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Juti
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Insgesamt 631 Bewertungen
Bewertung vom 03.01.2024
Der Trost der Schönheit
Arnim, Gabriele von

Der Trost der Schönheit


sehr gut

liebevoller subjektiver Rundgang

„Keine Kulturgeschichte“ der Schönheit schreibt die Autorin an einer Stelle, die ich mir nicht gemerkt habe. Und dennoch berichtet sie viel aus ihrem Leben. „Die Schönheit des Alters liegt in der Ruhe der Wünsche“ heißt es auf Seite 29 aus ihrem Notizbuch.

Und nicht nur die Autorin selbst, auch andere berühmte Persönlichkeiten werden zitiert. Besonders gut gefiel mir der Philosoph Ernst: „Ich würde sagen, ein gutes Leben besteht aus diesen drei Komponenten: schöne Empfindungen, Gutes tun und Erkenntnis gewinnen.“
Oder Schiller: „Jeder sucht sich seine Schönheit. Und jede sucht sich in der Schönheit, was sie braucht. ‚Schönheit als Vermittlerin der Wahrheit‘, wie Friedrich Schiller meinte.“ (122)

Ich habe mir noch aufgeschrieben, dass Herta Müller auf Seite 158 gegen die „hässliche Gleichheit“ protestiert und auf Seite 196 wird mit der Weisheit „Schönheit ist ohne Vergänglichkeit nicht zu haben“ ein Abschnitt über Christo eingeleitet. Goethes Augenblick fehlt natürlich auch nicht.


Nein, eine Ordnung habe ich diesem Buch nicht entdeckt und das ist ein Manko. Aber ich kann nicht sagen, dass sie ein Thema vergessen hätte. Nur da es weder ein Inhaltsverzeichnis noch ein Personenregister gibt, werde ich die berühmte Zitate nicht wiederfinden. So fängt das Neue Jahr mit 4 Sternen von mir an.

Bewertung vom 30.12.2023
Der Pole
Coetzee, J.M.

Der Pole


gut

guter Beginn, eher lahmes Ende

Dürfen wir uns wundern, was über dieses Buch geschrieben wird? Der Verlag, vermutlich auch der Autor nennen das Buch „Roman“, aber der Kritiker der SZ bemerkt zurecht, dass hier eine Novelle vorliegt.
Beide großen, deutschen Zeitungen schreiben aber, dass Coetzee das englische Original erst später veröffentlichen will. Das darf aber einen Kritiker nicht interessieren. Er hat nur zu bewerten, was er auf weniger als 140 Seiten vor sich hat.

Und da fangen wir heute direkt mit dem ersten Satz an: „Zuerst bereitet die Frau ihm Schwierigkeiten und bald darauf auch der Mann.“ Die Kritikerin der FAZ schreibt, das „ihm“ sei der auktorialer Erzähler, der bald zur Perspektive Beatriz’ verschwinde. In Wahrheit gibt es diesen ominösen Erzähler nur auf der ersten Textseite (9). Braucht es ihn wirklich?

Es wird nun Zeit, dass wir kurz den Inhalt vorstellen: Witold, ein bereits 70jähriger polnischer Pianist, ist zu Gast bei einem Konzert in Barcelona. In der Stadt wird Beatriz zufällig seine Begleitdame, weil Maurice wegen Krankheit absagen musste.

Den so ausführlich beschriebenen Sprachwitz finden wir nur einmal im Dialog zwischen Beatriz und Withold auf Seite 24: „‚Sie waren also immer Pianist. Von Kindheit an.‘
Ernst denkt der Pole über das Wort Pianist nach. ‚Ich war ein Mann, der Klavier spielt‘, sagt er schließlich. ‚Wie der Mann, der die Fahrscheine im Bus entwertet. Er ist ein Mann und er entwertet Fahrscheine, aber er ist kein Fahrscheinmann.‘“

Monate nach dem Konzert erhält Beatriz vom Polen ein Email, dass er nun Klavierunterricht in Girona gebe und sie vorbeikommen soll, weil er sie liebe. Doch diese Liebe wird von der verheirateten Beatriz nur halbherzig erwidert. Sie besucht ihn zwar, will aber nicht mit ihm nach Brasilien. Dennoch verbringt sie später eine Woche ohne ihrem Mann mit dem Polen auf Mallorca. Seltsam ist, dass in der SZ Beatriz mit der Jungfrau Maria verglichen wird, obwohl beide auf der Insel die Nacht in einem Bett verbringen und selbst das Alter des Mannes thematisiert wird:
„Als Liebhaber ist der Mann gut, doch nicht gut genug. Wie entschlossen der Geist auch sei, der Mann kann nicht verhindern, dass die Schwäche seiner Physis, seine mangelnde Lebenskraft den Liebesakt beeinträchtigt.“

Diese ziellose Liebesgeschichte hat mich im kurzen Buch schon etwas gelangweilt. Doch es wird noch abstruser: Die beiden sehen sich nach Mallorca nicht mehr, doch der Pole stirbt und hat Beatrice Gedicht vererbt, die an Altherrenerotik wie „Rose zwischen den Beinen“ nichts fehlen lassen. Und nach kurzem Überlegen lässt Beatrice die Werke des Polen übersetzen. Ja, das Buch endet damit, dass Beatriz dem Toten noch zwei Briefe schreibt.


Also uns kann das Ende nicht überzeugen, auch wenn die Briefe belegen, dass die Liebe über den Tod gehen kann. Überzeugt sind wir von den kurzen Abschnitten innerhalb der Kapitel, die die SZ so schön „Etüden“ genannt hat. Nach gutem Beginn bleiben noch 3 Sterne übrig.

Bewertung vom 28.12.2023
Muna oder Die Hälfte des Lebens
Mora, Terézia

Muna oder Die Hälfte des Lebens


gut

seltsame weibliche Liebesgeschichte

Wieder ein Schritt weiter auf dem Weg die Shortlist des Deutschen Buchpreises zu lesen. Und den Zong habe ich noch nicht gefunden. Zweifellos gibt es noch Luft nach oben, aber der Preisträger steht ja noch auf meiner to do-Liste.

„Die weibliche Variante“ ist zurecht noch ein Untertitel des Romans. Die Ich-Erzählerin tritt trotz frühen Krebstod des Vaters und trotz alkoholabhängiger Mutter, die sich kurz nach dem 18. Geburtstag unserer Protagonistin auch noch versucht umzubringen, in die akademische Welt ein. Doch anstatt über die Probleme mit der Doktorarbeit zu thematisieren, die Frauen viel häufiger als Männer abbrechen, über den Einfluss der Schönheit der Doktorandin, im Volksmund hochschlafen genannt, hören wir von einer Liebesgeschichte mit Magnus, den sie in ihrer Jugend in der DDR kennenlernte und sieben Jahre später wieder getroffen hat, und trotz aller Mängel, ja sogar trotz männlicher Gewalt weiterhin liebt.

Und nachdem die Handlung einmal abgebogen ist, bleibt sie dort. Trotz Warnungen im Umfeld himmelt die Ich-Erzählerin Magnus weiter an und reist mit ihm, dem Geldsorgen fremd sind, durch die Welt, bis er eine Auszeit in Kanada sucht und seine Spur sich dort verliert, aber das ist nicht das Ende.


Von mir erhält der Roman 3 Sterne. Längen sind auf den 440 Seiten unübersehbar. Außerdem möchte ich mich in die Hauptfigur hineinversetzen und dass sie sich trotz der wirklich verstörenden Gewaltszenen nicht von ihrem Geliebten trennt, ja ihn sogar noch in Schutz nimmt, ist in meine Augen nicht nachvollziehbar. Das Buch endet mit dem Tod des Geliebten und dass die Ich-Erzählerin noch die Hälfte des Lebens vor sich hat. Ich werde auch die zweite Hälfte lesen.

Bewertung vom 27.12.2023
Ein fliehendes Pferd
Walser, Martin

Ein fliehendes Pferd


sehr gut

unterhaltsame Tragödie zur Midlifekrise

Was machst du, wenn du in der Sauna bist und merkst, dass du deine Lektüre vergessen hast? Du gehst ans Regal und schaust, was da so steht. Und ich fand ein kleines Bändchen, für ohne Brille groß genug geschrieben und nicht vergilbt, vom berühmten Martin Walser.

Nun lese ich also vom drögen Lehrer Helmut, der als „Bodenspecht“ verschrien ist, weil er den Mädels nicht auf die Rundungen schauen will, und seiner Frau Sabine, die in ihrem Urlaub am Bodensee – wo sonst? – den Journalisten Klaus Buch und seine Freundin Hel oder Helene treffen.
Helmut und Klaus sind alte Schulfreunde und Klaus erzählt gerne, wie sie gemeinsam gerubbelt haben und Helmut wegen zu langer Vorhaut sein Saft ins Gesicht gespritzt hat. Da bleibt Helmut nur die Möglichkeit zu scholzen und am lautesten über die Geschichte zu lachen.

Obwohl die Freundschaft nicht ungetrübt ist, verabreden sich die Pärchen zu einer Wanderung, bei der Helmut ein fliehendes Pferd zähmt und auch sonst den großen Zampano raushängen lässt.
Am nächsten Tag verabreden sich die Männer zu einem Segelturn. Es kommt Sturm auf und der seeerfahrene Klaus geht über Bord, der ängstliche Helmut wird dagegen mit dem Boot an Land gespült.

Die trauernde Witwe Hel erzählt darauf, dass Klaus immer nur den Großen gespielt hätte und in Wahrheit Tag und Nacht gearbeitet hätte und mit Helmut auf die Bahamas auswandern wollte. Die Novelle endet mit dem Abbruch des Urlaubs von Helmut und Sabine, die nun nach Südfrankreich fahren wollen.


Das Büchlein ist in zwei Tagen gut zu schaffen. Es bietet gute Unterhaltung, thematisiert die übertriebene Selbstdarstellung der Männer. Als Schullektüre würde ich es aber nicht lesen, da die Altherrenerotik keine Jugendliche vom Herd holen wird und auch die Frauenfiguren nicht mehr als Beiwerk sind. Das Ende hätte auch spannender sein können. Dennoch volle 4 Sterne.

Bewertung vom 20.12.2023
Morgen und Abend
Fosse, Jon

Morgen und Abend


gut

Wiederholung als Stilmittel

Tagelang sitze ich an Kermanis Roman und werde doch nicht fertig. Gestern zog ich den Schlussstrich und heute habe ich bereits mein erstes Buch des neuen Literaturnobelpreisträgers gelesen.

Meine Ausgabe hat nur 118 Seiten und das erste Kapitel über die Geburt von Johannes ist bereits nach 25 Seiten zu Ende. Vielleicht lässt sich das als Prolog lesen. Der eigentliche Beginn wäre dann das zweite Kapitel, das vordergründig einen alten Rentner überlegen lässt, was er mit seiner freien Zeit machen soll, bis er schließlich mit seinem Freund Peter aufs Meer, um Krebse zu fangen.

Das dritte und letzte Kapitel – die FAZ fragt zurecht, ob es wirklich ein neues Kapitel ist oder nicht vielmehr nur ein neuer Abschnitt – lässt dann die Rentner ihren Fang verkaufen, aber keiner kommt, bis auf ein paar Frauen.

Eine besondere Rolle spielt Erna, die Ehefrau von Johannes, die ihm sieben Kinder schenkte und jetzt mit Peter bekannt und am Hafen mit der Freundin unterwegs ist. Erst glaubten wir, Erna sei tot, jetzt denkt der Leser, sie seien geschieden. Doch dann nimmt die Erzählung eine Wendung, die die FAZ spoilert, ich aber nicht.


Beim Barcelona Autor Zafon habe ich bewundert, dass seine Dialog oft eine unerwartete Wendung nehmen. Fosse arbeitet mit dem Gegenteil. Er lässt den einen Fischer in der Antwort wiederholen, was der andere gesagt hat. Und weil sie sich wenig zu sagen haben, wir das eine Thema gleich mehrfach aufgetischt.

Mir gefällt das nicht sonderlich. Dieses Bändchen erschien im Jahr 2000. Nobelpreiswürdig war es für mich nicht. Ich habe noch ein Werk des Autors auf dem Nachttisch liegen. Vielleicht weiß ich danach mehr. 3 Sterne – es war ganz nett.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.12.2023
Das Alphabet bis S
Kermani, Navid

Das Alphabet bis S


schlecht

Wieder gescheitert

Was ich zum Roman „Dein Name“ geschrieben habe, stimmt auch für Kermanis neues Buch. In Wirklichkeit ist der Roman ein Tagebuch, diesmal aber um die Hälfte kürzer mit nur noch 591 Seiten. Wieder fehlt ein Inhaltsverzeichnis, doch diesmal habe ich mich an seine Sprache offenbar mehr gewöhnt.

Oder gibt es doch eine Struktur? 365 Kapitel, also 365 Tage. Um die 150 sind einige Tage leer. Also nichts zu sagen. Vieles dagegen über die Trauer der Ich-Erzählerin wegen ihrer toten Mutter. Und dann noch das Projekt ungelesene Bücher der Autoren bis S lesen zu wollen. Das bindet etwas, wenn auch nicht stark.

Ja, ich habe echte Höhepunkte gefunden: So wird auf S.32 Peter Altenberg zitiert: „Der Mann hat eine Liebe – die Welt! Die Frau hat eine Welt – die Liebe!“
Auf S.96 findet sich ein Zitat von Meister Eckart: „Soll das Herz vollkommene Bereitschaft haben, so muß es beruhen auf reinem Nichts.“

Und welch beeindruckende Kirchenbeschreibung lese ich auf S. 120: „Nach Gott gesehnt, deshalb nach Groß Sankt Martin gegangen, wo Nonnen und Mönche fünfmal am Tag beten. Das Gehabe haben sie abgelegt, die Hierarchie, soweit es möglich ist, die Männerlastigkeit und den Prunk, so daß die Schönheit des Christentums zutage tritt, die Musik, die Liebe, die Anmut, auch der orientalische Ursprung und die Marienverehrung, also nicht gegen die Tradition, vielmehr in älterer Tradition.“

Dann schreibt Kermani auf S. 198: „Der Reiseführer nennt jede Ortschaft malerisch, in der noch alte Häuser stehen, malerisch ist nicht bloß das häufigste, es ist beinah das einzige Attribut. An Orte, die nicht malerisch sind, vergibt er einfach kein Attribut. Sie sind eigenschaftslos.“
Theologisch wird es auf S.213, als die Ich-Erzählerin sinniert, dass die Nächstenliebe zu lasten der eigenen Leute geht: „Findet sich im Evangelium ein freundliches Wort über Maria aus seinem [Jesus] Mund? Oder gar über Josef? Über die Nachbarn in Nazareth, die Menschen in Jerusalem, sein eigenes Volk, das mit der Unterdrückung leben muß? Nicht ehre deine Eltern, sondern wer Vater oder Mutter mehr liebt denn mich, der ist mein nicht wert.“

Und so kam weiter voran, als in seinem letzten Roman, doch langsam verlor ich die Lust. Nach dem Kapitel 200 auf Seite 289, mitten im Sommer, dachte ich, es Zeit die Reißleine zu ziehen und das Buch als Weihnachtsgeschenk für den nächsten vorgemerkten Kunden in die UB zurückzubringen.


Abgebrochene Bücher bekommen nur einen Stern. Diesmal bedauere ich das sehr. Ich wünsche mir, dass meine Nachfolgerin länger durchhält, den zweiten Teil ebenso ausführlich beschreibt und von mir noch einen Extrastern hinzufügt. Doch ich muss mich an meine Regel halten. Leider!

Bewertung vom 19.12.2023
Dein Name
Kermani, Navid

Dein Name


schlecht

langatmiges Tagebuch

Was sich Roman nennnt, ist in Wirklichkeit ein Tagebuch mit 1228 Seiten! Da es weder ein Inhaltsverzeichnis noch sonst etwas gibt, was einem einen Anhaltspunkt gibt, was die Leserin gleich erfährt, ist es sehr schwer die spannenden Stellen zu finden, so dass ich nur bis Seite 192 gekommen bin.


In einer Bewertung schrieb ich, Kermani solle sich auf Sachbücher konzentrieren. Ich kann dies nur nochmal unterstreichen. Abgebrochene Bücher bekommen nur einen Stern.

Bewertung vom 13.12.2023
Erotik und Ethik in der Bibel

Erotik und Ethik in der Bibel


sehr gut

tolles Kompendium

Außer der Wünschelrute ist bei diesem Werk nichts steif. Es enthält zahlreiche Essays von namhaften Theologe über das Verhältnis der Erotik – hier war wohl eher die Alliteration mit Ethik der Mutter des Gedankens, die Frau auf der Straße würde wohl er von Liebe sprechen – und den Gesetzten dazu, wie sie in den Büchern Mose stehen.

Doch wäre diese Beschreibung viel zu kurz, wenn wir nicht auch die Texte zum Hohen Lied und den Geschichtsbüchern erwähnen würden. Und auch das ist zu kurz gesprungen, weil es auch noch Texte zum Neuen Testament gibt. So führt der alte Hase Theißen aus, wie Paulus zur Homosexualität steht. Und auch das ist noch nicht alles: In einem Exkurs wird dargelegt, dass der Kult, als Jungfrau in die Ehe zu gehen, nichts mit dem Jungfernhäutchen zu tun hat, was schon die alten Griechen wussten. Ja, die alten Ägypter hatten dafür nicht einmal ein Wort.


Mir fehlen weitere Worte. Es ist deutlich geworden, wie umfangreich dieser Ziegelstein ist. Etwas schade ist, dass einige Autorinnen und Autoren wohl nur ihre Kollegen im Kopf hatten und die Frau auf der Straße vergaßen, die bei einem hebräischen Wort gerne auch die Übersetzung dazu lesen würde. Deswegen nur 4 Sterne.

Bewertung vom 11.12.2023
Die Liebe an miesen Tagen
Arenz, Ewald

Die Liebe an miesen Tagen


weniger gut

behäbiger Altersroman

Die Rezensionen von Denis Scheck treffen meistens ins Schwarze. Doch vor allem sein Extralob auf die Sprache dieses Buches hätte er sich sparen müssen. Schade, dass ich ihn nicht fragen kann.

Viel zu oft ist von „Sex haben“ die Rede. Dafür schlafen die Protagonisten nie miteinander und machen auch nie Liebe. Außerdem besteht die Hälfte der Geschichte aus einfacher wörtlicher Rede.

Ich will diesem Roman zu Gute halten, dass eine Liebe im älteren Semester selten erzählt wird. Der Mann Elias muss sich von seiner Frau trennen, die Frau Clara muss sich um ihre demente Mutter kümmern. Daneben beschreibt er Alltagsprobleme wie Jobverlust und am Ende auch noch medizinische Leiden, die viel zu ausführlich geschildert werden. Immerhin entsteht so erstmals ein Hauch von Spannung.


Weil ich tapfer bis zum Ende durchgehalten habe und weil die Wahl der Themen gelungen ist, rücke ich 2 Sterne raus, mehr kann es trotz Adventszeit von mir nicht geben.

Bewertung vom 01.12.2023
Lichtspiel
Kehlmann, Daniel

Lichtspiel


ausgezeichnet

fiktiver historischer Roman der Meisterklasse

Wie schon in „Die Vermessung der Welt“ und in „Till“ ergänzt der Schriftsteller Kehlmann eine oder mehrere historische Figuren mit fiktiven Personen. Diesmal ist der Filmemacher G. W. Pabst unser Protagonist, die die Süddeutsche wie den heiligen Vater schreibt, vermutlich sind die Bayern zu papsttreu.

Pabst war ein berühmter Stummfilmregisseur, der den Weg nach Hollywood schaffte, sich aber dort – so schreibt Kehlmann – nicht durchsetzen konnte und heim nach Österreich, damals die Ostmark, reiste. Als seine Mutter endlich einen Sanatoriumsplatz ergattert hat, fiel Pabst von der Leiter und dann brach der Krieg aus, die Grenzen waren dicht und Goebbels brauchte einen guten Filmemacher.

Allein schon dieser ungewöhnliche Lebenslauf regt zum Lesen an. Es wird zudem noch gewürzt mit kleineren Einzelkapiteln, etwa wie Sohn Jakob sich bei seinen Nazimitschülern Respekt verschafft oder mit wievielen Wendungen das Gespräch zwischen Goebbels und Pabst verläuft.

Die FAZ prüft, was historisch ist und was nicht und die SZ weist daraufhin, dass Pabst Ehefrau Trude in einem Lesezirkel mit Nazitanten die Werke der Naziautoren über den grünen Klee loben muss, um dort aufgenommen zu werden.

Spannend wurde es dann als Pabst seinen letzten Film „Molander“ (ich hoffe, dass es stimmt) dreht und wie die Komparsen der Wehrmacht herbeigeschafft werden oder aus Lagern geholt werden. Pabst muss wegen der heranrückenden Russen den Film in tagelanger Arbeit mit seinem Assistenten zusammenstellen und verliert ihn dennoch im Zug nach Wien. Bis heute – und das ist historisch – ist dieser Film verschollen.

Nach dem Krieg erleben wir die Verwundung des Sohnes Jakob und den Rückblick des greisen Assistenten, lange nach Pabst Tod.

Wie Juli Zeh ist Kehlmann ein Autor, dessen Bücher ich immer gerne lesen und auf dessen nächstes Werk ich mich schon freue, weil Lichtspiel mich wieder überzeugt hat. 5 Sterne