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schreibtrieb

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Insgesamt 174 Bewertungen
Bewertung vom 05.09.2016
Die Villa des Paten (Kartenspiel)

Die Villa des Paten (Kartenspiel)


ausgezeichnet

Der Pate hat sich in seiner Villa verschanzt, die von vier Leibwächtern gesichert ist. Auch der Park um die Villa wird bewacht. Neun Leibwächter sind dort stationiert. Die Spieler stellen die Polizei da. Der Pate soll endlich dingfest gemacht werden.
Bis zu vier Mitspieler können sich hier zusammentun, mindestens zwei sind benötigt, was das Spiel auch gut für eine schnelle Ablenkung am Abend für Paare macht. Auch ich und mein Mann haben es erst einmal zu zweit gespielt. Die Angabe, dass eine Runde etwa 30 Minuten dauert, war dann etwas zu hoch gegriffen. Wir waren jeweils schneller. Zu viert kann ich mir aber gut vorstellen, dass mehr diskutiert und überlegt wird und die 30 Minuten dann auch überschritten werden. Auf jeden Fall angenehm kurz und absolut unterhaltsam.
Wir haben nach dem ersten Testdurchgang gleich zweimal hintendran gelegt. Zum einen, weil das Spiel mit vier verschiedenen Paten-Karten auch vier verschiedene Endgegner liefert. Zum anderen, weil die 13 Leibwächter, die Villa und Park bewachen aus 20 verschiedenen Karten gezogen werden und sich der Schwierigkeitsgrad so immer ändert. Außerdem wird die Schwierigkeit dann noch einmal dadurch festgelegt, wie viele Polizeikarten ausgeteilt werden. Maximal 54 sind möglich. Die Anleitung unterscheidet passenderweise zwischen leicht, schwer, sehr schwer und extrem schwer. Je nachdem werden passend zu den Stärken der Leibwächter mehr oder weniger Polizeikarten verteilt. Im extrem schweren Spiel dann nur so viele, dass es genau reichen müsste, um die Leibwächter zu besiegen. Dann gibt es aber ja noch den Paten.
Die Möglichkeit für die Spieler, taktisch und überlegt zu handeln, ist im extrem schweren Verlauf darum auch eine Notwendigkeit. Nur so werden die wenigsten Karten gespielt und die meisten Belohnungen für einen Sieg über einen Leibwächter an Land gezogen. Dann können die Mitspieler nämlich jeweils eine Karte zurückgewinnen. Problematisch ist es, wenn der Mitspieler, der an der Reihe ist, den Leibwächter nicht angreifen kann. Dann muss er passen, was eine Karten fordert, oder zwei gleiche Karten legen. So oder so kommen die Mitspieler dann schnell in die Lage, dass sie am Ende zu wenig Karten haben.
Wir haben nach der Testversion, für die das Spiel zum Kennenlernen noch einmal wesentlich einfachere Regeln empfiehlt, einmal schwer und einmal extrem schwer gespielt. Während wir das schwere Spiel noch mit einem kleinen Plus an Karten beenden konnten, scheiterten wir im extrem schweren Modus am Paten, für den uns dann Karten gefehlt haben. Doch je schwerer das Spiel, desto gründlicher haben wir überlegt, desto mehr haben wir auf unsere Taktig geachtet. Und so hat uns auch gerade das extrem schwere Spiel extrem viel Spaß gemacht.
Einen Vorteil hat das Spiel dann doch, wenn zu viert und nicht nur zu zweit gespielt wird. Die Mitspieler haben insgesamt mehr offene Polizeikarten, können also noch taktischer vorgehen und ihre Kräfte besser bündeln. Da bei jedem Angriff gemeinsam überlegt wird, wer ihn leitet und quasi den ersten Schuss auf den Leibwächter abgibt, lässt sich so auch in einem extrem schweren Spiel sehr gut variieren. Uns hat es beiden sehr viel Spaß gemacht und wir werden das Spiel mit Sicherheit noch öfter spielen – und nicht nur zu zweit.

Bewertung vom 31.08.2016
Nichts ist okay!
Reynolds, Jason;Kiely, Brendan

Nichts ist okay!


gut

Rashad wird beim Einkaufen von einem Polizisten des Diebstahls verdächtigt und brutal zusammengeschlagen. Erst im Krankenhaus kommt er wieder zu sich. Während er versucht, das Geschehen zu verstehen und einen Weg aus der Opfersituation zu finden, erlebt sein Mitschüler Quinn ähnliches. Er hat den Übergriff gesehen. Ausgerechnet der Bruder seines besten Freundes war der Polizist und nun muss Quinn sich fragen, was eigentlich richtig im Leben ist.
Ich war sehr gespannt auf das Buch, gerade durch den Untertitel Zwei Seiten einer Geschichte. Die Ernüchterung erfolgte dann bereits im ersten Teil des Romans sehr schnell. Rashads Sicht erklärt ihn eindeutig zum Nichts-Schuldigen und auch Quinn ist schockiert angesichts der Gewalt seines Bekannten. Der große Konflikt bleibt aus. In leichten Schritten erkennt Quinn, dass Gerechtigkeit wichtiger ist, als Freunde zu beschützen und Rashad entwickelt sich zum stilisierten Helden.
Ich hatte mir da einfach mehr erhofft. Beide haben ihre kleineren Momente. Etwa, wenn Rashads Vater, ehemaliger Polizist, erklärt, dass er auch einmal nur wegen des Aussehens den Falschen angeschossen hat. Oder wenn Quinn mit seiner Freundin darüber redet, dass Rassismus auch alltäglich sein kann und keine weißen Kapuzen braucht. Wenn die Lehrerin weint, weil sie ein Buch zum Thema Rassismus nicht lesen darf oder der Basketballtrainer alle Konflikte vom Spielfeld verbannt. Die Ansätze sind da, sind gut, könnten viel. Aber meist bleiben sie eben oberflächlich, nur Ansätze.
Auch der Stil konnte mich nicht packen. Fast schon gezwungen wirkte die Jugendsprache der beiden Ich-Erzähler. Aufgesetzte Lässigkeit, die sich dann doch schnell zurückzieht, weil das Thema zu ernst ist. Vielleicht kommen Jugendliche und Wenigleser da besser rein – mir hat das einfach nicht Er bleibt aber flüssig und gut zu lesen. Die Jugendsprache sticht sich nicht mit dem Rest.
Der Roman wertet die Geschehnisse des Übergriffs gleich zu Beginn. Es ist zu keinem Moment eine Frage, ob nun der Polizist oder Rashad im Recht waren. Das ist in jedem Fall eine klare und aus meiner Sicht richtige Botschaft, vereinfacht aber das Problem zu sehr. Außerdem nimmt es viel Spannung aus dem Buch. Rashad wird als Opfer und Held gefeiert. Wichtig finde ich dabei, dass im Buch selbst klar wird, welchen Einfluss die Medien darauf haben. Die erste Berichtserstattung ist es, die bereits klar stellt, dass die Gewalt nicht angemessen war, noch bevor in Frage gestellt wird, ob Rashad unschuldig ist.
Ich halte das Thema und damit auch das Buch durchaus für wichtig. Gerade darum habe ich mir aber mehr Tiefe und Konflikt gewünscht. Die moralische Sicht der Dinge wird an keiner Stelle angezweifelt und so fehlt gerade das, was der Roman eigentlich verspricht: die zweite Seite der Geschichte.

Bewertung vom 28.08.2016
Blame
Mayo, Simon

Blame


ausgezeichnet

Ant und ihr Bruder Mattie müssen für die Verbrechen ihres Vaters ins Gefängnis, denn nach einer wirtschaftlichen Depression zieht ein neues Gesetzt Familienmitglieder von Kriminellen zur Verantwortung. Auch die Pflegeeltern der Geschwister werden festgenommen. Im Gefängnis herrscht der machthungrige Grey und Ant, die rebellisch und frech ist, ist ihm ein Dorn im Auge. Als sich die Zustände im Gefängnis zu spitzen, gibt es für Ant und Mattie nur eine Möglichkeit: Flucht. Zusammen mit ihren Freunden kommen sie auf freien Fuß. Doch noch sind sie nicht sicher und Freunde und Familie sind noch immer hinter Gittern. Schnell ist klar, für Ant geht es um mehr, als nur um ihre Freiheit. Es geht um Gerechtigkeit und darum, nicht schuld zu sein.
Ich war von der ersten Seite an begeistert von dem Roman, der in meinen Augen mehr Dystopie als Thriller ist. Die zeitliche Einordnung ist vage, aber nicht allzu weit von unserer Realität entfernt. Da die Geschehnisse, die zur Verhaftung der Geschwister geführt haben, anfangs parallel zur Handlung im Gefängnis erzählt wird, bekommt der Leser auch einen Eindruck vom vorher und von der Entwicklung, die gerade Ant bereits durchgemacht hat. Sie ist Protagonistin, wird vom personalen Erzähler hauptsächlich fokussiert. Daneben steht ihr Pflegebruder Max, der den Ausgebrochenen zu Hilfe eilt und seine eigene Meinung von der Schuld seiner Pflegeschwester hat.
Der Roman besticht durch eine packende Handlung, die kaum Raum lässt, tief in die unterschiedlichen Figuren hinein zu gehen. Lediglich Ant, Mattie und Max werden länger fokussiert, was aber zur Erzählweise und den Geschehnissen passt. Denn auch Ant kennt im Grunde nur ihren Bruder wirklich und erfährt die Annäherung zu Max im Laufe der Geschichte. Außerdem mag ich es, wenn die Figuren durch ihr Handeln Rückschlüsse auf ihren Charakter zulassen und nicht alles erklärt werden muss. So wird der Leser als Versteher eingespannt.
Die Frage der Schuld wird nicht philosophisch behandelt, sondern ist auch Teil der Geschichte. So wird Ant, die ein Tattoo mit Schriftzug hat, zum „not to blame girl“, was geradezu wegweisend gerade für Ants Verständnis für ihre Situation ist. Auch finde ich das Durchscheinen des Schamkomplexes durchaus gut gemacht. Schuld ist nicht Scham und wird hier auch nicht damit verwechselt. Dass gerade hierbei Deutschland als positives Beispiel verwendet wird, weil es im Buch bei der Inhaftierung von Familien nicht mitmacht, und dabei auf seine Vergangenheit referiert, verstärkt für mich den Eindruck, dass der Autor sich durchaus gut damit auseinandergesetzt hat. Im Rahmen der rasanten Handlung wären aber lange Reden darüber aus meiner Sicht fehl am Platz gewesen. Die Einbettung in den Plot funktioniert dabei flüssig und deutlich.
Ants Entwicklung in der Geschichte ist zwar nicht riesig, aber dennoch deutlich, was mir gut gefallen hat. Sie wird vom immer provozierten und provozierenden Kind zur planenden, berechnenden Figur. Auch die Handlung entwickelt sich vom blutigen Aufstand zur planvollen Handlung, die medienwirksam inszeniert wird. Gut eingesetzt fand ich dabei den Einfluss der Kommunikationsmöglichkeiten für den Widerstand. Hier zeigt der Roman viel Realitätssinn.
Ich fand Blame sehr gelungen und habe das Buch kaum aus der Hand legen können. Die Handlung war fesselnd und rasant. Dass die Nebenfiguren hier teilweise sehr marginal sind, fand ich im Rahmen des Romans plausibel, die Protagonisten dagegen waren aus meiner Sicht wirklich gut durchdacht. Ein Roman, den ich absolut empfehlen kann!

Bewertung vom 27.08.2016
Strike - oder die Unwahrscheinlichkeit vom Blitz getroffen zu werden und die große Liebe zu finden
Wolf, Katharina

Strike - oder die Unwahrscheinlichkeit vom Blitz getroffen zu werden und die große Liebe zu finden


sehr gut

Sophie steht kurz vor den Sommerferien, nach denen sie dem Abitur entgegentreten wird. Da lernt sie Strike kennen. Punk, obdachlos, süchtig. Und dennoch freundlich, rücksichtsvoll und zum Anbeißen. Sophie erkennt sich selbst nicht mehr wieder, als sie mit ihm kurzerhand nach Frankreich aufbricht, um seinen Vater zu finden. Dass die beiden sich dabei nicht nur näherkommen, sondern auch allerlei Hürden überwinden müssen, lässt die Mischung aus Liebesroman, „Roadtrip“ und Adoleszensgeschichte wirklich gut werden.
Die ersten Kapitel haben es mir schwergemacht. Sophie eine eher blasse Figur, der Stil musste, wie ich, erst in die Geschichte finden. Im Nachhinein war zumindest Sophies Oberflächlichkeit sogar wichtig. Sie entwickelt sich enorm im Roman, gewinnt Kontur, lernt dazu und findet zu sich selbst. Da der Roman aus ihrer Perspektive geschrieben ist, erklärt das auch, warum der Stil anfangs noch etwas schwankt. Sobald Sophie und Strike aber zusammentreffen und die Handlung Fahrt aufnimmt, war ich mittendrin, der Stil nicht verkitscht, sondern amüsant und trotzdem tief, Sophie auf dem Weg zu sich selbst.
Katharina Wolf nutzt hier als Autorin das Spiel mit der Spannung. Immer wieder gibt es kleine psychische wie physische Hürden, die Sophie und Strike überwinden müssen. Jede könnte sie zum Scheitern bringen. Das nicht zuletzt auch mit der Erwartung des Ziels gespielt wird und das Ende dadurch so nicht vorherzusehen ist, hat mir besonders gut gefallen. Gerade Liebesromane funktionieren schnell nach Schema. Dieser nicht, weil er eben nicht nur Liebesroman ist.
Ein großes Thema im Buch sind Drogen und die Sucht. Auch hier versteht es der Roman gut, unterschiedliche Perspektiven aufzuzeigen. Sophies Auseinandersetzung mit Strikes Sucht verläuft über mehrere Etappen und findet im Höhepunkt des Romans ihre Entscheidung. Sehr gut gefällt mir, dass die Beziehung der beiden Strike zwar hilft, aber allein nicht auf Dauer reicht. Hier wird der Roman sehr realistisch.
Ein Manko für mich bleibt das Gefälle zwischen Sophie und Strike was Materielles angeht. Sophie hat immer mal wieder das Gefühl, ihm helfen zu müssen, weil er ein hartes Leben hatte und auf der Straße lebt. Mitunter wirft das für mich die Frage auf, wie viel ihrer Gefühle für ihn von ihrem Helferkomplex herstammen. Entkräftet wird diese Kritik zumindest zweitweise, denn solange Strike und Sophie zusammen sind, herrscht zwischen ihnen Augenhöhe und sie lernen voneinander, helfen sich gegenseitig. Sophies Blick von oben herab existiert vor allem am Anfang und dann, wenn sie nicht bei ihm ist, sondern über ihm nachdenkt. Eine Aussprache hierzu hätte ich mir durch die Figuren durchaus gewünscht – sie bleibt aber aus.
Im Ganzen ist Strike oder die Unwahrscheinlichkeit vom Blitz getroffen zu werden ein Liebesroman, der mich erstaunt, überrascht und begeistert hat. Die Figuren sind lebensnah und entwickeln sich durch die Handlung hindurch. Die Mischung aus Reise durch Frankreich, Liebesgeschichte und Erwachsenwerden fand ich sehr gelungen und kann den Roman darum empfehlen, auch und gerade für alle, die nicht auf klassische Schnulzen stehen.

Bewertung vom 22.08.2016
Die maskierte Stadt / Die unsichtbare Bibliothek Bd.2
Cogman, Genevieve

Die maskierte Stadt / Die unsichtbare Bibliothek Bd.2


ausgezeichnet

Irene Winters ist Bibliothekarin. Sie lebt für Bücher. In ihrer Welt heißt das aber, in verschiedene Parallelwelten zu reisen, um seltene Ausgaben zu besorgen und zu bewahren. Nun aber wurde Irene in eine Welt versetzt, in der sie in einem viktorianischen London lebt. Dort bildet sie Kai aus, Drachenprinz. Doch als die beiden verfolgt werden erkennt Irene zu spät, dass es nicht um das seltene Buch geht, das sie gerade erworben haben, sondern um Kai. Er wird entführt und Irene macht sich auf die Suche, durch die Welten, bis zum Chaos der Elfen.
Bereits nach den ersten Seiten war ich fasziniert. Meine Mutter hat mich ja immer gewarnt, ich würde als Bibliothekarin enden. Nun wäre es ein Traum einmal in Irenes unsichtbare Bibliothek zu gelangen. Bibliothekare sind dort keine verstaubten Figuren, sondern Agenten. Sie tarnen sich, verbünden sich mit dem Feind, falls es nötig ist, kennen Privatdetektive. Vor allem aber beherrschen sie die Sprache. Eine Macht, die die Wirklichkeit kurzzeitig verändern kann. Nur durch Worte. Genial. Der Traum eines jeden Bibliophilen und Schriftstellers. Alle meine Leidenschaften.
Die Handlung ist verdammt gut aufgebaut. Kleine Details werden wichtig, eine ausgeklügelte Kriminalgeschichte, die keines Falls die Frage stellt, warum und wer – das ist schnell beantwortet. Vielmehr geht es hier um das Wie. Wie um alles in der Welt soll Irene Kai retten. Eine richtige Agentengeschichte bahnt sich an. Und ich habe sie verschlungen. Dass ich den ersten Band bisher nicht gelesen habe war dabei nicht wichtig. Es werden nur wenige Elemente aus dem ersten Teil erwähnt, die für die Handlung in Die maskierte Stadt aber kaum eine Rolle spielen. Das Buch ist also auch ohne Vorkenntnisse schlicht großartig.
Die Schauplätze sind wirklich gut beschrieben, die verschiedenen Atmosphären prallen aufeinander und passen irgendwie doch zusammen. Viktorianisches London, Venedig zum Maskenball, Stadt um Stadt eine neue Welt. Irene stolpert dabei schon mal durch die Welten und Kulturschocks sind nicht zu vermeiden. Die Welten unterscheiden sich dabei nicht nur dadurch, wie chaotisch oder geordnet sie sind, sondern auch dadurch, wie viel Magie und Technik in ihnen zu finden ist.
Die Idee der Parallelwelten ist wirklich ausgeklügelt und hier durch die Bibliothek als Übergang aus meiner Sicht noch einen Ticken besser gemacht, als sonst oft. Denn was sind Bücher für uns Leser, wenn nicht kleine Parallelwelten, in die wir abtauchen können.
Der Stil ist fesselnd. Spannend, aber nicht bedrängend. Dass es zwischen Irene und Kai leicht knistert ist eine Randerscheinung, die im Großen unwichtig ist, im Kleinen aber die Figuren klarer zeichnet. So erfahren die Figuren viel Tiefe, trotz der dichten Handlung. Das ist sehr gelungen und schafft Raum, auch Nebenfiguren wirken zu lassen. Von denen gibt es reichlich, was auch an den verschiedenen Schauplätzen liegt, nicht zuletzt aber gerade die Begegnung mit der chaotischen Welt von Kais Entführern Stil und Handlung zumindest leicht verwebt. Sehr gut.
Mir hat Die maskierte Stadt erstaunlich gut gefallen, besser als ich anfangs gedacht hatte. Aus meiner Sicht ist es für alle, die Bücher lieben eine klare Empfehlung. Ein bisschen Krimi, Fantasy, Agentengeschichte. Ein großer Topf und ein leckeres Ergebnis für meinen Lesegeschmack. Mehr davon bitte.

Bewertung vom 21.08.2016
Fisch!
Wolfsgruber, Linda

Fisch!


ausgezeichnet

Die Otter sind aufgeregt. Einer hat einen Fisch gesehen und die anderen gerufen. Gemeinsam geht es jetzt los. Mit Töpfen, Gewürzen, Wasser, Kochlöffeln. Und vor allem schnell, schnell, schnell. Sie müssen sich beeilen, denn der Weg ist zwar nicht weit, aber hügelig - und der Fisch ist ihnen wichtig.
Am Anfang war ich etwa skeptisch. Otter wollen Fisch? Naja. Fressen und gefressen werden eben. Eben nicht. Die Otter wollen den Fisch nämlich nicht essen, aber nicht nur ich habe das am Anfang gedacht. Auch Die Dreijährige ist sich beim Vorlesen sicher, dass die Otter Töpfe, Wasser und Gewürze brauchen, damit der Fisch am Ende schmeckt. Damit schafft das Buch etwas Großartiges. Das stetige Erstaunen, das Lächeln am Ende, die Überraschung und Auflösung. So mitreißend ist diese Auflösung, das wir das Buch am ersten Tag sofort mehrmals vorlesen mussten und es seitdem jedem Besuch vorgestellt wird.
Die Illustrationen dazu finde ich wirklich schön. Im Collage-Stil und mit Farben in Pastell-Nuancen sind die Bilder geradezu sanft. Noch dazu verstärken die Bilder den ersten Gedanken, dass die Otter ein Festmahl planen. Sie zeigen die Zähne, lecken sich über die Lippen. Nicht wirklich niedlich sehen sie aus. Aber auch nicht wirklich gefährlich. Die Gewürze finde ich toll getroffen. Wir konnten die realen Äquivalenten sofort im Garten suchen und daneben halten.
Der Text ist dünn und damit wird das Buch zu einem kurzen für Zwischendurch, das dennoch Spaß macht und erstaunlich viel Tiefe hat. Viele Wörter werden dreimal wiederholt, was die Spannung und die Eile der Otter verdeutlicht. Dazwischen aber haben die Otter Zeit, auf den Töpfen zu trommeln und mit Wasser zu spielen. Große Kinder. Vielleicht ist die Auflösung am Ende darum so passend.
Fisch! schafft es, unsere konventionellen Erwartungen zu nehmen und ihnen frech die Zunge heraus zu strecken. Dass meine Kleine glaubt, die Otter müssten natürlich den Fisch fressen, zeigt, wie gefangen bereits kleine Kinder in den Denkkonstrukten unserer Welt sind. Das Ende des Buches aber verkehrt alles. Und damit zeigt Fisch! wie leicht doch die Welt aus einer anderen, vielleicht besseren, Perspektive zu betrachten ist und lässt Eltern wie Kinder, Vorleser wie Zuhörer mit einem staunenden und erkennenden Gefühl zurück. Oh, es ist nicht so wie ich dachte. Ah, das ist aber viel besser.
Was mich freut ist, dass das Buch auch als Anschaubuch geeignet ist. Die Kinder können sich die Geschichte anhand der großflächigen Illustrationen herleiten, nacherzählen (die Maus kennt den Text nach einer Woche bereits auswendig) und so sich auch ohne Eltern an der Geschichte freuen. Auch schön: Die Kleine kann das Buch ihrem kleinen Bruder bereits "vorlesen". Und die Handlung freut auch mich jedes Mal wieder, so dass ich das Buch wirklich gerne vorlese - auch vier oder fünf Mal am Tag.
Fisch! hat sich auf jeden Fall in kürzester Zeit seinen Platz unter den Lieblings-Kinderbüchern gesichert. Eine absolute Empfehlung!

Bewertung vom 18.08.2016
Gefährliche Suche / Fire Girl Bd.1
Ralphs, Matt

Gefährliche Suche / Fire Girl Bd.1


gut

Hazel ist auf einer abgeschotteten Waldlichtung aufgewachsen. Außer ihrer Mutter kennt sie nur noch die alte Mary, die ab und zu vorbeikam. Beides starke Hexen. Nur Hazel scheint keine Kräfte zu haben. Was ihr ein Dorn im Auge ist, ist ihrer Mutter Hecate gerade recht. Doch dann wird Hecate entführt und Hazel macht sich auf gegen einen Gegner aus der Vergangenheit ihrer Mutter. Und gegen die Vorurteile der Menschen, die in Hexen nur Böses sehen.
Ich hatte mich richtig gefreut, endlich mal wieder einen Hexenroman zu lesen. Die Geschichte spielt in England während der Hexenverfolgung. Scheiterhaufen, gegenseitige Denunzierung und Angst prägen das Bild. Gleichzeitig ist es aber nicht das historische England, sondern ein etwas fantastisch entrücktes. Diese Mischung aus bekanntem und unbekanntem fand ich ganz gut gelöst. Auch, dass die Geschichte nicht in der Gegenwart spielt und so noch eine zeitliche Komponente Distanz schafft, ist eine gute Möglichkeit, die Welt des Romans abzugrenzen.
Hazel ist ein kleines Mädchen. Naiv, unreif, kindisch. Ihre Kräfte entwickelt sie vor allem intuitiv und emotional. Dass ihr als Begleiter eine Haselmaus gestellt wird, passt natürlich zu ihrem Name. Das Geplapper erinnerte mich aber sehr an eine Art wandelndes Gewissen. Verstärkt wird das dadurch, dass die Maus einiges weiß, was Hazel noch nicht von ihrer Mutter gelernt hat und außerdem über ziemlich gute Instinkte verfügt. Der leichte Humor, der durch die stetig ängstliche Maus und Hazels Talent, sich in Schwierigkeiten zu bringen, entsteht, durchzieht den Roman, hat mich aber schnell ermüdet. Ähnliche Konstrukte gibt es zu Hauf und hier fehlt einfach der eigene Gedanke dahinter.
Hazels Entwicklung während der Geschichte ist eher marginal. Sie handelt immer impulsiv und lernt auch bis zum Schluss nicht, vorrausschauend zu handeln. Vor allem ihre magischen Kräfte zeigen ihre Entwicklung. Ansonsten bleibt sie sehr kindisch. Gerade von ihr als Hauptfigur hätte ich mir mehr Entwicklung gewünscht. Dass es gerade eine Nebenfigur ist, die hier Entwicklung zeigt, ist schön, rettet die sonst eher blasse Figur des gealterten Hexenjägers aber auch nicht mehr. Er wird zum Stereotyp des gerade nochmal geläuterten Helden.
Zeigen sich bereits auf dem Weg zum Höhepunkt des Romans Schwächen, ist er selbst schlicht zu einfach hinter sich zu bringen. Die Lösung ist aus meiner Sicht nicht logisch und wenig glaubhaft. Gerade durch das, was der Leser während des Romans erfahren hat – vor allem kurz vor dem Finale – ist das Ende aus meiner Perspektive fragwürdig.
Die Idee von Fire Girl ist gut. Der Stil locker, manchmal fast schon gezwungen witzig, aber noch amüsant. Viele klassische Elemente treten auf und geben der Geschichte ihre eindeutig fantastische Färbung. Ich hatte von Anfang an Probleme, in den Roman zu finden und hätte mir am Ende einfach etwas mehr erhofft. Gerade für junge Leser, die Hexengeschichte mögen sehr zu empfehlen – ansonsten nur für wirkliche Enthusiasten.