkle Wolken über Miris Leben, denn wir erfahren Dinge aus der Vergangenheit, die sie wieder einholt, als sie einen alten Bekannten wiedertrifft. Lange Zeit musste sie sich unter dem Naziregime auf entlegenen Bauernhöfen oder in Lauben verstecken, immer mit der Angst im Nacken, entdeckt und deportiert zu werden. Nun hat die starke Miri aber ganz andere Probleme, ihr Baby ist ein Schreikind und raubt ihr den letzten Nerv und ihre Tochter Jenny reagiert mit trotziger Eifersucht und rebelliert. Sie trifft einen alten Bekannten wieder, der sie wieder erdet und langsam kann sie ihrer Familie von diesen schrecklichen Erlebnissen erzählen. So vielseitig die Charaktere der Familie auch sein mögen, am Ende halten sie zusammen.

Brigitte Riebe kann einfach wunderbar schreiben und bringt flüssig, bildhaft anschaulich und mit viel historischem Hintergrund die Erlebnisse der Thalheims, das Alltagsleben und die Modewelt und Musikszene auf den Punkt, sodaß man direkt in die Zeit eintauchen kann und die Umbrüche der Zeit miterlebt. Die politischen Vorgänge und Veränderungen werden auch bei den Thalheims diskutiert, wie die Studentenbewegung, der Abtreibungsparagraf 218 und die Reformierung des Nichtehelichenrechts. Sehr interessant ist nebenbei gesagt auch der chronologische Abspann der Ereignisse in Berlin und der Welt zwischen 1966 und 1971. Die wichtigsten Ereignisse der Zeit hat man hier noch einmal wunderbar zusammengefasst vor Augen.


Ein wunderbares Lesevergnügen, das die Umbrüche der Zeit nachfühlbar beschreibt und den Kreis um die vier Schwestern nun abschließt. Über einen Folgeband der Kindeskinder freuen. Dieser Roman zeigt das Leben in den Swinging Sixties mit Politik, Modetrends und Musikgeschmack.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.09.2021
Der Zug der Nonnengänse
Michels, Franka

Der Zug der Nonnengänse


ausgezeichnet

Ein berührender Roman über das Leben und die Kraft der Natur

Auf der Nordseeinsel Langeoog ist die Rückkehr der Nonnengänse ein besonderes Naturspektakel und darauf freut sich die 60-jährige Amelie jedes Jahr wieder. Die Natur des Wattenmeers ist für sie ein Ruhepol, ihre Spaziergänge spenden ihr Kraft und Trost, selbst jetzt, wo sie weiß, dass sie nicht mehr lange zu leben hat. Eine Sache möchte sie noch in Ordnung bringen, doch sie weiß noch nicht wie...

Bente ist aus ihrer Ehe geflohen und sucht auf der Insel nach Antworten. Amelie versteht Bentes Zerrissenheit aus eigener Erfahrung, zwischen ihnen entwickelt sich eine Freundschaft.

Auf Langeoog lernen sich Amelie und Bente kennen, beide machen sich Gedanken über das wahre Glück im Leben. Vieles an Bente erinnert Amelie an sich selbst im gleichen Alter. Auch sie stand an einem Punkt im Leben, wo sie nicht weiter wußte. Die gemeinsamen Gespräche und Spaziergänge auf der Insel schweißen beide Frauen zusammen. Man bekommt das Gefühl, sie könnten Mutter und Tochter sein. Beide interessieren sich für die Natur des Watts, begeistern sich für Zugvögel und schauen den vorbeifliegenden Nonnengänsen zu, die auf Langeoog in ihr Winterquartier ziehen. Amelie beeindruckt an diesen Tieren ihr besonders ausgeprägtes Sozialverhalten, was ihr bei manchen Menschen schmerzlich gefehlt hat.

Diesen berührenden und unterhaltsamen Roman habe ich gern gelesen, ein flüssiger und angenehmer Erzählstil bringt uns die Gefühle und Gedanken der Frauen näher und lässt noch Platz für bildhafte Beschreibungen der Natur und der Vogelwelt. Man wird stiller Beobachter der Frauenfreundschaft und der Natur und erlebt die Momente von Traurigkeit und innerer Zufriedenheit, die ihnen die Natur schenkt.

Mit großer menschlicher Beobachtungsgabe hat Franka Michels die Frauenfiguren charakterlich ausgeschmückt und ihnen Leben eingehaucht. Man fühlt von Anfang bis Ende mit ihnen und erlebt ihre Sorgen und Nöte mit. Diese Lektüre erfragt, welche Situationen uns im Leben verzweifeln lassen und welche Entscheidungen und Wege wohl die richtigen sind für ein erfülltes und glückliches Leben. Es hat mich berührt und beeindruckt wie Amelie mit ihrer Krankheit umging und wie beide Frauen aneinander und in der Natur Halt finden. Und auch die immer wieder eingebauten Vogelbeobachtungen waren nach meinem Geschmack. Die schönen Naturbeschreibungen sorgen für eine tolle Atmosphäre vom Leben auf der Insel und runden die Geschichte gekonnt ab. Man möchte am liebsten selbst vor Ort sein und die Zugvögel beobachten.

Ein wunderbar berührender Roman über das Leben, die Liebe und den Tod und den immer wiederkehrenden Kreislauf der Natur.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.09.2021
Erobere mich im Sturm
Kinsella, Sophie

Erobere mich im Sturm


sehr gut

Diese charmante Geschichte sorgt für gute Unterhaltung

Ava hat die Nase voll von Online-Dates mit merkwürdigen Männern. Bei einem Schreibkurs in einem Kloster in Apulien will sie mal ohne Ablenkung an ihrem Roman weiterschreiben. Doch dann lernt sie Dutch kennen und beide verlieben sich ineinander. Es ist die schönste Woche ihres Lebens, doch nach dieser Zeit stellt sich die Frage, ob diese Liebe eine Aussicht hat. Erst dann erfahren Ava und Dutch mehr voneinander, denn über private Details wurde im Kurs nicht gesprochen. Dutch heißt Matt Warwick, trägt Anzug und arbeitet im Familienunternehmen. Schade, dabei hatte Ava ihn mehr für einen Tischler gehalten. Aber vielleicht klappt es mit der Liebe trotzdem...

Diesem Liebesroman kann man dank des flüssigen und humorvollen Erzählstil Sophie Kinsellas wunderbar folgen und sich gut in die Protagonisten hineinversetzen. Mit Ava habe ich so meine Schwierigkeiten, aber im Großen und Ganzen hat sie das Herz am rechten Fleck. Die vielfältigen Nebencharaktere sorgen mit ihren Ecken und Kanten für eine abwechslungsreiche Handlung, es gibt liebenswerte wie Nell und Maud und nervige wie Genevieve, die mit ihrer Zickerei für ziemliche Aufregung und Gefühlschaos bei Ava sorgt. Das verleiht der Geschichte die nötige Spannung und Würze. Auch wenn man sich der Gefühle zwischen Ava und Matt sicher ist, sind die Bedingungen nicht gerade positiv. Es bleibt also spannend, wie alles endet. Außerdem gibt es immer wieder lustige Szenen, die bildhaft im Kopfkino ablaufen und mich sehr amüsiert haben.
Sophie Kinsellas Bücher mag man entweder oder auch nicht. Bisher war ich eher letzterer Ansicht, aber dieses Buch habe ich richtig gern gelesen. Nichts Ernstes, dafür eine leichte und humorvolle Liebesgeschichte, bei der man gerne dabei ist. Leichte Unterhaltung kann auch gute Unterhaltung sein!

Dieses Buch ist leicht und flüssig zu lesen, hat Humor und eine zwar etwas vorhersehbare Liebesgeschichte, die aber dennoch schön zu lesen ist. Wer gerne leichte Lektüre zum Abschalten und Entspannen sucht, ist hiermit gut bedient. Ich empfehle dieses Buch für die Gartenliege oder das Sofa und vergebe 3,5 Sterne, die ich auf 4 aufrunde.

Ein schöner Roman ohne Tiefgang, dafür aber mit viel Humor und einer schönen und unterhaltsamen Liebesgeschichte. Das richtige Buch zum Abschalten!

Bewertung vom 09.09.2021
Der Weg nach Hause
Lundberg, Sofia

Der Weg nach Hause


sehr gut

Das starke Band der Freundschaft

Die achtzigjährigeViola ist mit ihrem Leben zufrieden und lebt umgeben von ihren Kindern, Enkeln und Urenkeln glücklich auf Gotland. Nur ihre frühere Kinder- und Jugendfreundin Lilly vermisst sie auch nach Jahrzehnten von Lillys Weggang aus Schweden noch sehr schmerzlich. Sie denkt häufig an ihre gemeinsame Zeit. Bis eines Tages Lilly bei Viola anruft und sich bei ihr verabschiedet, weil sie sterben wird. Viola möchte Lilly unbedingt noch wiedersehen und fliegt mit Tochter und Enkelin nach Paris, um Lilly zu suchen. Eine Reise in die Vergangenheit beginnt.

Nach Lundbergs Büchern "Das rote Adressbuch" und "Ein halbes Herz"musste ich ihren neuen Roman unbedingt lesen. Ich wurde auf eine bewegende Zeitreise in die Vergangenheit mitgenommen, die aber erst mit den aktuellen Erlebnissen zu einer runden Sache wird. Hier schließt sich ein Kreis, der durch Lillys Wegzug aus der schwedischen Heimat zerbrochen wurde.

Die Geschichte der Freundinnen Viola und Lilly erzählt Sofia Lundberg in zwei Handlungssträngen. Einer führt in die Vergangenheit, beginnend am 12. August 1948 und zeigt die folgenden Jahre am gleichen Tag, der andere Handlungsstrang beschreibt das Leben der verwitweten Viola im Jahr 2019.
Dieser 12. August hat eine besondere Bedeutung für die beiden Frauen, an diesem Tag hat sich vieles in ihren Leben verändert.

Viola und Lilly sind seit ihrer Kindheit beste Freundinnen und wachsen wie Geschwister auf. Während Viola eine Ausbildung zur Sekretärin machen kann, hat Lilly keine Ausbildung. Sie stammt aus einer kinderreichen Familie, verliert früh ihre Mutter und muss in einem Restaurant für den Unterhalt ihrer Familie arbeiten. Sie träumt davon, dort als Sängerin auftreten zu können. Schliesslich trennen sich die Wege der Freundinnen, doch im Innersten bleiben sie sich verbunden.

Sehr detailreich erleben wir die schöne, gemeinsame Jugendzeit auf dem Land in Schweden, Viola verliebt sich in Alvin, Lillys Bruder, doch die Eltern sind gegen diese Beziehung. Viola hat kleine Gesangs-Erfolge und träumt von einer Karriere auf den großen Bühnen. Dieses Ziel kann sie verwirklichen, aber der Preis dafür ist hoch, Fremdbestimmung und Einsamkeit muss sie dafür erdulden.

Ihre Charaktere füllt Sofia Lundberg mit Leben, sie wirken sehr authentisch und man kann ihren Werdegang gut nachvollziehen. Man kommt Viola mit ihrem Familienleben und Lilly durch die erlittenen Schicksalsschläge und Einschnitte in ihrem Leben als Sängerin sehr nah. Diese Momente bringen eine melancholische Grundstimmung mit sich, ganz anders wirkt dagegen die Beschreibung der Reise nach Paris. Hier erleben wir Viola in einer aufgeregten, aber zufriedenen Stimmung mit ihrer Familie, die alles dafür tut, um ihr den Wunsch nach einem Wiedersehen mit Lilly zu ermöglichen.

Bei diesem Roman hat mich das Band der Freundschaft der Frauen am meisten interessiert. In der Jugend waren sie ein Herz und eine Seele, doch was hat Lilly veranlasst, aus Schweden wegzuziehen? Das Rätsel war für mich recht leicht zu durchschauen, dadurch litt die Spannung etwas. Aber warum hat Lilly nie wieder ihre schwedische Heimat aufgesucht? Wahrscheinlich hatte sie Angst vor der Wahrheit. Erst zum vermeintlichen Ende ihres Lebens bringt sie den nötigen Mut auf.

Mir gefällt die Erzählweise, die berührende Frauenfreundschaft und die familiäre Bindung in Violas Familie. Etwas übertrieben finde ich die Tatsache, was alles an diesem einen 12.8.2019 stattgefunden haben soll. Hier hätte man von der Ein-Tag-Beschreibung abweichen sollen.

Ich habe diese unterhaltsame Zeitreise sehr genossen und die berührenden Erlebnisse interessiert verfolgt. Sofia Lundberg sorgt wie immer für eine gute Unterhaltung.

Bewertung vom 06.09.2021
Für immer und ein Wort
Sanders, Anne

Für immer und ein Wort


gut

Konnte mich leider nicht mitreißen

Annie reist zur Hochzeit ihres Exmannes nach Dartmoor und ist tief getroffen von ihrem Gefühlschaos. Was hat sie sich bloß dabei gedacht, an dieser Trauung teilzunehmen? Um wieder Ruhe in ihre aufgewühlten Gedanken zu bekommen verbringt sie ein paar Tage mit ihrer Freundin Hoola in der schönen Natur und findet bei einer Wanderung in einer Letterbox ein Notizbuch, dessen Inhalt sie sehr berührt. Denn Annie ist eine Literaturmaus, sie liebt Worte und Sprache und verliebt sich quasi in diese Worte und möchte den Autor unbedingt kennenlernen.

Enthält Spoiler! Tut mir leid!

Es gibt Worte die emotional berühren, die voller Liebe, aber auch voller verletzter Gefühle, Enttäuschung und Traurigkeit sind. So wie die tagebuchartigen Einträge in den Buch, das Annie in einer Letter-Box entdeckt und mitgenommen hat. Sie ist von den in der Zeilen versteckten Gefühlen und Gedanken ergriffen, fühlt sich verstanden. Diese Texte muss jemand verfasst haben, der wie Annie fühlt und denkt und auch die Höhen und Tiefen der Liebe mitgemacht hat. Deshalb möchte sie den Verfasser unbedingt kennenlernen und sie trifft ihn, es ist Jack. Es entwickelt sich eine wendungsreiche Geschichte, die Gefühle Annies fahren Achterbahn und mit Jack lernen wir einen Mann kennen, dessen Gedanken um den schrecklichen Verlust seines jüngeren Bruders Leo kreisen. Er trifft Annie und verliebt sich in sie, doch kann sie seine Gefühle erwidern?

Die Idee hinter der Geschichte ist einfach wunderschön und auch die Ausarbeitung durch Briefwechsel und lebendigem Alltagsleben ist Anne Sanders sehr einfühlsam und mit gedanklicher Tiefe gelungen. Besonders der Anfang und die Essenseinladung bei ihren Eltern haben mir sehr gut gefallen. Im weiteren Verlauf der Handlung wurde mir zu meinem Bedauern leider klar, dieser Roman ist nicht mein Fall. Mir war es zuviel Gefühlsachterbahn, fehlende Romantik und zuwenig positive Stimmung. Doch was mich am meisten gestört hat ist die 35-jährige Protagonistin, die nachdem sie von ihrem Mann verlassen wird, wie ein liebestoller Teenie zu seiner nächsten Hochzeit anreist und sich später wieder mit ihm einlässt. Solche Figuren können mich leider nicht erreichen und ich kann ihr Handeln auch nicht nachvollziehen.

Anne Sanders kann sehr schön schreiben, daran gibt es gar keine Frage. Wer sich gerne in Liebesgeschichten verliert, wird dieses Buch vielleicht mögen. Es gibt einige Wendungen, die der Story spannende Momente verleihen und es gibt schöne Textpassagen aus dem Notizbuch, die für gefühlvolle Stimmung sorgen. Mich hat es leider nicht erreicht.

Bewertung vom 04.09.2021
Barbara stirbt nicht
Bronsky, Alina

Barbara stirbt nicht


ausgezeichnet

Walter wird Hausmann
Das Ehepaar Schmidt ist seit Jahrzehnten verheiratet, Walter ist ein Mann vom alten Schlag, er lässt sich von Barbara rund um die Uhr bedienen. Sie ist für den Haushalt, die Küche und den Garten zuständig und als sie ihre Aufgaben nicht mehr wahrnehmen kann, bricht für ihn eine große Veränderung an.

Bei Alina Bronskys Büchern mag ich ihre wunderbare menschliche Beobachtungsgabe, den trockenen Witz und ihre treffend gezeichneten Charakterdarstellungen. Mit dieser Geschichte konnte sie mich wieder überzeugen, das Buch habe ich an einem Tag verschlungen.

Alina Bronskys Protagonist Walter ist ein ein ignoranter und schrulliger Mann, schroffe Antworten sind seine Spezialität. Er ist das Bild eines selbstgefälligen und unangenehmen Menschen, der nie im Leben für die Hausarbeit zuständig war. Man merkt schnell, Walter ist mit der Situation überfordert und will es nicht wahrhaben, dass seine Frau Barbara krank sein könnte. "Sie muss nur etwas essen", so tröstet er sich und hofft, dass sie bald wieder ihren Pflichten nachgehen wird. Also versucht er sich an verschiedenen Rezepten eines Fernsehkochs. Doch Barbaras Zustand wird immer schlechter. Seine Kinder versuchen ihn zur Einstellung einer Haushaltshilfe zu überreden, doch das lehnt Walter ab, seine Frau duldet keine weitere Frau im Haus. Hier könnte man ihm böswilligerweise unterstellen, das das wohl eher sein Wunsch wäre. Als Barbara immer schwächer wird, merkt Walter, der früher stets seine Wünsche vor die seiner Frau gestellt hat, was er an ihr hatte und ändert sich langsam, aber allmählich. Er lässt sich auf Neues ein, lernt Kochen und nimmt die Hausmannrolle an. Man freut sich mit seinen Back- und Kocherfolgen und muss häufig schmunzeln, auch wenn Barbaras Zustand eigentlich ernst ist. Aber man kann durchaus feststellen, Walter lernt dazu, wird einsichtiger und damit auch liebenswürdiger.

Der Erzählstil ist einfach wunderbar, Alina Bronsky verbindet ein wenig bissigen Humor, eine schrullige Klischeefigur und ihre besondere Beobachtungsgabe für das Menschliche zu einer in die Tiefe gehenden Geschichte, die einfach berührt. Sie zeigt die Bedeutung und schwere Verantwortung in Bezug auf Pflege und Abschied. Sie zeigt die Menschen, wie sie im Alter mit Veränderungen zu kämpfen haben. Ihr Held Walter hat so eine Veränderung geschafft, zu Beginn des Buches war er ein ablehnender und schrecklicher Mensch, am Ende hat er sich auf seine neue Rolle eingelassen und es wird deutlich, unter der rauhen Schale steckt ein weicher Kern.

"Barbara stirbt nicht" ist ein echter Lesegenuss über menschliches Verhalten. Das Buch zeigt, dass es für das Ablegen alter Gewohnheiten oder Ansichten nie zu spät ist. Der Blick auf menschliche Charakterzüge ist der Autorin auf wunderbare Weise gelungen.

Bewertung vom 03.09.2021
Die Gewürz-Apotheke
Ferrari, Christine

Die Gewürz-Apotheke


ausgezeichnet

Gesundheit und Wohlbefinden durch die Kraft der Kräuter

In ihrem Ratgeber stellt Christine Ferrari 20 Gewürze bzw. Heilpflanzen mit ihren Inhaltsstoffen und ihrer Heilwirkung vor, sowie einfache Rezepte aus der orientalischen Heilkunde. Von den Berbern lernte sie ihr traditionelles Wissen über Naturmedizin und lässt uns in Wort und Bild daran teilhaben.

Ihren Lebenstraum erfüllte sich Christine Ferrari in Marokko mit einer Farm für den Anbau von Safran und Kräutern und sie betreibt zusätzlich einem botanischen Garten. Sie wollte ein Leben in der Natur führen und beschäftigt auf ihrer Farm Berberinnen, die den kostbaren Safran anbauen und ernten.

Das Heilwissen der Berber und des Orients wurde überwiegend mündlich weitergetragen, Christine Ferrari hat dieses Wissen kompakt zusammengefasst und erklärt, wie Kreuzkümmel, Minze und Ingwer wirken. Sehr informativ zeigt sie aber auch Pflanzen, die man nicht dem orientalischen Raum zuordnet, und was Duftgeranie, Rose, Weihrauch vermögen. Gewürznelke, Pfeffer, Olive und Thymian gehören ebenfalls zu den vorgestellten Gewürzen.

Die Heilrezepte wirken ganzheitlich, z.B. bei Verdauungsproblemen, Rückenschmerzen und Erkältungen. Mit Kräutern lassen sich aber auch Gewürzsirup und wohltuende Körperpflegeprodukte herstellen. Arganöl, Henna und Aloe Vera haben ihre besondere Pflegewirkung und sind in der Kosmetikbranche nicht wegzudenken.

Was kann die Pflanzenheilkunde und warum sind Gewürze so gesund? Die Antwort liegt in ihren natürlichen Inhaltsstoffen und Vitaminen, sie sind wichtige Bestandteile der ganzheitlichen Ernährung.

Sehr interessant erklärt Christine Ferrari welche Heilkräfte den verschiedenen Pflanzen zuzuordnen sind. Mit Tees, Tinkturen, Cremes gegen Kopf- und Zahnschmerzen, Hauptprobleme, als Hilfe bei Frauenleiden oder zur Stärkung des Immunssystem, für jedes Problem gibt es die passende Lösung auf Gewürzbasis. Die farbigen und detailreichen Bilder sind eine Augenweide, die gut verständlich gemachten Informationen sind in einzelne Sequenzen unterteilt, sodaß man beim Lesen nicht überfordert wird. Die Tipps sind sehr umfangreich, ein übersichtliches Inhaltsverzeichnis erleichtert das Nachschlagen und die Suche nach bestimmten Anwendungsgebieten.

Wer sich für die Welt der Gewürze interessiert, findet hier umfangreiches Wissen mit praktischen Rezeptvorschlägen, die Gesundheit, Schönheit oder oder die Küche betreffen und die man durchaus mal ausprobieren sollte. Eine eigene Gewürzapotheke lässt sich nach diesem Buch perfekt auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten zusammenstellen.

Bewertung vom 02.09.2021
Sternflüstern
Carlin, Paula

Sternflüstern


sehr gut

Die Kunst zu trauern
Die 56-jährige Künstlerin Irith leidet sehr am Verlust ihres Freundes Lunis, noch immer meint sie seine Stimme zu hören. Die Trauergefühle verdrängt sie und lenkt sich mit der Arbeit im Hotel ab. Plötzlich taucht die junge Sophie bei ihr auf, sie verkauft ungewöhnliche Bilderrahmen. Die gemeinsame Vorliebe für die Kunst lässt die Frauen schließlich gemeinsam an einem Wandmosaik arbeiten. Und dann soll Irith einer gewissen Alix ein Päckchen überreichen. Welche Rolle spielte Alix in Lunis Leben?

"All diese vergänglichen und kostbaren und niemals selbstverständlichen Geschehnisse, die zu einem Miteinander gehören..." Zitat Seite 107

Sternflüstern beschreibt die Geschichte eines Neuanfangs und das Treffen dreier Frauen, die durch ihre Trauer um einen Mann miteinander verbunden sind. Hauptfigur Irith ist eine sympathische Frau, die in ihrer Arbeit versucht, ihre Trauer zu vergessen. Die Frauenfiguren wirken sehr authentisch und man taucht nah in deren Gefühlswelt ein. Insgesamt hat sich die erste Hälfte des Buches etwas gezogen, erst ab der Mitte wurde durch die Hintergründe der Personen wieder mehr Spannung erzeugt.

Der Roman beschreibt die Trauerbewältigung und geht mit melancholischer Sprache ans Herz. Sprachlich ist dieser Roman ein echter Genuß, malerisch und bildgewaltig wird man hier in eine Szenerie versetzt und von poetischen Phrasen und Metaphern erfüllt, die man immer etwas auf sich wirken lassen muss. Es ist kein Buch, das man mal eben schnell verschlingt, hier kommt es auf das Einfühlen und Auf-Sich-Wirken-Lassen an.

Für alle, die sich jetzt fragen: Was ist Sternflüstern? Möchte ich diese Stelle gerne zitieren, die vielleicht dem ein oder anderen Lust auf den Roman macht.

"Sternflüstern ist der Moment, wo man während einer Begegnung den lichterfüllten, klaren Zauber des Lebendigseins fühlt. " Zitat Seite 107

Ich wurde unweigerlich in eine interessante Geschichte hineingezogen, die die Erlebnisse der drei Frauen nach und nach offenbahrt. Durch ihre Begegnung und das Interesse für die Kunst bildet sich so etwas wie Gemeinschaftsinn und es eröffnen sich ihnen neue Wege und Perspektiven, die dem Leben neuen Sinn geben. Manche Menschen finden diesen Sinn oder innere Ruhe in der Natur und genauso war ich von den Gartenbeschreibungen auch sehr erfüllt.

Ein wunderschön geschriebener Roman über den Verlust und das Kennenlernen anderer Menschen, gemeinschaftliche Interessen und die Hoffnung, das das Leben nach Tiefschlägen immer wieder lebenswert ist.

Bewertung vom 31.08.2021
Freunde sind das Funkeln in der Nacht
Ratanavanh, Seng Soun

Freunde sind das Funkeln in der Nacht


sehr gut

Ein Buch gegen die nächtliche Angst

Es ist schon längst Schlafenszeit und Kaspar liegt bereits im Bett, doch er kann nicht einschlafen. Er ist ganz allein, merkwürdige Geräusche halten ihn wach und was sind das für komische Schatten im Zimmer? Gibt es eigentlich wirklich Monster? Wenn er doch nur jetzt einen Freund bei sich hätte. Wie durch Zauberei erscheint plötzlich eine kleine Maus und hilft Kaspar bei seiner Suche nach einem Freund.

Kaspar liegt im Bett und möchte schlafen, doch die Angst vor der Dunkelheit hält ihn wach. Er wünscht sich, es wäre ein Freund bei ihm. Da erscheint plötzlich die kleine Maus Anna und gemeinsam wandern sie durch das Haus. Sie treffen auf merkwürdige Bewohner, die sich Kaspar und Anna anschließen. Auch sie plagen einige Sorgen, doch sie helfen sich gegenseitig und am Ende haben sie die Angst völlig vergessen.

Insgesamt ist die Geschichte sehr niedlich gemacht, die vielen Bewohner des Hauses sind etwas sonderbare, aber im Grunde sehr liebenswerte Tiere, sie alle begleiten Kaspar in der Nacht und machen sie zu etwas Besonderem, sodaß er seine Angst völlig vergisst.

Vor allem die Bilder sind eine echte Augenweide, ein farbenfrohes Feuerwerk mit fantasievollen Figuren, das man sich sehr gerne ansieht. Es gibt viele Kleinigkeiten zu entdecken, die man auch beim wiederholten Male Vorlesen neu aufspüren kann. Mit reichlich Fantasie werden Kinder in eine wunderbare Welt geführt, die die nächtliche Dunkelheit in strahlendem Glanz erscheinen lässt. Es gibt Glühwürmchen, eine bunte Wiese mit klavierspielendem Hasen, einen Pinguin, der Angst vor Wasser hat, einen Pandabären, der Federball spielt und ein kleines Schweinchen. Diese Figuren sorgen für unterhaltsame Abwechslung, auch bei Kaspar, denn die gemeinsamen Erlebnisse machen ihn ziemlich müde und so gehen sie alle ins Bett.

So schön die Illustrationen auch ausgestaltet sind, die sprachliche Umsetzung erscheint mir für Kinder ab 4 Jahren etwas zu hoch gegriffen, wie beispielsweise beim Begriff "Hüterin der Bibliothek". Für die englische Buch-Ausgabe gibt es eine Altersempfehlung zwischen 5-8 Jahren, die mir sinnvoller erscheint.

Dieses Buch zeigt ein buntes Abenteuer in der Nacht, das mit wundervollen Figuren die Nacht mit Farbe füllt, zum Staunen einlädt und zeigt, dass die Freundschaft das Allerbeste ist, was einem passieren kann.

Bewertung vom 30.08.2021
Eine Familie in Berlin - Paulas Liebe / Die große Berlin-Familiensaga Bd.1
Renk, Ulrike

Eine Familie in Berlin - Paulas Liebe / Die große Berlin-Familiensaga Bd.1


sehr gut

Eine literarisch gelebte Liebe
Der biografisch angehauchte Roman "Eine Familie in Berlin - Paulas Liebe" von Ulrike Renk ist der Auftaktband einer Familien-Saga aus dem Aufbau Verlag.

Berlin, Ende des 19 Jahrhunderts. Paula Oppenheimer wächst mit mehreren Geschwistern als Tochter eines Rabbiners auf. Geld ist in dieser Familie eher knapp, das Gehalt für Rabbiner ist nicht viel und so verdient sich die Familie mit der Vermietung von Zimmern ein zusätzliches Einkommen. Paula wird als Gesellschafterin zu ihrer reichen Tante Auguste geschickt, dort kann sie ihr Klavierspiel verbessern und lernt einiges über Literatur und die Künste. Durch ihren Bruder Franz lernt Paula den jungen Dichter Richard Dehmel kennen und sie verlieben sich. Leider erscheint er ihren Eltern ohne feste Anstellung nicht standesgemäß. Doch Paula glaubt den Warnungen ihrer Eltern nicht und steht zu ihrer großen Liebe, als Muse scheint sie alles vollbringen zu können. Doch wird sie mit Richard glücklich?

Dieser Roman beschreibt das Leben von Paula Oppenheimer (1862-1918), einer deutschen Schriftstellerin und Schwester von Franz und Carl Oppenheimer, die von 1889-1900 mit dem Dichter Richard Dehmel verheiratet war.
Bei diesem Roman taucht man sofot in eine andere Zeit ein. Es zeigt die Lebensgewohnheiten der Epoche, als Dienstmädchen für höhergestellte Familien den Haushalt führten und ein Mann eine feste Anstellung haben musste, um eine Frau zu ehelichen. Dieses Zeitgefühl erschafft Ulrike Renk erzählerisch ganz wunderbar, sie gibt der Geschichte eine ruhige und sehr ins Detail gehende Tiefe, die mit poetischen Dialogen und Briefen den Zeitgeist heraufbeschwört. Dabei habe ich die teilweise pathetischen Phrasen in Paulas und Richards Briefen zwar bewundert, es war mir aber auf Dauer auch etwas zuviel des Guten.

Wir lernen Paula kennen und tauchen in ihre Welt der Literatur und des Klavierspiels ein. Sie hat eine angeschlagene Gesundheit, erlebt eine wunderbare Zeit bei ihrer Tante Auguste und ihre Familie lebt die jüdischen Traditionen. Als Paula ihren Eltern ihre Liebe zu Richard gesteht, sind sie dagegen, ein mittelloser Mann ohne feste Anstellung ist nicht nach ihrem Wunsch. Doch Paula ist sehr selbstbewusst und steht zu ihren Gefühlen, sie macht sich Gedanken über ihre Zukunft und kann sich dennoch eine glückliche Ehe vorstellen.

Der Roman zeigt in erster Linie Paulas Lebensweg und erst im letzten Drittel enthüllt er die zarte Liebesgeschichte, in der Paula sich als Richards Muse sieht und von Liebesbriefen überhäuft wird. Hauptsächlich zeigt der Roman aber die Lebensumstände dieser Zeit, um die Ausbildung von Frauen, Paula hätte gern studiert, das war aber damals noch unüblich. Ihre Begabung und Liebe für Verse und Reime hat sich schon früh gezeigt, erst sehr viel später kam sie dann zum Schreiben.

Ulrike Renk beschreibt Paula als starke Frauenfigur, eine, die durch ihre Krankheit kein leichtes Leben hatte und dennoch Illusionen und Träume in ihr Leben ließ und am Ende doch kein dauerhaftes Glück in ihrer Ehe fand. Ein Leben, was sich als Romanfigur nahezu anbietet.

Mir hat der flüssige, detailfreudige und etwas ausufernde Schreibstil gut gefallen, die Briefe sind teilweise den Originalen entnommen und erwecken sehr authentisch die damalige Atmosphäre und Ausdrucksweise, sodass man sich in die Zeit versetzt sieht. Doch es gibt auch einige Längen in der Erzählung, die ich mir spannender gewünscht hätte.

"Paulas Liebe" ist ein zeitbeschreibender Roman mit gut herausgearbeitetem historischem Hintergrund. Für Liebhaberinnen von Biografien wird Paula Dehmel hier detailreich und mit einem besonderen literarischen Briefwechsel sehr authentisch in Szene gesetzt.