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Bellis-Perennis
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Wien

Bewertungen

Insgesamt 924 Bewertungen
Bewertung vom 12.11.2022
Ukraine verstehen
Dobbert, Steffen

Ukraine verstehen


ausgezeichnet

Eine komplexe Geschichte: Das Erbe der „Kyjiwer Rus“

Seit dem 24. Februar führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Doch der Konflikt zwischen den beiden Ländern besteht schon seit Jahrhunderten.

Viele Menschen glauben der Propaganda Wladimir Putins, dass die Ukraine und Russland ein Land sind. Dieses Buch erklärt in 18 Kapiteln schlüssig, warum dem nicht so ist.

Ein Geheimnis von Freiheit ist Mut: Ein Vorwort
1. Symbol der Selbstermächtigung: Der Mythos Taras Schewtschenko
2. Streit übers Mittelalter: Wem gehört die Kyjiwer Rus?
3. Steppendemokratie jenseits der Stromschnellen: Die Entstehung des Kosakentums am Dnipro
4. Bohdan Chmelnyckyjs Revolte: Aufstieg und Fall eines Hetmans
5. Vermächtnis der Kosaken: Kleine Geschichte über Mut
6. Nationalbewusstsein trotz Russifizierung: Über Kleinrussen, Gogol und eine Reise nach Berlin
7. Vom Ersten Weltkrieg zur Ukrainischen Volksrepublik: Mychajlo Hruschewskyj und die Wiedergeburt einer Nation
8. Menschen essen Wurst aus Menschenfleisch: Holodomor, Stalins Massenmord durch Hunger
9. Holocaust durch Kugeln: Der Rassenwahn der Nazis und Stepan Banderas Verantwortung im Zweiten Weltkrieg
10. Vom vergessenen Massaker bis zur Seelenbrecherzelle: Das Scheitern des Homo sovieticus
11. Super-GAU in Tschernobyl: Der Preis von zu vielen Lügen ist das Verschwinden der Realität
12. Abhängigkeit trotz Unabhängigkeit: Das belastende Erbe des Sowjetimperiums
13. Friedlicher Schrei nach Demokratie: Die Orange Revolution
14. Der unbändige Wille einer Nation:Volksaufstand der Würde und Euromaidan-Revolution
15. Russlands geheime Invasion: Grüne Männchen gegen einen Schokoladen-König
16. Prinzip Paranoia: Putins Lügen über die Ukraine
17. Brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit: Die Wandlungen des Wolodymyr Selenskyj
18. Russian warship, go f*** yourself: Ein Krieg, der über die demokratische Welt entscheidet


Meine Meinung:

Dieses Buch ist Teil einer Reihe aus dem Klett-Cotta-Verlag, die sich schon um das Verstehen von Polen, Afghanistan und Syrien bemüht hat.

Autor Steffen Dobbert bringt uns in den 18 Kapiteln die bewegte Geschichte der Ukraine näher. Eine Geschichte, die immer wieder von Gebietsansprüchen der Nachbarn und von Kriegen geprägt ist. Die Ukraine wurde mehrmals Spielball der Mächtigen, mehrmals wurde versucht das ukrainische Volk auszurotten und immer wieder hat es widerstanden.

Was ist treibt die Ukrainer an, für ihre Freiheit, für ihre Eigenständigkeit zu kämpfen? Mit diesem Buch versucht Steffen Dobbert hinter das Geheimnis zu kommen und verstehen zu lernen, warum gerade das ukrainische Volk den Mut hat, sich Putins Angriffskrieg entgegenzustellen.

Fazit:

Wer mehr über Ursachen des aktuellen Krieges wissen will, kommt an der Geschichte der Ukraine nicht vorbei. Dieses Buch kann mithelfen, die Ukraine zu verstehen. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.11.2022
Aquitania
Garcia Saenz, Eva

Aquitania


sehr gut

Mit „Aquitania“ hat Autorin Eva Garcia Sáenz einer Frau ein Denkmal gesetzt, die so gar nicht in die Zeit passte: Eleonore von Aquitanien.

Was macht diese Frau so besonders?

Geboren um 1124 in Poitiers als Tochter von Wilhelm IX. von Aquitanien, des Herzogs, erhält das talentierte Mädchen am Hof des Vaters eine für damalige Zeiten ungewöhnliche Ausbildung: Sie lernt unter anderem Latein. Die Ermordung Wilhelm IX. 1137 stellt eine Zäsur in ihrem Leben dar, denn sie wird die Nachfolgerin ihres Vaters, muss sich gegen die Intrigen diverser Lehensherren behaupten und wird mit Ludwig, dem Sohn des französischen König verheiratet. Der Unterschied zwischen zwischen den Höfen in Aquitanien und Paris könnte größer nicht sein: Hier gut eingerichtete Schlösser, Bildung, Kultur und höfische Leben, dort eine kahle Burg, wenig Komfort, raue Sitten und ungehobelte Bewohner. Die Heirat natürlich aus Staatsräson, bringt doch Eleonore ein reiches Herzogtum in das arme, kleine französische Reich.

Als dann Frankreichs König ermordet wird, macht sich Eleonore auf, die Hintergründe zu erfahren. Denn der Tod des Königs und der ihres Vaters ähneln einander frappant. Wer hat Interesse, ein junges unerfahrenes Königspaar an der Spitze zu sehen? Cui bono? Haben schon die alten Römer gefragt.

Meine Meinung:

Dieser (historische) Roman umfasst die Jugendzeit Eleonores bis zur Scheidung von um 1152.

Da Eleonore leider kein Tagebuch geschrieben hat, sind die historischen Quellen ziemlich spärlich und, natürlich von Männern verfasst, denen die ehrgeizige und mit scharfen Verstand gesegnete Frau ein Dorn im Auge war. Entsprechend diffamierend sind die Angaben. So wird sie eines inzestuösen Verhältnisses mit ihrem Onkel verdächtigt. Sie wird als machtgierige, intrigante Frau beschrieben.

Eleonores große Zeit wird noch kommen. Daher glaube ich, dass es noch einen zweiten oder vielleicht auch dritten Teil der Lebensgeschichte dieser interessanten Persönlichkeit geben wird.

Wie wir es von der Autorin gewöhnt sind, ist der Schreibstil opulent und detailreich. Da passt es vielleicht ganz gut, dass es nur wenige historische Quellen gibt und die Autorin ihrer Fantasie freien Lauf lassen kann.

Das Cover ist gut gelungen.

Fazit:

Wer gerne historische Romane des Mittelalters liest, ist hier genau richtig. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Bewertung vom 06.11.2022
Jagdrausch
Kröpfl, Heinz

Jagdrausch


gut

Rosalinde Fuchs und der Schriftsteller Jeremias haben einen veritablen Streit, der nicht unbeobachtet bleibt. Kurz nach dem Wortgefecht verschwindet die Frau spurlos im Wald und Jeremias wird, obwohl Rosalindes Leiche nie gefunden wird, in einem Indizienprozess des Mordes schuldig gesprochen.

Weder die Polizei noch der Pflichtverteidiger haben ein sichtbaren Interesse den möglichen Tathergang zu rekonstruieren oder Entlastungszeugen zu suchen. Ja, selbst die Mutter des Schriftstellers, glaubt nicht an dessen Unschuld.

Meine Meinung:

Der in Leoben (Steiermark) geborene Autor Heinz Kröpfl bezeichnet dieses Werk als „(k)einen Kriminalroman“. Der Roman enthält Krimi-Elemente, aber viel mehr kafkaeske Züge.

Die eine oder andere Stelle erinnert durch die indifferente Bedrohung an den Film „Das Duell“ von Steven Spielberg. Dazu tragen der Mann mit dem Geländewagen, der eine Waffe mit sich führt bei. Ein tollwütiger Fuchs soll erlegt werden, bei. Die Wortspielerei mit dem Nachnamen der vermissten Rosalinde und dem kranken Tier, lässt Böses ahnen. Nur für wen?

Die Charaktere sind insgesamt düster, wie eine herbstliche Nebellandschaft, angelegt. Eigentlich habe ich bei keinem der Mitspieler liebenswertes Züge feststellen können.

Die Polizisten wirken desillusioniert, dumpf, gelangweilt und wenig an der Aufklärung des Verschwindens der Rosalinde interessiert. Ein verschmähter Liebhaber, der keiner geregelten Arbeit nachgeht, der nur Schriftsteller ist, bietet sich als Täter gerade zu an. Wenig Aufwand, maximaler Erfolg. Auch die Justiz kommt nicht wirklich gut weg. Das Prinzip „in dubio pro reo“ - (Im Zweifel für den Angeklagten) wird hier gröblich verletzt. Es lässt direkt aus dem §259 Abs.3 der österreichischen Strafprozessordnung (StPO) ableiten.

Der Schreibstil ist gewöhnungsbedürftig. Es gibt (wieder einmal) keine Redezeichen, selbst, wenn in direkter Rede gesprochen wird. Erzählt wird in der auktoritalen Sichtweise, bis auf den schwitzenden Polizisten, der gerne Kriminalbeamter geworden wäre, was ihm aber auf Grund seiner vermehrten Schweißabsonderungen verwehrt geblieben ist, der erzählt in der Ich-Form.

Fazit:

Obwohl das Buch stellenweise spannend war, hat es mich nicht wirklich berührt, daher gibt es nur 3 Sterne.

Bewertung vom 06.11.2022
Verdingkind (eBook, ePUB)
Walther, Markus

Verdingkind (eBook, ePUB)


sehr gut

Wer die Bezeichnung „Verdingkind“ hört, hat sofort den Film „Schwabenkinder“ in seinem Kopf, der jene Zeit des 19. und Anfang des 20. Jahrhundert beschreibt, in der Kinder der bettelarmen Bergbauern aus Vorarlberg, Tirol, Liechtenstein und der Schweiz in das „reiche“ Schwabenland als Arbeitskräfte vermittelt also quasi verkauft wurden. Man sollte meinen, dass diese Menschen verachtende Praxis längst der Vergangenheit angehört - mitnichten.

Markus „Meck“ Walther erzählt, wie er nach dem Tod der Mutter gemeinsam mit seinen Geschwistern von seinem überforderten Vater in ein Schweizer Kinderheim gebracht wurde. Als Siebenjähriger wird er seitens der Behörden in einer Pflegefamilie untergebracht, die ihn nach Strich und Faden ausnützt und gequält. Erst als er bei einem Traktorunfall beinahe ums Leben kommt, bleibt er im Heim. Meck hat es, als Angehöriger der Jenischen, einer Gruppe Fahrender, doppelt schwer.

Doch Meck ist zäh. Mithilfe eines wohlmeinenden Lehrers gelingt es ihm, eine Ausbildung zu absolvieren. Innerhalb kürzester Zeit wird er ein erfolgreicher Manager. Doch nach einem gesundheitlichen Zusammenbruch muss er erkennen, dass ihm trotz der Liebe seiner zweiten Frau Evelyn, etwas fehlt.

Meine Meinung:

Es ist kaum zu glauben, dass es in der ach so korrekten Schweiz solche Zustände geherrscht haben. Der Umgang mit Minderheiten lässt wie fast überall zu wünschen übrig.

Die Schilderungen der Lebensstationen ist stellenweise schlecht auszuhalten.
Was denken sich Pflegeeltern dabei, wenn sie Geld vom Staat kassieren und den ihnen anvertrauten Kindern das Leben zur Hölle machen? Schwerarbeit für einen Siebenjährigen (!) in der Landwirtschaft, kaum Essen oder Kleidung dafür umso mehr Schläge. Man kann nur hoffen, dass diese Leute zur Verantwortung gezogen worden sind, genauso wie jene dieser Behörden, die solches geduldet und weggeschaut haben.

Erstaunlich und bewundernswert finde ich, wie Meck all diese Traumata verarbeiten kann. Er trifft nach der Schule immer wieder Menschen, denen seine Herkunft egal ist, die im eine Chance geben. Die weiß er zu nutzen, acuh wenn er sich doppelt und dreifach anstrengen muss.

Außerdem trägt sein Glaube an Gott, den er durch einen Nachbarn kennenlernt, dazu bei. Erst spät lässt er sich taufen und findet in Gott, wie er sagt, den „liebenden Vater, den er durch seinen leiblichen Vater nicht kennengelernt hat“.

Fazit:

Ein berührendes Buch, dem ich gerne 4 Sterne gebe.

Bewertung vom 06.11.2022
Hotel Rock 'n' Roll
Stallmajer, Manfred;Parker, Martina

Hotel Rock 'n' Roll


ausgezeichnet

In diesem Buch erinnert sich Manfred Stallmajer an seine Anfänge als Hotelmanager. Er gibt einen Einblick in sein Leben als Gastgeber, das er völlig unbedarft und ohne jede fundierte Ausbildung begonnen hat.

Der Hotelier berichtet über spontane Aftershow-Partys seiner bekannten Gäste, die manchmal viel weniger exzentrisch daherkommen als ihr Ruf. Wir Leser erhalten einen dezenten Einblick in die illustre Gästeschar, der neben Musikgrößen, Filmstars auch Größen der Schauspielhäuser sowie solche aus Politik und Wirtschaft angehör(t)en.

Wir tauchen ein in eine leider längst vergangene Welt, in der das stadtbekannte Original Waluliso (Wald-Luft-Licht-Sonne) in der Wiener Innenstadt anzutreffen war.

Ergänzt wird Stallmajers Rückschau, den Krimi-Autorin Martina Parker aufgezeichnet hat, durch zahlreiche private Fotos sowie Auszügen aus den Gästebüchern seiner Hotels sowie mit Interviews von einigen Wegbegleitern.

Zahlreiche Lokale und so mancher Promi hat diese Zeit geprägt und weilen nicht mehr unter uns. Das stimmt ein wenig traurig, ist aber der Lauf der Zeit.

Das Buch ist mit viel Herzblut im Verlag Schultz & Schirm erschienen. In seiner gediegenen Aufmachung als Hardcover mit Lesebändchen ist es ein tolles Geschenk an alle jene, die diese Zeit selbst erlebt haben und jene, die gerne einen neugierigen Blick durch das Schlüsselloch von Hotelzimmern linsen, in denen Berühmtheiten abgestiegen sind.

Fazit:

Mit diesem Buch habe ich mich in die 1980er und 1990er Jahre zurückversetzt gefühlt. Gerne gebe ich dieser gelungenen Rückschau 5 Sterne.

Bewertung vom 06.11.2022
Stille Nacht, keiner wacht
Publig, Maria

Stille Nacht, keiner wacht


sehr gut

In Großlichten, einem fiktiven Ost im niederösterreichischen Waldviertel bereitet man sich auf die stillste Zeit der Jahres vor: auf Weihnachten. Doch ganz so still ist es nicht mehr, dann Punsch, Langos und der Weihnachtsmann haben auch hier Einzug gehalten.
Wieder mitten im Geschehen ist Wally Winzer, die PR-Lady aus Wien, die mit ihrem Tesla und ihrer Neugier Aufsehen erregt.

Diesmal wird der attraktive Weihnachtsmann ermordet und das angebliche Originalmanuskript des „Stille Nacht“-Liedes, das ein einheimischer Unternehmer ersteigert hat, verschwindet. Natürlich muss Wally Winzer ihre Nase wieder in die Ereignisse stecken. Hängen die beiden Straftaten zusammen? Und wenn ja, wie?

Daneben geht es noch um die „liebe(n) Familie(n)“, deren Haussegen gerade zu Weihnachten oft schief hängt.

Wer wissen will, was wirklich geschehen ist, schnappt sich Buch, heiße Schokolade und Vanillekipferl und steckt, in eine kuschelige Decke gehüllt, die Nase in das Buch.

Meine Meinung:

Nachdem mich der letzte Krimi „Waldviertelrache“ ein wenig enttäuscht hat, bin ich diesmal mit wenig Erwartung an das Buch herangegangen. Und siehe da, dieser Krimi gefällt wieder. Liegt aber nicht an Weihnachten, weil das laute Getöse mit seinem scheinheiligen Kommerz mag ich gar nicht.

Es gefällt, weil der eine oder andere Faden aus dem letzten Krimi weiter gesponnen wird und die Wally nicht mehr ganz so „gespreizt“ daherkommt.
Penible Ermittlungen sind nach wie vor weder vom Dorfpolizisten Sepp Grubinger noch von Wally Winzer zu erwarten. Aber, das ist auch nicht unbedingt das Ziel der Reihe, echte Polizeiarbeit darzustellen. Vielmehr geht es diesmal auch darum, dass es sich die Menschen durchaus leichter machen könnten, würden sie doch manchmal miteinander als übereinander reden.

Fazit:

Wer einen weihnachtlichen Krimi lesen möchte, ist hier richtig. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Bewertung vom 06.11.2022
Gefährliche Treue. Lorenz Lovis ermittelt
Troi, Heidi

Gefährliche Treue. Lorenz Lovis ermittelt


gut

Lorenz Lovis, ehemaliger Polizist der Polizia di Stato in Bressanone (Brixen), nunmehriger Privatdetektiv und Eigentümer eines verschuldeten Bauernhofes, soll die Almhütte für ein Krimi-Dinner auf Vordermann bringen und gleichzeitig im Wald nach dem Rechten sehen. Denn, entgegen der strikten Gesetze, die das Sammeln von Pilzen nur an geraden Tagen und da auch nur bis zu einem Kilo erlauben, wird der Wald von wildernden Schwammerlsuchern wahrlich heimgesucht. Zu allem Überfluss hat sich ein Italiener in einer Hütte eingenistet und zum Verdruss der Südtiroler, eine italienische Flagge gehisst. Ein deutlicher Affront in den Augen der traditionsbewussten Südtiroler.

Doch bevor Lorenz sich um die Almütte und den Wald kümmern kann, erreicht ihn die Nachricht, dass die Stoaner-Thres mit einer Axt erschlagen worden sein soll. Die Thres, eine von drei Schwestern, ist mit Loorenz Schulfreund Michael verheiratet. Der wird natürlich sofort von Ispettore Scatolin, Lorenz‘ Ex-Kollegen und auch nunmehrigen Ex-Freund als Tatverdächtiger abgeführt.

Jetzt gilt es, Michaels Unschuld zu beweisen. Doch das ist gar nicht so einfach.

Meine Meinung:

Dieser dritte Krimi rund um Lorenz Lovis hat mir nicht so gut gefallen.

Warum?

Die Animositäten zwischen seinem Ex-Chef Botta und Lovis nerven zusehends. Wieder einmal landet Lovis auf der Liste der Verdächtigen. Dass Botta die deutsch-sprechenden und selbstbewussten Südtiroler nicht ausstehen kann, ist seit dem ersten Band bekannt. Dass diese Tatsache in jedem Fall mehrfach wiederholt wird, langweilt inzwischen. Wir Leser können und das schon merken. Vor allem ist das Thema „arroganter, italienischer Chef“ schon ziemlich ausgelutscht, da das in fast jedem Südtirol-Krimis vorkommt.

Dass die italienische Polizei schlampig ermittelt, passt hier zu den Vorurteilen. Allerdings sind Lovis‘ eigene Recherchen auch alles andere als genau. Ich frage mich ja, ob er die Arbeit während seiner Dienstzeit als Polizist auch so sprunghaft gemacht hat. Natürlich hat er es als Einheimischer leichter, die Einheimischen zu befragen und versteht es, die Andeutungen, Gerüchte und das Hörensagen besser einzuordnen als Scatolin. Doch dass er wieder die drei Jungs für sich spionieren lässt, geht für mich gar nicht. Einmal war das als „Kennenlernen“ der Charaktere recht amüsant, aber Kinderarbeit ist auch in Italien verboten.

Ich habe den Eindruck, dass die Autorin diesmal zu viel in den Krimi gepackt hat: den Pilzdieb, das Krimi-Dinner, den italienischen Hüttenbewohner, den Mord an der Stoaner-Thres, der übrigens nicht der einzige Mord bleiben wird, das Südtiroler Brauchtum, das eigenartige Verhältnis von und zu Angelika, die Burgl, die unverheiratete Stoaner-Schwester, die sich bei Lorenz einnistet und - irgendetwas habe ich jetzt bestimmt vergessen - ach ja, die Sommergäste und als Ratgeberin Huhn Alma. Es wirkt alles ziemlich chaotisch und überladen.

Doch eine, für mich sehr nahe liegende, Möglichkeit, wer der Täter sein könnte, wird weder von Scatolin noch von Lovis in Betracht gezogen.

Die leicht hilflose Liebenswürdigkeit, die Lorenz im ersten Band hat, als er versucht, den ererbten, aber verschuldeten Bauernhof seines Onkels zu halten, ist verloren gegangen und einer chaotischen Lebensweise gewichen. Von der Detektei kann er auch (noch?) nicht leben. Er spannt, meiner Ansicht nach, dauernd andere ein, seine Arbeit zu machen, sei es auf dem Hof oder beim Recherchieren.

Der Schreibstil ist eher einfach. Es wird mit Vorurteilen auf beiden Seiten gespielt. Sorry, aber Südtirol wurde nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Vertrag von Saint-Germain 1919 von den Siegermächten Italien zugesprochen - auch wenn das weder den Nord- noch den Südtirolern bis heute passt. Trotz allem Traditionsbewusstsein muss nach mehr als 100 Jahren den Tatsachen ins Auge geblickt werden. Ja, die Zwangsitalienisierung der deutschen Bevölkerung Südtirols während des Faschismus ist eine tiefe, schwärende Wunde. Das wäre vielleicht ein Thema, das sich für einen fesselnden Kriminalfall anböte.

Dieser dritte Krimi endet mit einem Cliffhanger: Die Leiterin einer Theatergruppe benötigt die Hilfe eines Detektivs mit schauspielerischen Fähigkeiten. Ob das etwas für Lorenz Lovis sein kann?

Fazit:

Leider hat mir dieser dritte Fall für Lorenz Lovis nicht so gut gefallen, daher gibt es diesmal nur 3 Sterne.

Bewertung vom 03.11.2022
Vielgeprüftes Österreich
Lendvai, Paul

Vielgeprüftes Österreich


ausgezeichnet

„Politik ist kein Ort der Geborgenheit“ (S.268)

Prof. Paul Lendvai, nach dem Tod von Hugo Portisch nun der Doyen der messerscharfen Analyse österreichischer Politik, beschreibt das „Leiden“ der Republik. Allerdings muss man festhalten, dass viele dieser Schmerzen hausgemacht, sprich von österreichischen Politikern verursacht wurden und werden.


In elf Kapiteln versucht er die Geschichte Österreichs darzustellen:

Die Last der Vergangenheit
Mythen und Realität: Das Erbe der Habrburger
Hitlers Schatten: gestern und heute
Die Achterbahnfahrt der FPÖ: Von Friedrich Peter zu Jörg Haider
Österreich: Immer wieder „unter Beobachtung“
Karl Renner und Bruno Kreisky
Geld statt Gesinnung: Niedergang der Sozialdemokratie
Die ÖVP, die ungewöhnlichste Volkspartei Europas
Von Wolfgang Schüssel zu Sebastian Kurz
Die „echten“ Österreicher und die Grünen
Österreich 2022: ein betrübliches Sittenbild

Auch wenn man das Gefühl hat, die Gegenwart ist so schlimm wie nie, auch in der Vergangenheit hat es Skandale gegeben. Allerdings haben viele Menschen ein Gedächtnis wie die sprichwörtliche Stubenfliege. Wer kann sich noch an Skandale wie Noricum, AKH oder ähnliches erinnern? Eben!

Der Unterschied liegt vermutlich darin, dass die damals nicht so informiert war. Man hat keine „Push-Nachrichten“ erhalten, soziale Medien waren noch nicht erfunden und die (wenigen) TV-Sender haben nicht in Dauerschleife von Korruption berichtet.

Die Zukunft wird angesichts der weltweiten Krisen und Katastrophen nicht einfacher werden.

„In einer existenziellen Krise sollten polarisierende Selbstinszenierungen mit der unausgesprochenen Formel „alles zu vertuschen“, keinen Platz haben, Eine zeitgerechte Warnung an die eigene Partei, die „alte ÖVP“.“ (Claus Raidl, ehemaliger Nationalbankpräsident)

Gerne gebe ich dieser gelungenen Analyse 5 Sterne.

Bewertung vom 01.11.2022
Planvoll gescheitert
Willams, Fenna; Gungl, Petra K.; Keller, Ivonne; Nolden, Renate; Polkehn, Edith Anna; Peters, Stephan; Berber, Pupuze; Ziemons, Cécile; Woda, Bruno; Meyer, Martin; Raifura, Daniel; Speidel, Joachim; Zotzmann-Koch, Klaudia; Schmid-Spreer, Ursula; Jischinski, Mark; Vollenberg, Brigitte; Lamberts, Brigitte; Lange, Kerstin; Quinke, Sibyl; Fröhlich, Mareike

Planvoll gescheitert


sehr gut

Diese Anthologie ist eine liebevoll zusammengestellte Sammlung von Kurzgeschichten, die Mehrheit davon Krimis. Allen Geschichten ist gemein, dass es zwar einen Plan zur Ausführung gibt, aber dann dennoch etwas schief geht.

„Ein Plan, ein Plan, mein Königreich für einen Plan, der aufgeht!“ könnte man in Abwandlung zu Shakespeares König Richard III. ausrufen!

Zwanzig Autorinnen und Autoren schreiben von Rache, Mordlust und Geldgier - also einem Querschnitt der menschlichen Abgründe. Dabei geht es in einigen Geschichten durchaus humorvoll zu, wenn die Bewohnerinnen eines Altenheims zwei Einbrecher als Stripper auftreten lassen oder zwei Knaben unbedingt den Beruf des Hackers erlernen wollen und dabei durch Herunterladen allerlei Software mehrere Geheimdienste düpieren.

Für mich persönlich sind Kurzgeschichten nur Häppchen, die ähnlich wie Petits Fours, nur den Appetit anregen, ohne wirklich satt zu machen.

Allerdings halte ich es für große Kunst, in nur wenigen Seiten Täter, Tat, Opfer und Auflösung unterzubringen. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Bewertung vom 01.11.2022
Die Flamme der Freiheit
Bong, Jörg

Die Flamme der Freiheit


ausgezeichnet

In diesem ersten Teil einer Trilogie über die Revolutionsgeschichte zeichnet Autor Jörg Bong in einer plastischen, ja fast schon romanhaften Darstellung, die Revolution(en) in Deutschland 1848/49 nach.

Das unterscheidet das Buch von Alexandra Bleyers „1848 - Erfolgsgeschichte einer gescheiterten Revolution“. Während sich die promovierte Historikerin Alexandra Bleyer dem Thema sachlich (auch, wenn sie sich - wie sie erklärt „mit dem Mut zur Lücke“) annähert, liest sich Jörg Bongs Werk fast wie ein historischer Roman.

In insgesamt zehn Kapiteln (wenn man den Prolog rund um Frankreich mitzählt) beschreibt er, ausgehend von der Revolte im Februar 1848, die Ereignisse.

Pariser Prolog
Revolutionen vor der Revolution
„März-Forderungen“ - die deutsche Revolution beginnt in Baden
Beinahe-Revolutionen oder „echt deutsche Tage“
Ganz Deutschland im Sturm
Berlin - der preußische Gott des Gemetzels
Kurzes Zwischenspiel: die Invasion
Das Frankfurter Vorparlament: Monarchie oder Republik
Dämonenaustreibung: Der Einmarsch
Armeen der Freiheit

Wir dürfen hier zahlreichen Kämpferinnen und Kämpfern wie Georg und Emma Herwegh sowie Literaten wie Heinrich Heine oder Ludwig Tieck über die Schulter schauen. Wir lernen das private sowie das politische Umfeld kennen.

Zahlreiche zeitgenössische Quellen beschreiben die Lage vor, während und nach der Revolution. Dieses Detailreichtum ist zugleich auch ein wenig die Schwäche des Werkes. Die zahlreichen Zitate aus Schriften und/oder Briefen unterbrechen ob ihre Fülle doch immer wieder den Lesestoff.

Dass der Revolution in Österreich und der Vertreibung des ehemaligen Staatskanzlers Metternich nur ein mageres Unterkapitel gewidmet ist, muss ich als Österreicherin leider hinnehmen.

Aufgefallen ist mir, dass bei der behutsamen Transkription der Zitate in eine heute angenehm lesbare Form, einige Schnitzer in der Grammatik passiert sind. Z.B.:

"Die Volksvertreter werden besoldet, damit auch der Arbeiter im Parlament des deutschen Volkes sitzen können." (S. 415)

Entweder „... damit auch der Arbeiter in Parlament sitzen kann.“ oder „... damit auch die Arbeiter in Parlament sitzen können.“

Fazit:

Autor Jörg Bong, den meisten Lesern unter seinem Pseudonym Jean-Luc Bannalec bekannt, ist ein sehr guter Erzähler. Hier ist er mitreißend, pointiert und (es sei ihm gestattet) auch Partei nehmend. Gerne gebe ich diesem Buch 5 Sterne.